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Der schönste schlimmste Tag meines Lebens

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28.03.2003
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Der schönste schlimmste Tag meines Lebens

„Mutter? Wo ist mein blaues Strumpfband?“ Hektisch rannte ich hin und her und versuchte die vier wichtigen Dinge zu finden, die ein Braut für ihr perfektes Glück braucht: etwas Neues, etwas Altes, etwas Geborgtes und etwas Blaues.
Mir fehlte nur noch eins: das Strumpfband. „Da wo ich es dir schon gestern Abend bereitgelegt habe!“ gab mir meine, schon leicht genervte Mutter zur Antwort.
Ich hatte meine Mutter schon bei Tagesanbruch geweckt um mir bei meinen Vorbereitungen zu helfen, da ich sowieso nicht schlafen konnte. Aber der Grund war nicht die übliche Aufregung vor einer Hochzeit. Naja, vielleicht war das EIN Grund. Aber mit Sicherheit nicht der schwerwiegendste. Mein „toller“ Verlobter Nicolas, erfolgreicher Manager einer Softwarefirma, hatte sich nun schon drei Tage nicht mehr blicken lassen. Ich hatte keine Ahnung, ob er noch auftauchen würde. Ehrlich gesagt wusste ich auch gar nicht ob ich dass wollte. Meine Mutter versuchte mich immer wieder zu beruhigen: „Der kommt schon noch...“ Logisch dass sie ihn zum Schwiegersohn wollte. Er war eine „gute Partie“ in ihren Augen. Reich, gutaussehend... er konnte sogar sehr charmant sein, wenn er wollte. Sie liebte ihn wie jeder andere. Aber liebte ich ihn?
Vor einer Woche noch war ich hundertprozentig davon überzeugt gewesen. Aber schon ein paar Sekunden der Untreue können 3 Jahre einer Beziehung zerstören. Und Nicolas... nun ja, er war mehr als nur ein paar Sekunden untreu gewesen. Und er meinte wohl, jetzt wo wir so gut wie verheiratet waren, könnte er es mir ja beichten: „Tut mir leid aber ich bin nunmal jung... Und wenn du nicht da bist, bin ich eben einsam und dann...“ Er hatte sich Prostituierte nach Hause bestellt. In UNSER Ehebett! Nun ja, noch war es nicht das Ehebett. Wie hätte ich auf sowas reagieren sollen?
Ich habe ihm eine Vase an den Kopf geschmissen. Ich wusste gar nicht, dass ich so gut werfen kann. Er musste mit sieben Stichen genäht werden. Dann ging er mit den Worten: „Bis Montag!“ packte seinen Koffer und ging.

„Und wo hast du es hingelegt?“ Ich war kurz davor mir mein Hochzeitskleid vom Leibe zu reissen, meinen Koffer zu packen und aus der Hintertür zu verschwinden. Dafür, dass dies der schlimmste Tag meines Tag meines Lebens werden sollte, war das Wetter erstaunlich gut. Die Sonne schien, blauer - fast wolkenloser Himmel. Die Hochzeit sollte in unserem Garten stattfinden. Ein Teil der Gäste war schon da. Meine Schwestern kümmerten sich um sie. Komisch... kein Mensch hier ahnte auch nur das Geringste wie ich mich fühlte. Dass ich das Gefühl hatte, mein Leben würde hier und jetzt enden... Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so einsam gefühlt. Aber ich konnte nicht einfach verschwinden. Meine Eltern waren so stolz auf mich. Ich würde in „besser Kreise“ einheiraten. Wie konnte ich sie da enttäuschen? Hoffentlich würde wenigstens Can kommen. Nicolas’ Nachbar. Ich hatte ihn sehr gern. Aber Nic hatte mir verboten ihn einzuladen. Er war sowas von eifersüchtig. Dabei hatte ER gar keinen Grund dazu.
Can war in dieser reichen und exquisiten Gegend ein richtiger Aussenseiter. Er hatte zwar Geld, aber dass hatte er sich hart erarbeitet, nicht so wie die meisten hier die ihr Vermögen immer weitervererbten.
Can verbrachte nicht sein halbes Leben auf Cocktailparties so wie es hier gang und gebe war. Er hatte eine Harley, mit der er die ganze Nachbarn verrückt machte und feierte Parties, die nicht den Richtlinien der Schicki-Mickis entsprachen. Und das war etwas an ihm, was ihn mir sehr sympathisch machte. Wenn Nic ab und zu auf Geschäftsreisen war, lud ich Can zu einem Kaffee oder Bier ein. Dann lästerten wir über die hochnäsige Nachbarschaft und tauschten den neuesten Klatsch aus. Es gab immer so viel zu lachen... Jetzt hatte ich das Gefühl nie wieder Grund zum Lachen zu haben. Ich lächelte nun zwar, aber das war nur aufgesetzt und ein Krampf kündigte sich schon an.
Can... hmm... ob er wohl zu Hause war? Ich fasste einen Entschluss, raffte meinen Rock, und machte mich auf den Weg. Ich stand schon vor der Tür und überlegte, ob ich nicht doch besser umkehren sollte, als sie sich öffnete und Can mich anlächelte. „Wie lang hattest du noch vor da rumzustehen?“ fragte er mit einem herzlichen Lächeln. Seine Augen aber lachten nicht wie sonst. Es gibt nur wenige Menschen, die mit ihren Augen lachen können. Can war einer davon.
Aber heute wirkte er eher traurig. Ihm geht’s wie mir, dachte ich. Ihm geht’s immer so wie mir. Wir waren einander nicht unähnlich. Als ich merkte dass ich ihn anstarrte, wurde ich verlegen. „Oh,... Can... Ich wollte fragen...also... Willst du nicht zu meiner Hochzeit kommen?“ Ich fragte bewusst nicht ob er zu „unserer“ Hochzeit kommen wollte, denn ich wollte nicht an Nicolas denken. Dass ich IHN in weniger als einer Stunde heiraten würde. „Ehm...“, Can schien auch verlegen. „Wenn du dass gerne möchtest, dann komme ich.“ Er war wirklich so ein toller Freund. Mein einziger, seit ich zu Nic gezogen war, und er mir verboten hatte mit meinen Freunden Kontakt zu haben. „Ich zieh mich nur noch kurz um. Ich komme dann rüber.“ Ich glaube, er merkte, dass ich unglücklich war, denn er legte seine Hand auf meine Schulter und schaute mich ernst an. Ich dachte schon - jetzt küsst er mich, doch abrupt änderte sich der Ausdruck in seinen Augen und er nahm die Hand weg. „Geh besser wieder rüber. Sie suchen bestimmt schon nach dir.“ Enttäuscht ging ich wieder hinüber. Erst jetzt merkte ich, dass ich mir insgeheim gewünscht hätte, dass Can mich bittet Nicolas nicht zu heiraten. Doch was machte ich mir für Illusionen. Warum sollte er mich wollen?

Can kam und kam nicht. Nicolas genausowenig. Die Gäste wurden schon ungeduldig. Ich auch. Aber ich fragte mich, wo Can blieb. Nicolas konnte von mir aus zum Teufel gehen. Die Musiker machten mich darauf aufmerksam, dass sie nach dieser Hochzeit, noch zu einem Geburtstag mussten, und das, wenn mein Zukünftiger nicht bald kam, in Probleme ausarten würde.
Und dann sah ich jemanden die Auffahrt rauftorkeln. Wir waren alle im Garten und man sah den Gästen an, dass sie sich fragten, wer DAS denn war. Als er näher kam, erkannte ich ihn - Nicolas. Er sah schrecklich aus. Er hatte wohl noch weniger geschlafen als ich. Und Gott weiss wo er sich rumgetrieben hatte. Nein... Nein, Nein, Nein... „NEIN! Den heirate ich nicht!“ bevor mir bewusst wurde, dass ich das laut gesagt hatte, kam Nic auf mich zu „ Das wirst du doch! Du wirst tun, was ICH sage!“ Er hatte eine furchtbare Schnapsfahne.
Nic hatte mich am Handgelenk gepackt und drückte so fest, dass ich dachte, dass meine Knochen gleich zersplittern würden. Die Gäste starrten nur und plapperten verwirrt und entsetzt. „Lass sie los!“ Can! Gott sein Dank! Mein Freund, mein Held. Nicolas wirbelte herum und verpasste Can, der gerade meine Hand befreien wollte, einen Kinnhaken. Dass ließ Can nicht auf sich sitzen. Und so prügelten sie sich vor allen Gästen, vor dem Pfarrer, vor der gesamten Nachbarschaft. Und keiner wusste genau, um was es ging. Nur ich. Ich konnte kaum glauben, dass das hier wirklich passierte. Auf einmal hörte ich Sirenen. Ein Krankenwagen? Nein, sie sahen nicht so aus, als ob sie einen Krankenwagen brauchen würden. Polizei! Himmel! Wer hatte die Polizei gerufen? Die Beamten stiegen aus und trennten die Streithähne in geübter Routine. Nicolas verfrachteten sie auf den Rücksitz, Can befragten sie. Als alle bestätigt hatten dass Can nur versucht hatte sich zu verteidigen, wurde Nic abtransportiert. Can hatte ein geschwollenes Auge. „Soll ich dir Eis holen?“ fragte ich in der Hoffnung irgend etwas tun zu können, als nur dumm dazustehen. „Warte!“, sagte er und zog mich an sich. „Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte. Ich wusste nicht, ob ich es ertragen kann zuzusehen, wie dich ein anderer als ich heiratet. Ich liebe dich. Ich konnte es dir nur nie sagen. Ich möchte nie wieder zu deiner Hochzeit eingeladen werden ohne der Bräutigam zu sein. Also... Willst du... mich heiraten?“ „JA!“ Ohne zu überlegen hatte ich geantwortet. Das zweite „Ja, ich will.“ War etwas überlegter.

Das war wirklich der schönste Tag meines Lebens. Nie hätte ich gedacht, dass alles siech zum Guten wenden würde. Nur die Hochzeitsfotos erinnern noch daran, dass ich ursprünglich Nicolas hätte heiraten sollen. Denn Cans blaues Auge kann man kaum übersehen.

 

Hallo Melly,

zunächst heiße ich dich ganz herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de!

Also, ich bekenne mich schuldig. :lol: Schuldig in dem Sinne, dass ich deine Geschichte mit einer gewissen Begierde zuende gelesen habe. Ich glaube, in mir steckt mehr von einer Gloria-Roman-Leserin, als ich mir selbst einzugestehen erlaube.

Nungut, ich habe wohl grad mal meine erkenntnisreichen 5-Minuten und möchte daher offen und ehrlich sagen, dass mir deine Geschichte gut gefallen hat, auch wenn sie vor Banalität nur so strotzt, denn der von dir gewählte Plot hat ausser Klischees nichts weiter zu bieten.
Sei mir bitte nicht gram, denn eine Geschichte gerne lesen, heißt just in diesem Falle noch nicht, dass sie gut ist.
Eine gute Geschichte hat auch einen tiefsinnigeren Inhalt und der ist hier eben nicht gegeben.

Liebe Melly,
du siehst mich also hier in einem Widerspruch, den ich dir sogleich auflöse:
du kannst recht ansprechend schreiben und hast zudem dein Sprachwerkzeug auch sinnvoll dafür eingesetzt, einen sauberen Spannungsbogen zu schaffen.
Ich, Leserin habe trotz der Banalität des Inhalts nicht umhin gekonnt, deiner Protagonistin und diesem Can hinterherzujiepern, ob sie sich nun oder ob sie sich nicht kriegen. :D
Das ist für sich gesehen eine gute Leistung, die du vollbracht hast, denn für gewöhnlich gibt mir mein Gehirn viel eher den Tipp, das ein Weiterlesen sich wegen des Inhalts nicht lohnt.;)

Ich wünsche mir, Melly, dass du als nächstes eine Geschichte schreibst, die von ihrem Inhalt und damit ihrer Aussage her, wesentlch mehr bietet. Ich glaube, du könntest das. Wie wär's? Ich freu mich schon darauf.

Lieben Gruß
lakita

 

Hehehe, ganz ehrlich: Erinnert mich an den "Schrott", den ich damals mit zwei anderen Durchgeknallten mit Vergnügen gelesen habe. Nun ja, die Story amüsiert mich. Aber hauptsächlich deswegen, weil sie mich an frühere Zeiten und Geschichten erinnert, die man sich im Bett mit Freundinnen ausdachte, wenn man zu schlafen versuchte (wobei es da nicht direkt um die Ehe ging, aber vom Schema halt gleich).

Schreib mal weiter, ich bin sicher, dass Du mit der Zeit ein ganzes Stück besser wirst. Potential hast Du jedenfalls.

 

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