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Der Sauschädel

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02.02.2003
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Der Sauschädel

Als Severin die erste wahre Frau kennenlernte war er einundzwanzig Jahre alt. Sein Liebesleben war bis zu diesem Zeitpunkt kaum erwähnenswert. Er verabredete sich mit gleichaltrigen Mädchen, alle gleich unerfahren und gleich ungeschickt in Liebesangelegenheiten wie er selbst, und alle weigerten sich beharrlich, Severin in den Mund zu nehmen. Keine dieser zwar recht zahlreichen aber doch nur halbgaren Beziehungen zog sich länger als zwei Monate hin, und keine der ebenso zahlreichen Trennungen vermochte jenen Schmerz in Severin auszulösen, wie ihn nur wahrhaft unglücklich Liebende empfinden können.

Das Schicksal, was Severins weiteren Umgang mit dem anderen Geschlecht anging, offenbarte sich ihm in Form eines Sauschädels, dessen leere Augenhöhlen ihm beim Betreten des Fleischhauerladens geradewegs ins Herz zu schauen schienen und dessen Saurüssel ihn spöttisch angriente. Getragen wurde dieses riesige Prachtexemplar schweinischer Zuchtkunst von Frau Lamprecht, der Nachbarin, die die Wohnung unter jener von Severins Eltern bewohnte; und bei denen hatte Severin nach wie vor sein Zimmer. Die Lamprecht mochte, so schätzte Severin, um die fünfunddreißig sein, hatte das, was Männer ihrer Generation frauliche Rundungen nannten und war außerdem stolze Besitzerin der wildesten und längsten und rötesten Haarmähne, die Severin je zu Gesicht bekommen hatte.

„Sie haben ja einen tollen Sauschädel, Frau Lamprecht“, rief Severin der Nachbarin wohlgelaunt zu, was ein breites Grinsen auf das Gesicht des Fleischhauermeisters zauberte. Doch Severin verschwendete keinen Gedanken an die linkische Formulierung, die ihm da passiert war, und auch die Lamprecht hatte nichts bemerkt. Zumindest ließ sie sich nichts anmerken.
„Er ist jedenfalls toll schwer und das ist ärgerlich. Du siehst ja, was ich sonst noch zu schleppen habe“, antwortete sie und sah dabei zu den beiden prall gefüllten Einkaufstaschen, die links und rechts von ihr standen. Rasch und ohne großes Nachdenken bot sich Severin an: „Ich könnte Ihnen behilflich sein.“ Die Lamprecht musterte ihn von oben bis unten und lächelte. „Oh ja. Das könntest du wirklich.“ Und so verließen die drei das Geschäft. Severin, die Lamprecht und der Sauschädel.

Der Weg zu der Wohnung, die die Lamprecht mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in trauter Kleinbürgerharmonie bewohnte, war nicht allzu weit und bald schon war man vor der Haustür angekommen.
„Was tust du eigentlich so?“, fragte die Lamprecht, als sie aufschloss.
„Ach. Eigentlich gar nicht viel“, schnaufte Severin, und er hätte gerne mit den Schultern gezuckt, wenn das Eingekaufte nicht gar so schwer gewesen wäre. Die Lamprecht ging mit dem Sauschädel voraus, querte das Vorzimmer und nickte zu einer Tür links von ihr.
„Da ist die Küche, Severin. Könntest du die Sachen da hinein bringen? Und sei so lieb und räum mir das verderbliche Zeug gleich in den Eiskasten.“

Severin, von hilfsbereiter Natur, machte sich eifrig daran, dem Wunsch der Nachbarin nachzukommen. Er betrat die blitzsaubere Küche, räumte das Eingekaufte aus und verstaute Milch, Eier, Suppengemüse, Joghurt, Bananen und Hartkäse wie ausgemacht.
„Ich hab’s getan, Frau Lamprecht!“, rief er und verließ die Küche. Keine Antwort. Severin steckte seinen Kopf in das Wohnzimmer und sah sich neugierig um. Sein Blick wanderte über die reichlich konservative Einrichtung. Wie schon in der Küche, herrschte auch hier eine vorbildliche Ordnung. In einer Ecke gurgelte ein Zimmerbrunnen vergnügt vor sich hin, die Nachbarin war aber nicht zu sehen.
„Frau Lamprecht?“, hob Severin die Stimme noch einmal.
„Ich bin hier, Severin“, vernahm er jetzt ihre Stimme gedämpft hinter einer Türe, die ihm gegenüber wieder aus dem Wohnzimmer hinaus führte.

Er näherte sich dieser Türe und fand sie nur angelehnt. Vorsichtig stieß er sie auf.
„Kann ich noch etwas für Sie tun, Frau Lamprecht?“ Die aufschwingende Türe gab den Blick auf das nachbarliche Ehebett frei, auf dem die Lamprecht ausgestreckt und mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lag, ganz so, als hätte sie sich plötzlich entschlossen, einen kurzen Mittagsschlaf zu halten.
„Sag doch Paola zu mir“, gurrte sie, hob dabei den Kopf und lächelte Severin über ihren reichlich üppigen Busen hinweg an. Sie war, sah man von den schwarzen Strümpfen ab, vollkommen nackt.

Severins Mund wurde schlagartig trocken. Seine Augen wanderten über den Körper der Lamprecht und nahmen gierig jedes noch so kleine Detail auf. Das Muttermal auf ihrer linken Schulter, ihre makellos rasierten Achselhöhlen, ihren Bauchnabel, der ein wenig weit herausragte, den säuberlich zurechtgestutzten Schamhaarstreifen, der flaumig und gepflegt den Weg in Richtung Severins höherer Kopulationsweihen wies. Eine Sekunde lang bildete Severin sich ein, genau dort ein nasses Glitzern wahr zu nehmen.

Der letzte klare Gedanke aber, den Severin noch zu fassen imstande war, galt dem Farbton der beiden nachbarlichen Brustwarzen, die stramm und steif der weiteren Ereignisse zu harren schienen. Dieser Farbton, so fand jedenfalls Severin, stimmte exakt mit dem Schweinsrosa des Sauschädels überein, der stolz und mächtig auf dem Nachtkästchen neben dem Bett thronte, und der nun, schweinisch grinsend, Zeuge davon wurde, wie Severins altem Wunsch, endlich von einer Frau in den Mund genommen zu werden, köstlich entsprochen wurde.

 

hello journey2heaven,

das nenne ich eine muntere Geschichte.

Da es eher um körperliche, oberflächliche Dinge zu gehen scheint, frage ich mich allerdings nach dem Sinn des Satzes '...keine der ebenso zahlreichen Trennungen vermochte jenen Schmerz in Severin auszulösen, wie ihn nur wahrhaft unglücklich Liebende empfinden können'. Denn dazu reicht der Mund am Ende wohl auch nicht.

Woran erkennt man eigentlich den Unterschied zwischen einem Sauschädel und einem Eberschädel?

Viele Grüsse vom gox

 

hi gox,

kommentieren wir gerade synchron unsere geschichten? faszinierend.

zu deiner anmerkung: mit diesem satz wollte ich meinem severin ein wenig oberflächlichkeit anhängen. möglich, dass ich das verbockt habe. und zugegeben: ich verliere auch kein wort darüber, wie sich das schicksal weiter mit meinem prot befasst.

ich bin leider veterinärtechnisch nicht in der lage, deine abschließende frage zu beantworten. und hand aufs herz: ist das für die geschichte von belang?

lg p.

 
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Guten Abend, journey2heaven,

ich kann mich gox nur anschließen: Du hast die Konstellation Jüngling voll Sturm und Drang und gut abgehangene Nachbarin im wahrsten Wortsinn vollmundig in Szene gesetzt. Schön auch die dezent schwarzhumorigen Spotlights auf die kleinbürgerliche Idylle, die den Hintergrund für deine Venus bildet.

Nur - entweder bin ich zu verpeilt und die Schlusspointe ist jenseits meiner Verstandeskraft oder es gibt keine richtige, z.B. in dem Stil, dass er bei der Erfüllung seines Herzenswunsches mit dem Sauschädel vorlieb nehmen muss oder so. Bitte um Aufklärung! ;)

Grüße, Chica

 

hallo chica,

dank fürs lob. ich darf deine verwirrung auflösen? es gibt keine klassische pointe. irgendwann - keine ahnung, wie ich auf sowas komme - tauchte dieses schlussbild vor mir auf: ein paar beim paaren und ein schweinskopf sieht dabei zu. die geschichte ist nichts anderes, als diese, für mich doch ziemlich skurille situation, plausibel in szene zu setzen. also sorry: kein kracher am schluss.

lg p.

 

Es fragt sich natürlich schon, wer hier die Sau ist: die Nachbarin? Das echte Schwein? Der Severin wohl nicht, er ist nicht einmal ein Ferkel. Ganz züchtig ist er, keine Erektion und schauen tut er zuerst auf das Muttermal auf der Schulter – wer’s glaubt wird selig.

Ja, so eine dralle und fickrige Nachbarin, das ist schon was für einen Jungchen – mir ist nicht anders ergangen, allerdings nicht erst mit zwanzig, es muss schon so sein, von irgendjemand muss man das ja schließlich lernen, in der Schule lehren sie nicht einmal die Theorie, geschweige denn das Handwerkliche.

Dion

 

Hej journey2heaven,

Deine Geshcichte ließ mich schmunzeln, und ich frage mich immernoch, ob sie nicht in "Humor" weitaus besser aufgehoben wäre, denn so recht "echt" will sie einem ja wirklich nicht erscheinen...

Aber sie darf auch gerne hier bleiben, auch wenn ich sie aufgrund des Titels fast nicht gelesen hätte und mir hin und wieder ein Synonym für den Sauschädel gewüncht hätte (kausale Zusammenhänge sind in diesem Satz nur bedingt zu finden).

Eine klitzekleine Fehlerliste hab ich noch für Dich:

Keine dieser KEIN KOMMA zwar recht zahlreichen aber doch nur halbgaren Beziehungen zog sich länger als zwei Monate hin
Das Schicksal, was Severins weiteren Umgang mit dem anderen Geschlecht anging
"das" oder "welches" - "was" ist mehr als umgangssprachlich!

Lieben Gruß

chaosqueen

 

hallo CQ,

danke für deinen kommentar. humor? :hmm: irgendwas mach ich falsch. :D

der titel mag sich möglicherweise in romantik/erotik etwas sonderbar ausnehmen, aber ich kann so gar nichts verwerfliches daran entdecken. in A wird das teil nun mal so genannt (oder schweinskopf, was mir nicht so zugesagt hat). über das synonymisieren des sauschädels habe ich eine weile nachgedacht, aber das wirkte dann etwas zu bemüht auf mich.

zu deiner fehlerliste ...

Keine dieser KEIN KOMMA zwar recht zahlreichen aber doch nur halbgaren Beziehungen zog sich länger als zwei Monate hin

einverstanden. passt. ausgebessert. danke.

"das" oder "welches" - "was" ist mehr als umgangssprachlich!

ähm ... seit tagen sage ich mir den satz mit 'das' bzw. 'welches' vor und bin endlich zu dem entschluss gekommen, dass keines der beiden sinngemäß passt. und das umgangsprachliche an meiner formulierung mag sich mir auch nicht so recht erschließen.

lg p.

 

Hallo Journey,

da ist auch nichts Verwerfliches in deiner Geschichte. Allerdings hätte ich auch die Geschichte über geglaubt, dass es letztlich der Sauschädel sein würde, der Severin die oralen Ergüsse bereiten würde, nicht der der Schlachtersgattin.
Was die Rubrik betrifft, finde ich diese hier schon ganz richtig. Schließlich ist doch die Erotik etwas was Spaß bringen soll, was spricht da gegen Humor?

Stilistisch habe ich bei dir eh fast nie was auszusetzen. :)

Einen lieben Gruß, sim

 

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