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Der Sandmann
Sehr geehrter Traumempfänger,
mit Bedauern musste ich feststellen, dass Sie der Bezahlung der Traumgebühr nicht nachgekommen sind.
Ich fordere Sie hiermit höflichst auf, den ausstehenden Betrag umgehend zu begleichen.
Wenn Sie in den nächsten 14 Nächten bezahlen, werden Ihnen keine Traumminuten abgezogen.
P.S.: Kennen Sie schon mein neustes Angebot? Nein? Dann machen Sie doch einfach die Augen zu und besuchen mich, ich freue mich auf Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Der Sandmann
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Sehr geehrter Träumer,
leider sind Sie meiner Aufforderung, die ausstehende Traumgebühr zu bezahlen, nicht nachgekommen. Ich mache Sie hiermit darauf aufmerksam, dass unbezahltes Träumen strafbar ist und mit Albträumen geahndet werden kann. Doch so weit muss es nicht kommen. Wenn Sie den ausstehenden Betrag innerhalb der nächsten 14 Nächte bezahlen, werden Ihnen keine Schlafstörungen entstehen.
P.S.: Leider haben Sie es auch versäumt, mein Traumangebot einzuholen. Ich kann Ihnen versichern, Sie verpassen etwas! Seit 30 Nächten gibt es einen neuen Traumtarif, Tag- und Nachtträume zum Preis für lange Nachtträume. Das sollten Sie sich keinesfalls entgehen lassen. Dieses Angebot gilt selbstverständlich nur bei Bezahlung des ausstehenden Betrages und der Abnahme von 8 Traumstunden pro Tag.
Grüße
Der Sandmann
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Hallo Träumer,
bislang konnten ich auf Ihrem Traumgebührenkonto trotz mehrfacher Aufforderung keinen Zahlungseingang verbuchen. Ich weise Sie darauf hin, dass es sein könnte, dass sie bald nur noch schwarz-weiß träumen!
In Kürze werde ich den für Ihre Traumstätten zuständigen Albtraumvollzieher mit der zwangsweisen Eintreibung des gemahnten Betrages beauftragen.
Noch haben Sie die Möglichkeit, dies durch Zahlung Ihres Gesamtrückstandes zu verhindern, bezahlen Sie sofort und träumen Sie mindestens 10 Stunden täglich!
Der Sandmann
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Hallo Schlafmütze,
da Sie bisher alle gut gemeinten Angebote des Sandmannes ignoriert haben, wende ich mich nun an Sie.
Eins ist schon mal Fakt,
Sie haben es völlig verka…spert.
Was glauben Sie eigentlich, wie der arme Sandmann seine ganzen Sandsäcke finanziert? Hm?
Nein, Sie mussten ja auch nicht in Zeiten der Knappheit heimlich die Säcke von den Ufern der Flüsse einsammeln. Unter Einsatz seines Lebens hat er dafür gesorgt, dass Sie auch in Zeiten von Horrorbotschaften immer schöne Träume hatten. Kann natürlich sein, dass die Träume aufgrund des Hochwassers im letzten Jahr etwas feuchter ausgefallen sind, aber was solls? Darüber beschwert sich niemand, auch Sie nicht!
Eines sage ich Ihnen, die ruhigen Nächte sind nun vorbei! Wenn Sie nicht innerhalb der nächsten 14 Nächte bezahlen, werden Sie mich kennenlernen!
Im Auftrag
Herr Albtraum
Sehr geehrter Herr Albtraum,
mir ist leider ein schrecklicher Fehler unterlaufen. Seit ich aus der gemeinsamen Wohnung mit meinem damaligen Freund ausgezogen bin, habe ich nachts gar keine Träume mehr, und…wann war das Hochwasser?
Mir war nicht bewusst, dass ich diese Phase extra melden muss.
Seit 2 Monaten hab ich nun einen neuen Freund, so dass ich nachts eh nicht schlafen kann, stattdessen habe ich sehr oft tagsüber Träume. Dafür möchte ich selbstverständlich auch zahlen, es lohnt sich auf jeden Fall.
Mit freundlichen Grüßen
Die Träumerin mit dem guten Willen
P.S.: Liebe Grüße auch an den Sandmann, und nichts für ungut…
Hallo Oberschlafmütze,
es ist völlig unerheblich, ob sie nachts träumen oder nicht! Entscheidend ist nur die Tatsache, dass Sie in der Lage sind, nachts zu träumen. Dies allein löst bereits eine Gebührenschuld aus.
Und sträflicherweise schützt Unwissenheit vor Dummheit nicht. Oder so ähnlich.
Also zahlen Sie endlich die Forderungen des Sandmannes sowie die laufenden Gebühren. Aus der Nummer kommen Sie eh nicht raus.
Wenn ich an den armen, hart schuftenden Sandmann denke und dann mit solchen Schmarotzern mit Ihnen zu tun habe, wissen Sie, was dann passiert? Nein? Ich sag es Ihnen. Ich werde dann sauer. Und zwar mächtig sauer, so richtig stinkig. Und wissen Sie, was ich mit Parasiten wie Ihnen am liebsten machen würde? Nein? Das können Sie sich nicht vorstellen, nicht mal in Ihren übelsten Träumen – noch nicht!
Wenn Sie dieser Zahlungsaufforderung nicht innerhalb von 7 Nächten nachkommen, werden Sie sich wünschen, nie geträumt zu haben und vor allem – nie wieder zu träumen!
Im Auftrag
Albtraum
P.S.: Der Sandmann lässt zurückgrüßen. Dieser gutmütige Typ freut sich auch noch für Ihr Glück und wollte Ihnen einen Spezial-Partnertarif anbieten, in dem 2 Träumer tagsüber zum Preis für 1 träumen können. Er ist einfach zu gut für dieses Geschäft.
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Noch 7 Nächte
7 Nächte, ging es Paula durch den Sinn, als sie an diesem Abend im Bett lag. 7 Nächte, und dann was? Was würde dann passieren?
Ihr war klar, dass mit Herrn Albtraum nicht zu spaßen war, das hatte sie schon von vielen Bekannten gehört, die Bekannte hatten, denen es übel bei dem Versuch erging, sich mit Herrn Albtraum anzulegen. Trotz allem konnte ihr aber niemand wirklich genau sagen, wozu Herr Albtraum imstande war, denn auch er musste sich an gewisse Spielregeln halten.
Hunde, die bellen, beißen nicht, dachte Paula, andererseits schien Herr Albtraum eher von der Gattung Wolf zu sein.
Paula beschloss, das Problem zu vernachten, drehte sich zur Seite und kuschelte sich noch tiefer in ihre Bettdecke ein.
Noch 6 Nächte
Paula hatte an diesem Tag in Erfahrung gebracht, dass Herrn Albtraums Macht erheblich geschwächt wurde, so man guten Willen bewies. Nun, guten Willen hatte Sie zwar bewiesen indem sie zugegeben hatte, seit 2 Monaten tagsüber zu träumen. Das allein reichte aber nicht aus, denn auch Herr Albtraum war der Auffassung, dass nur Bares Wahres sei.
Paula war nun klar, dass sie mit guten Worten allein nichts erreichen würde und beschloss, deshalb einen relativ geringen Betrag zu überweisen, praktisch als Zahlung für die 2 Monate, in denen sie offenkundig tagsüber geträumt hatte. Darüber hinaus nahm sie sich vor, Herrn Albtraum erneut einen Brief zu schreiben.
Noch 5 Nächte
Wie geplant überwies Paula an diesem Tag einen Betrag an den Sandmann, beziehungsweise dessen Eintreiber, Herrn Albtraum und war auf die Reaktion darauf gespannt.
Außerdem rief sie bei der Hotline des Herrn Albtraum an, wo sich erstaunlicherweise eine angenehme, freundliche weibliche Stimme meldete. Paula hatte sofort das Bild von dem Wolf im Schafspelz vor Augen. Doch Paula ließ sich nichts anmerken und bekundete der Frau am Telefon, selbstverständlich zahlungswillig zu sein, wobei sie versuchte, ihre Position auszuloten. Die Dame am anderen Ende der Leitung hielt sich jedoch äußerst bedeckt und meinte nur, dass der Vorgang durch den zuständigen Mitarbeiter bearbeitet würde. Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen.
Noch 4 Nächte
Heute hatte Paula einen neuen Versuch per Brief gestartet, denn sie hatte die Erfahrung gemacht, dass es immer besser war, etwas schwarz auf weiß in der Hand zu haben.
Sie schrieb mit gekreuzten Fingern, was sich als gar nicht so einfach erwies.:
Sehr geehrter Herr Albtraum,
nachdem ich Ihren Brief gelesen habe, befürchte ich, dass es zu einem (weiteren) großen Missverständnis gekommen ist. Es würde mir niemals in den Sinn kommen zu träumen ohne dafür zu bezahlen. Lassen Sie mich dieses Missverständnis bitte aufklären.
Wie Sie bereits wissen, bin ich vor einiger Zeit in eine neue Wohnung gezogen. Damit ich in meinem neuen Domizil auch während meiner Träume vor meinem Ex Ruhe habe, hat mir meine Freundin Susi einen Multifunktionstraumfänger geschenkt. Sie meinte, sicher sei sicher, damit wäre ich vor schlechten Träumen mit meinem Ex geschützt und hätte auch keine guten Träume in diese Richtung, damit ich nicht so blöd wäre, erneut auf den Deppen hereinzufallen.
Ich würde es nie wagen, dieses Geschenk abzubauen, da meine Freundschaft mit Susi darunter erheblich und nachhaltig leiden würde. Sie ist nämlich sehr empfindlich und nachtragend.
Bitte glauben Sie mir, ansonsten müsste ich Ihnen Susi zum Beweis vorstellen, und das wäre sicher nicht in Ihrem Interesse.
Hochachtungsvoll
Paula mit dem guten Willen
P.S.: Ich habe einen Betrag für die Tagträume der letzten beiden Monate überwiesen und bin sehr an neuen Tarifangeboten des Sandmannes interessiert.
P.P.S.: Susi ist Hardcore-Feministin und kann kaum ein männliches Wesen leiden. Typen, die Frauen drohen, sind (auch) für sie das Allerletzte.
Noch 3 Nächte
Paula schlief tief und in der Gewissheit, dass mit einer Reaktion nicht vor dem kommenden Tag zu rechnen war.
Noch 2 Nächte
Auch heute erhielt Paula keine Nachricht.
Noch 1 Nacht
Paula staubte den Traumfänger ab und ging ins Bett. Sie war etwas nervös, denn sie wusste nicht, was kommen würde.
Die Nacht
Trotz des Traumfängers über dem Bett, der zugegebenermaßen nur die bösen Träume abhielt oder abhalten sollte, ging Paula mit einem mulmigen Gefühl ins Bett.
Nach einer langen Weile schlief sie tief und fest, als ein schrilles Geräusch die dunkle Stille durchbrach. Paula saß sofort im Bett und schaute erschreckt um sich, ihr Herz klopfte aufgeregt jenseits jeder Rhythmik.
Doch es war weder ein Traum, noch die Türklingel, das Geräusch stammte vom Telefon, welches auf dem Flur an der Wand hing. Ohne das Licht anzuschalten tastete Paula sich in den Flur, nahm vorsichtig den Hörer ab und führte ihn langsam an ihr rechtes Ohr.
„Ja?“, flüsterte sie mit wackliger Stimme in die Sprechmuschel.
Am anderen Ende der Leitung vernahm sie eine vertraute Stimme, es war Susis Stimme. Paula atmete erleichtert auf.
„Hi Paula, stell Dir vor, vorhin in der Bar quatscht mich doch glatt so ein Typ von der Seite an und meinte auch noch, er wäre so ein Traumtyp.“
Bei dem Wort Traumtyp wurde Paula hellhörig. „Traumtyp?“, fragte sie.
„Na ja, das war zumindest seine Meinung.“, kommentierte Susi „Er textete mich jedenfalls erst zu und, dann begann er urplötzlich Fragen zu stellen. Von wegen, ob ich gern träume und so. Und die Krönung war dann noch, dass er wissen wollte, ob meine beste Freundin auch gern träumen würde. Dieses Schwein!“
„Wie hast Du reagiert?“
„Ich hab ihm gesagt, dass ich lieber jede Nacht Albträume hätte, statt sein dusseliges Gesülze anzuhören und dass er sich zum Teufel scheren soll.“
Ein Lächeln huschte über Paulas müdes Gesicht. Hatte da etwa Herr Albtraum seinen ganz persönlichen weiblichen Albtraum kennen gelernt?
xxx
Zwei Tage später fand Paula einen Brief mit mittlerweile vertrautem Absender im Postkasten, er war von Herrn Albtraum. Neugierig öffnete sie den Brief bereits im Treppenhaus und las ihn, während sie langsam die Treppen zu ihrer Wohnung in der 4. Etage des Altbaus hinaufstieg.
Bereits die Anrede klang diesmal versöhnlicher und ließ hoffen.
Hallo Träumerin Paula,
ich habe Ihren Brief erhalten und als Änderungsantrag gewertet. An dem folgenden Monat werden Ihnen entsprechend Ihrer Angaben nur noch Gebühren für die von Ihnen in Anspruch genommenen Tagträume berechnet. Diese Mitteilung wurde bereits an den Sandmann weitergeleitet.
Der Sandmann ist über Ihr Interesse erfreut und würde Ihnen gern die neusten Tarifmodelle, maßgerecht für Ihre Bedürfnisse, vorstellen. Sie können sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang über die kostenpflichtige Hotline ausführlich beraten lassen.
Ich weise Sie jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Ihr neuer Tarif für die Tagträume erst ab dem Tag der Antragstellung gilt. Das bedeutet, dass Sie die bis dato fälligen Traumgebühren trotzdem zahlen müssen, unabhängig davon, ob sie in den vergangenen Monaten nachts geträumt haben oder nicht.
Sollten Sie den Betrag nicht in einer Summe zahlen können, besteht die Möglichkeit der Ratenzahlung.
Bitte teilen Sie mir umgehend mit, welche Zahlungsweise Sie in Anspruch nehmen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Herr Albtraum
P.S.: Ich hoffe inständig, dass ihre Freundin Susi auch über einen Traumfänger verfügt. Zufällig hatte ich kürzlich das Vergnügen, sie kennen zu lernen und würde auf ein weiteres Treffen gern verzichten. Sie müssen wissen, mein Einsatz kostet Gebühren, auch Sie zahlen dafür.
In der Wohnung angekommen, stellte Paula ihre Arbeitstasche in den Flur und ging weiter in die Küche, wo sie sich an den Tisch setzte. Sie dachte kurz nach und kam zu dem Schluss, dass Ihre Vermutung in der vorletzten Nacht richtig gewesen sein musste, Herr Albtraum hatte Susi aufgesucht, um Paula auszuspionieren. Diese Dreistigkeit ärgerte sie, doch der Ärger verflog bei dem Gedanken an den Verlauf des Treffens schnell.
Susi schien wirklich einen bleibenden Eindruck bei Herrn Albtraum hinterlassen zu haben. Warum sollte er sie sonst extra erwähnen? Paula erlag der Versuchung herauszufinden, WIE nachhaltig dieser Eindruck war und alles auf eine Karte zu setzen. Kartenspiele waren schon von je her eine Leidenschaft von ihr.
So nahm Paula Briefpapier und einen Stift. Sie schrieb:
Sehr geehrter Herr Albtraum,
es freut mich, dass wir das unerfreuliche Missverständnis endlich aus der Welt schaffen konnten.
Allerdings irritiert mich die Tatsache, dass ich Gebühren für eine Leistung nachzahlen soll, die ich nicht in Anspruch genommen habe. Gibt es neben den von Ihnen vorgeschlagenen Möglichkeiten keinen Weg, der einen Verzicht auf die Zahlung Ihrerseits zulässt?
Sehen Sie, das Geld ist bei mir wie immer recht knapp, und das Weihnachtsfest steht vor der Tür. An dieser Stelle komme ich gern auf Ihre Frage bezüglich meiner Freundin Susi zurück. Es trifft tatsächlich zu, dass Susi über einen stationären Traumfänger in ihrer Wohnung verfügt, allerdings ist sie oft auf Reisen. Aus diesem Grund wollte ich ihr dieses Jahr zu Weihnachten einen Traumfänger für unterwegs schenken, damit sie immer und überall vor schlechten Träumen sicher ist. Nun ist der Preis für ein derartiges Exemplar nicht gerade gering. Um genau zu sein, entspricht er in etwa der Gebühr, die ich nachzuzahlen hätte. Ich bin leider nur in der Lage, eines von beiden zu bezahlen. Bitte entscheiden Sie selbst. Ich hoffe auf Ihr Mitgefühl und wünsche auch ihnen eine frohe Weihnachtszeit, mögen Ihre Wünsche in Erfüllung gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Paula
Paula hatte schon die Befürchtung, dass sie beim Porto drauflegen müsste, so dick hatte sie aufgetragen, aber sie wusste, dass Susi ihr letzter Trumpf war und der höchste, der Kreuz Bube im Skat sozusagen.
Doch siehe da, Paula musste nicht lange auf eine Antwort warten. Bereits 3 Tage später befand sich ein Brief von Herrn Albtraum in ihrer Post.
Sehr geehrte Frau Paula,
ich habe für Ihre Not volles Verständnis. Normalerweise ist es nicht üblich, die Gebühren zu erlassen, aber in Ihrem Fall bin ich von der Notwendigkeit überzeugt. Schließlich steht Weihnachten vor der Tür und Sie wollen Ihren Lieben eine Freude bereiten.
Deshalb erlasse ich Ihnen hiermit die fällige Gebühr unter der Bedingung, dass Sie Ihrer Freundin Susi einen transportablen Traumfänger schenken.
Hochachtungsvoll
Herr Albtraum
„Ha!“ rief Paula „Wer’s glaubt, wird selig!“ Da wollte ihr der Herr Albtraum doch tatsächlich weismachen, dass er ihr völlig uneigennützig die Gebühren erließ. Ob er sie wirklich für so eine Träumerin hielt? Paula war es egal, sie stellte erst mal einen Prosecco kalt und rief ihre Freundin Susi an, es gab etwas zu feiern.