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Der Rudi kommt nicht mehr

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23.11.2019
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Der Rudi kommt nicht mehr

„Der Rudi kommt nicht mehr zur Turnstunde“, ruft Adelheid, unsere Übungsleiterin, in die Runde. Wir sind gerade nach unserer Altmänner-Turnstunde aus der Turnhalle in die Umkleidekabine zurückgekommen und schwitzen noch heftig. Alle jammern und klagen über Wehwehchen, dabei wird munter durcheinander geschwatzt. Adelheid hat uns wieder mal ordentlich ran genommen. Seit etwa einem halben Jahr bin ich jede Woche mit dabei, wenn unsere Altmännergruppe unter der strengen Anleitung von Adelheid turnt.

„Habt ihr gehört, der Rudi kommt nicht mehr zur Turnstunde. Aber zur Weihnachtfeier will er noch kommen“, versucht Adelheid sich nochmals Gehör zu verschaffen. „Jetzt wird er nur noch vor dem Fernseher sitzen“, bemerkt einer der Turnmänner. „Oder er schaut den ganzen Tag aus dem Fenster“, ergänzt ein anderer. Dann geht das Gespräch in unserer Altmännerrunde in andere Richtungen - Dorfpolitik, Bundesliga, Autos. Peter hatte einen runden Geburtstag, deshalb steht ein Kasten Bier in der Mitte der engen Kabine, dazu gibt es was zu Knabbern. Die Luft ist stickig, es werden Bierflaschen geöffnet und herumgereicht. „Ja, ja der Rudi“, sagt einer so vor sich hin, zwischen zwei Schlucke aus der Bierflasche.

Der Rudi war mir bei meinen ersten Besuchen der Altmänner-Turnstunde aufgefallen. Er war wohl ein Stück älter als die anderen und das will schon was heißen, denn wir sind alle nicht mehr die Jüngsten. Zudem kam immer später als die Meisten und wurde von Allen mit ein paar knappen Worten begrüßt. Dann setzte er sich in eine Ecke auf eine Bank. Während wir unser Aufwärmtraining machten, blieb er einfach sitzen und schaute so vor sich hin. Wenn wir dann unseren Turnmatten lagen und Adelheid uns Anweisungen und Kommandos zurief, die wir unter theatralischen Stöhnen und Ächzen befolgen, dann machte Rudi auch irgendwas mit, in seiner Ecke auf der Bank sitzend. Mal hob er einen Arm oder er veränderte die Beinstellung, ungefähr im Rhythmus, den Adelheid uns lautstark vorgab. Gegen Ende der Turnstunde schien er ähnlich erschöpft zu sein wie wir. Meist verschwand er dann, ohne viele Worte zu machen. Überhaupt kann ich mich nicht erinnern, dass er jemals etwas gesagt hat, wenn überhaupt, dann hat er nur geknurrt oder gegrunzt. Das war der Rudi, den die meisten in der Runde schon lange kannten und den ich wohl nicht wieder sehen werde, höchstens er schafft es noch, auf die Weihnachtsfeier zu kommen.

„Der Schnetzers Gerd ist gestorben“, sagt der Alfred. „Nächste Woche Dienstag ist Beerdigung“. „Ehrlich?“, sagt einer, „Den hab ich doch noch vor einem halben Jahr im Vereinsheim gesehen. Da sah er aber nicht gut aus“. Ein anderer erinnert sich: „Der Gerd hat lange Fußball gespielt“. „Verteidiger war er“, ergänzt der Alfred. Aber so wie die Männer das erzählen, muss das schon ziemlich lange her sein.

Ich bitte Peter mir noch ein Bier zu reichen. Die erste Flasche hatte ich ganz in Gedanken ausgetrunken, in Gedanken an Rudi und den Schnetzers Gerd.

 

Hallo Manfred Ulle,

und Willkommen bei uns. Allerdings kann ich Dir schon mal vorab den Tipp geben, nur Rückmeldungen haben wollen, aber keine geben, da wird nicht sooo viel hier passieren. Sag das nur, weil ich in deinem Profil die Einseitigkeit gelesen habe. Aber bist ja noch frisch, muss ja gar nicht so kommen :).

Ich fand das hübsch, das Setting, den Rudi und dann war auf einmal schon Ende und ich so - hä? - ich mein, dein Prot. scheint mir jetzt nicht in dem Alter zu sein, in dem er das erste Mal mit dem Tod konfrontiert wird. Also, was jetzt? Was will mir der Text erzählen? Was ist das Thema? Ich hätte das gern noch paar Seiten weitergelesen, alles über den Rudi und die Weihnachtsfeier, warum der Rudi so ist, wie er ist, so wortkarg und sich selbst ins Abseits setzend. Der ist doch eine spannende Figur! Na ja gut, Du brichst ab, ich finds schade, mehr kann ich gar nicht sagen, weil inhaltlich gibt es dazu auch gar nix zu sagen. Lauf der Dinge halt. Ist kein schönes Gefühl, die Endlichkeit vor Augen zu haben, weiß ich aber.

Für die Lesbarkeit wäre gut, wenn Du bei einem Sprecherwechsel auch einen Zeilenwechsel einfügen würdest, das erleichtert die Orientierung enorm. In fast all deinen Büchern wird das auch gehandhabt, guck mal rein, und die Profis machen das nicht umsonst ;).

Ja, hab Freude hier! An deinem Text, an anderen, an Kritik und Lob.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo @Manfred Ulle & herzlich Willkommen bei den Wortkriegern!

Du erwähnst insgesamt 4-mal, dass es sich dabei um eine "Altherren-Turngruppe" handelt. Ich glaube, der Leser hat es schon beim ersten Mal verstanden, in welchem Umfeld sich der Prot befindet.

Dass Rudis Abwesenheit relativ emotionslos erwähnt wird, kann der Leser gut verstehen. Schließlich scheint sich Rudi selbst von der Gruppe abzukapseln.
Er kommt zu spät, wird nur beiläufig begrüßt, sitzt nur auf der Bank und beteiligt sich kaum am Programm. Dazu kommt die Reaktion der Männer, als die Leiterin sogar zweimal erwähnen muss, dass er nicht mehr kommt. Scheinbar ist es den Männern egal, ob er da ist oder nicht.

Die Reaktion auf den Tod des anderen Freundes fällt dahingehend zu emotionslos aus. Er wird wie das Fernbleiben von Rudi einfach hingenommen, als würde Gerd öfter sterben. Da Gerd noch im Vereinsheim war, bevor er gestorben ist, schließt der Leser daraus, dass Gerd einen großen Freundeskreis hatte und viele in der Turngruppe ihn kannten.

Den Großteil der Geschichte wird von Rudi erzählt und der Tod von Gerd wird in ein paar Sätzen erzählt.

LG Betze

 

Hallo @Manfred Ulle

der Text erscheint mir eher wie ein Expose. Da steckt viel drin, was aber nicht ausgeführt wird. Der Tod der zweiten Figur ist unnötig und hängt so ziellos an der Geschichte. Ich empfehle, das Verhältnis zwischen der Gruppe und Rudi genauer zu beleuchten und vor allem, dem Rudi mehr Tiefe zu verleihen. Im derzeitigen Zustand, liest es sich wie die Idee einer Geschichte, die sehr interessant werden könnte.

Gruß
Kellerkind

 

Hallo!
Also mich hat das Ende doch überrascht. Ich muss mich Fliege anschließen und finde Rudi eine spannende Figur, bei der schon erklärenswert wäre warum er denn so ist wie er ist oder ob er evtl. bei der Weihnachtsfeier anders wäre. Aber ich lese aus der kurzen Geschichte klar das Thema Tod heraus oder zumindest die gegenwärtige Einsicht der Altherrenturngruppe, dass der Tod wahrscheinlich auch bei ihnen nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Ich wollte gerade schreiben, dass mir ein gewisses Etwas fehlt, das es Wert ist, darüber nachgegrübelt zu werden, aber ehrlich gesagt, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, grüble ich gerade deswegen über diese Geschichte nach, weil alles nur angestreift wurde.
Naja, das war mein ganzer Senf dazu, die Beurteilung ob hilfreich oder nicht bleibt dir überlassen.
LG
Kosima

 

Hallo Ihr Wortkrieger,

vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Es ist für mich das erste Mal, dass ich meine Gedanken in eine Geschichte packe, ich habe daher so gut wie keine Erfahrung auf diesem Gebiet.

Was ich da aufgeschrieben habe, ist mehr oder weniger so passiert. Es ist mein Beitrag zum allgemeinen Novemberblues. Ich habe diese Geschichte aufgeschrieben, weil mich der Umgang meiner Turnmänner mit dem Thema Abschied verwundert hat. Dies hat dazu geführt, dass ich meine eigene Einstellung zu diesem Thema, jahreszeitgemäß sozusagen, genauer betrachtet habe.

Wenn ich Eure Rückmeldungen lese, so muss ich feststellen, dass Ihr Recht habt. Es bleibt in dieser Geschichte viel offen, unbeantwortet oder nicht angesprochen.

LG

Manfred

 

Hallo @Manfred Ulle

Du hast da ein gesellschaftlich relevantes Thema angepackt. Ich will Dich nicht bequatschen, aber es könnte sich lohnen, daraus eine (besser) funktionierende Geschichte zu machen. Wäre natürlich mit einigem Aufwand verbunden und hängt von Deiner Motivation ab.

Gruß
Kellerkind

 

Hallo @Manfred Ulle ,
ich finde den Text auch interessant. Als Protagonist würde ich mich unweigerlich fragen, wie das wohl sein wird, wenn ich mal sterbe. Es ist so ein lautloses Abtreten, was auch darauf zurückweist, dass da eben keine Freundschaften entstanden sind, sondern dass das gemeinsame Hobby im Vordergrund steht und wenn das nicht mehr geht, ist man halt raus. Vielleicht fehlen auch bestimmte Rituale, mit einem Abschied umzugehen. Für den Geburtstag gibt es die.

Auch wenn das Thema das Älterwerden ist, stimme ich @betzebub zu, dass du zu oft das Wort Altmänner ... in verschiedenen Kombinationen hast.

Wenn wir dann unseren Turnmatten lagen und Adelheid uns Anweisungen und Kommandos zurief, die wir unter theatralischen Stöhnen und Ächzen befolgen, dann machte Rudi auch irgendwas mit, in seiner Ecke auf der Bank sitzend. Mal hob er einen Arm oder er veränderte die Beinstellung, ungefähr im Rhythmus, den Adelheid uns lautstark vorgab. Gegen Ende der Turnstunde schien er ähnlich erschöpft zu sein wie wir.
Sehr schöne Beschreibung. Ich habe den Rudi gut vor Augen, auch mit einer Art Unnahbarkeit, die vielleicht auch etwas mit Einsamkeit zu tun hat. Und mir kommt die Frage: Was weiß man eigentlich voneinander?

Die Mischung aus leisem Humor und Wehmut hat mir auch gut gefallen.
Herzlich Willkommen hier, Manfred.

Liebe Grüße von Chutney

 

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