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Der Riese

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17.10.2013
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Der Riese

Ich kann nicht sagen, wie lange es mich schon gibt. Ich bin sehr alt. Mich gibt es schon so lange, dass ich gar nicht weiß, ob ich oder die Welt zuerst da war.
Ich bin ein Riese.
Der einzige meiner Art. Ob etwas so Großes wie ich, überhaupt Vater und Mutter hat?

Ich bin so nackt und so groß, dass ich den Boden, auf dem ich stehe, nur bei wolkenlosem Himmel betrachten kann. Ich fresse ganze Länder, um meinen Hunger zu stillen. Ich bade in Ozeanen und trinke Seen. Bin ich wütend, beben Kontinente. Meine Hände versetzen Berge, und meine Arme sind so lang, dass ich, wenn ich sie ausstreckte, die Erdkugel zerdrücken könnte. Sterne beleuchten mir den Kopf, und in meinen riesigen Locken verfangen sich Kometen.
Wenn ich schlafe, schlafe ich tausend Jahre. Ich kenne nicht Tag und nicht Nacht. Ich träume nicht, weil ich schon alles geträumt habe. Es gibt für mich keinen Grund, auf etwas zu warten oder zu wollen. Ich wünsche mir nichts, denn ich habe alles. So ist es, seit ich denken kann.
Dann.
Alles fing unerwartet und ganz leise an. Ich schlief, wie die meiste Zeit über, und wärmte mich an einem kleinen Vulkan, als der Wind kam. Ich machte mir nichts daraus, denn wenn ich ausatme, fäll' ich die größten Wälder. Ich war also unbesorgt.
Das Wasser kam und weckte mich aus meinem Schlummer. In meinem Zorn schlug ich mit meiner rechten Hand, den glühenden Berg aus. Es donnerte, und das Wasser stieg immer schneller.
Da erblickte ich sie zum ersten Mal. Zwar war sie noch weit weg, etliche Kilometer, dennoch erkannte ich ihre Größe. Ich hatte nie zuvor etwas so Gewaltiges gesehen. Sonst zertrete ich jede Gefahr. Doch „Sie“ war groß!

Eine Welle.
Dann hörte ich sie. Erst ganz fein wie Stimmen, die immer zu einen Ton singen. Aber kein Lied, dessen Ende man hören möchte. Ein Rauschen und ein Tosen folgten dem Singsang.
Obwohl uns jetzt noch hunderte Meter trennten, überragte sie mich schon um das Vielfache.
Plötzlich erwachte in mir ein altes Gefühl, aus der Zeit, als Antworten klein und Fragen groß waren.
Neugier.

Sie war so schnell und so nah, dass ich sie riechen konnte. Sie roch nach Erde, nach würzigen, süßen Nüssen, nach Wurzeln, und nach allem ,was sie mit sich und in sich hinein zog.
Also pflückte sie mich wie eine Blume vom Boden und stieß mich in ihre Fluten. Sie drückte mich in ihren feuchten Schoß.
Sie war über mir. Sie war unter mir. Wir kämpften.
Aber immer wenn ich zugriff, glitten meine Hände durch sie hindurch.
Ich wollte schreien, doch schluckte ich nur ihr Nass.
Sie drang in mich ein, mit ihren kalten feuchten Fingern.
Packte mich und riss meine Glieder auseinander, dass ich glaubte, sie müssten mir abfallen.
Der Schmerz wurde so unerträglich, dass alles um mich herum schwarz wurde.

Als ich die Augen wieder öffnete, schwamm ich auf meinem Rücken, in einem einzigen, riesigen Ozean. Alles war still. Keine Berge, keine Tiere, kein Himmel mehr. Nichts.

Alles ist verschwunden. Auch meine Erinnerung, an das Davor.
Sie hat sich anscheinend beruhigt, doch ich wage es nicht, einen Muskel zu bewegen.
Um sie nicht zu wecken, halte ich meinen Atem an.
Ich sinke langsam, ganz langsam, immer tiefer in sie hinein. Und obwohl meine Lungen brennen, rühre ich mich nicht.
Mein riesiger Körper nähert sich Ihrem dunklen Grund. Er gräbt sich in den von Wasser aufgeweichten Schlamm.

Meine Gedanken kommen nur noch selten bei mir an: „Ist mir kalt?“, dachte ich. „Weiß nicht.“, antwortete ich.
Nicht mehr lange, dann hört auch das Denken auf. Ich rühre mich nicht!

 

Tja, der Text ist ziemlich gut, aber ich muss ihn trotzdem ins Korrektur-Center verschieben, weil er riesige Schwächen bei der Kommasetzung aufweist. Das ist inahtllich sicher einer der besten Texte, die je im Korrektur-Center gelandet sind.

Der Text behandelt einen Urkampf zwischen einem männlichen und weiblichen Prinzip, so eine Art Schöpfungsmythos. Das macht er ziemlich klassisch. Es bleiben, wenn man dann näher hinschaut, natürlich viele Ungereimtheiten: Wenn er noch nie Angst verspürt hat, wie kann er sie bennen? Das ist ein durch und durch konstruierter Ich-Erzähler, ein lyrisches Ich fühlt sich in das Wesen hier ein und berichtet an seiner statt im "Ich", dadurch entstehen einige gigantomanische Bilder, die eine gewisse Ästhetik haben und funktonieren, aber es ist schon auch nach einem klaren Strickmuster. Wenn - dann. Sobald - dann.

Na ja, alles wichtige zum Korrektur-Center gibt es unter diesem Link:

http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=17481

Aus Seltsam.

 

Eigentlich sollte diese Nachricht als PN rausgehen, leider ist aber Tserks Mailordner voll. Also hier!

Ich habe nun Korrekturen vorgenommen.

Vieles, habe ich über die Korrekturcheckliste bearbeitet. Bin aber nicht bei allem hundertprozentig sicher.

Hilfe, nehme ich gerne an.

beste Grüße

 
Zuletzt bearbeitet:

Oeksuez schrieb:
Vieles, habe ich über die Korrekturcheckliste bearbeitet. Bin aber nicht bei allem hundertprozentig sicher.
Hilfe, nehme ich gerne an.

Servus Oeksuez,

ich helfe dir gerne, weil mir dein so sprachgewaltiger und poetischer Text einfach gefällt und er es meiner Meinung nach verdient, so schnell wie möglich aus der Korrekturhaft in die freie literarische Wildbahn entlassen zu werden.

dass ich gar nicht weiß, ob ich, [kein Komma] oder die Welt zuerst da war.
Ob etwas so großes [Großes] wie ich,
Ich bin so nackt und so groß, dass ich den Boden [Komma] auf dem ich stehe,
und in meinen riesigen Locken, [kein Komma] verfangen sich Kometen.
fäll [fälle oder Apostroph] ich die größten Wälder.
Das Wasser kam, [kein Komma] und weckte mich aus meinem Schlummer.
In meinem Zorn, [kein Komma] schlug ich mit meiner rechten Hand ,den [der Leerschlag gehört hinter, nicht vor das Komma]
Sonst, [kein Komma] zertrete ich jede Gefahr.
wie Stimmen, die immer zu einen [einem] Ton singen.
Aber kein Lied [Komma] dessen Ende man hören möchte.
Ein Rauschen und ein Tosen, [kein Komma] folgten dem Singsang.
aus der Zeit, wo [als] Antworten klein, [kein Komma] und Fragen groß waren.
und nach allem [Komma] was sie mit sich, [kein Komma] und in sich hinein zog.
Also pflückte sie mich, [kein Komma] wie eine Blume vom Boden, [kein Komma] und stieß mich in ihre Fluten.
Sie drückte mich, [kein Komma] in ihren feuchten Schoss. [Schoß]
Packte mich, [kein Komma] und riss meine Glieder auseinander,
Sie hat sich scheinbar [anscheinend] beruhigt, doch ich wage es nicht [Komma] einen Muskel zu bewegen.
Mein riesiger Körper, [kein Komma] nähert sich Ihrem dunklen Grund. Er gräbt sich in den, [kein Komma] von Wasser aufgeweichten, [kein Komma] Schlamm.
Von der Bewegung, wie in einer Wiege, atme ich noch einmal aus. Diesen ganzen Satz würde ich noch mal überdenken.

(ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit)

offshore

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Ich danke Dir. Mein Gott, da geht man einen Text immer und immer wieder durch...

Heute
wird berichtigt. :-)

Ich habe aus Versehen zweimal den gleichen Text geschrieben. Anstatt bearbeiten, zittiert...
;)

Entschuldigung

Danke Dir nocheinmal offshore.

Ich habe jetzt den Satz ganz raus genommen. Kommt mir jetzt auch unlogisch vor. :) Hätte ich geschrieben, dass er nochmal ganz dolle einatmet um nicht zu sterben, hätte es sinn gemacht. Aber schön ist anders!!

Mal sehen, ob ich mich einiger Maßen bewehrt habe..

Gruß,
Oeksuez

 

Hi Oeksuez,
Dein Riese ist - nach einer kleinen Odyssee im Korrekturzentrum - nicht bloß in Fat Mama versunken, sondern auch hier im Forum: Eine gänzlich unberechtigter Fall ins Bodenlose, denn dein Riese war mir durchaus ein Lesegenuß.
Interessanterweise (und ich habe es noch mal in der Urfassung gelesen, die bei offshore steht) hat deine entspr. Regeln ignorierende Kommasetzung dem Text einen eigenen Rythmus verpasst. Die Statik eines Regelwerkes ist mitnichten stets eine Wohltat für ein lebendiges Konstrukt und sie manchmal kühn zu unterlaufen kann u.U. seine ganz eigene Innovationskraft entfalten. Vllt wird dereinst ja intuitives Verwenden von Kommata durch tolerate Sprachgesetze salonfähig, wer weiß.

Davon ab hat deine Schilderung von selbstherrlicher Omnipotenz, die sich


unvermittelt einer als siebezeichneten, amöbenhaft-verschlingender Allmacht einverleibt sieht, eine gewaltige sprachliche und bildhafte Prägnanz, die mich diesen in seiner Ausdehnung ja recht bescheidenen Text sehr gern lesen ließ.
Der von Quinn genannte "Urkampf zwischen einem männlichen und weiblichen Prinzip" ist als Interpretationsansatz sicher ein geeigneter, zumal gemutmaßt werden darf, dass du willentlich nicht etwa es, sondern sie geshrieben hast.
Ich lese den Text jedoch vorrangig als Parabel auf die menschliche Hybris und deren Illusion der Selbstüberschätzung.

Um sie nicht zu wecken, halte ich meinen Atem an.

Sehr schön auch dieses nach vollzogener Einverleibung atemlos-ängstliche Verharren des Riesen, als sei es ihm, diesem sich auflösenden Tropf im Ozean, noch in seiner offenkundigen Machtlosigkeit gegeben durch Ansichhalten eine Wirkung zu erzielen.
7miles

 

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