Der Raum
Der Raum
In dem Raum existierte keine Zeit. Weder Minuten noch Sekunden. Unzaehlige irdische Jahre koennten in diesem Raum vergehen ohne die Stimme einer noch menschlichen Existetenz zu hoeren, und falls eine verdammte Seele die Gefuehle nicht mehr unterdruecken konnte, wurde sie zugleich in den Tiefen des Loches verschlungen. Das Privileg Gefuehle zu empfinden wurde diesen Kreaturen entnommen; das kleinste Anzeichen von Emotionen musste vernichtet werden.
Weder Weinen noch Lachen, ganz zu schweigen von verbalen Ausdruecken, konnte duch die dicken Wolken von Dunst und Staub dringen. Aber es machte eh keinen Unterschied, denn keinem der verlorenen Kreaturen war Lachen zumute. Nicht einmal Weinen. Denn die einzige Sache, die ihr Herz einst bestetzte, war Bosheit.
Nun war es dumpfe Qual.
Einige hatten ihre menschlichen Koerper verlassen, um ziellos duch den Raum zu wandern; die anderen blieben ihren originalen Formen treu. Die Glieder hingen ihnen schwer vom Leibe waehrend der Gestank von rottenden Fleisch in ihren Nasen hochstieg.
Keiner dieser einst humanen Wesen wurde aufgeklaert ueber den Raum, ganz ausgesprochen von dem Grund ihrer Anwesenheit an diesem Ort. Die Aufklaerung ihres Daseins haette die Seelen gezwungen, eine noch intensivere Form von Qualen zu verspueren.
In dem Raum aber, gab es eine Ausnahme.
Er hatte sich schon millionen Gedanken ueber diesen Ort gemacht und hilflos beobachtet, wie seine Hoffnungen auf einen Ausbruch dieses schrecklichen Raumes in andere millionen Gedanken von Auswegslosigkeit zerflossen. Er wusste nicht einmal, fuer wie lange er in der Anwesenheit von suendhaften Seelen, Dreck und Verdamnis lebte. Es haetten hunderte von irdischen Jahren sein koennen; doch die Tatsache, dass in diesem Ort weder Minuten noch Sekunden existierten, fuehrte dazu, dass auch das einst vorhandene Gefuehl von Zeit absolut vernichtet wurde.
Er erinnerte sich an die frischen Morgenbrisen an Fruehlingstagen, waehrend der Geruch von Tod seine Lungen erstickte.
Er dachte an einen Ausflug an das salzreiche Mittelmeer, waehrend die giftige Luft seine Haut langsam zerfrass.
Er rief Gedanken an die Korperwaerme und heissen Hauch seiner Geliebten hervor, waehrend ihm die Fuesse an der beissenden Kaelte erfroren.
Die Aussnahme war sich bewusst, dass sie nicht in diesen Raum gehoere.
Seine Gefuehle von Angst, Wut und Machtlosigkeit verdoppeten sich von einen Moment auf den anderen. Er konnte nicht mehr.
Es tat zu sehr weh in diesem Raum gefangen zu sein; isoliert von jeglichen Kontakt mit Liebe und Verstaendniss.
Er dachte an die Suenden und Fehler, die seinen Mitmenschen Leiden gebracht haben.
Und er spuerte Reue.
Er wuenschte sich in sein altes Leben zuruckzukommen und fuer all die Schmerzen gutzumachen.
Aus dem Raum entsprang ein schriller Schrei.
Der Sog des Loches machte sich an seinen Zehen zubreite. Er wusste,dass die Zeit gekommen war.
Am Krankenhausbett, die Familie versammelt, erlosch der Tackt der Herzmaschine. Seine Mutter gab einen tiefen Schluchtz von sich :”Moege seine suendige Seele in Frieden ruhen”.
[ 21.05.2002, 10:24: Beitrag editiert von: Nudzejma ]