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Der Rückblick

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18.10.2011
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Der Rückblick

Ich ziehe mich mühsam am Fensterbrett hoch und sehe ächzend in den Abgrund vor mir, der gerade einmal tief genug erscheint, um mich zu töten. Das mag in erster Linie tröstlich erscheinen, blicke ich auf mein bisheriges Leben zurück. Ich frage mich, wie es nur dazu kam, doch wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment ausgerichtet war. Es scheint von Anfang an vorbestimmt gewesen zu sein, dass es heute und hier endet.
Sie mögen sich an dieser Stelle fragen, was mich immer weiter in Richtung Abgrund wanken lässt. Nun, wie kann ich es am besten erklären...
Kennen Sie diesen albernen Film, über zwei biologisch erstellte Zwillinge, von denen der eine alle guten, der andere alle schlechten Eigenschaften bekam? Nun, hätte ich einen solchen Zwilling, so wäre ich Letzterer. Schon mein Name scheint meiner Mutter in einem Anflug der Depression eingefallen zu sein. Ansonsten wäre wohl kaum jemand derart grausam, seinen eigenen Nachwuchs mit dem Namen Arnulf zu schimpfen. Dennoch war dies seit jenem Tag mein Name. Arnulf Dreißter.
Auch äußerlich bin ich nicht viel mehr als ein schlechter Witz dieser grausamen Natur. Schon mit 16 begann ich meine Haare zu verlieren, weshalb ich mir seit meinem 19ten Lebensjahr täglich den missgestalteten Schädel rasiere. Des Weiteren bin ich im Besitz einer Nase, wegen welcher man mich noch vor ein paar Jahrhunderten elendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte. Sogar die Warze, welche in diesen Erzählungen immer an der Seite der Hexennase prangte, nenne ich mein Eigen. Als ob dies Alles noch nicht genug wäre, habe ich eine Sehbehinderung, durch welche mein linkes Auge durchgehend halb geschlossen ist, selbst wenn ich schlafe. Würden Sie mich auf offener Straße mit ihren Freunden sehen, Sie würden wohl lachend mit dem Finger auf mich zeigen. Und ich könnte es Ihnen nicht einmal übel nehmen.
Doch ob Sie es glauben oder nicht, dieses Wesen, dass ich gerade beschrieb, diese Kreatur, die gerade durch ihre Gedankengänge winselt, dieses ekelerregende Geschöpf wurde einst geliebt. Ihr Name war Angela, doch ich nannte sie immer nur Angel, da das genau das war, was ich in ihr sah. Ein himmlisches Wesen, herabgestiegen um mich aus dieser Vorhölle in Erdengestalt zu befreien. Dieses Jahr, in dem wir zusammen waren, es war mein Einundzwanzigstes, fühlte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben nicht wie ein Dämon, der die Ausfahrt zur Hölle verpasst zu haben schien. Nicht gefangen in den Ketten dieses Körpers und meines elenden Schicksals, nein, zum ersten Mal (und im Nachhinein fällt es mir schwer es nur niederzuschreiben), zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben war ich glücklich mit dem was ich hatte. Es war nicht viel, weniger wohl als die meisten besitzen, doch in diesem blinden Zustand der Liebe spürte ich keinen Neid mehr auf andere. Ich hatte meinen Engel, was brauchte ich die Menschen?
Doch, wie hätte es anders sein können, entpuppte sich dieser Engel letztendlich als der Teufel, der die Erde erst vollständig in eine Hölle verwandeln sollte. Um es kurz zu fassen; ich erfuhr damals durch einen Freund von einem Schäferstündchen, welches sich vor ein paar Tagen zwischen ihr und einem meiner besten Freunde, einem Schwarzen namens Niklas zugetragen hatte. Noch am selben Abend besuchte ich diesen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um festzustellen ob Niklas auch wirklich zu meinem Engel passen würde. Doch wie sich später am selben Abend noch auf seinem Balkon herausstellte, war dies nicht der Fall.
Er konnte nicht fliegen.
Ein Jahr Gefängnis, zwei Jahre Psychiatrie und einen allerorts schallenden Ruf als Neo-Nazi Später, welcher sich durch meine Glatze nur noch verstärkte war ich mit vierundzwanzig Jahren nun wieder auf freiem Fuß. Und natürlich arbeits- und freundelos. Unter diesen Umfelds-Bedingungen fiel mir die Entscheidung nicht allzu schwer. Ich zog um. Doch wohin? Wo würde ein hässlicher, psychisch labiler, wild meuchelmordender Neo-Nazi schon Karriere machen können? Sicher, Amerika, doch das erschien mir dann doch etwas überstürzt und nebenbei kostspielig. Ich entschied mich für Berlin. Ich bezog eine kleine heruntergekommene Wohnung in einem Türken-Viertel, dass ich gerade für die nächsten zwei Monate mit meinem Ersparnis bezahlen konnte. Da ich Probleme hatte soziale Kontakte zu knüpfen entschied ich mich für asoziale, und tatsächlich, diese fand ich schnell. Denn schon nach einem kleinen Besuch in der Untergrund-Bar Deutsche (R)Einheit und der Beiführung einer Gefängnisakte, hatte ich viele Poker-Freunde gefunden. Das war zwar alles andere als meine Grundeinstellung, jedoch dachte ich mir andererseits; Wenn mich eh schon alle so sehen, warum sollte ich sie dann enttäuschen?
So bekam ich Kontakte und dadurch einen Job im Makro-Markt, bei dem einer, der sich selbst 'Der Oberst' nennen lies, die Geschäftsleitung führte. Ein vorbestrafter Vergewaltiger. Ich durfte ihn Bernie nennen. Ich verdiente nicht viel, doch für die schäbige Wohnung reichte es weiterhin. Ich lernte schnell dazu. Ich lernte zum Beispiel die Ablaufdaten von abgelaufenen Produkten zu entfernen. Ich lernte das Mindestgewicht der Gemüsewagen auf 10g zu stellen und ich lernte die Garantieverträge aus den Verpackungen von Handys, I-Pods und ähnlichem zu entfernen. Bald schon, hatte ich einen festen Job. Im darauffolgenden Jahr teilte ich meine Woche ungefähr folgendermaßen ein: Montags ging ich morgens in die Arbeit, nach der Arbeit legte ich mich schlafen und wenn ich abends wieder aufwachte, machte ich mich auf den Weg ins Pub. Auch Dienstags ging ich zuerst arbeiten, danach schlafen und danach ins Pub. Mittwochs arbeiten, schlafen, Pub. Naja, Sie können sich ja bereits denken, worauf ich hinaus will. Samstags gingen wir alle zusammen in der Deutschen (R)Einheit Bowlen oder hin und wieder ein paar Ausländer aus den hirnverbranntesten Gründen verprügeln. Sie spuckten auf die Straße, hatten komische Kleidung an, hörten ihre Musik zu laut oder saßen, standen und gingen dort, wo wir sitzen, stehen oder gehen wollten. Unverzeihlich, in den Augen meiner 'reinen Gebrüder'. Natürlich gab es hin und wieder auch gute Gründe. Sie spuckten auf uns, beleidigten uns oder spotteten über unsere Familien. Nicht, dass mich das eigentlich gestört hätte. Unter anderen Umständen, hätte ich ihnen wahrscheinlich sogar Recht gegeben. Doch nun war alles anders. Nun wurden solche Leute einfach verschlagen. Oh Zeiten, Oh Sitten. Doch auch diese Zeit war nicht von Dauer. Durch einen anonymen Anruf hatte die Polizei erfahren, dass Bernie, oder auch 'Der Oberst', eine ganze Latte Kleingeld unterschlagen hatte. Bernie wurde gefeuert und ich, der zweitbeste Mann des diesigen Makro-Marktes wurde, nur zwei Jahre nach meiner Entlassung, zum neuen Filiale-Leiter ernannt. Obwohl ich anonym angerufen hatte, verschlechterten diese neuen Umstände meine Beziehung zur 'Deutschen (R)Einheit' beträchtlich. Doch das war mir egal. Nun hatte ich ja mein Geld, was brauchte ich Freunde? Doch wie so viele dieser Art, war auch diese Ansicht sehr fehlerhaft.
Makro-Markt ging pleite und hier war ich wieder. Allein und mittellos. Da ich immer noch im Türken-Viertel wohnte, hatte ich noch genug Geld für ein paar Monatsmieten, doch es wurde Zeit sich erneut umzusehen. Um Nachzudenken ging ich in eine Kneipe in der Innenstadt, setzte mich ans Ende der Theke und bestellte mir zwei Bier und drei Jack Daniels, da ich es hasste nachzubestellen. Als der Gläser-Berg gerade vor mir aufgebaut war öffnete sich die Tür und eine Gruppe Studenten kam herein. Das war an sich nichts ungewöhnliches, schließlich war Berlin nicht gerade unbeliebt als Studentenplatz. Doch leider waren mir diese Studenten nur allzu bekannt. Es war Angel, sie hatte sich inzwischen die Haare blondiert, doch ich hätte sie selbst erkannt wenn ihre Haut schwarz und ihre Nase die einer Ratte geworden wäre. Neben ihr kam ein groß gewachsener, braunhaariger Kerl mit Football-Figur und einem eigentümlichen Schnauzer herein, den ich als ihren neuen Lover einstufte. Doch das war noch nicht alles. Neben ihm erkannte ich den Bruder des durch meine Hände verstorbenen Niklas, Simon. Alles in allem eine Gruppe, der ich lieber nicht begegnen wollte. Ich versteckte mich hinter meinen Gläsern, denn weglaufen wollte ich nicht. Ich wäre mir noch erbärmlicher vorgekommen als ich es sowieso schon tat. Natürlich entdeckten sie mich trotzdem.
Angel kreischte mit furchterregend hohem Ton durch die Gläser-Reihen.
„Sieh mal einer an. Simon, das wird dir gefallen.“
Simon musste sich wohl in den letzten Jahren eine Glatze rasiert haben, was ihm ein noch bedrohlicheres Äußeres gab. Um den Hals hing eine Goldkette, an welcher drei Patronen baumelten, was mich Böses erahnen ließ. Bei meinem Anblick, nahm er das Glas, dass er soeben bestellt hatte und schmiss es mit voller Wucht zu Boden.
„Auf diesen Moment habe ich 5 Jahre gewartet!“
Ich sah gelangweilt in mein leeres Bierglas, doch wenn ich ehrlich war, hatte auch ich auf diesen Moment gewartet. Nur vielleicht nicht so, wie Simon es hatte.
„Was du nicht sagst, Simon. Das ist ja rührend. Doch du wirst wohl noch ein Weilchen warten müssen, oder willst du mich in einer vollen Bar kaltmachen?“
Missmutig blickte er sich um, doch die Kneipe, die gerade noch vom Hall klirrender Gläser erfüllt war, war plötzlich wie leergefegt. Simon begann laut zu lachen, danach war mir nicht gerade zumute. Er holte eine Baretta34 aus der Hose und drückte sie Angelas neuem Lover in die Hand.
„Wenn er sich wehrt...Knall ihn ab.“
Angelas Lover schien etwas erwidern zu wollen, hielt sich aber zurück und betrachtete unglücklich die Waffe in seiner Hand. Simon hob das zerbrochene Glas vom Boden auf und ging auf mich zu. In seinen Augen funkelte Mordlust. Mein anfänglicher Versuch, mich davon nicht beeindrucken zu lassen, schlug allmählich fehl und ich verfluchte mich dafür, nicht schon lange davon gerannt zu sein.
„Weißt du, ich will nicht dass du denkst, ich wäre nachtragend.“,sagte er, während er langsam auf mich zu schritt.
„Ach nein? Na dann würde ich vorschlagen, du lässt mich einfach in Ruhe.“
Meine Stimme war zittrig und ich wusste, es würde ihm auffallen.
Simon lachte nur. „Oh nein, ich will dir nur helfen weißt du? Und da ich weiß, dass du nicht in der Lage bist, deine Schönheits-OPs zu bezahlen, habe ich mich dazu entschlossen, das für dich zu übernehmen.“
Er stand nun direkt vor mir und fuchtelte bedrohlich mit der Glasscherbe in seiner Hand.
„Zu freundlich, aber weißt du, das Geld wäre mir eigentlich lieber...-“
„Schnauze, du Wichser!“ Er schlug meinen Kopf auf die Theke. Meinen Schädel in der einen Hand, hielt er mir mit der anderen die Scherbe an den Hals. In diesem Moment öffnete ein Gast die Tür, sah uns an, entschuldigte sich höflich und verschwand verdächtig schnell in der Dunkelheit, aus der er gekommen war. Simon drehte sich wieder zu mir. „Nun“, begann er. „Womit wollen wir anfangen?“
„Nimm die Warze!“ ,schrie Angela. Aus dem Augenwinkel konnte ich Simons wahnsinniges Grinsen sehen.
„Gut.“, krächzte er, heiser vor Erregung. „Dann nehmen wir die Warze.“
„Leck mich.“ , keuchte ich heraus.
„Oh, das ist aber nicht sehr höflich. Sag deiner Verunstaltung auf nimmer Wiedersehen!“
Mit einem tiefen Schnitt durchfuhr er meine Haut und riss die Warze von ihrer missgestalteten Behausung. Der Schmerz durchzuckte mich wie ein teuflisch starker Stromschlag und mir schien als würde mein Kopf in Flammen stehen. Ich schrie laut auf, doch Simon lachte nur.
„Du solltest mir danken!“ Er sah zu den Anderen. „Das Auge?“
„Du verdammter Bastard!“ ,keuchte ich.
„Nein, du bist der Bastard, Dreißter! Ich mache dich nur zu einem Menschen! Also dann...“
Er legte die Scherbe an mein taubes Lied, doch da fiel mir Angelas neuer Lover ins Auge. Sein Blick war von uns abgewendet und seine Hände um die Waffe zitterten. Jetzt musste alles ganz schnell gehen. Den Schmerz unterdrückend, drehte ich mich blitzartig um, wobei die Scherbe durch mein Augenlid fuhr, als wäre es Butter und schlug Simon mit dem stärksten Hieb, den ich kannte, seitlich unter die Rippen. Diesen Schlag hatte mich meine ehemalige Bruderschaft gelehrt. Simon prustete aus, dann klappte er zusammen. Ich sprang auf, rammte meinen Fuß in Simons Kehle und hastete so schnell ich konnte zur Tür. Angel hatte aufgeschrien und ich wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis mich ihr Lover im Visier hatte. Ich hatte gerade den Henkel erreicht, da ertönte der erste Schuss. Für einen Moment blieb ich wie angewurzelt stehen, doch als mir bewusst wurde, dass er mich offensichtlich verfehlt haben musste, riss ich die Tür auf und rannte auf die Straße. Mein linkes Auge war blind, von Blut getränkt und ich kam nur sehr langsam voran. Ich schien nicht verfolgt zu werden, doch ich wollte mich nicht darauf verlassen und taumelte so schnell ich konnte in die Richtung meines Viertels. Als ich gerade, immer noch im Lauf, um die Ecke meiner Straße bog, erkannte ich, dank meines erblindeten Auges leider zu spät, gegen wen ich gerade gerannt war. Ich richtete mich blinzelnd auf. Vor mir stand Bernie. Das letzte was ich, wohl für die nächsten paar Stunden sah, waren seine Fingerkuppen, die mit beträchtlicher Geschwindigkeit auf mein Gesicht zu rasten. Mein Kopf schien zu zerreißen. Um mich herum wurde alles schwarz. Ich hörte Schreie, ich hörte Schüsse, ich hörte ein Chaos aus Stimmen und Taten, die alle in einander verschwammen und zu einem tiefen monotonen Laut wurden, der mich in sich sog, wie in einen Strudel. Doch die Tiefe der Schwärze ließ schon bald nach.
Ich öffnete die Augen. Ich musste blinzeln, so geblendet war ich durch die plötzliche Helligkeit. Ich sah weiße Wände, weiße Gardinen, und eine wunderschöne Frau in weißen Klamotten, die angeekelt mit einem feuchten Tuch mein Auge abtupfte. Als sie bemerkte, dass ich wach geworden war, erschrak sie für einen Moment, dann versuchte sie ihren Ekel zu unterdrücken und begann mir sachlich zu erklären was geschehen war. Es stellte sich heraus, dass die Bruderschaft meine Wohnung, deren Vermieter schließlich ein Türke war, angezündet hatte. Als Bernie zufälligerweise auf der Flucht in mich hinein gelaufen war, hatte er sich wohl kurzfristig dazu entschlossen, sich zu rächen. Nachdem er mich niedergeschlagen und als Fußball verwendet hatte, habe er mir wohl als Sahne-Häubchen drei Mal in die Beine geschossen und war verschwunden. Der Nachbar, der das ganze Szenario beobachtet hatte, habe dann liebenswürdigerweise nach Ende des Verfahrens sogleich die Polizei gerufen. Er habe übrigens auch seine Nummer da gelassen, erzählte sie mir, falls ich mich bedanken wollte.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich meine Beine nicht bewegen konnte. Laut den Worten der Schwester, sollte das wohl auch für eine ganze Weile so bleiben.
Als die Schwester soeben zu Ende erzählt hatte, öffnete sich die Tür und er trat ein. Ich erkenne einen Polizisten sofort, wenn ich ihn sehe, ich habe schließlich viel Erfahrung mit ihnen. Und so war es auch hier. Der Mann schien Mitte 30, Anfang 40 und mit seinen nach hinten gestriegelten Haaren machte er den Eindruck, den viele Polizisten erzeugen. Man konnte sofort sehen, dass er sich für etwas Besseres hielt. Er stellte sich als Andreas Schwarzer vor. Ich erzählte ihm alles was geschehen war und er machte sich Notizen. Es gibt einige Menschen, die strahlen eine derartige Selbsthochachtung aus, dass sie einem schon unsympathisch sind, noch bevor sie beginnen zu sprechen. Zu ihnen gehörte Andreas Schwarzer. Leider wurde es auch nicht besser, als er begann zu sprechen. Er schien weniger meine Aussage aufzunehmen, als mich zu verhören.
„Wir werden uns bald wiedersehen.“ ,sagte er, als er das Krankenzimmer verließ. Es klang eher nach einer Drohung und ich wusste, dass ich dabei Recht behielt. Tatsächlich kam er schon am nächsten Tag wieder. Er lächelte selbstsicher. Mir war klar, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte.
„Jetzt habe ich Sie.“, sagte er triumphierend. „Jetzt hab ich Sie am Haken!“
Er schien so stolz, dass ich ihm am liebsten auf die Schulter klopfen wollte. Doch irgendetwas hinderte mich daran.
„Ich habe die Mitglieder Ihres ''Vereins'' befragt und raten Sie mal, was ich da rausbekommen habe?“
„Überraschen Sie mich.“, erwiderte ich schnippisch.
„Sie haben ausgesagt, dass Sie an jenem Abend mit Ihnen dort waren um das Haus abzufackeln. Dann kam es zu einer Auseinandersetzung und Sie wurden angeschossen.“ Er setzte einen missbilligenden Blick auf und sah mich angewidert an. „Wie ich euch Nazi-Gesocks hasse! Ihr kommt hier her und verpestet unsere schöne Stadt! Genau wie diese Nutten und Neger!“
Jetzt musste ich lachen. Doch ich hatte das Gefühl, es konnte sowieso nicht mehr viel schlimmer werden.
„Oh, du findest das also witzig?“, fragte er mich angriffslustig. „Na, das wird dir noch vergehen. Spätestens in ein zwei Monaten, wenn du hier draußen bist, wanderst du erst mal schön in den Knast. Und da es zum wiederholten Mal sein wird... denke ich wir können mit mindestens 3 Jahren rechnen.“
Er stolzierte aus dem Raum wie eine Prima Ballerina nach ihrer Abschlusspirouette. Das war ja zu erwarten, dachte ich. Dann rollte ich mich aus dem Bett und begann mich mit meinen Fingern über den Boden zu ziehen, wobei der Teppich meinen Wundschorf abschabte und zwei rote Spuren begannen, meinen Passionsweg zu kennzeichnen, bis ich das Fensterbrett erreicht hatte und mich daran hochzog. Ich sehe mich nicht um, denn was sollte es dort schon zu sehen geben? Es gibt nichts worauf ich zurück lächeln könnte. Nicht einmal meine große Liebe, denn war ich letztendlich nichts als ein Spielzeug Ihrer Grausamkeit gewesen. Doch was nützt es auf der anderen Seite nach vorne zu sehen? Hält der Ausweg, den ich zu nehmen gewählt habe, ja auch nicht wirklich das größte Ausmaß an Überraschungen bereit.
Doch wenigstens ist der Schmerz in dieser Richtung nicht von Dauer und so wähle ich den Blick in die Zukunft und springe.

 

Hallo autorschneider,

dieser Text weist tatsächlich satirische Elemente auf:
* Schwarzer mit großem Ding
* Hohle Neonazis
* Betrügerischer mieser Supermarkt

Aber die Kritik ist immer nur kurz angebunden und oberflächlich und richtet sich nicht gegen Missstände von Bedeutung.

Im großen Rahmen hast Du die Struktur gut gewählt: Protagonist vor dem Sprung erklärt, warum er springen wird, und springt.

Was fehlt, ist jeglicher Tiefgang und damit auch jegliche Glaubwürdigkeit der Charaktere. Sie scheinen auch keinen Schmerz zu fühlen (wie Arnulf, als ihm die Warze mit einer Glasscherbe abgeschnitten wird) und keine nennenswerten Gefühlsregungen zu haben (wie Angela, die nur böse und wütend herumkreischt, als wie den Protagonisten am Tresen sitzen sieht).

Kennen Sie diesen albernen Film, über zwei biologisch erstellte Zwillinge, von denen der eine alle guten, der andere alle schlechten Eigenschaften bekam?
Kenne ich, ja. :) Das waren Arnold Schwarzenegger und Danny de Vito.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Ganz recht, auf das Auslassen jeglicher Gefühle des Hauptprotagonisten und die kühle Aura, vielleicht auch gerade die Gleichgültigkeit der Menschheit, war ich bewusst fixiert. Aber es ist auch schon ein paar Jahre her, dass ich es schrieb und ich hatte eigentlich nur vor, etwas mit schwarzem Humor zu schreiben, die Unpässlichkeit geht mir also nicht allzu nahe ;-). Doch als ich es durchlas, dachte ich, es würde sich vielleicht am besten in diese Kategorie einordnen lassen. Vielen Dank fürs Lesen und deine Mühe für das Feedback.

Liebe Grüße,

autorschneider

 

‚Jeder Mensch ist ein Abgrund’ ein Gemeinplatz [aus’’m Woyzek des Georg Büchner], rund um die Uhr bei RTL 2 zu besichtigen …“, sagte erst am vergangenen Wochenende F. C. Delius.

Hallo Autoschneider,

nach der Standuhr (die immer noch Deiner Reaktion harret) geht esnun an längere Wegstrecken wie in diesem Falle nahezu fünf einzeilig eng bedruckten Seiten Manuskript unterm Schriftgrad Cicero, entspr. bei der Schreibmaschine und dem Keyboard 12 point Time New Roman. Und um mit Büchner-Delius-Woyzek fortzuzfahren

… und sehe ächzend in den Abgrund vor mir, der gerade einmal tief genug erscheint, um mich zu töten.

Könn(t)en Abgründe für sich tödlich sein, es gäbe kein höheres Leben mehr auf der Welt. Ein Abgrund an sich kann niemand töten, es sei denn, der spränge ungesichert hinein.
Natürlich kann der Schreck über einen Abgrund jemand umbringen (die Ursache ist dann aber nicht so sehr der Abgrund an sich, sondern die abgrundtiefe Vorstellung darüber - siehe Woyzek - i. V. m. der Schreckhaftigkeit des Opfertoten), also bestenfalls ein Abschluss wie
…, um mich … töten [zu können],
was dann noch einiger Eigen- oder Fremdinitiative bedürfte.

Ein Weiteres ist der (Ge)Zeitenwechsel: Präsens nebst den Präterita. Nehmen wir das Gedankenspiel, wenn Du Dich durch den Icherzähler fragst

…, wie es nur dazu kam, doch wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment ausgerichtet war. Es scheint von Anfang an vorbestimmt gewesen zu sein, dass es heute und hier endet,
was zunächst gut und geschliffen klingen mag, doch tatsächlich nach dem Konjunktiv verlangt, handelt es sich doch um Mutmaßungen, dass etwa folgende Konstruktion vorzuziehen wäre
Ich frage mich, wie es nur dazu [kommen konnte], doch wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment ausgerichtet [wäre]. Es scheint von Anfang an vorbestimmt […] zu sein, dass es heute und hier ende[te],
was selbstverständlich nur ein bescheidener Vorschlag wäre ...

Nun, wie kann ich es am besten erklären...
Leertaste zwischen Verb und Auslassungspunkten zuzüglich eines Fragezeichens …

… Zwilling, so wäre ich Letzterer.
Grammatisch korrekt, wenn auch wohl eine Folge der Plauderei, denn unfreiwillige Komik kommt herein, wenn der / das Letzte auch noch als Komparativ daherkömmt. Unter zweien ist man schnell der zwote und damit nicht nur der letzte, sondern zugleich der allerletzte.

… mit dem Namen Arnulf zu schimpfen.
Wäre denn Kevin oder Caloderma besser?

…, nenne ich mein Eigen
Scheint Dir eine beliebte Formulierung zu sein, ob Nase oder Standuhr aus dem Biedermeier.

…, herabgestiegenKOMMA um mich aus dieser Vorhölle in Erdengestalt zu befreien.
Widerfährt Dir öfters: K117, Ziffer 1, Duden Bd. 1 (Ausnahmen zur kann-Befreiung vom Komma für den Infinitivsatz)

Um es kurz zu fassen;
Du versuchst den Totschlag mittels Wortschwall!

... arbeits- und freundelos.
"freundelos" sieht wie eine Konstruktion à la "keinster" aus: es reichte doch einer, gelt?, also „freundlos“.
… unter diesen Umfelds-Bedingungen fiel …
Endungs-s entbehrlich: Umfeld-Bedingungen

Da ich Probleme hatteKOMMA soziale Kontakte zu knüpfenKOMMA entschied ich mich …
Nein, nicht o. g. K 117 Problem, aber nun Ziffer 2!

Bissken mehr Wortdisziplin &'s wird hinhauen.

Berg vermisst Tiefgang. Da kann's Schiff aber auch auf Grund laufen, dass der Bagger wieder alles freischaufeln muss ...

Gruß & schönes Wochenende wünscht der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,
Bitte verzeih mir, das letzte Mal hatte ich dir eigentlich schon geantwortet, doch mein Internet schien etwas dagegen zu haben, was mir erst heute aufgefallen ist.
Also erstmals vielen Dank für deine Mühe, sogar auf Schreibfehler einzugehen!
Nunja, vielleicht hat Berg allerdings auch recht, was den Tiefgang anbelangt ;-)
Ich hatte es als Buchanfang geschrieben, war dann unzufrieden und zu faul es zuende zu schreiben, woraufhin ich es etwas unmodeliert und als Kurzgeschichte abgeheftet habe... wohl nicht die beste Vorraussetzung :D

… und sehe ächzend in den Abgrund vor mir, der gerade einmal tief genug erscheint, um mich zu töten.

Könn(t)en Abgründe für sich tödlich sein, es gäbe kein höheres Leben mehr auf der Welt. Ein Abgrund an sich kann niemand töten, es sei denn, der spränge ungesichert hinein.

ganz recht, so wie ich es ja auch schrieb ;-)

Ein Weiteres ist der (Ge)Zeitenwechsel: Präsens nebst den Präterita. Nehmen wir das Gedankenspiel, wenn Du Dich durch den Icherzähler fragst

Zitat:
…, wie es nur dazu kam, doch wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment ausgerichtet war. Es scheint von Anfang an vorbestimmt gewesen zu sein, dass es heute und hier endet,

was zunächst gut und geschliffen klingen mag, doch tatsächlich nach dem Konjunktiv verlangt, handelt es sich doch um Mutmaßungen, dass etwa folgende Konstruktion vorzuziehen wäre

achja, das böse Konjunktiv. Aber danke :)

Zitat:
… mit dem Namen Arnulf zu schimpfen.

Wäre denn Kevin oder Caloderma besser?

Bei Caloderma müsste ich noch einmal überlegen, aber ich nahm nicht an, dass heutzutage noch jemand so grausam sein könnte und sein Kind Kevin nennen würde. Ich wollt die Geschichte also nicht unnötig skurril ausfallen lassen und hätte ihr somit jedwede Glaubwürdigkeit geraubt. Also entweder das, oder, wovon man ebenfalls ausgehen könnte: Ich wollte nur irgend einen furchtbaren Namen. :D

Zitat:
…, herabgestiegenKOMMA um mich aus dieser Vorhölle in Erdengestalt zu befreien.

Widerfährt Dir öfters: K117, Ziffer 1, Duden Bd. 1 (Ausnahmen zur kann-Befreiung vom Komma für den Infinitivsatz)

Ich fand den Totschlag mittels Wortschwall schon immer verlockend, aber wer wills mir verübeln, wenn den Leser noch nicht, wie erwartet, die abgrundtiefe Vorstellung an den Abgrund zum Hezinfarkt geleitet?

Ansonsten nur Dank für Fehlererkennung und unterhaltsame Lyrikkunde. An die Antwort auf die Antwort zur Standuhr werde ich mich später setzen, bis dahin nochmals vielen Dank und Frohe Weihnachten!

Liebe Grüße,

autorschneider

 

Bitte verzeih mir, ...
soll so sein, denn als Nutzer eines Internetcafés mit durchaus antiker Hard- & Software kann ich auch dergleichen Lieder singen, da das Problem mir beklannt ist. Jetzt wär's nämlich an mir, die Weihnachtsgrüße fütr's nächste Jahr aufzugeben ... Was den Tiefgang betrifft, so ist das hierorts i. d. R. ein Grund zu stranden ...

Dann wäre da noch,

lieber autorschneider,

der

Konjunktiv. Den kenn ich gar nicht. Gibts den? Aber dann ein Satz, der von mir sein könnte:
Ich fand den Totschlag mittels Wortschwall schon immer verlockend, aber wer wills mir verübeln, wenn den Leser noch nicht, wie erwartet, die abgrundtiefe Vorstellung an den Abgrund zum Hezinfarkt geleitet?
Allein das verrät schon den potenziellen Satiriker! Da laach'et Hääz und et jrinst'e futt!

Gruß & guten Rutsch vom

Friedel

 

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