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Der Puppenmacher
Blicke auf dein Antlitz, schönes Mädchen, wie du hier vor mir liegst. Dein Mund zu einer Linie gezerrt, lang und schmal, von einem lieblichen Rot umzüngelt. Ich würde dich gerne küssen, doch fehlt mir die Kraft meinen Blick dafür von dir zu nehmen.
Du starrst mit leeren Augen zu mir herauf, als würdest du zu mir sprechen wollen, doch dein Mund bleibt geschlossen. Die Worte dringen durch deine Augen an mein Gehör. Ich glaube, du sagst, ich soll dich berühren.
Ich traue mich nicht.
Du bist so schön, wie du hier liegst, im klaren Mondschein ausgebreitet auf dem Boden, auf dem ich knie und zu dir herab sehe.
Eine kleine Strähne umspielt deine runden Wangen. Im silbrigen Licht erinnern sie an Porzellan.
Vorsichtig streiche ich dein Kleid glatt, ohne den Blick von dir zu nehmen.
Dein Gesicht hat seine zarten Züge nicht verloren.
Aber du bist so still geworden, seit ich dich hergebracht habe.
Deine Lippen bleiben verschlossen, dafür sprechen deine Augen. Durch ihren matten Glanz dringen die Worte zu mir herauf. Ich kann sie hören, kann sie in meinem Mund schmecken. Liebliche, süße Worte ohne Klang, die mich liebkosen. Höre nicht auf, Schönheit, sing dein Lied für mich.
Nur zaghaft fährt meine Hand über dein Gesicht, sucht vergebens nach der Wärme und Herzlichkeit in dir. Erschrocken weicht sie zurück, als sie auf kalte Ablehnung deiner Haut stößt.
Warum weist du mich ab?
Ich habe dir doch das Kleid zurecht gestrichen.
Das Rot deiner Lippen fängt an zu verblassen.
Ich fühle, wie der Schein des Mondes von dir weicht und selbst unter dem Strahl der Glühbirne siehst du aus wie eine Puppe. Wie schnell die Zeit vergeht. In deiner Nähe vergesse ich alles um mich herum. Meine Gedanken weichen und ich kann nichts empfinden, als die Herrlichkeit des Daseins meines kläglichen Lebens.
Ich fühle nichts, als das reine Glück über deine Anwesenheit. Dann lasse ich erneut deine Augen sprechen. Sie sollen mir sagen, dass du mich liebst.
Dein Blick bleibt starr nach oben gerichtet, doch der Glanz deiner Linse verrät mir, dass du mich nicht verlassen willst.
Mein gutes, schönes Mädchen. Wie hätte ich auch jemals anders von dir gedacht?
Die Augen werden schwer. Ich lege den Kopf langsam auf deine Brust und schließe die Lider.
Die Welt verfärbt sich schwarz, nur für einen Moment. Fühle deine weiche Haut durch den dünnen Stoff des Kleides.
Werde es dir gleich wieder richten, nur einen Moment, lass mich an deiner Brust verweilen.
Dann nahm er den Lippenstift von der Kommode vor sich und begann dem Mädchen feine, rote Linien auf den Mund zu malen.
Wie ein Künstler beugte er sich über das leblose Subjekt und fertigte konzentriert ein Abbild eines alten Varieté-Clows auf ihren Gesichtspartien an.
Es sah lächerlich aus, wie das junge Ding vor seinen Füßen lag, aber es erfüllte ihn mit Freude sie so zu sehen, weil sie sein Werk war.
Er lächelte gewissenvoll, lächelte in sich hinein. An seiner Hose ließ sich eine Ausbeulung deutlich feststellen.
Soviel Freude hatte er selten verspürt, nun war sie also wieder da und gab ihm einen weiteren Grund zum Schmunzeln.
Wie gut er doch war. Aber sie sollte definitiv die letzte gewesen sein.
Es machte ihm keinen Spaß mehr so vorsichtig sein zu müssen und schließlich sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist. Welch kummervolle Wahrheit sich dahinter verbarg.
Das Regal vor der Tür hatte er mit Absicht so platziert, dass sie ihn nicht finden würden. Und selbst wenn sie ihn fanden, wäre er sowieso nicht mehr da. Das verschaffte ihm für einen kurzen Augenblick Zuversicht und Genugtuung.
Nun fühlte er sich gestärkt und war bereit für den letzten Schritt.
Das Geschöpf vor ihm auf dem Boden rührte sich weiterhin nicht. Er gab ihr im Stillen den Namen Angela, weil er harmonisch klang und nicht allzu modern. Und schließlich hießen viele Puppen Angela. Seine auch. Er hätte sie gerne zu den anderen gesetzt, aber sie war zu schön dafür gewesen.
Dafür schlief er lieber bei ihr ein.
Dann hob er die Rasierklinge vom Boden, schlitzte sich die Adern auf und legte sich neben ihr zum Sterben hin.