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Der Puls der Stadt

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27.07.2010
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Der Puls der Stadt

I.

Die Luft flirrte vor Hitze an jenem heißen Frühlingstag, welcher das Versprechen auf einen wundervollen Sommer in sich barg. Ein unsichtbares Vibrieren lag in der Luft und war fast körperlich zu spüren, während die Stadt die Starre des Winters von sich warf und zu neuem Leben erwachte.
Der Geruch der frisch erblühten Frühlingsblumen mischte sich mit dem der Autoabgase und der Wassergischt des Brunnens am Orleansplatz.
Der Geruch von Aufbruch lag in der Luft.
Von Aufbruch in ein neues Leben.

Es war 1990 und ich war gerade 22 Jahre alt geworden. Ich war jung, ich war schön, die Welt lag mir zu Füßen.
Noch ahnte ich nichts von Alter, Tod und Schicksalsschlägen.
Noch roch ich nur den wunderbaren Frühlingsduft und spürte die mitreißende Vibration der Stadt mit all meinen Sinnen.

Ich war eigentlich gebürtige Münchnerin, wurde dem freudvollen Stadtleben jedoch im zarten Alter von elf grausam entrissen und verbrachte meine Jugend auf dem Land. Es gab nichts, was einen motivierte und die Jugendlichen verbrachten ihre Tage mit rumhängen und dem Konsumieren von Drogen.
Seit ich dorthin verschleppt worden war, war mein größter Traum die Rückkehr nach München gewesen.

Und nun endlich war es soweit!
Ich würde kein Landei mehr sein, sondern Münchnerin!
Nicht trist in der langweiligen, starren Öde dieses Ortes meine Jugend vergeuden, sondern mich mitten hineinstürzen ins Leben!
In das Gewühl der Großstadt, den Lärm, die Lichter, die Chancen, die Abenteuer, die Partys!

II.

Ich erinnerte mich gut an den Eindruck und die Erlebnisse meiner Kindheit in München.
München war nicht nur der Heimatort der Reichen und Schönen, München bot so viel mehr.
Mit meinen Eltern war ich oft im Englischen Garten gewesen, einem Schmelztiegel der Generationen und Kulturen. Hier trommelten Afrikaner neben Frisbee spielenden Studenten, hier trafen wild um sich her knipsende Touristen aus aller Welt auf alte Bayern in Tracht. Der Monopteros leuchtete mit seinen weißen Säulen in der Sonne, oben im Chinesischen Turm spielte die Blaskapelle und am Seehaus konnte man direkt am Kleinhesseloher See sitzen und dabei den Elektrobooten und den fast bis zu den Bänken schwimmenden Enten zusehen.
Wildfremde teilten sich bei einer „Maß“ - einem Liter Bier, mehr als das Dreifache der in Köln üblichen Menge - einen großen Biertisch und kamen so ins Gespräch, natürlich per „Du“.
Und auch eine versteckte Undergroundszene hatte es gegeben, von heimatlosen Punks, welche die Erwachsenen am Weissenburger Platz anbettelten „Haste mal ne Mark“ über langhaarige Hippies mit Schlaghosen und Stirnband bis hin zu den ersten vampirgleichen Gothics mit weißgeschminkten Gesichtern, in ihren schillernden, an vergangene Jahrhunderte erinnernde Gewändern.
Und natürlich hatte es auch das schicke München gegeben. Die großen Villen in Grünwald, den Einzug der Schönen und Reichen im P1 oder Schuhmanns. Die Promifeiern im Käferzelt auf der „Wiesn“, wie die Münchner das Oktoberfest nennen, das sie damals weitgehend den mit Lederhose und Trachtenhut als Bayern verkleideten Touristen überließen.

München, die Stadt mit der großen Bandbreite, das Millionendorf, unter dessen sauber- schicker Fassade sich einiges mehr verbirgt, als der Ruf vermuten lässt.
Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln über meinem Gesicht aus und eine unbändige Freude durchfuhr meinen ganzen Körper.

München! Was wirst du für mich bereithalten?


III.

Zunächst machte ich mich auf ins Studentenwerk und informierte mich an der Pinnwand. Zwei Zimmer waren dort ausgeschrieben.

Die WG in Pasing befand sich in einem wunderschönen großen, sauberen Haus mit Garten und ländlicher Idylle. Das Zimmer war ruhig, riesig und hatte Aussicht auf Bäume und Wiesen. Fast wie dort, wo ich herkam.

Das Zimmer am Rosenheimer Platz befand sich im fünften Stock eines alten Jugendstilhauses ohne Aufzug und war gerade mal 8 Quadratmeter groß.
Im Eingangsflur des Hauses war es höchst feudal –mosaiksteinbesetzter Boden, hochherrschaftlich anmutende, hölzerne Flügeltüren, der Geruch nach Altem, fast ein wenig wie Weihrauch.
Im Eingangsflur der Wohnung war es dafür umso schäbiger. Der Teppich war abgewetzt und versifft, es stank nach ungewaschenem Geschirr und dröhnende Musik lärmte aus jedem Zimmer.
Die 8 Quadratmeter waren sonnendurchflutet und boten die Aussicht auf ziegelgeschindelte Dächer und verwinkelte Hinterhöfe, welche fast italienisch anmuteten. Winzig kleine Fenster, dazwischen gespannte Wäscheleinen, uralte, von Sonne und Regen verzogene Fensterlädchen. Es war laut, es war klein, es war dreckig, es war mitten im Herzen, am pulsierenden Nerv der der Großstadt.

Am nächsten Tag zog ich in der WG am Rosenheimer Platz ein.

Mein Freundeskreis wuchs rasant. Am ersten Tag lernte ich Mono bei der Eröffnung des Flex kennen, am nächsten Tag schon verabredeten wir uns und gingen zusammen auf den großen, nur einmal jährlich stattfindenden Frühlingsflohmarkt des BRK , dem Highlight der Flohmarktsaison auf der Theresienwiese. Dort lernten wir Ulli und Eva beim Inspizieren ausgeflippter Hippieklamotten aus Indien kennen. Zu viert zogen wir weiter in den Englischen Garten, Frisbee spielen. Uwe und Roland gesellten sich dazu und schon waren wir zu sechst. Abends im Liberty trafen wir Nicole, Claudia und Robert, im Studium lernte ich Birgit kennen, welche mir ihre Freundin Carola vorstellte. Und so ging es immer weiter. In Null Komma Nix wuchs eine riesige Clique um mich.
Wir tanzten zu den Doors im Liberty, headbangten zu den Stones im Pulverturm, ravten auf den ersten Partys einer neuen, bis dato völlig unbekannten und alles bisher dagewesene in den Schatten stellenden Szene in der Kulturstation in dichtem Kunstnebel zu wummernden Bässen. Die Sperrstunde um eins störte uns nicht. Zusammen mit anderen, noch unbekannten Übriggebliebenen zogen wir im Sommer weiter an die Isar um zu feiern und im Winter in eine Privatwohnung. Irgendwann kam jemand auf die Idee, die Sperrstundenregelung zu umgehen, indem er seinen Club -oder seine Disco, wie es damals noch hieß-, einfach sehr früh morgens öffnet. Und so ging es nach einem Sit-In bei einer Flasche Wein weiter zur After Hour um sechs Uhr morgens.
Wir lauschten den Konzerten auf den Open Airs im Theatron, Tunix und Stustaculum, schlugen uns durch Labyrinthe in die 4.Dimension auf dem jährlichen Feierwerk-Sommerfest und trafen uns auf einem kleinen, intimen Künstlerfest namens Tollwood, fast ein Geheimtipp, das geprägt war von der Hippie- und Künstlerszene Münchens und weit darüber hinaus. All jene, die die Winter in fernen Ländern verbrachten, trafen sich des Sommers hier und verkauften ihre fremdländisch anmutenden Waren. Wie auf einem orientalischen Bazar konnte man sich hier fühlen, wenn die Sonne sengend brannte, man dem Stimmengewirr lauschte, den Duft von Räucherstäbchen in der Nase hatte und barfuß über die unbefestigten Wege schlenderte. Man traf sich bei der von sphärischen Klängen ummalten Edelstein-Schrottkunst des Fluidum-Museumsmachers, bei den Trommlern, beim Minutendichter oder am Stand unseres Kumpels Nick.

Ab und an besuchten wir die Schickeria im P1, in welches wir trotz der angeblich strengsten Tür Europas und trotz unserer hippiemäßigen Fantasiekleidung stets eingelassen wurden und wo uns hinter vorgehaltener Hand der Termin für die nächste geheime H&S-Party zugeraunt wurde.

Wir waren hip, wir waren cool, uns gehörte die Welt. Und wir wurden scheinbar niemals älter. Jahr um Jahr verging und nichts veränderte sich groß. Alles schien wunderbar, nichts konnte dieses Leben erschüttern – so schien es.

So ging das viele, viele Jahre.


IV.

Doch irgendwann fingen auch wir an zu altern.
Das Studium wich dem Beruf, das Singledasein der Familiengründung, durchgemachte Clubnächte gelangweilten Abenden vor dem Fernseher.
Die wilde, fantastische Partyclique meiner Jugend existiert längst nicht mehr.

Heute bin ich in 42, erste Falten zeigen sich auf der Stirn, die Haut ist nicht mehr so straff, der Blick nicht mehr so leidenschaftlich sprühend wie in meiner Jugend.
Freundschaften sind zerbrochen, Träume begraben, Hoffnungen zerstört.

Doch etwas ist gleichgeblieben:
Der Puls der Stadt.

Ich öffne das Fenster und herein strömt noch kühle Märzluft, die jedoch ein Versprechen auf baldiges Ende des Winters in sich trägt. Sie duftet nach einem Gemisch aus Autoabgasen und ersten Blüten.
Einst habe ich schon einmal etwas Ähnliches gerochen.

Ich gebe mich diesem Geruch hin, schließe die Augen, horche tief in mich hinein und erinnere mich zurück, wie ich vor genau 20 Jahren nach München kam.
An das Versprechen von Aufbruch in ein neues Leben, das damals so deutlich in der Frühlingsluft lag, an den Duft nach Freiheit und Abenteuer, an die unbändige Kraft und Sehnsucht der Jugend, an die Energie, die mir die lebendige Atmosphäre der Stadt gegeben hatte.

Tief in mir spüre ich ein Kribbeln, das sich von meinem Bauch aus auf meinen ganzen Körper überträgt.
Ein leises Pochen.
Den Herzschlag der Stadt, der sich auf mich überträgt und in meinen Adern verheißungsvoll zu pulsieren beginnt, immer stärker und stärker.
Das anfangs zaghafte und immer größer werdende Aufkeimen einer lange vergessenen Hoffnung, die mich wie eine mächtige Welle überrollt und mitreißt- den Beginn eines neuen Anfangs.

Der Frühling naht.

 

Hey ChrisMuc!

Ist das jetzt ne KG oder doch eher ein Erlebnisbericht? Eine KG zeichnet sich normalerweise dadurch aus, dass der Prot eine Entwicklung durchmacht. In deiner KG seh ich keine Entwicklung. Es erzählt nur Irgendwer von Erlebnissen aus seiner Vergangenheit. Die Story ist beliebig austauschbar. Zudem führst du Personen ein, die für den späteren Verlauf völlig belanglos sind. Sorry aber so schreibt man keine Kurzgeschichten.

Grüße Domi21

 

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