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Der Preis eines Schattens
„Jeder hat seinen Preis, ich weiß, dieser Spruch ist ein wenig abgegriffen, dennoch stimmt es.“
Der schwarz gekleidete Mann trank einen Schluck von dem blutroten Wein, welchen er sich bestellt hatte. Für ihn war das alles nur ein weiterer Job, wenigstens war der Wein gut.
„Also tun Sie, worum ich Sie gebeten habe?“, fragte die Frau, die ihm gegenüber auf der Bank saß. Ihr Name war Helena. In den Augen spiegelte sich Hass. Natürlich, was hatte er denn erwartet? Nur Hass trieb die Menschen dazu, sich bei ihm Hilfe zu suchen.
Die Nische, in denen die beiden saßen war bequem, das musste er dem Besitzer der Bar lassen. Er wusste, wie man einen Raum gemütlich einrichtete. Die Bilder an der Wand, die roten Sitzpolster auf den Bänken und der Schrank mit dem scheinbar endlosen Vorrat an Alkohol sorgten dafür, dass man die Bar am liebsten gar nicht mehr verlassen wollte.
„Ich glaube, du hast mich falsch verstanden. Ich mache es, aber nur, wenn du meinen Preis errätst.“
Die hübsche Frau sah nun leicht verärgert aus.
„Ich habe keine Zeit für so einen Schwachsinn“, zischte Helena. „Und wer zur Hölle hat Ihnen überhaupt erlaubt mich zu duzen?“
Der Mann, den seine Kundin als Herr Müller kannte, lächelte. Er las Helenas Gedanken wie eine Werbereklame am Straßenrand. Selbst in dem schummrigen Licht der Kneipe konnte er in den grünen Augen seiner Kundin all ihre Emotionen sehen. Besonders stach der Abscheu heraus, den sie ihm gegenüber verspürte. Das Lächeln provozierte sie besonders. Auf die Frau wirkte es wie eine schrecklich verzerrte Parodie von Freundlichkeit.
„Das warst du, Helena. Zu dem Zeitpunkt, an dem du mich um Hilfe gebeten hast.“
Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was die Frau als nächstes sagen würde. Wenn man die Gefühle von Menschen kannte, war alles so durchschaubar.
„W-Woher kennen Sie meinen Namen, ich habe Ihnen meinen Vornamen doch überhaupt nicht verraten.“
Bingo. Furcht war leicht zu erkennen.
„Das tut hier nichts zur Sache. Bist du dir eigentlich wirklich sicher, dass du nichts trinken willst? Der Rotwein hier ist überraschend gut.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, gab der Mann dem Barkeeper ein Handzeichen. „Noch einen Rotwein, bitte.“
Als er das Nicken des Barkeepers sah, wandte sich der, der sich Herr Müller nannte wieder Helena zu.
„Keine Angst, der geht auf mich“, sagte er, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen.
Die Frau lehnte sich zurück, ein verächtliches Schnauben entfuhr ihr.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich von Ihnen einladen lassen will.“
Der Mann trank noch einen Schluck von seinem Wein. Solch einen guten Wein in so einer Spelunke. Wie war so etwas nur möglich?
„Und das, obwohl man immer sagt, dass Schwaben so geizig seien.“
Helenas Miene verfinsterte sich augenblicklich.
„Sie sollten nicht allzu viel auf Klischees geben, Herr Müller.“
Ein junger Angestellter der Bar kam zu den Beiden und brachte den Wein.
„Danke, Jonas“, sagte der Mann. „Wenigstens einer hier, der sich sein Trinkgeld verdient.“
Der Junge machte ein verwundertes Gesicht und bedankte sich für das Kompliment, während er sich zweifellos darüber Gedanken machte, woher ein Mensch, den er noch nie zuvor getroffen hatte, seinen Namen kannte.
Helena trank einen Schluck aus ihrem Glas.
„Könnten wir jetzt zum eigentlichen Thema zurückkehren?“
„Natürlich können wir das. Was für einen Preis habe ich denn, laut dir?“
Es war dem Mann schon klar, was die Frau ihm anbieten würde, noch bevor sie anfing, in ihrer Handtasche herumzuwühlen. Das dicke Geldbündel, welches Helena, möglichst unauffällig auf den Tisch legte, beeindruckte Herrn Müller nicht im Mindesten.
„Zehntausend vorher und doppelt soviel, nachdem die Bande erledigt ist.“
Zum Glück war der Mann ein sehr guter Schauspieler, so gelang es ihm, auf Anhieb eine ungläubige Miene vorzutäuschen.
„Dreißigtausend Euro. Eine hohe Summe.“ Er stieß einen Pfiff aus.
„Sie sehen, es ist mir ernst damit. Lassen sie den ganzen Clan verschwinden und es gehört Ihnen.“
„Mit dem Geld kann man sich bestimmt so einiges kaufen, nicht wahr?“
Die Dame grinste über beide Ohren. Es war ein scheußliches Grinsen, ganz ohne Wärme.
„Tun Sie damit, was Sie wollen. Das geht mich nichts mehr an.“
Die Frau dachte sicherlich, mit Geld könne man jeden kaufen, wie dumm von ihr. Die ungläubige Miene verschwand von seinem Gesicht.
„Du hast meinen Preis falsch eingeschätzt und bitte, vertrödel nicht meine Zeit indem du versuchst mir mehr Geld anzubieten.“
Der Mann blickte in sein Weinglas. Geschätzt noch zwei Schluck.
„Was wollen Sie dann?“
Das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück.
„Denk nach, Helena. Was ist wertvoller als Geld?“
Diese machte ein verdutztes Gesicht. Seine Kundin nahm einen großen Schluck Wein, an welchem sie sich verschluckte. Die rote Flüssigkeit lief ihr langsam über das Kinn und tropfte auf den Tisch.
Er beschloss ihr noch ein wenig mehr Zeit zum nachdenken zu geben, indem er sich selbst den vorletzten Schluck seines Weines gönnte.
„Ist es Liebe?“
„Richtig.“
„Ist das ihr ernst?“ Helena machte ein erstauntes Gesicht. Sie hatte wohl nicht gedacht, dass die Antwort richtig sein würde. Das Lächeln des Mannes wandelte sich zu einem breiten Grinsen.
„Entschuldigung ich konnte einfach nicht widerstehen. Liebe ist ohne Zweifel wertvoll, aber zu unbeständig. Sie hält nicht ewig. Ein wenig so wie bei einem Haus das immer baufälliger wird.“
Seine Kundin schien langsam ungeduldig zu werden.
„Was ist es dann?“
Herr Müller beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte in ihr Ohr.
„Loyalität. Ich will, dass du loyal zu mir stehst.“
„Und wie soll ich Ihnen das geben?“
Der schwarz gekleidete Mann lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme.
„Ganz einfach, du musst es mir nur versprechen. Dann bekommst du die Rache für deinen Mann.
Helena blieb ganz still. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Der Schock saß tief. Sie hatte dem Mann nicht erzählt, dass der Kiosk ihres Mannes von Gangstern überfallen wurde, ebenso wenig von seinem Tod während des Überfalls. Und schon gar nicht von ihrer Freundin, bei der Polizei, die ihr erzählt hatte, dass der Räuber der Sohn einer angesehenen Mafia-Familie war.
„Ich habe in dein Herz geblickt. Ich weiß alles über dich.“
Er sagte das ohne jegliche Emotionen, als würde er über das Wetter reden.
„Dein Vater hat dich und deine Mutter früher oft geschlagen, bevor er verschwand, nicht wahr?“
„Sie...“, Die Worte blieben ihr im Halse stecken.
„Wer, glaubst du, bin ich?“
Es kam nicht oft vor, dass er dies einem Menschen verriet. Für gewöhnlich setzte der Mann den Gedanken, sich an ihn zu wenden in seine potenziellen Kunden ein, ohne das dies von ihnen überhaupt bemerkt wurde. Er erfüllte ihre Aufträge und sie Versprachen ihm Loyalität, ohne sich etwas dabei zu denken. Doch ihm war langweilig, und so etwas entsprach seinem Humor.
Die Furcht, in Helenas Blick war nun stärker, es war pure Angst.
„Ein Dämon.“
Herr Müller begann zu lachen. Alle Anwesenden in der kleinen Bar drehten sich nach ihm um. Das Lachen kam von Herzen, trotzdem löste es ungeahnt schreckliche Gefühle aus, wenn man dieses Geräusch hörte, war einem eiskalt.
Der Mann blickte zum Barkeeper und zeigte auf seine Kundin.
„Sie hält mich für einen Dämon.“
Die Augen des Barmannes verrieten, dass er ähnliches dachte. Alles eine Frage der Ausstrahlung.
Helena war in sich zusammengesackt. Sie war den Tränen nahe.
„Dämonen können sterben und selbst der Teufel erfüllt einen Zweck“, jeder in der Bar hörte seine Stimme, „Ich bin Schlimmer, es gibt mich aus keinem Sinn. Ich war da als der erste Mensch entstand und ich werde da sein bis der Letzte von euch sein Leben aushaucht. Ich bin die Verkörperung eurer Schatten, der dunklen Seite in euch allen. Nennt mich die Finsternis, nennt mich die Geißel der Menschheit, denn das bin ich.“
Stille. Die Ansprache hatte alle Anwesenden schockiert. Menschen verließen gehetzt die Bar, ohne zu bezahlen. Der Barkeeper versteckte sich hinter seinem Tresen. Helena saß schluchzend auf der Bank, das Gesicht in den Händen vergraben
Der Mann trank ruhig den letzten Schluck Wein aus dem Glas.
„Lauf jetzt“, sagte er zu Helena, „Ich weiß, dass du wiederkommen wirst. Niemand entkommt seinem Schatten.“
Helena stand auf und lief davon, immer noch schluchzend.
Der Mann hingegen blieb sitzen und hob sein leeres Glas.
„Barkeeper, noch einen Rotwein“, sagte er.