Der Piratenkapitän und der Smutje
Der Piratenkapitän und der Smutje
Zu einer Zeit, als noch das Recht des Stärkeren auf den Weltmeeren herrschte, gab es viele Piraten.
Das waren meist wilde Burschen. Mörder, Diebe und andere Hallunken, halt übles Gesindel aus aller Herren Länder. Diese Kreuzten mit ihren schnellen Schiffen über die Meere, immer auf Beute aus, und davon gab es reichlich. Große, vollbeladene Fracht - und Handelsschiffe waren ihre liebsten Opfer, denn sie waren sehr langsam. Und der Geleitschutz von Kriegsschiffen reichte bei weitem icht aus. Außerdem war ein einzelnes Piratenschiff oft stärker Bewaffnet und schneller, als zwei Kriegsschiffe zusammen.
Die Piraten waren unerschrockene Kämpfer, die sich keine Sorgen um ihr Leben,oder ihre Zukunft machten. Sie hauten jeden um, der sich ihnen in den Weg stellte. Gefangene, oder verletzte Gegner wurden entweder sofort, oder später getötet.
So war es im allgemeinen üblich, nur Heute nicht. Heute war irgendwie alles anders. Keiner wußte genau warum, aber es war so. Es lag etwas in der Luft.
Selbst der Kapitän war anders als sonst und das wollte schon etwas heißen.
Ein Hüne von Mann, Arme wie Dreschflegel, Beine wie Säulen und Fäuste wie Vorschaghämmer. Niemand wollte es mit ihm aufnehmen. Und wer es doch wagte, dem hatte sein letztes Stündlein geschlagen. Er war oft Mürrisch und schlecht gelaunt. Am besten man ging ihm dann, wenn irgendwie möglich aus dem Weg. Doch heute brüllte er nicht einmal. Gab nur die nötigsten Befehle und stand, abwartend an der Brüstung seines Kommandostandes. Das er sich Gedanken über den Tod seines Kochs machte, wußte die Manschaft natürlich nicht. Der Smutje, also der Schiffskoch, war für den Kapitän eine wichtige Person. Denn eine seiner großen Leidenschaften war das Essen. Bevorzugt, einmal am Tag,wollte er Eisbein mit Sauerkraut. Wehe wenn der Smutje vergaß einen Vorrat anzulegen. Der letzte vergaß es und der Kapitän warf ihn eigenhändig den Haien zum Fraß vor. Doch wer sollte ihm nun sein Lieblingsessen Kochen? Es mußte schnellstens ein neuer her!
Mit voller Fahrt Steuerte das Piratenschiff auf ein einzelnes Schiff am Horrizont, welches tief im Wasser lag und auf reichlich Beute hoffen ließ. Geleitschutz war nicht in Sicht. Die Piraten überprüften ein letztes mal ihre Waffen und nahmen an Deck Aufstel lung. Ringsum Stille,nur der Wind und das Rauschen des Meeres und das Knistern der Lunten, welche zum Abschießen der Kanonen gbraucht wurden, war zu hören. Die Spannng stieg bei den Piraten,was würde das Handelsschiff geladen haben?
Endlich ein neuer Smutje, dachte der Kapitän.
Das Piratenschiff war schnell und kam dem Handelsschiff immer näher. Die Piratenflagge wurde aufgezogen. Auf dem anderen Schiff sah man jetzt mit bloßem Auge Menschen hin und her eilen. Sie waren in Panik.Piraten und keine Hilfe in Sicht. Die Piraten machten sich unterdessen zum Entern bereit. Sie klammerten an der Reling und in den Wanten. Nur noch wenige Meter trenten die beiden Schiffe von einander und die ersten Piraten schwangen sich an langen Tauen hängend und laut schreiend auf das ander Schiff hinüber. Immer mehr landeten auf dem Deck des Handelsschiffes, zwischen den aufgebrachten Matrosen. Sie schlugen und schossen um sich und ein wildes Gemetzel begann. Tapfer wehrten sich die Handelsfahrer, aber gegen so viele wilde Gesellen half die größte Tapferkeit nicht. Fast die hälfte der Manschaft lag nach kurzer Zeit Tot, oder schwer Verletzt auf den mit Blut getränkten Planken. Die anderen wurden von den Piraten in eine Ecke gedrückt und machten sich einen Spaß daraus,als einige über Bort fielen und in der von Haien aufgewühlten See verschwanden.
Aufhören donnerte plötzlich eine grollende Stimme übers Deck.
Breitbeinig stand dort der Piratenkapitän. Alle verharrten und es setzte schlagartig Stille ein, selbst das knarren der Schiffsplanken verstummte. Pakt die Jamerlappen in die Rettungsboote und setzt sie aufs Wasser. Entweder sie haben Glück und finden Land, oder auch nicht. Das ist eine gute Idee jubelten die Piraten und setzten den Befehl sofort in die Tat um. Nur den Smutje will ich hier behalten brüllte der Kapitän. Energisch wurde durch die Menge eine eher unscheinbare Figur nach vorne geschoben. Der Smutje, ein kleines, mageres Männlein mit schütterem Haar und einem dünnen Kinnbart stand zitternd vor dem riesigen Kapitän. Seine Finger drehten eine dreckige Mütze, welche irgendwann einmal Weiß gewesen war. Du bist also der Koch, fragte der Kapitän mit harter Stimme und packte ihn mit seiner großen Pranke. Fast sah es so aus, als wenn er ihn am ausgestreckten Arm verhungern lassen wollte. Antworte Bürschchen, zischte der Kapitän und schüttelte ihn. Ja, ja stotterte dieser endlich, bitte tut mir nichts Herr Kapitän. Ich stehe zu euren Diensten. Das will ich auch meinen, sagte der Kapitän.
Jeden Tag will ich einmal Eisbein mit Sauerkraut. Vergißt du es, dann fressen dich die Haie.
Ja Herr Kapitän wisperte der Koch. Ich verstehe dich nicht brüllte der Kapitän.
Jawoll Herr Kapitän, einmal am Tag Eisbein mit Sauerkraut, jeden Tag , ich habe verstanden , rief der Smutje so laut er konnte. Ist gut sagte der Pirat versöhnlicher und stellte den kleinen Mann wieder auf die Beine. Scher dich in die Kombüse, auf meinem Schiff und richte mir mein Leibgericht.
Unter dem Gelächter und Gegröle der Piraten lief der Koch über eine Planke auf ds Piratenschiff und machte sich auf die Suche nach der Kombüse. Endlich fand er diese und hohlte aus der daneben liegenden Vorratskammer ein Eisbein und eine Dose Sauerkraut. Währenddessen trieben die Piraten die Handelsfahrer in die Rettungsboote, ließen diese zu Wasser und trieben die Leute in eine ungewisse Zukunft. Einige, letzte Schüsse aus Pistolen und Gwehren Donnerten über die Köpfe der Todgeweihten. Dann verluden die Piraten eilig die Beute auf ihr Schiff. Als die letzten Beutestücke verstaut und alle Männer an Bord waren, wurde das Handelsschiff mit einem Dutzend Kanonenschüssen unter die Wasserlinie auf den Meeresgrund geschickt.
Der Piratenkapitän stand nun wieder auf seiner Komandobrücke, ließ die Segel setzen und Befahl volle Kraft vorraus. Er wollte nicht das Risiko eingehen so schwer beladen von einem Kriegsschiff überrascht zu werden. So manches Kriegsschiff hatten sie zwar schon versenkt, aber man konnte nie wissen.
Inzwischen hatte der Smutje das Lieblingsessen des Kapitäns fertig und schickte den Schiffsjungen, eine freche, rothaarige Rotznase, zum Kapitän, um diesen zum Essen zu rufen. Gut gelaunt, in erwartung seines Lieblingsgerichts, stürmte der kurze Zeit später in die Kapitäskajüte, wo der Koch das Essen auftrug.
Mit riesigem Appetit verputzte der Pirat innerhalb kürzester Zeit Eisbein und Sauerkraut. Dazu noch einen halben Laib Brot und einen großen Krug mit süßem Wein. Vorsichtig näherte sich der Smutje dem Tisch des Kapitäns, als dieser ihn heranwinkte.
Koch, sagte er, das hat gut geschmeckt, nur nächstes mal mehr Sauerkraut und einen ganzen Laib Brot.
Ja sagte der Koch beflissen und räumte den Tisch ab, während es sich der Kapitän in seiner Koje gemütlich machte, um Mittagsschlaf zu halten.
Puh, dachte der Koch, als er wieder in seiner Kombüse saß, da habe ich noch mal Glück gehabt, im Gegensatz zu meinen Kameraden. Welches Schicksal sie wohl erwartete?!
Tage und Wochen vergingen ohne Zwischenfälle. Der Koch bereitete dem Kapitän jeden Tag dessen Lieblingsspeise und dieser ließ ihn in Ruhe.
Bis eines Tages, als der Koch wieder eine Portion Eisbein mit Sauerkraut aus der Vorratskammer hohlte und sich etwas umsah. Der Schreck schoß ihm in die Glieder. Das konnte doch gar nicht sein, nur noch wenige Eisbeine hingen dort und auch das Fass mit dem Sauerkraut war fast leer.
Die drohenden Worte des Piratenkapitäns kamen ihm wieder in den Sinn: jeden Tag will ich einmal Eisbein mit Sauerkraut. Vergißt du es, dann fressen dich die Haie. Er würde es zwar nicht vergessen, aber er mußte schnellstens die Vorräte auffüllen. Also ging er zum Kapitän, um zu fragen, wann sie den nächsten Hafen anlaufen würden um die Lebensmittel zu ergänzen. In zwei bis drei Wochen antwortete dieser Mürrisch. Hast du etwa kein Eisbein mit Sauerkraut mehr, brüllte er!?
Doch, doch versicherte der Smutje schnell und verließ die Kapitänskajüte. Was mach ich bloß dachte er und lief in seiner Kombüse hin und her? Wenn ihm nichts gutes einfiel, war er verloren. Nichts wollte ihm einfallen und der Tag kam,an dem der Smutje dem Piratenkpitän das letzte Eisbein und das letzte Sauerkraut servierte. Er war drauf und drann es dem Kapitän zu sagen, aber er traute sich einfach nicht. Und wenn er bis Morgen noch einige Stunden herrausschinden konnte, um so besser. Die Nacht kam, der Smutje war Hundemüde, doch Schlafen konnte er nicht. Morgen würde sein Leben vorbei sein, unwiederruflich. Der Kapitän würde sein Wort halten und ihn den Haien vorwerfen. Wie ein Tiger im Käfig lief er in seiner Kombüse hin und her.
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ja genau, das war es.
Am nächsten Tag servierte der Smutje, gut Gelaunt, dem Kapitän sein Leibgericht.
Ja natürlich waren Eisbein und Sauerkraut alle, trotzdem bekam der Kapitän sein Leibgericht.
Smutje, brüllte der Kapitän, komm sofort her!
Schade, dachte der, leider nicht geklappt und schickte ein schnelles Stossgebet zum Himmel.
Als er wie ein Häufchen Elend vor dem Piraten stand, sagte der zu ihm: Smutje, so wie heute will ich mein Leibgericht ab sofort jeden Tag haben, so und nicht anders. Du hättest das neue Rezept schon viel eher nehmen müßen. Jetzt geh und lass mich Schlafen. Untertänig verließ der Smutje, Rückwärtsgehend die Kapitänskajüte. Draußen vor der Tür machte er einen kleinen Luftsprung vor Freude.
Wer hätte das Gedacht, unglaublich aber wahr. In seiner Kombüse machte der Smutje eine Flasche Rum auf und trank sie in langen Zügen halb leer. Ja er war ein Meister seines Faches. Um sein Leben brauchte er nun auch nicht mehr zu bangen, dank seines neuen Rezeptes. Er brach in schallendes Gelächter aus. Das neue Rezept, das war Klasse. Das Eisbein bestand aus einem Stück Holz, als Knochen und einem alten, ausgedientem Wollsocken.
Noch einen kräftigen Zug aus der Rumflasche. Schmatzend wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. In seinem Kopf stieg leichter Nebel auf. Und das Sauerkraut, ha, ha lachte er. Unter der Beute befanden sich mehrere Ballen Tabakblätter. Diese fein säuberlich in Streifen geschnitten und in Essig gedünstet ergaben das leckere Sauerkraut.
Manchmal war das Leben so einfach, dachte der Smutje noch, bevor der Nebel seinen Kopf ausfüllte und er rücklinks in seine Koje stürzte.
ENDE