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Der Pilot
Die Flügel des Propellers strichen noch langsam durch den groben Wüstensand. Wenige Augenblicke nach dem Absturz waren sie neben den züngelnden Flammen, die mit dem gelblichen Hintergrund zu verschwimmen schienen, das Einzige, was sich noch bewegte.
Bei genauer Betrachtung hätte ein aufmerksamer Beobachter der Szene aber auch noch zusätzlich das schwerfällige Heben und Senken der Brust des Piloten bemerken können. Einzig der Rumpf der Maschine, in dem er lag, war ansatzweise intakt geblieben. Tragflächen und Radwerk hatte sich in einem mehreren Meilen großen Bereich verstreut und in brennende Trümmerhaufen verwandelt.
Eine leichte, sandige Brise strich dem Piloten durchs blonde Haar.
Er kam langsam zu Bewusstsein.
Jetzt, wo der Fahrtwind fehlte, schlug ihm die ganze Wucht der saharischen Sonne wie eine Faust ins Gesicht. Der Zenit war schon eine Weile überschritten, doch die Hitze hatte nichts von ihrer Unnachgiebigkeit verloren. Lebensfeindlich im wahrsten Sinne.
Er richtete sich schwerfällig auf. Ein Stück Blech von der vorderen Verkleidung steckte tief zwischen seinen Rippen. Eine Ecke des Union Jack war darauf zu sehen.
Er hievte sich über die Kante und fiel dumpf auf den Sand. Er atmete ein wenig Blut und hustete anschließend weit mehr wieder heraus.
Von der Düne dort drüben, würde er wenigstens sehen, wo er stirbt.
Als er ihren Fuß erreichte, hatte sich die Sonne schon rötlich verfärbt. In der gleichen Farbe hatte er den Wüstensand in regelmäßigen Abständen auf seinem kurzen Weg gesprenkelt.
Vor ihm baute sie sich wie eine Festungswand auf. Unmöglich sich hinauf zu schleppen. Er versuchte es dennoch.
Bei jeder Bewegung die er machte um sich ein Stückchen höher zu ziehen, gab der zurückweichende Sand nach und zog ihn wieder herunter. Schweiß und Blut trübten seine Sicht; die Körner gruben sich tief in die Wunden und die aufgescheuerte Haut.
Als die Sonne den Horizont berührte hatte er es trotzdem fast bis zum Kamm geschafft. Sie war nun zu einem großen, tiefroten Feuerball angewachsen und warf lange, harte Schatten.
Eigentlich gab es hier nichts, was hoch genug wäre um Schatten zu werfen.
Er drehte sich um.
Eine hochgewachsene Frau, nubisch und schön, stand am Hang, das Licht im Rücken. Eine tönerne Amphore auf dem Haupt, gestützt durch eine grazile Hand. Tiefe, schwarze Augen blickten aus einer ebenen Haut direkt in seine Seele. Das Wasser schwappte über den Rand und färbte den Sand dunkel.
Der Pilot schaute schwerfällig zum Himmel. Es hatte seit Tagen nicht geregnet. Keine Siedlung, kein Brunnen in einem Umkreis von hundert Meilen.
Woher kam die Frau? Woher das Wasser?
Die Wüste war groß, es gab keine schneebedeckten Gipfel, keine Seen oder Flüsse.
Einzelne Oasen, aber viel zu weit, als dass eine einzelne Frau alleine von dort gekommen sein konnte.
Das Meer war Tage entfernt.
Sie streckte ihm die Hand entgegen.
Er nahm seine Kräfte zusammen und ließ den Blick schweifen. Kein einziges Zeichen von Zivilisation soweit das Auge reichte. Nur vor ihm versperrte das letzte Stück der Düne die Sicht.
Mit letzter Kraft zog er sich hoch und schaute über den Kamm.
Nichts.
Die Welt um ihn löste sich in Schwärze auf.