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Der Pilot

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26.08.2002
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Der Pilot

Es gab jemanden, der starb.
Nach dem letzten Funkkontakt setzte sich Martinov mit dem Psychologen Ben Scott in Verbindung. Er wählte die Nummer und wartete, bis der Hörer abgenommen wurde.
"Hier Ben Scott."
"Martinov."
"Guten Tag. Kommen Sie von der Zentrale?"
"Ja", erwiderte Martinov und seufzte.
"Gibt es etwas Neues?" fragte Scott.
"Nein, nichts Wesentliches", sagte Martinov. "Hören Sie, ich will, dass Sie schon morgen mit ihm reden. Ich glaube, wir unterschätzen das Feld. Möglicherweise bleibt kaum noch Zeit. Ich habe Stevenson bereits meine Befürchtungen mitgeteilt. Aber er ist bombenfest davon überzeugt, dass wir Ben Ray noch drei Wochen lang empfangen können."
"Hm, ich verstehe. Stehen meine Mitarbeiter fest?"
"Sie müssen ohne Mitarbeiter beginnen. Wir müssen Rays Zustand und die seelischen Veränderungen von Anfang an mitschneiden. Bis der Stab sich für irgendwelche Kollegen entschließt, kann es zu spät sein. Ray ist nicht dumm. Er weiß, dass er nicht schmerzlos sterben wird."
"Aha. Ja, ich habe Rays Unterlagen bereits studiert und mich vorbereitet. Nun gut. Ich komme morgen vorbei!"
"Um neun. Wir haben ganztags mit ihm Verbindung. Möglicherweise gilt das nur so rum. Die Bänder laufen, der Präsident probt seine Rede und CNN will 15 Minuten ins Programm einflechten. Sie müssen ihn ermutigen, neue Messungen zu machen. Diese Verantwortung! Alle wälzen die Last auf mich ab!"
"Gut dann, Walrossarsch!"

Caim Dean ging neben Nita Ray her. Beide schwiegen ihr Schweigen, und vielleicht dachte sie daran, wie es zu brechen war, falls sie dachte. Vielleicht hatte sie Angst vor dem banalen Weg. Sie mochte ihn recht gern. Nicht, dass sie ihn liebte. Es war unwahrscheinlich, dass jemand Caim Dean liebte - man konnte ihn nur mögen.
Er war klein, hatte kurzgeschnittenes, fettiges Haar, dünne Arme und Beine. Trotz dem er dürr war, hatte er kräftige Muskeln.
"Caim? Was soll ich denn noch tun?" fragte sie.
Er sagte: "Stevenson meint, du sollst nicht mehr mit ihm reden. Sonst könnte seine Sehnsucht nach dir zu groß werden."
"Ich liebe ihn! Ich bin seine Frau!"
"Nicht so laut! Du hast ja Recht, Nita. Er war mein Freund. Aber..."
(In diesem Moment kotzt mich das an... ich glaube, er scheißt sich keinen Quadratzentimeter um sie!). Wenn es nun mal so war und nicht anders?
Caim Dean sah das Kind, das auf die Straße lief, vor den Bus. Er stürzte sich nach vorn, Nita schrie auf, schloss die Augen. Als er dem Kind das Leben gerettet hatte, dachte er: Scheiß-Kind!

Hattenzwerger: Er war so oft deprimiert und wirkte sehr langweilig. Vielleicht habe ich ihn zu spät erkannt oder überhaupt nicht. Es ist ungerecht, ein Spektrum nicht erkennen zu können wegen ungünstiger äußerer Umstände. Vielleicht habe ich Fehler gemacht. Wer weiß? Ich habe ihn nicht geliebt.

"Das BLACK HOLE befindet sich zwei Lichtminuten von Ray entfernt. Sagen wir 100 D. Der Antrieb ist zu schwach, das Boot kann das Feld nicht mehr verlassen. Bald kommen keine Funkwellen mehr durch. Danach nicht mal mehr das Licht. Für Ray ist es dann ziemlich ungemütlich", sagte Stevenson. Die Männer des Ausschusses blickten den alternden Professor an.
"Wann erreicht er die Funkgrenze?" (Ich wollte Grenze betonen wie Krenze).
"In schätzungsweise drei Wochen."
"Kann ihn nichts mehr retten? Ich hörte davon, dass ein russisches Großraumschiff mit erheblich leistungsfähigeren Triebwerken ihn noch herausholen könnte."
"Von einem russischen Großraumschiff weiß ich nichts. Noch Fragen?" sagte Stevenson.
"Das nicht. Aber wie wärs, wenn Sie sich mal waschen würden? -- Entschuldigung vielmals."

Golut: Ich weiß nur, dass Ben ein guter Typ ist. Er ist mein Freund. Er ist wahrscheinlich mein bester Freund. Alte Wursthaut.

Harden: Er war stolz und egoistisch. Und obwohl er sich sehr stark gab, war er sehr verletzlich. Er hatte sehr viel Pech und er war sehr verbittert. Ich kannte ihn sieben Jahre lang. Es war eine Zeit der Freude und der absoluten Niedergeschlagenheit. Er konnte Dinge tun, wissen Sie, die andere nicht tun können. Bis zu seiner, naja, Verwandlung, war er ein sehr wertvoller, vielsagender Mensch. Er sagte, es gibt zwei Möglichkeiten, sich einer Ampel nicht zu beugen. Die Erste ist, bei Rot rüberzugehen; die Zweite ist, bei Rot stehen zu bleiben. Die Frage ist, ob es bewusst geschieht, was du tust, ob es also deine eigene Entscheidung ist.
Er hatte Fehler, aber selbst Unrichtiges war interessant. Danach war er nur noch Abschaum. Und für ihn war das gut so. Aber es gibt Möglichkeiten, die ich nicht erwäge. Vielleicht hat er zu viel leiden müssen.

Wissenschaft Heute und Morgen: Was ist ein BLACK HOLE?
Dr. Clarke: "Wenn Sie nun mit einem Stern anfangen, der größer als drei Solarmassen ist, und er stürzt zusammen, verwandelt er sich nicht einfach in einen Neutronenstern. Er macht so weiter. Er wird so dicht, dass die Fluchtgeschwindigkeit dreißig Millionen Zentimeter in der Sekunde überschreitet... nämlich...?"
Gastgeber: "Äh. Die Lichtgeschwindigkeit?"
Dr. Clarke: "Richtig. Das Licht kann also nicht hinaus dringen. Der Stern ist schwarz. Deshalb wird er ein BLACK HOLE genannt - aber wenn man nah genug herankommt, in die Ergosphäre, wie man dazu sagt, ist es nicht schwarz. Wahrscheinlich könnte man etwas sehen."
Gastgeber: "Wie sähe das aus?"
Dr. Clarke: "Da bin ich überfragt. Wenn jemals einer hin geht und es sieht, wird er, falls er kann, zurückkommen und es uns sagen. Aber wahrscheinlich kann er nicht. Man könnte vielleicht so nah heran kommen, messen, zurückkehren - und kassieren. Das wäre vielen viel wert. Aber wahrscheinlicher ist es, aus einem Flugzeug zu spucken und damit den amerikanischen Präsidenten während einer Rede am Kopf zu treffen. Sozusagen ein außerordentlicher Glücksfall."

Nita Ray schaltete das Fernsehen aus. Heulend brach sie auf der Couch zusammen, gleich neben den Mitleidsbriefen prominenter Leute. Vielleicht machte ihr das Spaß, und es war dennoch ihr Ernst.
"Er wird für immer ein Teil dieser furchtbaren Sonne! Ich muss noch einmal mit ihm reden!" schrie sie.
Caim Dean, das linke Bein in Gips, nickte. Vielleicht musst du das. "Ich fahre morgen zum Verbindungsleiter."
"Ben war ein guter Mensch", sagte Nita. "Freundlich, gutherzig. Ich will nicht, dass sein Leben so endet. Nicht so!"
Wie soll es denn enden? Ich will das doch gar nicht denken.
Sie fuhr fort: "Soll ich nie mehr seine Stimme hören? Ihn berühren können, sein sentimentales romantisches Ich spüren?"
Überwindung. Caim glaubte, dass sie es ernst meinte. Wenn sie nur nicht so affektiert wäre. Warum zeigt sie es mir nur, weil ich sein bester Freund war? Caim hatte es noch nicht erwähnt. Er behielt etwas für sich. Er konnte Ben verstehen. Und dann auch wieder nicht. Vielleicht konnte man ein nicht-eigenes Denkschema nie ganz verstehen, oder nur andeutungsweise.

Kusker: Ich habe ihn gemocht. Er war eine traurige Figur. Trotzdem.

DER ERSTE MENSCH, DER SO NAH AN EIN BLACK HOLE HERANKOMMT!
Das stand in verschiedenen Versionen auf allen Boulevardtitelblättern der Welt. "Wissenschaftler erwarten sensationelle Messungen von Ben Ray!"
Stevenson dachte: "Was soll das? Nein! Was soll das? Sind mir Ben Ray und seine Daten unwichtig, obwohl er dabei stirbt? Was hat dann wichtig zu sein? Für mich ja. Inoffiziell. Vielleicht weiß er das, und das ist der Grund für sein Verhalten. Vielleicht will er die Gusseisenform sprengen. Oder er will, dass ich das von ihm denke."

Kandl: Er war zuverlässig und fähig echter Freundschaft. Einer, dem man alles anvertrauen konnte, der zuhörte, wenn man sprach. Dann war er wieder ein trostlos versponnener Mensch; er tanzte Ballett auf Disco-Musik. Sie hätten ihn erleben sollen, Mann, man muss ihn erlebt haben.

Zenta: Ich bin mit ihm in eine Klasse gegangen, und weiß nur, dass er ein Stinker war.

Das russische Großraumschiff arbeitete sich an das BLACK HOLE heran. Es erhielt einen anderslautenden Befehl, unterbrach das Manöver, kreuzte durch das Mikrona-System.
"Warum?" fragte der Käptn des Frachters.
"Hm", sagte der Russe am anderen Ende. "Der Pilot des Forschungsschiffes hat uns abgelehnt. Es gab einen Unfall, er ist der einzige Lebende, fünf Crewmitglieder sind tot. So drückte sich dieser Ami da, Carlssonn, aus."
"Weiß er, dass wir seine letzte Chance sind?"
"Noch vier Stunden lang, dann ist es zu spät! Aber wer weiß, vielleicht wollen die Amis den Piloten gar nicht rausholen. Je wichtiger der Grund, desto bedeutungsloser einzelne Menschenleben - so ist's bei den Amis oft gewesen, zum Beispiel als sie 2001 die Sprengung des World Trade Centers durch arabische Terroristen zuließen."
"Ich halte mich weiter bereit."
"Warum? Du willst ihn retten, so ist das. Weil du ein guter Mensch bist."
"Nein! Ich glaube, dass..."
"Komm schon! Du weißt, selbst wenn du es abstreitest, dass ich es denke! Sag, dass du es tust, weil du ein guter Mensch bist! Und dramatisiere nicht!"
"Es macht mir aber Spaß."
"Ja, vielleicht stimmt das. Ich jedenfalls kann es glauben. Ende."
"Ich glaube, dass du nicht so denken solltest. Ende."

Haultann: Er war sehr reif. Seine Ideen und Gedankengänge manchmal genial. Man hat das immer wieder gemerkt. Ich glaube, dass er etwas im Hirnkasten hatte, in gewisser Weise - ja - er hat immer verstanden. Ben hatte dann wieder seine Tiefgänge, wo er gereizt war und aggressiv und destruktiv und kontemplativ (für Freunde von IQ-Tests: welches der drei Wörter gehört nicht dazu?).
Außerdem war er faul. Sagen wir das mal so.

"Er war so gefasst!" Ben Scott ging raschen Schrittes durch das T-Gebäude. "Es ist unglaublich. Er hat es für meinen Geschmack zu gut verkraftet."
"Zu gut verkraftet? Wie kann man so was zu gut verkraften?" sagte Martinov.
"Es ist, als wäre er gar nicht unmittelbar vor seinem Ende. Können Sie das verstehen?" sagte Scott.
"Was sagte er denn konkret?" fragte Martinov.
"Zuerst sprach ich zu ihm", sagte Scott, "über große Männer der Raumfahrt und Wissenschaft, die durch ihre Arbeit unsterblich geworden sind. Er antwortete, ich solle damit das nächste Mal meine unsterbliche Kacke würzen nach dem Scheißen. Daraufhin lenkte ich das Gespräch auf religiöse Themen."
"Das war sehr, sehr geschickt von Ihnen, alle Wetter, hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut! Wird er weiterarbeiten?"
"Nein. Das wird er nicht. Überhaupt machte er einen immens zufriedenen Eindruck. Ob er Drogen nimmt? Er wird nichts mehr tun, sagt er."
"Ist er...?" fragte Martinov.
"Nein, den Eindruck hatte ich nicht."
"Woher wissen Sie, dass ich 'verrückt' sagen wollte? Ich möchte einen Bericht."
"Ich weiß es eben. Manche Dinge muss man wissen können, sonst braucht man ja nicht weiterleben."
Er kann nicht kontern. Er kann es nicht, dachte Martinov. Sie betraten die Büros. Martinovs Sekretärin erwartete ihn schon: "Herr Martinov? Ein gewisser Caim Dean hat sich für morgen angekündigt."
"Was ist das für einer?"
"Ein Verwa..."
"Wimmeln Sie ihn ab, bitte." (Motz nicht!).

Sleder: Er hat mir sehr offen seine Meinung gesagt. Wer tut das schon noch, haben doch alle Angst, wir könnten dann über den Pickel auf ihrer Nase herfallen. Naja. Es ist tragisch. Armer Ben! Ich sprach gern mit ihm. Er war alles andere als oberflächlich und tolerierte fast alles... wirklich!
Und wenn er oberflächlich gewesen wäre? Tja. Warum Vorteile durch körperliche Überlegenheit? Klar. Ist Geist ein Gut, gleich Muskeln?
Ja! Nur zu trainieren. Antwort genug? Wer setzt Werte? Normen? Kriterien? Ein Scheißdreck ist das alles, wenn man genau hinschaut, oder?

"...wir sollten täglich daran denken, dass dieser Mann sich benimmt und sein Schicksal erträgt wie ein echter Amerikaner! Stark im Charakter, gut, ohne Selbstmitleid, ohne Gefühle. Ein Mann, wie wir deren brauchen in unserem Amerika! Und, im Gebet an ihn denkend, sollten wir ihm ein Denkmal setzen, so dass..."
Die Rede des Präsidenten dauerte noch länger. Sie drehte sich aber weiter um diesen Bunkt (Bunkt): Ben Ray als die personifizierte Opferbereitschaft des amerikanischen Volkes.
"Wohin soll der hinführen..." Er sagte wirklich: "Wohin soll der hinführen...", aber richtig hätte er sagen müssen: "Wohin soll das führen...".
Es war widerlich amüsant. Widerliches ist oft sehr gut für das Gemüt. Nur so kann man Fernsehen erklären.

Allein und der Erste?
[Wie befürchtet folgt an dieser Stelle ein Gedicht von Kai-Uwe Kwartrup, dem Bruder von Kwartrup senior]
Willst du es sein? Willst groß sein?
Doch bist du klein. Du sagst, es sein dein Opfer.
Nein, du hast keine Wahl.
Es gibt keinen anderen Weg in dieser Qual!
Könntest du, du würdest.
Es war nicht deine Wahl.
Wer hebt den ersten Stein?
Wer tut hier Gutes, weil er Böses nicht vermag? Leidend, weil er im Sog? Sucht sein Heil im Verstand, wo man ihn doch betrog?
Oh - gehört Schicksal zur Veranlagung? Liegt's im Erbgut?
Gemeinschaft und Gleichsein wählt dein Geist.
Trotzdem gehst du als erster diesen fremden Weg. Allein.

Hunter: Ben war ein... war das, was man bedenkenlos als Christ bezeichnen konnte. Ein Typ, der Gefühl zeigte, wenn es einem dreckig ging. Eigentlich sehr friedlich und harmlos. Aber nicht immer. Er war nie etwas immer.

"BEN RAY ENTTÄUSCHT ASTRONOMEN! Obwohl Ben Ray die einzigartige Chance hat, Messungen von ungeheurem Wert durchzuführen, ist er nicht bereit, dies für sein Amerika zu tun. Alle psychologischen Überredungsversuche schlugen fehl. Es stellt sich die Frage, ob die Situation für Ben Ray nur eine billige Selbstmordmethode ist! Für einen Selbstmord, durch welchen er ohne einen Finger zu rühren in die Raumfahrtsgeschichte eingehen wird!" Artikel D. M., Boston.

Göb: Ein Außenseiter, der seine Mitmenschen scharf beobachtete. Er arbeitete hart an sich selbst. Noch dazu konnte er mit Menschen umgehen und sich anpassen. Manchmal war er beißend zynisch und abschätzend. Böse Sache.

"Caim! Wie können sie nur so gemein zu Ben sein?" schluchzte Nita Ray.
"Das frage ich mich auch", sagte Caim Dean. "Ich möchte wissen, in welcher Verfassung dieser Schmierfink an Bens Stelle wäre... Ich werde sofort zur Redaktion fahren!" Er tobte.
Und was, wenn der Redakteur tatsächlich gefasster wäre? Er ist doch im Unrecht, der... das Wichtigste ist doch jederzeit, dass der Gegner im Unrecht ist.
"Diese Leute kennen Ben doch gar nicht", schrie Nita. "Er hat seinen Beruf immer sehr ernst genommen. - Oh Ben, ich vermisse dich so! Ich kann ohne dich nicht leben!"
Verliebte Gurke: "Nita, hör zu. Ich glaube, du solltest zu deiner Mutter fahren. Ich rufe dich täglich an und halte dich auf dem Laufenden, ok?"
Sie nickte.
Und Caims Gedanken, gefangen im Geruch von Toastbrot: Sie geht mir auf den Nerv! Ich mag sie. Hoffentlich heißt das nicht, dass ich sie liebe.

Er hat die Chance sie zu überflügeln, darum lauern sie, und nicht nur das!

Gedanken übers Denken - ganz bürokratisch!
Ein Aufsatz von BEN RAY (zehnte Klasse):
Es ist vielleicht dumm, nur Wahres dem Wahren zuliebe zu tun, oder?
Vielleicht ist nämlich auch diese Ebene die falsche. Auch Materialismus, entgegen aller Behauptungen, bringt wahres Glück (weil es falsches Glück nicht gibt), aber das ist es nicht, was ich sagen will! Ich halte etwas für richtig... und tue es nicht. Dafür klage ich mich vielleicht an. Warum? Käse! Ich denke doch nur an den Fick nachher. Es ist gut so, denke ich. Ob ich es glaube? Gibt es da Tests?
Sicher ist: nichts ist sicher. Und manches hat nur einen Sinn: die Sinnlosigkeit.
Alles Blödsinn. Wenn ich das nicht niedergeschrieben hätte, würdet ihr nicht wissen, dass ich das in diesem Moment gedacht habe! Also schrieb ich's nun einmal. Warum bin ich so sicher, dass nur ich fähig solcher Gedanken bin? Das bin ich übrigens nicht. Manches wird geschrieben, und ich meine es nicht so: euch zu motivieren. Ein weiterer Gedanke ist mir eben durch die Lappen gegangen. Weißt du, dass... dumm!
Ich kann es nicht formulieren. Wörter haben kein genügendes Volumen. Ich fühle mich ausnahmsweise gut jetzt. Schon vorbei! Mir geht's beschissen. Verdammt, das ist so unbedeutend, das will ich gar nicht aussagen! Ich habe es doch getan. Gedanken fliegen eben.
Zum Thema zurück! Welches Temaa? Der Kugelschreiber kleckst. Das ist ungewöhnlich zu schreiben. Schreibe ich es darum? Oder damit Sie wissen, dass ich einen grünen Kugelschreiber in der Hand halte, der kleckst?
Grüß Gott, ja, Sie haben Recht, Frau Schweinesbein!
Manchmal wird man gezwungen. Man kann nicht lange genug erwägen und nicht stark genug überwinden. Wenn ich nichts Bedeutendes schreibe, bin ich unbedeutend. Können Gedanken je unbedeutend sein? Für andere mindestens! Haben Sie die persönliche Botschaft entdeckt?
(Aufsatzthema: Was ist Wahrheit und wozu ist sie gut? Benotet mit: 5)

Die Zeit war um.
Dem russischen Großraumschiff lag der Kartoffelsack nicht mehr auf der Schulter. Schade drum.
"Haben Sie noch Tee, Captrew?"
"Nein."
"Wo ist der Ami?" (Ich muss in dieser Situation in diesem Stil sprechen, ich habe das oft in Filmen gesehen.)
"Weg." (Das gilt auch für Captrew. Gut, spielen wir weiter!).
Captrew: "Wir haben einen Schaden an Triebwerk Sieben. Die Techniker arbeiten bereits daran. Wollen Sie es sich einmal ansehen?"
"Ja, ich komme."
"Kartoffelsack... Was meine ich damit?"
"Arschtrompete!"

Heits: Unbeständig wie das Meer, mit eiserner Maske, die Klippen und Wunden verbirgt.

"Ich möchte mit ihm sprechen, haben Sie gehört?" sagte Caim Dean.
"Das geht doch nicht!" sagte Martinov.
"Ich habe etwas von Conrad erfahren. Carlssonn hat ein größeres russisches Schiff abgelehnt. Glauben Sie, man findet das gut? Dass Sie das auf Kosten eines Menschenlebens vertuschen?"
"Was ist schon ein Menschenleben?"
"Werfen Sie alles weg, was Sie nicht bestimmen können? Dann müssen Sie aber viel wegwerfen, denn Sie sind ein Mensch, oder sehen zumindest von außen so aus. Klar: wenn man einen Sinn nicht erkennt, gibt es auch keinen..."
"Was hat das mit Ray zu tun?"
Caim schwitzte. Wie kann es von diesem Gesprächsmoment abhängen, dass ich noch mal mit Ben sprechen kann? Das ist doch eigentlich ungeheuerlich. Ich muss mit Ben sprechen, muss.
"Haben Sie keine Angst, Martinov?"
"Erstens", begann Martinov, "habe ich mit Carlssonn nichts zu tun..."
"Warum weiß er dann, dass Ben Ray Rettung ablehnt, und dass die USA vertuschen, dass es eine solche überhaupt gibt, wenn Sie Verbindungsleiter sind?"
"Vielleicht durch Scott?" (Was will der Schlumpf von mir?)
"Wer ist das?"
"Hören Sie gut zu. Man sollte als Käfer nicht in einen Ameisenbau kriechen." (Ich habe seine Nähe gern. Er riecht gut.)
"Ich krieche nicht. Und vielleicht bin ich ja ein Ameisenbär?"
"Was wollen Sie eigentlich?"
"Mit Ray sprechen." (Sich nicht aufs Antworten einlassen!)
"Geben Sie ja keine falschen Angaben zur Presse. Ray selbst hat jede Hilfe abgelehnt."
"Ich weiß."
"Woher?"
"Ich sprach mit ihm, bevor er startete, um das BLACK HOLE anzufliegen", sagte Caim Dean.

Histar: Was soll ich sagen? Sehr komisch, eigenartig, aggressiv, freundschaftlich, liebenswert, auf die Nerven fallend. Ben."
Trasenhan: Er machte mich unsicher, obwohl er... sehr liebenswert war. Einmal habe ich ihm meine Titten an den Rücken gepresst, um ihn zu schärfen, aber er hat es ignoriert. Er war mir... ist mir überlegen. Gott segne ihn!

"Mr. Stevenson, wie lange hat Ray noch zu leben?" bedrängten die Reporter den Wissenschaftler.
"Bitte, lassen Sie mir doch meine Ruhe!" (Wenn ich jetzt etwas Bedeutendes sage, bin ich erledigt. Das weiß ich.)
"Wie lange?"
"Zehn Tage."

Caim Dean war Ben Rays bester Freund (gewesen). Bedenkenlos hätten sie füreinander das Leben gegeben, und beide waren froh darüber.

Gedanken zum Menschen (von Kwartrup senior)
Hinter dem Denken und Tun eines Menschen liegt eine tiefe, verzweigte gedankliche Wurzel, die von einem Außenstehenden nur in Teilen und in oft gewagter Interpretation von Assoziationen und anderem erfasst werden kann, - und vom Eigentümer selbst nur, so weit er dieses Talent eben besitzt. Wo liegt die gesunde Mischung aus offener Charakterbearbeitung und für sich selbst?
Wie gut kann man denn letztendlich einen Menschen, sich, den anderen, - verstehen, kennen, begreifen? Deshalb sollte man nur andeuten - nicht behaupten!
Nur in Möglichkeit stellen - nicht sicher sein!
Wann kann sich dann ein Mensch für irgend etwas entscheiden, wo sich seine Einstellung ständig ändert? Wo sie wächst? So kann man doch nie treffen! Oder nur für sich selbst?
Ich glaube nicht, dass der Mensch ein fester Block aus gegebenen, auszureifenden oder ausgereiften Teilen ist. Der Mensch ist ein sich-wandelndes Molekül. Irgendwann in einzelnen Teilen erstarrt es. Und sonst?
Kann ich zwar eine Antwort geben, die für mich oft gelten kann, weil mein Sinn nicht höher reicht.
Wann kann man sagen, dass ein Mensch etwas Besonderes ist? Auf welche Weise muss seine Seele im Umweltnetz hängen?

Thuland: Ich glaube, niemand ist fähig, die Person von Ben zu erfassen oder gar zu beschreiben. Darum versuche ich das auch gar nicht. Außerdem bin ich auf ein Grillfest eingeladen.

"Wenn Sie Scotts Arbeit zerstören, sorge ich dafür, dass Sie nicht mit zarter Babyhaut davon kommen", sagte Martinov. "Scott verheimlicht dem Forscher übrigens, dass die ganze Welt ihm jetzt die kalte Schulter zeigt. Kwartrup missbilligt das. Er meint, vielleicht wäre dies gerade ein Grund für Ray, sein Verhalten zu ändern. Aber noch hat Scott das Sagen - und ich."
"Hören Sie, ich werde jetzt mit ihm sprechen."

Tonson: Ich traf Ben das letzte Mal am Heiligen Abend in Boston. Ich war auf dem Weg nach Hause und hatte es eilig. Ich traf ihn - er blickte mich einige Augenblicke irgendwie verständnislos oder ratlos an, er hatte so graue Augen. Dann grinsten wir beide. Ich mochte ihn immer gern, aber er hatte etwas Seltsames an sich. Ich sagte "Tag!", und er sagte "Tag! Wohin?"
"Heim, und du?" sagte ich.
"Durch die Stadt, immer durch die Stadt. Wie komisch, dass es das gibt: eine Stadt."

"Dr. Stevenson, gibt es eine Möglichkeit, von der Erde aus den Computer des Navigationsschiffes zu manipulieren?"
"Wie Martinov schon sagte, kann man nur mit Kugeln schießen, die man vorher gegossen hat."
"Uns ist bekannt, dass Ray den Antrieb nicht zündet - und ungebremst auf das tödliche Zentrum des Sterns zufliegt."
"Das kann ich bestätigen. Es verkürzt sein Leben um circa sechs Stunden. Idiotisch."
"Sendet Ray seine Memoiren zur Erde?"
"Fragen Sie diesen Mist doch Scott! Egal was er tut, er sollte arbeiten! Wenn ich oben wäre..."
"Sie würden arbeiten?"
"Ja, bis zum letzten Atemzug! Und das ist auch sein Job als Wissenschaftler dort oben, und nichts sonst!"

"Ben? Hier ist Caim."
"Caim? Du? Und Nita?"
"Soll ich sie holen?"
"Nein! Verschont mich! Es ist nur das Ende eines Menschen, mehr nicht. Außerdem baue ich hier ein Kartenhaus - ich will es noch fertig kriegen."
"Ben, wie fühlst du dich?"
"Hör mir zu: ich gehöre nicht mehr zu euch. Wenn du hier oben wärst, Caim... Wenn es eine Selbsttäuschung ist, dann eine schöne! Dieser schwarze Stern - ist so schön, obwohl ich ihn nicht sehen kann. Aus der Distanz gewinnst du einen klaren Blick.
Sieh sie dir an: deine Erde. Verschmutzt mit dem Streben kleiner bösartiger Idioten, die sich ausschließlich um ihren Vorteil scheren. Einzelne, Unternehmen, Staaten - das spielt keine Rolle. Sie sind kleinkariert, engstirnig, aber sie meinen, die Creme des Universums zu sein! Aber nein. Was rede ich da? Vielleicht ist es von irgendeinem Standpunkt aus richtig alles?
Wie kann es beispielsweise diese Wissenschaftler geben, die kein Zusammenhang kümmert? Ich schäme mich für meinen Hass, meinen Hass auf die, die die Erde zur Hölle machen und es auch noch wagen, sich hochmütig über die anderen zu stellen. Die stolz die Zügel in ihrer Hand zeigen, trotz dem sie den Planeten - zu Grunde richten."
"Warum sagst du das?" sagte Caim. "Um das Schicksal zu übertölpeln? Willst du vertuschen, dass es dich übertölpelt hat?"
"Was fliegt ihr Menschen hinaus ins Freie? Um das zu entwirren, was ihr draußen findet? Entwirrt besser euer Inneres, Leute, und fragt euch, wie es kommen kann: oder werdet ihr als skrupellose, mitleidslose Kastraten geboren wie dieser Führer der 'freien Welt'? Kriecht ihr als gewissenlose, bedenkenlose Zerstörer schon aus dem triefenden Schoß?"
"Was ist mit Scott?"
"Machst du Witze? Der kommt mit ‚Fortschritt der Menschheit'. Ein Psychologe ist das? Was baut ihr? Etwa keine Kartenhäuser? Mögen eure vielleicht ein paar Jahrtausende stehen, wo meins nur wenige Stunden steht. Du siehst, alles was bleibt, ist: integer zu sein mit dem Moment."
"Und Nita?"
"Ich... ich liebe sie. Aber es reicht nicht. Beendet doch die Lüge, wie durch eine Werbeunterbrechung: ‚Wir unterbrechen kurz die Lüge und zeigen nun ein bisschen Wahrheit!' Die Meisten würden die Zeit nutzen, um schnell aufs Klo zu gehen."
"Ben!"
"Ich kann es nicht mehr ändern. Ich kann nur noch sagen, wie mir ist."
"Was kann ich für dich tun?"
"Lass mich einfach. Lass mich hier mein Haus bauen. Mein BLACK-HOLE-Haus." Er grinste.
"Ben, warte noch!"
"Was?"
"Bleib noch kurz."
"Wir bleiben alle kurz", er lächelte, "Ich meine, - es sollte eine Erde geben."
"Ich verstehe schon, was du sagst."
"Sie aber nicht. Sie sind unter Verschluss. Ich höre sie lachen, wie dumm ich bin, weil ich keine Aktien habe. Ich werde mir die Haare scheren, ich will durch zu mir."

Ben Ray schor sich die Haare, was seiner Ehre nicht schadete. Man lacht eben darüber. Irgendwie muss es das Zwerchfell reizen.
Caim Dean begann ebenfalls damit, ein Kartenhaus zu bauen und sich vorzustellen, er wäre Ben Ray: darin ging er auf.
Das große Fleisch schaute während eines Frisörbesuchs auf die Gewinnquoten (bei NTV), kaufte sich nachmittags den neuesten Wagen, stellte keine Fragen und war die Sonne seines Universums.
Der Nichtsnutz starb im BLACK HOLE (trotz der Existenz Stevensons).
Nita Ray erlitt einen Weinkrampf und heiratete im Jahr darauf einen Millionär, den sie ehrlich liebte, weil er über 78 war.
Irgendwann fanden die Menschen wieder einen guten Grund für einen... kunterbunten Krieg.

 
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Hi FlicFlac,

ich bin durchaus beeindruckt. Mir gefällt vor allem die scheinbar chaotische, auf den zweiten Blick aber passende und herausfordernde Erzählstruktur. Auf diese Weise wird das persönliche Schicksal des Blackhole-Reisenden genauso wirkungsvoll hervorgehoben wie die Umstände, die er zurück lässt. Freilich ist das nicht leicht zu lesen, vor allem gibt es eine Unmenge Personen, deren Bedeutung für die Geschichte nicht in jedem Fall unmittelbar klar ist. Gelungen finde ich die Ansprachen an den Leser und die Einschübe in Klammern, die zur insgesamt heterogenen Erzählweise gut passen. Unter dem Strich fand ich die Erzählung absolut gelungen.

Mir haben jedoch zwei Dinge nicht gefallen: Einmal der Bezug auf das WTC-Attentat quasi im Nebensatz, und zum anderen gegen Ende die stark moralisierende "Ansprache" des Ben Ray. Hier wäre weniger mehr - an diversen Stellen nimmst Du politische Verhältnisse subtil aufs Korn, da hast Du es eigentlich gar nicht nötig, Deinen Helden zum Moralapostel zu erheben.

Fazit: interessante und mutige Erzählstruktur, ein wenig zu moralisierend. Durchaus SF des 21. Jahrhunderts.

Uwe
:cool:

PS: Fiel mir gerade noch auf: Der Titel Deiner Geschichte ist im Vergleich zum anspruchsvollen Text total lahm :D

 
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Danke!

 

SF des 21. Jahrhunderts, nicht des 20. ...

Hehe, natürlich haben Plagiate Erfolg, genau wie hirnlose Fortsetzungen, die eigentlich Wiederholungen sind. Jedenfalls, wenn wir von Kinofilmen und der Anzahl der Besucher reden. Bei SF-Kurzgeschichten ist das meiner Meinung nach aber was anderes. Das Publikum ist da irgendwie anspruchsvoller. Ich jedenfalls ;)

Neeiiiin, keine Zeitmaschinen-Story! Mein Verriss wäre Dir sicher! :D

 

Neeiiiin, keine Zeitmaschinen-Story! Mein Verriss wäre Dir sicher! :D

Meine ist doch natürlich ganz anders....

Gruß von Flic

 

Hallo FlicFlac!

Der Aufbau Deiner Geschichte ist ungewöhnlich und zunächst verwirrend, aber hervorragend durchdacht. Die Psyche des Prot. wird wie bei einem Puzzle aus den Beschreibungen verschiedener Personen zusammengesetzt und ergibt dennoch letztendlich kein eindeutiges Bild.

Vielleicht konnte man ein nicht eigenes Denkschema nie ganz verstehen, oder nur andeutungsweise.
Meiner Ansicht nach ein Kernsatz der Geschichte. Ein weiterer:
Die Frage ist, ob es bewusst geschieht, was du tust, ob es also deine eigene Entscheidung ist.
Ben Ray entscheidet selbst, ganz bewusst. Er hat einen Auftrag zu erfüllen, die Möglichkeit, ein Geheimnis des Universums zu lüften und der Welt mitzuteilen, aber - er verweigert die Zusammenarbeit. Weshalb?
Er war nie etwas immer.
Der Prot. hat sich nie auf eine Rolle oder eine Art von Denken festlegen lassen. Er nimmt nicht alle Erkenntnisse hin, nein, er zweifelt ständig, lässt sich nicht in Schablonen pressen.
Sicher ist: nichts ist sicher. Und manches hat nur einen Sinn: die Sinnlosigkeit.
Ben Rays Suche nach dem Sinn in Allem endet für ihn selbst enttäuschend. Weitab der Menschheit findet er die Wahrheit. Sie ist nicht dazu angetan, ihn mit Optimismus zu erfüllen. Im Gegenteil. Er stirbt, reinen Gewissens, im Frieden mit sich selbst.
Eine Frage des freien Willens?

Ein faszinierender, stilistisch ansprechender Text, angereichert mit philosophischen Gedanken. Kompliment!


Ciao
Antonia

 

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