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Der Pickel
Er musste diese Bar endlich verlassen. Die Leute mit den riesigen Kirschen auf ihren Schultern fingen an ausfällig zu werden.
„Was interessiert mich denn wie lange du schon daran forschst, nichts zu isolieren. Da bist du zum einen nicht der erste und zum anderen braucht das niemand! Außerdem kann niemand etwas mit zwei Litern „Nichts“ was anfangen. So weit ich weiß, muss man mindestens zehn Liter produzieren um irgend jemanden damit zu beeindrucken, du Kirsche, ich werde jetzt aufwachen, das ist mir zu blöd und außerdem klingelt meine innere Uhr gerade.“
Er wachte auf und fühlte sich schlecht behandelt.
Warum musste er immer wieder diesen einen wiederkehrenden Traum träumen? Ständig befand er sich in einer Bar, in der nur Leute herum saßen, die keine Köpfe sondern Kirschen auf ihren Schultern trugen. Niemand hatte hier jemals etwas von Ohren, Augen, Nasen und Mündern gehört.
Nachdenklich ging er ins Bad und wollte sich waschen. Doch was war das da auf seiner Nase? Eine Kirsche? Nein! Es war ein gigantischer, reifer, rot leuchtender Pickel!
Einer von der Sorte die weh tut, wenn man sie nur anfasst. Es knirschte und waberte als er den 2 Zentimeter großen Berg von links nach rechts drückte. Er schreckte vor seinem eigenen Spiegelbild zurück. Er ekelte sich, kurzzeitig war er sogar ratlos.
Tief in seinem Inneren freute er sich natürlich über die prall gefüllte verstopfte Talgdrüse, denn er drückte leidenschaftlich gerne Pickel aus. Aber das ließ er sich in dem Moment noch nicht anmerken.
Was ist jetzt zu tun? Abwarten bis man den weißen Punkt in der Mitte sehen kann und dann auf einen Spiegelsmasher hoffen? Aber das könnte dauern. Außerdem ist es nicht ganz klar, ob es überhaupt jemals zu einer kleinen weißen Blase auf dem Pickel kommen wird. Was, wenn die Talgdrüse nach innen hinein größer wird? Vor seinem inneren Auge sah er schon eine lange, in sich verdrehte, weiße Schlange aus der Pore kommen. Er nahm sich immer vor die Schlange beim Ausdrücken nicht abreißen zu lassen, weil sie dann länger wird und das machte ihn irgendwie stolz.
Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder er würde Abwarten und die „Ich habe den Küchenschrank vor die Nase bekommen“- Erklärung vortäuschen um morgen richtig auf den Spiegel feuern zu können. Oder jetzt gleich mit voller Wucht und beiden Händen von links und rechts abdrücken. Eine innere Stimme sagte ihm: Jetzt oder nie!
Ihm war klar, dass er auf jeden Fall nicht mit den Fingernägeln arbeiten durfte. Denn sonst hätte er womöglich drei blutende Wunden mitten auf der Nase, von der die mittlere auch noch nässt. Er bevorzugte immer die softere Fingerkuppenmethode. Ihm war klar, dass trotzdem einiges schief gehen konnte. Wenn der Pickel noch zu frisch ist, blutet der ganze Brei noch Stunden später, schwillt ballonartig an und erzeugt rotgelbe Tropfen.
Wenn er Glück hatte war der Pickelinhalt schon so weit ausgetrocknet, dass nur ein übergroßes Loch zurück blieb.
Wird es weh tun? Verdammt noch mal ja und das soll es auch. Sonst wäre es kein richtiger Pickel. Und zwar kein Ziepen oder Zimpern sondern ein richtiger handfester pochender und drückender Schmerz.
Ein kurzer Blick von drei Zentimeter Entfernung. Dann zurück auf ungefähr 25 Zentimeter, die vorgeschriebene Mindestdistanz. Die Zeigefinger links und rechts vom vermuteten Austrittspunkt angelegt. Kurz noch vorgetastet um mit der Schleimblase in Berührung zu kommen, aber nicht zu stark. Der frühe Vogel fängt den Wurm, gilt hier nicht.
Drei, Zwei, Eins – Lift off. JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA.
Ein wenig gerührt vor Glück stehe ich vor dem ovalen Spiegel.
Im Radio läuft Bryan Adams: Here I am. This is me. Dadimdada.
Wie immer wüsche ich den Spiegel nicht ab, sondern warte bis Besuch kommt...