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Der Penner

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13.02.2013
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Der Penner

Es war schon dunkel geworden. Immer weniger Menschen gingen durch die Stadt. Im Winter waren es sowieso nicht so viele. Das war die schlimmste Zeit.
Fröstelnd zog er seinen löchrigen Mantel etwas enger, doch gegen die Kälte, die nun mit jedem Tag zunahm, half es kaum. In seinen knochigen Händen hielt er den Plastikbecher. Stunde um Stunde: Und so oft sah er hinein. Als würden die wenigen Münzen davon mehr werden.
Den Stolz, von dem einst so viel dagewesen war, hatte er längst nicht mehr. Früher hatte er nicht im Traum daran gedacht zu betteln. Doch nun war ihm alles gleich. Er dachte nur noch daran, eine Kleinigkeit in den leeren Magen zu bekommen, auch wenn das hieß, den vorübergehenden Leuten seinen Plastikbecher hinhalten zu müssen. Er verzog sein Gesicht, als er daran dachte, was die Gruppe Jugendlicher heute zu ihm gesagt hatte. „Wenn du Geld haben willst, dann geh doch arbeiten, du Penner! Und belästige die Leute nicht.“
Er lachte bitter auf. Es war ein Lachen, das einen erstarren ließ. Dachten die etwa, er führe gern so ein Leben? „Geh doch arbeiten!“ Dachte denn niemand für einen Moment daran, dass er arbeiten würde? Jede Arbeit würde er annehmen. Doch er konnte nicht. Nein, keiner dachte daran.
Für jeden war er nur der Penner. Der stinkende, dreckige, unrasierte Penner, der nicht mehr als einen verachtenden Blick verdiente.
Heute hatten noch weniger als sonst etwas in seinen Becher geworfen. Der Hunger war kaum zu ertragen. Schmerzhaft rappelte er sich auf. Vielleicht würde er ja etwas in einer der vielen Mülltonnen finden. Als er den dritten Deckel hob, wusste er, dass seine Mühe vergebens war. Er blickte in den Abendhimmel, der heute besonders klar war. Es waren unzählige Sterne am Himmel zu sehen und er verspürte den merkwürdigen Wunsch, einer von ihnen zu sein.
Plötzlich durchfuhr ein Zucken seinen Körper. Der Deckel der Mülltonne knallte scheppernd auf den Asphalt. Einige wenige sahen sich um. Dann noch ein Knall. Ein lauterer. Den niemand hörte.

 

Liebe Kathrin,

wenn mich eine Geschichte über das Schicksal eines Bettlers kalt lässt, wie diese, so liegt das nicht an mangelnder Empathie. Vielmehr an den Klischees, aus denen die Geschichte förmlich zu bestehen scheint. Substanz, irgendetwas, mit dem sich der Text mang Myriaden gleichartiger abheben würde, suche ich vergebens, nicht einmal zwischen den Zeilen wurde ich fündig. Wenn Leserzeit so zähneklappernd und vergeblich um Sinn bettelt, so ist das wahrlich genauso aussichtslos wie als Penner im Kopf von Autoren, die Bettler vielleicht selbst nur dank ihrer ach so weltzugewandten Seitenblicke beim Vorüberschreiten kennen. Und so sage ich nur:

Doch er konnte nicht.
Ist das so? So so.

Die letzteren drei Sätze hätten bessere davor verdient, ja, eigentlich eine ganz andere Geschichte.

 

Hallo Kathrin

Für deine erste kurze Geschichte hier hast du dir ein Thema gewählt, das eine der Kehrseiten unserer Gesellschaft zeigt. Ich finde den Text flüssig geschrieben, kein Stolpern hielt mich beim Lesen auf. Nur im letzten Abschnitt, da wirkte es mir nicht ganz logisch.

Der Deckel der Mülltonne knallte scheppernd auf den Asphalt. Einige wenige sahen sich um. Dann noch ein Knall. Ein lauterer. Den niemand hörte.

Ich denke, es ist der Körper des Mannes, der zu Boden stürzt, vielleicht auf den Deckel der Mülltonne. Warum dieses Geräusch lauter ist, als das Scheppern war, ist mir unklar? Ebenso warum es niemand hörte, da einige Passanten vorhergehend es ja wahrnahmen?

Was den Inhalt der Geschichte betrifft, kann ich mich mir zwar die Empfindungen des armen Schluckers durchaus vorstellen, doch es hat kein Esprit das von ihm ausgeht. Es klingt sehr rational, nüchtern, dabei müssen in ihm doch gestaute Gefühle sein. Die Welt um ihn prasst mit dem Geld, hüllt sich in warme Mäntel ein, kehrt in ein behagliches Zuhause zurück, während er hungernd auf der Strasse lebt.

Die Handlung ist auch sehr knapp, da darf schon ein wenig mehr durchklingen, damit ich als Leser mir nicht nur denke, ach einer dieser Penner. Gib ihm etwas Persönlichkeit, lasse seine Eigenart mehr aufscheinen, und nutze den letzten Akt etwas mehr aus.
Nur als vage Idee, etwa so: Ein kleines Mädchen, das mit der Familie vorbeischritt, sah ihn daliegen, rannte zu ihm und stupfte ihn mit den Fingerchen an. „Was machst du da?“, fragte sie ihn.
„Komm sofort her, Kathi“, rief die Mutter, „das ist nur ein Säufer, der sich da hingelegt hat.“

Lass dich durch Kritik nicht entmutigen, aber versetze dich in die Rolle des Lesers, der die Erwartung unterhalten zu werden in die Geschichte setzt.

Viel Glück bei einer Überarbeitung.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Kathrin

und herzlich willkommen hier. Um eine spannende oder berührende 'Pennergeschichte' zu schreiben, braucht es vielleicht mehr, als nur diese Ist-Situation. Ich bin sicher, du hattest viele Gefühle in dir, als du sie geschrieben hast: Mitleid mit dem Mann, Empörung über die achtlos urteilenden Jugendlichen und darüber, dass Menschen heute so am Rande der Gesellschaft leben müssen und das andere Menschen achtlos vorübergehen an diesem Existenzdrama. Nur: all diese Gefühle finden in deiner kleinen Geschichte keinen Niederschlag. Du schreibst über einen Penner, aber du bleibst reserviert, engagierst dich als Autorin nicht für deinen Protagonisten, bleibst quasi 'aussen vor' und lässt dadurch auch uns Leser nicht wirklich an seinem Leben teilnehmen. So wird die Geschichte klischeehaft und packt nicht. Weshalb kann er nicht arbeiten? Ist er krank, behindert, psychisch angeschlagen? Ist er ein Analphabet, oder gehörlos? Das wären doch Fragen, die in einer Geschichte ihren Niederschlag finden könnten. So ist sie sehr fragmentarisch, ein Knochen ohne Fleisch.

Aber lass dich nicht entmutigen! Wir haben alle mal so angefangen. :) Über die Kommentare hier, wirst auch du deinen Weg finden. Dein Schreiben ist angenehm zu lesen - mach was draus!

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Kathrin,

Der Plot ist schnell erzählt: Ein Penner stirbt, unbemerkt in aller Öffentlichkeit.

Warum lässt mich das kalt? Weil ich schon mal in den Spiegel geschaut habe und dachte:Irgendwann wirst du sterben. Das ist die einzige Garantie, die dieses Leben bietet. Keine Fantasy, keine Science Fiction, keine Spinnerei sondern einfach die Wahrheit.

Und weißt du was ich dabei empfunden habe?:nichts.

Probiere es mal aus, das klappt auch bei dir. Irgend etwas schützt uns vor Angst und Panik.
Weil derTod banal ist, für jeden genau einer.

Das Leben des Penners wäre es gewesen. Du hast einen Ballon hingelegt und vergessen ihn aufzublasen. Anakreon hätte ein kleines Mädchen den Penner anstubbsen lassen "Was machst du da?" Da kommen doch sofort Gefühle auf, Mitgefühl, Nähe zum Prot.

Ich hätte ihm ein verwaschenes, zerrissenes Foto in die Hand gegeben, ein Bild seiner Tochter, die nichts mehr mit ihm zu tun haben will. "Du bist nicht mehr mein Vater!" hatte sie geschrien, als sie sich vor sieben Jahren das letzte mal sahen.

Du hast myriadenmal mehr Fantasie in dir, als du uns hier gezeigt hast. Ich freu mich schon auf deinen ersten Dammbruch.

Liebe Grüße

elfenweg

 

Hi Kathrin,

Ich bin neu im Forum und überblicke deshalb noch nicht sämtliche Funktionen und Instrumente, die mir zur Verfügung stehen. Ich arbeite bei Textanalysen eigentlich sehr gerne mit Farben, um Sätze des Autors (in Blau) von meinen Vorschlägen (Rot) besser unterscheiden zu können. Da ich bisher keinen Farbtopf entdeckt habe, behelfe ich mir eben ersatzweise mit Anführungszeichen und Kursivierung. Ich betrachte deine Geschichte zweigeteilt: stilistisch und im Anschluss inhaltlich.

Es war schon dunkel geworden. Immer weniger Menschen gingen durch die Stadt. Im Winter waren es sowieso nicht so viele. Das war die schlimmste Zeit.
Fröstelnd zog er seinen löchrigen Mantel etwas enger, doch gegen die Kälte, die nun mit jedem Tag zunahm, half es kaum. In seinen knochigen Händen hielt er den Plastikbecher. Stunde um Stunde: Und so oft sah er hinein. Als würden die wenigen Münzen davon mehr werden.
- Was war dunkelgrau geworden: der Himmel, das diffuse Licht auf der Straße? Der Einleitungssatz ist mMn zu kurz und unpräzise. Ich würde auch nicht mit einem Hilfsverb starten.
- 3x „war/ waren“ in den ersten beiden Zeilen. Das liest sich sehr unschön.
- „Es“ müsste m.E. in „das“ ausgewechselt werden
- „den Plastikbecher“ = „einen Plastikbecher“
- Besser: Und wie oft er auch in ihn hineinsehen mochte, die wenigen Münzen vermehrten sich nicht.

Den Stolz, von dem einst so viel dagewesen war, hatte er längst nicht mehr. Früher hatte er nicht im Traum daran gedacht zu betteln. Doch nun war ihm alles gleich. Er dachte nur noch daran, eine Kleinigkeit in den leeren Magen zu bekommen, auch wenn das hieß, den vorübergehenden Leuten seinen Plastikbecher hinhalten zu müssen. Er verzog sein Gesicht, als er daran dachte, was die Gruppe Jugendlicher heute zu ihm gesagt hatte. „Wenn du Geld haben willst, dann geh doch arbeiten, du Penner! Und belästige die Leute nicht.“
… von dem er einst so reichlich besessen hatte, war längst verflogen.
… wäre es ihm in seinen schlimmsten Albträumen nicht eingefallen, dass er einmal als Bettler auf der Straße landen/ enden würde.
- „vorübergehend“ bedeutet „kurzzeitig/ provisorisch“. Zumindest in der von dir gewählten Schreibweise. Um Irritationen zu vermeiden solltest du evtl. umformulieren: … den achtlos an ihm vorbeispazierenden Passanten …
- „als“ ist die falsche Konjunktion. mMn müsste hier „wenn“ stehen
- 2x Leute

Er lachte bitter auf. Es war ein Lachen, das einen erstarren ließ. Dachten die etwa, er führe gern so ein Leben? „Geh doch arbeiten!“ Dachte denn niemand für einen Moment daran, dass er arbeiten würde? Jede Arbeit würde er annehmen. Doch er konnte nicht. Nein, keiner dachte daran.
Für jeden war er nur der Penner. Der stinkende, dreckige, unrasierte Penner, der nicht mehr als einen verachtenden Blick verdiente.
- Zum 2-ten Mal “dachte”. Für dieses Verb existieren zahlreiche Synonyme
- gern = gerne
- „dachte“ zum Dritten. Das wirkt auf mich als Kommentator so, als hättest du es zum einen beim Schreiben eilig gehabt und zum anderen den Text selbst nicht probegelesen, bevor du ihn ins Forum eingestellt hast.
- „verachtenden“ = „verächtlichen“

Heute hatten noch weniger als sonst etwas in seinen Becher geworfen. Der Hunger war kaum zu ertragen. Schmerzhaft rappelte er sich auf. Vielleicht würde er ja etwas in einer der vielen Mülltonnen finden. Als er den dritten Deckel hob, wusste er, dass seine Mühe vergebens war. Er blickte in den Abendhimmel, der heute besonders klar war. Es waren unzählige Sterne am Himmel zu sehen und er verspürte den merkwürdigen Wunsch, einer von ihnen zu sein.
- “noch weniger”: wer? Menschen, Passanten? Hier fehlt ein Subjekt
- „schmerzhaft“ = „schmerzerfüllt“
- „etwas“: an dieser Stelle solltest du entweder das Pronomen um ein Substantiv ergänzen oder „Etwas“ großschreiben
- „hob“ = anhob oder liftete

Plötzlich durchfuhr ein Zucken seinen Körper. Der Deckel der Mülltonne knallte scheppernd auf den Asphalt. Einige wenige sahen sich um. Dann noch ein Knall. Ein lauterer. Den niemand hörte.
- “wenige”: hier fehlt erneut das Subjekt
- 2x knallte/ Knall

Mein Eindruck zum Stil: zu viele unnötige Hilfsverben, zahlreiche WWHen, die Aneinanderreihung der kurzen Sätze verleiht dem Text eine (zu) stakkatohafte Note.

Inhalt
Von jemandem geschrieben, der den Alltag der Obdachlosen halt nicht kennt. Natürlich muss ein Autor nicht unbedingt das Leben eines Penners geführt haben, um darüber berichten zu können; jedoch sollte er/ sie vorab ein bisschen Grundlagenrecherche betreiben. Einem Menschen ohne festen Wohnsitz (in seinen Personalausweis – falls er den noch besitzt – tragen die Behörden dann das Kürzel „OFW“ ein) stehen in Mitteleuropa eine Menge Möglichkeiten offen, um zu überleben:
( ) Sozialhilfe beantragen (entspricht vom Regelsatz her ALG2-Niveau)
( ) in einer Obdachlosenunterkunft übernachten
( ) in den „Suppenküchen“ von Caritas/ Diakonie oder einer lokalen Kirche essen (für einen Euro. Notfalls auch gratis)
( ) sich Kleidung in speziellen Läden der Wohlfahrtsverbände besorgen.
Ich weiß es deshalb, weil ich es schon getan habe.

Das heißt: ein sog. Penner kann (muss aber nicht zwangsläufig) im Winter draußen schlafen, aus Mülltonnen essen und betteln. Dieser Dreiklang bildet aber eher die Ausnahme denn die Regel. Diejenigen, die es vorziehen, solch ein elendes Leben zu führen, haben ihre Gründe dafür. Zumeist Alkoholismus und/ oder Abhängigkeit von illegalen Drogen. Da sie in den festen Unterkünften natürlich von Sozialarbeitern kontaktiert werden und die Gefahr besteht, in die Klinik zum Entzug geschickt zu werden, zieht es dieser Personenkreis – mehr im Sommer als im Winter – vor, im Freien zu leben.

Von daher haben die Jugendlichen nicht völlig unrecht, wenn sie deinem Prota empfehlen, sich nach Arbeit umzuschauen. Weshalb findet er keine, obwohl er sich redlich darum bemüht? Ist er unheilbar krank? Falls ja, dann solltest du das in deiner Story erwähnen.

So liest sich der Text eben wie eine Aneinanderreihung von Klischees. In der Art stellt sich halt der gute Bürger das Leben eines Penners vor. Es gruselt ihn ein bisschen, er spürt kurz Mitleid, tippt zu Hause in der warmen Stube einen schnellen Text herunter und wendet sich dann wieder anderen Dingen zu. Natürlich nicht einfach, Grenzsituationen realistisch zu beschreiben, die man selber nicht erlebt hat. Dann aber lieber die Finger von solch einem Thema lassen, bevor man sich mit Trivialitäten über die Zeilen rettet.

Das Ende verstehe ich nicht: sein Körper zuckt. Hört sich nach einem Herzinfarkt an. Der Deckel der Mülltonne fliegt auf den Asphalt = erster Knall. Dann ein zweites – lauteres – Geräusch. Was war das? Ein Schuss? Ist der Körper explodiert? Schlug ein Meteor neben ihm ein (denn er wünschte sich ja einige Sekunden vorher, sich in einen Stern zu verwandeln)? Sehr geheimnisvoll. Aber m.E. passt dieser kryptische Schluss eher zu einem Märchen als zu einer (Gesellschafts-) Story.

Kathrin, habe ein bisschen streng kommentiert. Geb’s zu. Völlig losgelöst vom Inhalt solltest du mMn versuchen, die Flut an Hilfszeitworten durch Vollverben zu ersetzen. Die „war“ und „hatte“ lassen sich nicht immer vermeiden; jedoch kann man sie mit Fantasie und einem Synonymwörterbuch (z.B. Duden online) häufig umschiffen. Liest sich dann angenehmer und professioneller.

Vg sinuhe

 

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