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Der Pechvogel
Der Pechvogel
Das war zu der Zeit, als ich ziemlich häufig meine Jobs wechselte. Zuletzt hatte ich in einem Schlachthaus gerödelt, etwa 2 Wochen lang, dann hatte man mich mal wieder gefeuert. Egal, wo ich auch jobbte, es war immer das gleiche: Ich kam morgens einfach nicht in die Gänge. Eigentlich bin ich Koch von Beruf, aber der Stress, das Gehetze und die miesen Arbeitszeiten in der Gastronomie hatten schnell meine Lebens-Ansprüche nicht mehr befriedigt. Im Schlachthaus fuhr man wenigstens eine ganz normale 8-Stunden-Schicht. Dafür war die Arbeit körperlich härter, aber auch stressfreier: Solange man seine Stückzahl schaffte, gabs keine Probleme. Das befriedigte schon viel stärker meine Lebens-Ansprüche, aber mein eigentliches Problem war ja, wie gesagt, frühmorgens aus der Koje zu kommen, und wer regelmäßig verpennt, wird bekanntlich überall rausgeschmissen.
Endlich kam ich dann auf die Idee, dass ich auch dauernd nachts arbeiten könnte und bewarb mich entsprechend um diverse Stellen. Zunächst mal fand ich einen Job als Pflegehelfer der Nachtwache in einem Altenheim. Meine Aufgabe bestand darin, bei den alten Leutchen regelmäßige Rundgänge durchzuführen und sie aus ihren verschissenen und verseuchten Windeln zu holen. Die Alten mit dem höchsten Zombie-Faktor mussten in regelmäßigen Intervallen im Bett gedreht werden, damit sie nicht wundlagen. – Na ja, das Ganze war ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber immerhin kam ich mit den Arbeitszeiten gut klar. – Niemals-mehr-morgens-aufstehen-müssen – war eine akzeptable Perspektive für die nähere Zukunft.
Ich kann jedoch nicht leugnen, dass Manches mir auch ganz schön auf den Senkel ging und meine Lebens-Ansprüche überhaupt nicht befriedigte. Da waren einige äußerst nervige Bewohner in diesem Pflegeheim und allen voran der Spitzlesgrubler Hans-Jakob Bieker, von dem ich hier berichten will.
Hans-Jakob Bieker war ein besonders großer und fetter Kerl, bestimmt über 1,85 Meter lang und mindestens 100 kg schwer. Sein großer breiter Kahlkopf erinnerte an einen gewaltigen Globus, mit unzähligen Leber- und Altersflecken in den verschiedensten Größen und Formen, die wie Kontinente aussahen. Er litt unter der Parkinsonschen Krankheit in weit fortgeschrittenem Stadium und galoppierend fortschreitender Altersdemenz. Er konnte fast nichts mehr alleine machen. Tagsüber wurde er gewöhnlich für einige Stunden mit einem mechanischen Lifter in einen besonders stabilen Rollstuhl gesetzt; ansonsten blieb er im Bett. Er seuchte jede Nacht wie ein Weltmeister, was nicht besonders schlimm gewesen wäre, denn er trug die fettesten Windeln, die es überhaupt im Haus gab. Leider hatte er die blöde Angewohnheit ständig seinen winzigen Spitz aus der Windel zu holen, an ihm herumzugrubeln und überall in der Gegend herumzuseuchen, sodass jedesmal das ganze Bett (und Sonstiges) verseucht war, wenn man zu ihm ins Zimmer kam. Am Anfang hab ich noch gelacht, vor allem beim Anblick dieses großen fetten Glatzkopfes mit einem Spitz, der gerade mal so groß war wie die Kuppe meines Daumens, und wie er hysterisch und zittrig dran herumgrubelte, als könnte er ihn dadurch größer machen. Er konnte, wie gesagt, fast nichts mehr alleine machen, aber das konnte er noch. Und 3 X / Nacht bei diesem großen fetten stocksteifen Kerl das Bett zu beziehen, während er darin lag, war auf Dauer echt eine Tortur. Es war Hochsommer, das Zimmer durfte nicht gelüftet werden, weil der alte Hans-Jakob keine Zugluft vertrug, und jedesmal wenn ich dort rauskam, war ich gebadet im eigenen Schweiß und der Seuche vom Spitzlesgrubler Hans-Jakob Bieker, und ich stank dann immer wie eine Kanalratte.
Ich glaube, es war während meiner 9. Nachtschicht, als ich wieder mal zu ihm reinkam und ihn in flagranti erwischte, aber nicht in flagranti genug, denn das ganze Bett und ein Teil des Fußbodens waren bereits verseucht, und es stank im Zimmer wie auf einem Bahnhofsklo. Er schien mich noch gar nicht bemerkt zu haben. Ich trat also leise ans Kopfende seines Bettes bis ich knapp außer Reichweite seiner Grubelhände war.
„Na, grubeln wir mal wieder am Spitz?!“, tönte ich ziemlich laut in sein rechtes Ohr
Er antwortete nicht. Grubelte weiter wie ein Irrsinniger an seinem winzigen Spitz, und ich trat, um ihn anzusehen, ans Seitenteil seines Pflegebettes, weiterhin außer Reichweite seiner rechten Grubelhand. Er schien gar nichts mitzubekommen, sein rundliches Gesicht war verschwitzt und rot, seine Augen glasig und trübe wie leblose blaue Glasmurmeln, das Parkinson-typische Maskengesicht; seine Atmung ging rasch und heftig. Ich überlegte mir, dass dieser Mann eigentlich schon tot war. Ein Kotelett mit Reflexen, und der Hauptreflex war die Spitzlesgrubelei.
Einige Momente lang war ich mir unschlüssig, was jetzt als Nächstes zu tun sei, und bei dieser Gelegenheit schaute ich mich erstmals ein bisschen in Hans-Jakobs Zimmer um. Da gab es jede Menge Fotografien, versteinerte Erinnerungen, stumme, stehengebliebene Zeit, dokumentierte Vergangenheit, um das Pflegepersonal daran zu erinnern (gemahnen), dass man/frau es mit einem lebendigen Menschen zu tun hatte. Ich fand das irgendwie gruselig in Gegenwart des Koteletts dort im Bett. An der Wand neben ihm hing ein Pinboard, das bespickt war mit Fotos, die ihn in inniger Pose mit jeder Menge jüngerer Menschen zeigte (jedenfalls jünger als Hans-Jakob, ich glaub, er war so um die Ende 70). Auf einigen Bildern hatte er Babies im Arm. Am Kopfende seines Bettes gabs ein größeres Regal, auf dem größere, edel eingerahmte Fotos standen. Auf ihnen war ebenfalls ein kreuzfideler kerngesunder Hans-Jakob zu sehen, aber diesmal nur in Gesellschaft verschiedener Köter, mit denen er schmuste, herzte und knuddelte. Die meisten waren Rauhaar-Dackel, aber ich konnte auch andere Rassen unterscheiden. Einige dieser Fotos waren schon ziemlich alt.
„Wie hast du das bloß geschafft, so ne Riesen-Familie zu gründen, mit so einem winzigen Spitz?“, murmelte ich, vorwiegend mit mir selbst, da ich keine Reaktion von dem Kotelett erwartete.
„Der war früher mal größer“, sagte Hans-Jakob Bieker. Ganz deutlich. Er schaute mir aufmerksam ins Gesicht. „Das kommt nämlich von meiner Krankheit.“
Ich war nur für einen Sekunden-Bruchteil überrascht.
„So, so. Von der Krankheit. Eine blödere Ausrede hab ich ja noch nie gehört“, antwortete ich schlagfertig.
„Na, Sie sind vielleicht ein Spaßvogel“, sagte er und lächelte mich an. „Kommen Sie, halten Sie doch ein bisschen meine Hand. Das tut mir so gut.“
Er streckte mir seine rechte, verseuchte Grubelhand entgegen.
„Da muss ich mir erstmal ein Paar Gummi-Handschuhe überziehen“, sagte ich ungerührt.
„Also, Sie sind aber wirklich ein Spaßvogel.“
„Kein Spaßvogel“, widersprach ich, „wohl eher ein Pechvogel.“
Ich hörte ein brummendes Geräusch und blickte zur Zimmerdecke. Da war ein riesengroßer, fetter, grauer Nachtfalter, der flatternd und surrend um die Deckenlampe schwirrte; manchmal knallte er gegen die Glühbirne, was ein Geräusch machte wie klack, kam dann ins Trudeln, erholte sich wieder und begann erneut wie besessen in einem Affenzahn um die Lampe zu kreisen. Die Lampe war sein Schicksal. Ich überlegte, dass das Verhalten der Motte genau so zwanghaft war wie die Spitzlesgrubelei des Hans-Jakob Bieker.
„Wieviel Kinder haben Sie eigentlich?“, fragte ich ihn, vorwiegend um ihn von der Händchenhalterei abzulenken.
„5 Kinder, 12 Enkelkinder und schon 2 Urenkel.“, verkündete Hans-Jakob in stolzgeschwelltem Brustton.
„So, so. Was für ne unglaubliche Leistung mit so einem winzigen Spitz.“ Mit einem Nicken deutete ich zu den Fotos an seinem Kopfende. „Und was sind das alles für Hundsviecher?“
„Ich hab 40 Jahre lang Rauhaar-Dackel gezüchtet. Nebenbei hab ich aber immer noch nen Hund anderer Rasse gehalten. Wegen der Abwechslung. Hunde sind doch soo etwas Liebes. Bitte, jetzt halten Sie doch meine Hand.“
„Sorry. Keine Zeit“, sagte ich. „Muss erstmal losgehen und frische Bettwäsche holen.“ Ich drehte mich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Ganz unwillkürlich entfuhr mir ein erleichterter Seufzer, als ich den Gestank hinter mir gelassen hatte, wandte meine Schritte aber nicht, wie angekündigt, zur Wäschekammer sondern zum Fahrstuhl, stieg in die kleine Kabine und fuhr runter in den Keller, wo sich die Umkleideräume fürs Personal befanden.
Ich öffnete meinen Spint und holte das große Schlachtermesser heraus, das ich bei meinem letzten Job hatte mitgehen lassen. Meine Gedanken in diesem Moment ...
(jetzt schlachte ich den Hans-Jakob Bieker wie eine Sau. Dann schaff ich wieder ganz leicht meine Stückzahl, und alles wird gut ...)
waren mir eher halbbewusst, denn ich hatte am Vortag schlecht geschlafen und war mit Kumpels einen saufen gewesen. Irgendwie brachte ich wohl meinen aktuellen Job mit dem vorherigen durcheinander, oder besser gesagt: Meine Gedanken erschienen mir nicht nur in diesem Augenblick sondern auch im Verlauf der folgenden Ereignisse absolut und sogar zwingend logisch – und ergänzten sich harmonisch mit der weiteren Aussicht auf die angenehmen Arbeitszeiten in diesem Job. Wie in Trance stieg ich wieder in den Aufzug und fuhr zurück nach oben auf die Pflegestation.
Das große Schlachtermesser im Anschlag, mit der festen Absicht aus der professionellen Filetierung eines Spitzlesgrublers eine rauschende Party zu machen, betrat ich wieder das Zimmer des Hans-Jakob Bieker.
„Hans-Jakob, du Sau“, sagte ich, „hast hier mal wieder Alles vollgeseucht.“
„Ach was“, erwiderte Hans-Jakob fröhlich, mit einem zugleich wohlwollenden und nachsichtigen Lächeln. „Das war doch nur so n kleiner Spritzer. Der Professor im Krankenhaus hat gesagt, dass ich so ganz prima meine kalten Finger aufwärmen kann, wenn ich sie dauernd da unten hinhalte. Und so ein bisschen Reiben kann ja nie was schaden. Es macht mich sogar wieder gesund. Tatsächlich gehts mir grad so gut wie seit Monaten nicht mehr.“
Von draußen war jetzt, trotz des geschlossenen Fensters, ein penetrantes Gehupe und Gegröhle zu hören. Scheiße, es war 2:00 Uhr Nacht, so ne Frechheit! Offenbar hatte der Fussball-Klub unserer Stadt mal wieder so ein beschissenes Bundesliga-Spiel gewonnen, ein Umstand, der mir völlig am Arsch vorbei ging. Und ich konnte diese bescheuerten und verblödeten Fussball-Wichser sowieso auf den Tod nicht ausstehen, was mich noch mehr in blinde Rage vesetzte. Man sollte sie alle schlachten, dachte ich, wie Säue sollte man sie alle schlachten, alle, alle, alle sollte man sie schlachten wie die Säue!
„Wo haben Sie denn die frische Bettwäsche gelassen?“, fragte Hans-Jakob, während ich seine Zudecke zurückschlug und so hoch, wie ich konnte, mit dem großen Schlachtermesser ausholte. Dies sollten auch Hans-Jakobs letzte Worte gewesen sein. Zweimal hieb ich mit aller Kraft zu. Mit einem perfekten T-Schnitt öffnete ich ihm Bauchraum und Brustkasten; sogar das Brustbein war in der Mitte aufgespalten, sodass ich darunter sein Herz schlagen sah. Der rote Saft spritzte nur so fontänenartig überall in der Gegend rum, Kutteln und galliger Matsch quollen heraus aufs weiße Bettlaken wie Elefantenschiss. Und Hans-Jakob guckte ganz verdutzt an sich herunter. Dann blickte er mir noch einmal ins Gesicht, öffnete seinen Mund wie zu einer Frage, aber er brachte nur noch ein empörtes Röcheln zu Stande.
Was für ein unverdient grandioser Abgang für den alten Hans-Jakob, dachte ich, mit so einem winzigen Spitz. Aber da ich noch nie eine Kreatur hatte leiden sehen können (das war schon bei meinem Schlachthaus-Job so gewesen), entschloss ich mich zu einem raschen Ende. Mit einem einzigen Hieb trennte ich ihm die Rübe vom Rumpf, und es gab nochmal einen gewaltigen roten Springbrunnen. Ich nahm Hans-Jakobs Kopf in beide Hände und drapierte ihn auf das große Regal mit den Rauhaar-Dackeln, zum Kopfende seines Bettes. Das war gar nicht so einfach, denn sein Kopf war so schwer wie eine Bowling-Kugel, nur ohne die Löcher zum Reinfassen. Das war die Anstrengung absolut wert, da das nun mal, wie ich fand, genau der richtige Platz für ihn war.
Da stand er nun: Sein Kopf sah jetzt endgültig wie ein Globus aus, wie die Darstellung eines unbekannten Planeten mit all den fremdartigen Kontinenten. Dass auf diesem Planet ein Gesicht mit Ohren abgebildet war, erinnerte eher an die Arbeit eines Comic-Zeichners oder an das Werk eines Kindes. Immerhin gabs hinter den Ohren noch den ulkig schmalen Streifen einer tropischen Regenwald-Zone. Der Rest des Planeten sah aber ziemlich vertrocknet aus. Hans-Jakobs Augen waren lustig verdreht, der Mund weit geöffnet. Die Zunge (eine Landzunge ins rote Meer) hing heraus. Vom Regalbrett tropfelte noch ein bisschen von der roten Suppe auf den Boden.
Ich wandte mich zurück zum Bett und sah, dass es aus dem Rumpf von Hans-Jakob immer noch heraussprotzte und -spratzte. Bei genauerer Inspektion konnte ich erkennen, dass sein Herz immer noch pumpte. Wände, Fenster und Decke des Zimmers verwandelten sich in ein einziges großes Fresko, und ich war ein Teil dieses Freskos, genau wie die wenigen Möbel, die schönen Fotos und eben alles, was sich im Wirkungskreis dieses Vulkan-Ausbruchs befand. (Der Gestank wurde dadurch freilich auch nicht besser.) Ich begutachtete noch einmal den surrealen Globus im Regal, und mir war, als würden sich die halb weggedrehten Pupillen bewegen, würden zucken und versuchen auf den um sich spritzenden Körper darunter einen letzten Blick zu erhaschen.
Das Ganze hier war, um es mal ganz deutlich zu sagen, eine RIESEN-Sauerei, im Schlachthaus hatte ich immer viel sauberer gearbeitet, und ich musste unwillkürlich an das 3. Gesetz von Murphy denken: Was schiefgehen kann, geht auch schief. Chaos-Theorie. Jedes Gesetz, jede Regel wird irgendwann einmal gebrochen, relativ stehend zu unendlichen Möglichkeiten im unbegrenzten Raum in ewig fortlaufender Zeit. Im Grunde bedeutet das nix anderes als: Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht – nur angewandt auf unsere ehernen Gesetze der Naturwissenschaften. Zum Beispiel wird in der Mathematik behauptet, dass keine Zahl durch Null geteilt werden kann. Aber einfach konstatiert, dass die Null eine einzige Zahl ohne Eigenwert ist, der gegenüber eine unendliche Anzahl möglicher höherer und niederer Zahlen – nur der Himmel ist die Grenze – steht, muss rein statistisch gesehen irgendwann eine Zahl daherkommen, die eben doch durch Null teilbar ist. Zum Beispiel die Zahl „Unendlich“. Unendlich kann durch alle Zahlen geteilt werden, es kommt immer Unendlich dabei raus, womit sie gut mit der Null zusammenpasst, weil es bei der genauso ist. Alles, was funktioniert, funktioniert eben nur eine ganz begrenzte Anzahl von Malen. Irgendwann geht Alles schief, was schiefgehen kann. Wenn jemand erfolgreich eine Bank überfallen hat und sich dann überlegt, dass das wieder klappen könnte, und er überfällt dieselbe Bank nochmal erfolgreich, wird er denken: Was 2 mal geklappt hat, klappt auch ein 3. Mal. Das Gesetz der Serie. Und natürlich wird er dann beim 3. Mal geschnappt, denn die Typen von der Bank sind ja auch nicht völlig verblödet. Dasselbe passiert längerfristig mit allen mathematischen und physikalischen Regeln, denn die Wirklichkeit ist schlicht einfallsreicher, als unsere kümmerlichen Versuche, sie zu katalogisieren.
Ich selbst war ein Mensch, der aus dieser ganzen Chaos-Theorie-Geschichte herausfiel. Bei mir ging selbst das schief, was normalerweise nie schiefgehen konnte. Ich wäre schon beim ersten Bankraub geschnappt worden. Bei mir funktionierte nie irgendetwas überhaupt. So auch dieses Mal nicht.
Ich hatte gerade angefangen, den künstlerischen Aspekt meiner Arbeit zu bewundern, dachte daran, wie es wohl wäre, hier im Zimmer eine Vernissage zu veranstalten mit Beluga auf Toast und Champagner, da wurde zweimal kurz gegen die Tür gepocht. Meine Chefin, die Nachtschwester stand einen Augenaufschlag später – „?!“ – wie vom Donner gerührt in der Türöffnung, ihre Augen ungläubig geweitet, und vor lauter Schreck flog ihr auch noch das Häubchen vom Kopf und landete unrettbar in einer weitläufigen Blutpfütze. Sie öffnete ihren Mund, um irgendetwas zu sagen, und ihr kreidebleiches Gesicht sah fast genauso fassungslos aus wie das Gesicht von Hans-Jakob kurz nach dem T-Schnitt.
Sie warf ihre Arme an den Kopf ( an ihren Kopf, nicht an den Kopf im Regal). „Ja, um Himmelswillen, was geschieht denn nur hiier?!“ kreischte sie.
Als hätte er auf dieses Kommando nur gewartet, explodierte draußen der Himmel und öffnete schlagartig seine Schleusen. Zahllose dicke Tropfen klopften im Stakkato gegen die blutbespritzten Fensterscheiben, gleichsam herausfordernd und doch unfähig diese von außen sauber zu waschen. Das Prasseln auf dem dampfenden Asphalt klang, als würde man ein überdimensionales Steak (oder Kotelett) in der heißen Pfanne braten.
Ich antwortete: „Öhh ..., äähh ...“
Wie es aussah, war ich diesen Job nun auch wieder los.
N.H. Juli 2004