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Der Parkwächter
Ein Mann saß auf einer Bank und las in einem Buch. Der Lesefluss wurde durch nichts gestört, weder durch die vorbei laufenden Menschen, noch durch die Geräusche, des auf dem Boden scharrenden Laubbesens des Parkwächters. Es mochte zwar nicht viel Fläche zu diesem grünen Landstrich in der Stadt dazugehören, aber es war wahrscheinlich die Schönste in der ganzen Region. Man sah den Pflanzen an, wie sie mit Sorgfalt und Talent angelegt und gepflegt wurden.
Doch die Menschen, die durch die Wege liefen und fröhlich mit ihren Familien erzählten, schienen gar nicht zu bemerken, welche Schönheit sie umgab. Sie waren zu beschäftigt mit dem Stress ihres Lebens, um auch nur einen Moment einfach anzuhalten und sich umzublicken. Wenn sie das täten, um einen Moment durchzuatmen, dann hätten sie vielleicht gesehen, wie sanft der Wind das Laub streichelte. Ähnlich der sanften Melodie einer Harfe, und unbekümmert die Blätter daraufhin in der herbstlichen Böe tanzten, um in aller Ruhe und Stille zu Boden zu segeln. Ihre Farben zeigten sanft mahnend den unaufhaltsamen Lauf der Zeit, in einer solchen natürlichen, schlichten Schönheit, dass die Besucher nichts anderes zu tun wüssten, als diese zu bewundern.
Aber die vielen Menschen hier hielten nicht an und auch nicht die lauten Jugendlichen, die jetzt den Weg herunterkamen, in die Richtung wo der Parkwächter arbeitete und der Mann noch immer in sein Buch vertieft war. Die jungen Leute waren zu fünft und man hörte sie bereits aus der Ferne grölen und lachen, sodass der, in seinem Buch versunkene Mann aufblickte. Sie schubsten einander über den Weg und lachten wieder, sie blökten sich oder andere an und wieder lachten sie. Die Gruppe hatte den Parkwächter entdeckt, der versuchte, möglichst unsichtbar zu sein. Die Jugendlichen steuerten auf ihn zu, wodurch er seinen Blick weiter auf den Boden richtete und in sich zusammen sank. Die vorlauten Jugendlichen sprachen ihn an, obwohl man das eher als schreien bezeichnen muss. Jedes Mal, wenn sie sich zu ihm hinbewegten, um ihn anzustoßen, damit er ihnen endlich Aufmerksamkeit schenkte, roch er ihre Fahne. Der Gestank wehte ihnen so weit aus dem Mund, dass er nichts anderes mehr riechen konnte, als diesen furchtbaren Gestank. Bei jedem Stoß nahmen sie mehr Schwung und Kraft aus Spaß daran, ihm Unbehagen zu bereiten, bis sie ihn hin und her schubsten als wäre er ein lebloses, willenloses Ding, allein für ihre Unterhaltung geschaffen.
Der Mann auf der Bank überlegte, ob er eingreifen sollte und dem Parkwächter helfen sollte, schließlich war nicht richtig, was diese Jugendlichen da taten. Wie sie randalierten und niemand es mitzubekommen schien, außer ihm selbst. Die vielen Besucher, die bereits zu beschäftigt waren, um die Natur zu genießen, hatten auch jetzt keine Zeit um ihm zu helfen. Es war jedoch fraglich, ob sie es einfach nicht mitbekommen wollten, oder es für unwichtig hielten. Auch der Mann auf der Bank hatte beschlossen, dem Parkwächter nicht zu helfen. Was machte schon ein verprügelter Parkwächter? Aber ein verprügelter Parkbesucher! Das wollte er nicht erleben, besonders wenn er dieser Besucher war.
Auf einmal sah der Mann auf der Bank, wie nicht mehr die betrunkenen Jugendlichen den Parkwächter umherschubsten, sondern wie er mit seiner Harke kräftig ausholte und der hölzerne Stiel gleich zwei von ihnen traf, dass sie zu Boden gingen. Mit schnellen, geschmeidigen Bewegungen nahm er ihnen ihre Uhren und Portemonnaies ab, während er gleichzeitig die anderen in Schach hielt. Mittlerweile war auch die anderen Parkbesucher auf die Situation aufmerksam geworden und begann sich darüber aufzuregen, wie es jemand wagen konnte Jugendliche zu schlagen, nur um sie dann auch noch auszurauben. Laute Rufe wie „Haltet den Dieb“ störten die ruhige Atmosphäre des gesamten Parks, doch es war zu spät. Der Verbrecher war bereits geflohen. Der auf der Bank sitzende Mann freute sich, dass der Parkwächter als hinterhältiger Langfinger enttarnt war, da er sich ja jetzt keine Gedanken mehr wegen der Jugendlichen machen musste oder seines schlechten Gewissens. Er wollte es sich wieder gemütlich machen, damit er weiter lesen könne, da bemerkte er durch die Bewegung, dass die rechte Tasche seines Mantels seltsam leicht war. Er schob seine Hand in diese und wo sich normalerweise sein Portemonnaie befand, war nur noch Leere. Es war verschwunden.
Kurz darauf wurde die Polizei gerufen, die die Ermittlung gegen den skandalösen Parkwächterdieb aufnahm, aber kaum jemand glaubte daran, ihn zu schnappen. Wenigstens stellte sich im Laufe dieser Untersuchungen heraus, dass der eigentliche Dieb kein Parkwächter war, sondern den echten, ehrlichen Parkwächter überfallen und gefesselt hatte, um in seine Rolle zu schlüpfen und als falscher Parkwächter die Besucher des Parks an jenem Tag um ihr Geld zu erleichtern.