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Der One-Night-Stand oder die Geschichte mit Karl

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25.06.2002
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Der One-Night-Stand oder die Geschichte mit Karl

Sie öffnete die Augen und im ersten Moment der Schock: Wo bin ich? Sie setzte sich ein wenig auf, vorsichtig die Arme, die sie umschlangen, lösend und schaute sich um. Ihr Blick ging in ein halbabgedunkeltes Zimmer, auf den Mann, der neben ihr bzw. hinter ihr lag, und sie lächelte...

Karl.

Die Erinnerung kam zurück.

Sie löste sich nun vollständig von dem Mann neben sich - vorsichtig, um ihn nicht zu wecken -, stand auf ging zum Fenster, zog ein wenig den Vorhang beiseite und schaute hinaus. Sie zündete sich eine Zigarette an. Aber dann sah sie nicht mehr, was draußen war, ihr Blick ging nach innen. Sie dachte zurück.

Karl.

Sie war in der Disco gewesen, mit Freunden. Sie hatten getanzt und rumgealbert. Sie war nur zu Besuch bei ihrer Freundin in dieser Stadt, in der sie nicht wohnte, aber sie kannte und mochte den Freundeskreis und es waren auch ihre Freunde. Sie hatte Karl sofort gesehen, als er die Disco betrat.

Auch Karl hatte sie über die Freundin/ die Freunde kennen gelernt, beim letzten Besuch, schon einige Wochen her.
Er hatte zu einer Party eingeladen und sie war mit den Freunden mitgegangen. Er war Norweger, 12 Jahre jünger als sie - ein Bild von einem nordischen Mann. Hellblond, stahlblaue Augen, groß, schmal, breite Schultern, leicht gebräunte Haut - sehr gut aussehend. Ansonsten noch jungenhaft, meistens witzig und lustig, selten ernst. Er kannte ihre Freundin und den Freundeskreis, weil sie ihn aufgenommen und sich ein wenig um ihn gekümmert hatten. Ein Norweger wegen des Jobs in Deutschland, sich etwas allein fühlend, miserabel deutsch sprechend. Seine Party war mit Freunden aus Norwegen, die ihn besuchten. Sehr alkoholträchtig, das ist wohl so bei Norwegern, wobei er sich zurück hielt. Sie hatte für ihn und seine Freunde den Translator gespielt, er hatte ein wenig mit Augen und Worten mit ihr geflirtet - angenehm, aber sie hatte da nichts reingelegt. Sie übersetzte zum Schluss der Party für einen Freund von ihm, der einer kleinen Deutschen mit miserablen Englischkenntnissen seine Liebe erklären wollte. Karl hatte sie dazu geholt, gebeten zu helfen, aber nach 5 Minuten hatte sie die beiden Männer ausgelacht, sich geweigert, den Schmalz weiter ins Deutsche zu übertragen und Simpel-Englisch, sicher auch für das Mädchen verständlich, vorgeschlagen - so nach dem Motto ‚I love you‘, ‚I need you‘, I want you‘ - und war gegangen. Karl hatte auch gelacht und ihr hinterher geschaut.
Sein Kontakt zu ihren Freunden hatte sich danach gelockert - Karl sah einfach zu gut aus und flirtete zu gern, als dass er sich lange in der Stadt allein fühlen konnte. Aber das hatte sie nur von ihrer Freundin gehört, als sie einmal beiläufig nach Karl fragte.

An dieser Stelle unterbrach sie ihre Gedankengänge und schaute auf den Mann im Bett. Karl. Seine Arme, die sie vorher umschlungen hatten, lagen jetzt etwas verloren auf dem Bettlaken. Er schlief fest und hatte ihre Abwesenheit nicht bemerkt. Er lächelte im Schlaf. Sie schaute jetzt nachdenklich, die Erinnerung an den Beginn des vergangenen Abends nahm sie gefangen.

Als Karl die Disco betreten hatte, schaute er sich um, bemerkte sie und ihren Blick und kam sofort zu ihr. Er sagte den Freunden kurz ‚Hallo!‘ und strahlte sie an. Ein Gespräch kam schnell in Gang, sein Deutsch war schon merklich besser, sie antwortete allerdings meist Englisch, da er da natürlich sattelfester war. Ja, Karl war lustig und witzig. Es machte Spaß mit ihm herumzualbern. Irgendwann schaute er zur Tanzfläche, bemerkte die kleinen Gitterkästen und wollte, dass sie als GoGo-Girl tanzt. Sie lachte ihn aus und meinte, das würde sie erst nach fünf Gin-Tonics tun. Die Karl dann natürlich sofort an der Bar holte und die sie den ganzen Abend nicht austranken. Nein, sie wollte nicht als GoGo-Girl tanzen, sie wollte normal tanzen. Karl hatte keine Lust und sie fühlte sich nicht verpflichtet, ihm Gesellschaft zu leisten. Sie wäre auch allein gegangen, aber gegen den Mann, der ihre Blicke zur Tanzfläche wohl bemerkt hatte und sie aufforderte, war auch nichts einzuwenden. Das Tanzen machte Spaß, ihr Tänzer konnte auch zusammen gut und wirbelte sie herum. Irgendwann kam Karl, klatschte ab bzw. schob den Tänzer einfach beiseite, ohne ihn anzuschauen. Der war sauer, aber nach einem Blick auf den wesentlich größeren Karl mit seinen breiten Schultern verzog er sich grummelnd. Sie musste lachen, das war zwar frech, aber auch witzig und ihr seit dem Teenie-Alter nie wieder passiert. Zusammen tanzen konnte Karl nicht, aber auseinander machte mit ihm Spaß. Bei einem langsamen Tanz ging es auch zusammen und beugte sich zu ihr herunter- und küsste sie. Sie war überrascht. Aber Karl küsste gut und eigentlich hatte sie gegen seine Frechheit nichts einzuwenden. Nein, es war leicht und schön. Der ganze Abend. Das Plaudern, das erneute Tanzen, das Küssen. Die Freunde waren inzwischen gegangen, auch ihre Freundin, bei der sie nächtigte, aber sie wusste ja, wo sie hin musste. Und zwar jetzt - die Disco war aus. Karl war da nicht ihrer Meinung. ‚Komm mit zu mir, noch ein bisschen, wenn Du dann gehen willst, ich ruf Dir ein Taxi, versprochen!‘ Sie wollte nicht.

Was sollte sie auch mit einem One-Night-Stand? Und darum geht es erst einmal, immer, wenn etwas so beginnt. Das war ihre Überzeugung. Nicht mehr. Hier kam allerdings sowieso nicht mehr in Frage - da wäre nicht mehr drin, das wusste sie einfach. Nicht nur wegen des Altersunterschiedes. Da passte zuviel nicht. Sie war sich sicher, auch ihrer selbst. Von der Situation, aus der sich nichts anderes ergeben konnte, mal abgesehen. Und One-Night-Stands waren nicht ihr Ding. Nein, sicher nicht. Aber es war schön gewesen bis jetzt und sie war neugierig. Vielleicht doch? Sie hatte keine One-Night-Stand-Erfahrung, aber wenn sie es einmal probierte, dann mit einem Mann, mit dem der Abend so angenehm gewesen war, wie der heutige, mit einem Mann, der so war wie er, bei dem sie sich so gut fühlte, wie bei ihm. Den sie gern küsste und den sie auch gern berühren würde. Also doch?

Karl bemerkte ihr Zögern und rief ein Taxi. Sie stieg ein, er strahlte und küsste sie erneut.

An der Stelle der Erinnerung musste sie nun lächeln. Das war irgendwie .... niedlich. Und es war danach sehr schön.
Viel Zärtlichkeit, unterbrochen durch Erzählen, Annäherung, Herumalberei. Es war schön, wie sie sich langsam gegenseitig entkleideten, den Körper des anderen entdeckend, streichelnd, zart berührend. Zum eigentlichen im klassischen Sinne war es nicht gekommen - er hatte keine Kondome dabei. Sie hatte gelacht: So ein Casanova und keine Kondome? Er versicherte ihr seine Gesundheit und seine Abstinenz, akzeptierte aber ihr ‚Nein‘. Und der Sex war auch so sehr schön, für ihn sicher ebenso wie für sie.

Sie hatten sich danach zugedeckt, aneinander geschmiegt, sich umschlungen und waren eingeschlafen. Satt und zufrieden - sozusagen.

Sie rauchte jetzt die letzten Züge ihrer Zigarette, nahm die Umgebung wieder war, schaute erneut aus dem Fenster. Es wurde langsam hell. Sie sollte zu ihrer Freundin fahren, sie hatten heute noch einiges mit den Freunden zusammen geplant und vielleicht machte sie sich auch Sorgen.

Aber andererseits... es wird schön sein, ihn noch ein wenig zu spüren.... es noch ein wenig nachklingen zu lassen...
Ja, das wird es.

Sie drückte die Zigarette aus, verließ den Fensterplatz, legte sich wieder zu ihm, vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Sie schmiegte sich an ihn, so dass sie ganz dicht aneinander lagen, wie vorher auch, fühlte seine Wärme und Nähe, seine Arme, die sie wieder umschlangen, lächelte leicht, einfach den Augenblick genießend... und schloss die Augen.

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So sollte die Geschichte nun vielleicht doch nicht stehen bleiben, also noch schnell das Ende erzählt...

Erster Nachtrag: Der Morgen.

Sie weckte ihn wenig später mit einem Kuss. Er wollte nicht, dass sie aufsteht, ging aber in die Küche Kaffee aufsetzen, als er merkte, dass er sie nicht länger halten konnte.
Sie tranken im Bett den Kaffee, sprachen darüber, was sie so den Tag vorhatten. Beide ausgebucht, was er zu bedauern schien. Abends würde sie bereits zurück fahren. Nein, das war nicht zu ändern.
Er schaute ihr beim Ankleiden zu, kommentierte die einzelnen Stadien des Anziehens, die Dessous, die Stümpfe... Und versuchte herumalbernd, ihr dann doch alles wieder auszuziehen.

Sie lachte, wehrte ab, küsste ihn und ging zu Tür.

Er kam noch hinterher, immer noch nackt, einen Zettel in der Hand.

‚Meine Telefon-Nummern, schau, das ist die Mobilphone-Number....‘ Sie stand schon in der Tür, er hielt sie noch mal fest, schaute ihr in die Augen. ‚Du wirst anrufen, Du wirst wieder kommen, ich weiß das!‘

Sie lächelte nur, noch ein Kuss, dann war sie raus.

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Ja, da fehlt wohl immer noch etwas....

Zweiter Nachtrag: Und weiter?

Mehr gibt es nicht über die Geschichte mit Karl zu berichten. Sie hat nicht angerufen und ihn nicht wieder getroffen. Es hatte sich auch so ergeben, dass sie danach länger nicht ihre Freundin besuchte. Vielleicht war das auch Absicht. Karl hatte noch ein- / zweimal nach ihr gefragt... inzwischen ging er andere Wege, der Kontakt zu den Freunden war abgerissen. Vielleicht ist er inzwischen auch schon wieder zurück nach Norwegen gegangen.

Warum sie sich nicht gemeldet hatte? Es war ein One-Night-Stand, das war einfach klar gewesen. Das passte nicht für mehr, auch das war klar gewesen. Und sie wollte hinterher dort nicht mehr hineinlegen, nur weil es schön gewesen war. Und schon gar nicht mehr erwarten. Sie war der Meinung, das sollte man nicht tun. Sie wollte es auch nicht zerreden und sie wollte niemandem das Gefühl von Rechten daraus einräumen, weder sich - noch ihm.

So hatte sie einfach ungetrübt die schöne Erinnerung an eine schöne Nacht.

Und wenn sie an ihren One-Night-Stand und damit an Karl denkt, dann lächelt sie....

ENDE.

 

Hi decolletee,

ist doch eigentlich schade, dass sie den gut küssenden Karl nach Norwegen ziehen lässt...
Den Anfang fand ich etwas dröge, den Mittelteil umso spannender. Konnte mir die Disko-Szene sehr gut vorstellen. Das Wort "Simpel-Englisch" fand ich witzig, werd es mir merken.

Find es gut, wie Du Karl charakterisierst. Du zeichnest ihn recht mehrdimensional, hart-zart der Mann und deshalb interessant. Den hätte ich nicht ziehen lassen... Aber vielleicht ist es auch anstrengend, rein kommunikationstechnisch...
Geschichten mit Nachträgen erinnern mich an Tagebucheinträge, leicht, unentschlossen. Authentischer Text? Für eine echte KG würde ich darauf verzichten.

Ansonsten: recht locker erzählt.

LG PEtra

 

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