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Der Oberst und das Mädchen

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03.03.2012
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Der Oberst und das Mädchen

Der Oberst und das Mädchen waren in seinem Wohnwagen. Sie las in einem Buch für Grundschüler. Es handelte sich um ein Buch über die Grundbegriffe der deutschen Sprache. Simple Grammatik. Die Woche vorher war Mathematik dran gewesen. Gewiss, diese Bücher passten gar nicht zu ihren 14 Jahren, dennoch hatte sie einige Probleme mit dem Verstehen. Der Oberst musste dem Mädchen ab und an helfen, die Inhalte zu erfassen.
Das Mädchen war spärlich bekleidet. Passend für ihren Job. Sie hatte die Aufgabe, Männer zu erfreuen, die bezahlten. Ein übliches Beispiel für den gesellschaftlichen Verfall nach den großen Ölkriegen im Jahre 2055.
Narben und ein paar Tattoos prangten auf den massiven Armen des Oberst. Er hatte in den Ölkriegen gekämpft – direkt an der Front –, war das Töten aber leid geworden.
»Kann ich aufhören?«, fragte das Mädchen.
»Ich habe für eine Stunde bezahlt, also gibst du mir die volle Stunde«, sprach der Oberst patriarchisch.
Sie seufzte und steckte ihre Nase wieder in das Buch. Ein Buch mit großen Buchstaben, wie es für Kinder geeignet war. Doch das Mädchen fand es mitnichten einfach.
Oberst und Mädchen hatten sich vor einigen Monaten gefunden. Daran konnte er sich genau erinnern. Er hatte nach Sex gesucht, mehr hatte er nicht gewollt. Als er mit seinem Wagen hin- und hergefahren war, hatte er sie entdeckt, das Mädchen. Nachdem sie eingestiegen war, hatte er bemerkt, wie jung sie doch war. Zunächst hatte sie ihm gesagt, sie sei 20, doch durch seine Beharrlichkeit hatte er schließlich herausgefunden, dass sie erst 14 war. Er hatte nicht gezögert, sondern sie gleich mitgenommen. Doch um Sex war es ihm dabei ganz und gar nicht mehr gegangen, sondern allein um eine gute Tat …
»Wie lang‘ noch?«, fragte das Mädchen. Sie war müde.
»Du bist mir noch eine halbe Stunde schuldig.«
Der Oberst buchte sie seit dem Tag des Kennenlernens jede Woche, sie hatte ihm vorzulesen, zu rechnen, zu schreiben und andere Dinge der Bildung zu tun. Dafür bezahlte er sie gut.
»Wofür mach‘ ich das überhaupt?«, fragte sie. »Ich seh‘ das gar nicht ein.«
»Du machst das, damit aus dir mal was Besseres wird«, sprach der Oberst.
»Was Besseres? Was soll das denn sein? Jemand wie ich hat doch sowieso eine Chance im Leben.«
Er sah ihr in die traurigen Augen. »Wieso?«
»Kaum noch jemand steigt auf, seit der Krieg war. Meine Eltern sind seit Ewigkeiten arbeitslos und ich will mir etwas leisten können!«
»Darum machst du mit fremden Männern rum?«
»Ja!« Sie stieß das mit unnatürlich starkem Trotz aus.
Der Oberst schüttelte den Kopf. »Armes Mädchen. Darum sitzt du auch hier und liest das, was ich dir zu lesen gebe, rechnest das, was ich dir zu rechnen gebe und schreibst das, was ich dir zum schreiben diktiere.«
Seufzen. »Sie verschwenden Ihre Zeit«, meinte sie, legte das Buch zur Seite und verschränkte die Arme.
»Das glaube ich nicht. Du solltest aber lernen, wie man seine Selbstzweifel ausmerzen kann, und vor allem, deine Energie effektiv zu nutzen.«
Abfälliges Schnauben von ihr.
»Etwas Respekt, bitte, ja? Ich möchte dir helfen.«
»Sagt das nicht jeder? Besonderen Spaß macht mir das nicht.«
Er verzog seine Lippen zu einem müden Lächeln. »Beim Helfen geht es nicht immer um Spaß. Genaugenommen ist es so in den seltensten Fällen. Einem Menschen zu helfen, ist meist eine Mühe für beide Parteien. Verstehst du, was ich sage?«
»Ich schätze schon«, sprach das Mädchen. »Aber ich will auch Spaß!«
»Du kannst mir aber nicht erzählen«, so der Oberst, »dass dir dein Leben bisher sonderlich viel Freude bereitet hat?!«
Das waren Worte, die sie zum Nachdenken brachten. »Spaß vielleicht nicht, aber ein gutes Taschengeld. Anders käme ich nicht zu so viel Geld. Und für den Spaß sorgt Stoff.«
»Meine Aufgabe ist es, dich davon loszukriegen, darum bezahle ich dir viel Geld, damit du mit mir Zeit verbringst. Jede Sekunde, die du bei mir verbringst, machst du keinen Unsinn und lernst dabei noch etwas. Ist das nicht gut?«
Sie schwieg.
»Ist es!«, antwortete der Oberst für sie.
Plötzlich sah er sich wieder vor seiner Truppe, im Krieg. Dort hatte er seine jungen Soldaten auch angespornt und geführt. Jetzt war es ein ähnliches Konstrukt, wenngleich es ihm nun doch schwerer erschien, dieses junge Ding zu überzeugen und zu erziehen.
»Weißt du«, sprach er zu ihr, »zu meiner Jugend haben noch die Eltern für die Erziehung gesorgt. Weitestgehend zumindest.«
»Meine Eltern kümmern sich doch einen Scheiß um mich. Ich kann machen, was ich will.«
»Vermisst du nicht die Liebe?«
»Doch, natürlich. Ich mein‘, wenn ich’s kennen würde …«
»Du armes Ding. Du tust mir echt leid.«
Das Mädchen schob das Buch auf dem kleinen Tisch weg von sich. So etwas wollte sie nicht hören. Es verletzte sie, weil es die Wahrheit aufzeigte; und auch, wie schlecht sie wirklich dran war.
Er klopfte ihr väterlich auf die Schulter und holte ihr ein Glas Wasser.
»Danke«, sagte sie.
»Verstehst du wenigstens, warum ich das mache, was ich mache? Und warum ich dir so viel Geld gebe?«
Mit einem Schluck schüttete sie sich das Wasser die Kehle herunter. Sie hustete und begann zu sprechen: »Ich weiß es nicht genau. Kann ich nicht sagen.«
»Ich wünsche mir, dass du es in der Zukunft verstehst. Ich investiere in deine Zukunft.«
»Aber warum denn? Was haben Sie mit mir zu schaffen?«
Er lehnte sich auf seiner schäbigen kleinen Couch zurück. »Sehr viel. Mehr, als du denkst.«
Was er da sagte, schien in ihren Augen absolut absurd. »Nein, haben Sie nicht!«
»Oh doch. Sind wir nicht alle Menschen? Haben wir nicht alle eine gewisse Verantwortung füreinander?«
Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Es kann Ihnen doch egal sein!«
»Die Betonung liegt eben auf diesem Kann. Es kann, ja, es muss aber nicht. Ich habe dennoch eine gewisse Verpflichtung für meine Mitmenschen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht mal verwandt!«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte er lachend.
»Ja!«, antwortete sie entschlossen und vorlaut.
Er schüttelte nun den seinen Kopf. »Nein, es spielt keine Rolle. Wenn ich einen Menschen in einer Notlage sehe, aus der er von selbst nicht herauszufinden vermag, muss ich als Mensch helfen.«
»Sind sie so ein Bibel-Fanatiker?«, erfragte sie mit reichlich abfälligem Ton.
»Was hat das Verhalten zwischen den Menschen mit der Bibel zu tun?«
Ihr war bewusst, dass er ihr intellektuell und im Bezug auf Lebenserfahrung weit überlegen war, darum überdachte sie genau, was sie formulierte. »Ähm, ist’s nicht untrennbar miteinander verbunden? Christliche Nächstenliebe oder wie das heißt?«
»Mädchen«, sprach er, »denkst du das wirklich? Ist es nicht eher ein Grundbedürfnis, jemandem helfen zu wollen, der in Not ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Bei mir ist es so. Ich sah dich …«
Sie hakte ein: »… und dachten, ich hätte Probleme, die ich selbst nicht lösen könnte?«
»Ich weiß, dass du Probleme hast, die du nicht lösen kannst. Darum habe ich dich mit nach Hause genommen und dir immer mehr beigebracht.«
Sie lachte. »Noch nie hat sich jemand darum gekümmert, ob ich Probleme habe oder etwas weiß. Es interessiert heutzutage niemanden. Man muss sehen, wo man bleibt!«
»Mich interessiert es. Das kannst du glauben oder nicht. Mir ist klar, dass ich nicht die ganze Welt retten kann, aber wenn ich dich vor dem Tod in der Gosse erretten kann, dann habe ich in meinem Leben mehr geleistet, als die meisten Menschen.«
Das Mädchen verstand nicht, was genau er meinte, aus welchem Grunde sie mit den Schultern zuckte. Gefolgt von einem »Keine Ahnung …«
»Dein junges Leben ist mehr wert, als du glaubst. Verschwende deine Jugend nicht. Ich möchte gar nicht wissen, wer und was schon auf dir gelegen und dich besudelt hat, oder was für Substanzen du dir schon gespritzt oder geschluckt hast. Dieser Gedanke ist mir zu unheimlich; und ich habe im Krieg eine Unmenge gesehen. Ich frage mich wirklich, was du dran erhaltenswert findest.«
»Geld«, kam es geschossen.
»Aber«, sagte der Oberst, »das kann doch nicht alles sein?«
»Warum nicht? Geld ist wichtig, und ich möchte mir etwas kaufen, wenn ich es will.«
»Deine Eltern hätten sich lieber dazu anschicken sollen, dich auf die Schule zu schicken. Stattdessen sitzt nun ein Mädchen vor mir, was für Geld gewisse Dienste anbietet und Drogen nimmt.«
Sie schaute hin und her. Dann trafen sich ihre Blicke wieder. »Es muss aber nicht Ihre Sorge sein.«
»Ist es aber. Und wird es sein. Ich sehe nicht zu, wie du dein Leben zerstörst. Was ich im Kriege erleben musste …«
»Nein«, warf sie ein, »erzählen Sie davon nicht wieder. Ich kann es nicht hören. Ich habe es satt. Das ganze Leben ist ein Krieg.«
Dem Oberst war es nicht klar, wie ein junges Mädchen so etwas sagen konnte. Es betrübte ihn. Er hatte gekämpft, war für Ideale eingestanden, die eben solche Dinge verhindern sollten. Entschlossen hatte er das Volk verteidigen wollen, doch war er nun daran gescheitert, das sah er an ihrem Beispiele auf drastische Weise.
»Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?« Sie lächelte.
»Ich finde es nur traurig, aber trotzdem werde ich dich nicht aufgeben. Meine Seele habe ich im Kriege verloren, doch du wirst deine nicht verlieren. Wir testen dich.« Mit diesen Worten stand er auf und ging zu einem kleinen Schrank. Aus selbigem entnahm er eine kleine Schatulle und holte einen eingerollten Plastikbeutel hervor.
Das Mädchen schaute überrascht. »Wo haben Sie das denn her?« Sie kannte genau dieses Etwas, was er da ans Tageslicht gebracht hatte.
Er sprach: »Ich bin Oberst der Armee gewesen, da werde ich an so etwas wohl leicht rankommen, wenn du da rankommst. Nun, ich will das Folgende.«
Mit seiner Fingerfertigkeit entrollte er den Beutel und schüttete das Pulver auf den kleinen Tisch, auf welchem auch noch das Buch über Grundschulgrammatik lag.
»Sie wollen was?«, fragte sie interessiert.
»Du sollst dich entscheiden. Hier, ein für alle Mal. Keine Ausflüchte mehr, keine Ausreden. Einfach entscheiden. Eine verbindliche Entscheidung. Bist du damit einverstanden?«
Abwechselnd sah sie auf den Tisch, dann in die beinahe schon seelenlos gewordenen Augen des Oberst.
»Verbindliche Entscheidung?«
»Jawohl«, meinte er, »du wirst dich entscheiden. Und ich werde deine Entscheidung akzeptieren. Nimm dein Schicksal in die Hand. Entweder du entscheidest dich für die Drogen und somit für deinen Untergang, oder du entscheidest dich für das Buch, somit also für die Bildung und das Streben nach Glück.«
Das Mädchen sah im Dreieck hin und her. Oberst, Droge, Buch. Immer wieder alternierend hin und her, nur hin und her. Was sollte sie wählen? Was würde er erwarten? Eine knappe Minute, dann war die Entscheidung für sie getroffen.

Ende

 

Hallo Andilein,
die Geschichte hat mich inhaltlich nicht so vom Hocker gehauen. Geschrieben ist sie ganz gut, finde ich. Es ist ja nicht so leicht, die wörtliche Rede authentisch hinzukriegen, und das ist Dir ganz gut gelungen. Warum das Mädchen das Lesen mit Nichten einfach findet, bleibt ein Rätsel. Geht es auch mit Neffen gut?

 

Mach dir doch deine eigenen Gedanken, warum sie es nicht einfach finden könnte ;) Ich will ja nicht alles vorgeben, das wäre sonst keine Kurzgeschichte mehr. Aber freut mich, dass dir die Umsetzung halbwegs zusagt.
Wie meinst du das mit »Neffen«?

 
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Jannes meinte diesen Satz:

Sie seufzte und steckte ihre Nase wieder in das Buch. Ein Buch mit großen Buchstaben, wie es für Kinder geeignet war. Doch das Mädchen fand es mit Nichten einfach.

Durch einen Rechtschreibfehler hast du eine lustige neue Bedeutung erzeugt. Jannes freute sich über die Nichten im Unterschied zu den Neffen. Das Mädchen las mit den Kindern ihrer Schwester.
Der Sinn, den du meintest, war wohl:
Doch das Mädchen fand es (überhaupt) nicht einfach.
Also mitnichten im Sinne von nicht.

Lg Novak

 

Das ist ja mal lustig. Tatsächlich. Ha, genau dafür sind die Kritiken da :-D Habt Dank!

 
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Hallo, Andilein,
und jetzt habe ich noch ein bisschen Zeit und will dir gerne noch ein paar Anmerkungen mehr zu deiner Geschichte machen.
Erst mal ein herzliches Willkommen hier für dich.


Zum Stil

Ich fand deine Geschichte gut geschrieben. Sie besteht ja in der Hauptsache aus dem Dialog. Und den hast du schön gemacht. Es ist flüssig geschrieben, angenehm zu lesen, wenn auch ein paar wenige hakelige Stellen noch dabei sein mögen, das ist vielleicht auch einfach nur Geschmackssache.
Vielleicht wäre es eine Idee, die jeweiligen Redeanteile noch ein wenig mehr auf die Person zuzuschneiden. Man versteht selbstverständlich immer, wann wer spricht, das hast du sehr klar und eindeutig gemacht. Nein, ich meinte damit, den Unterschied zwischen dem erwachenen erfahrenen Mann und der kleinen, völlig ungebildeten Rotzgöre etwas zu betonen. Das ist aber nur eine Idee, kannst ja mal gucken, ob sie dir irgendwie in den Kram passt.


Zur Handlung und zu den Charakteren

Damit habe ich leider mehr Probleme gehbt. Ich fand deine Geschichte irgendwie interessant und merkwürdig im positiven Sinne. Aber mir fehlt auch einiges.
Warum ist der Oberst so drauf? Warum will er unbedingt helfen? Du schreibst das zwar hin an den Stellen, die ich weiter unten zitiere. Aber das ist aus meiner Sicht zu wenig, nicht so richtig fühlbar. Es wirkt so ein bisschen dahingesagt.

Es muss ihm doch auch vorher aufgefallen sein, dass sein Ideal auf schäbige Weise zugrunde gegangen ist. Warum merkt man das seiner Körpersprache, seinem Aussehen etc. nicht an? Seinen Gedanken, wenn er mit den Mädchen redet?
Ich fand das schön, dass das Mädchen ihn irgendwann für einen Bibeltypen hält. Gefiel mir gut die Idee, sie piekst ihn ein bisschen an, wundert sich selbst über seine Selbstlosigkeit. Wirklich gute Idee. Aber du könntest die Motive des Oberst noch mehr betonen.

Ich will dir einfach sagen, dass seine Handlungsweise so für mich zu vordergründig wirkt. Er könnte gebrochener wirken, ich glaube, dann wäre sein Motiv zu helfen klarer und nachvollziehbarer.
Mal davon abgesehen kommen seine Erinnerungen an den Krieg zu positiv oder zu theoretisch vor. Ich kann es mir absolut nicht vorstellen, dass irgendein Veteran nur so über seine Rekruten spricht, wie er das getan hat. Also dass er sie geführt hat. Wenn ich lese, was ehemlaige Soldaten schreiben, dann haben sie alle traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Oder die Kriegserfahrungen haben sie verroht. Wie auch immer. Spurlos geht sowas an niemandem vorbei. Und das kommt mir einfach hier zu kurz.

Diese beiden Stellen sind da für mich die Schlüsselstellen:

Er hatte gekämpft, war für Ideale eingestanden, die eben solche Dinge verhindern sollten. Entschlossen hatte er das Volk verteidigen wollen, doch war er nun daran gescheitert, das sah er an ihrem Beispiele auf drastische Weise.
»Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?« Sie lächelte.
»Ich finde es nur traurig, aber trotzdem werde ich dich nicht aufgeben. Meine Seele habe ich im Kriege verloren, doch du wirst deine nicht verlieren. Wir testen dich.«

Plötzlich sah er sich wieder vor seiner Truppe, im Krieg. Dort hatte er seine jungen Soldaten auch angespornt und geführt. Jetzt war es ein ähnliches Konstrukt, wenngleich es ihm nun doch schwerer erschien, dieses junge Ding zu überzeugen und zu erziehen.

An den folgenden beiden Stellen kommt es ja raus, dass seine Kriegserfahrungen traumatisch waren, aber es ist so dahingesagt, es wird für mich nicht so richtig fühl- und spürbar.

Was ich im Kriege erleben musste …«
»Nein«, warf sie ein, »erzählen Sie davon nicht wieder. Ich kann es nicht hören. Ich habe es satt. Das ganze Leben ist ein Krieg.«
«

Meine Seele habe ich im Kriege verloren, doch du wirst deine nicht verlieren. Wir testen dich.«

Dass er sie dann testet, das finde ich auch wieder eine gute, interessante Idee. Dennoch empfinde ich seine Entscheidungsfrage noch sehr konstruiert. Nicht falsch verstehen, es kommt schon raus, dass das Mädchen am Schwanken ist. Sie findet das schon gut, dass er sich um sie kümmert. Sonst hat sie ja echt nichts. Aber was soll das bringen so eine Stunde in der Woche. Und dann der Test für so eine Entscheidung, Bildung oder Droge. So ohne Fleisch dabei, ohne dass der Konflikt für das Mädchen ein bisschen klarer wird, wirkt das noch sehr konstruiert, fast ein bisschen blutleer.


Ja, ich hoffe, du kannst mit meinen Leseeindrücken was anfangen.
Lass dich nicht entmutigen, auch wenn mein Lob nicht uneingeshränkt ist, das Shreiben ist halt nicht einfach, das kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen. Und auh was Charakterisierungen betrifft, könnte ich dir stundenlang was erzählen aus eigener leidvoller Erfahrung. :dozey:

Hier noch eine Liste mit Dingen, die mir aufgefallen sind. Also Tippfehler oder Rechtschreibschnickschnack oder auch Stilstellen. Letztere selbstverständlich nur Anregungen, ich bin absolut nicht beleidigt, wenn du meine Anmerkungen überflüssig findest:


Der Oberst und das Mädchen waren in seinem Wohnwagen. Sie las in einem Buch für Grundschüler. Es handelte sich um ein Buch über die Grundbegriffe der deutschen Sprache. Simple Grammatik. Die Woche vorher war Mathematik dran gewesen. Gewiss, diese Bücher passten gar nicht zu ihren 14 Jahren, dennoch hatte sie einige Probleme mit dem Verstehen. Der Oberst musste dem Mädchen ab und an helfen, die Inhalte zu erfassen.

Hier fehlt mir ein bisschen Ambiente. Reichtümer scheint er auch nicht zu haben, der Oberst. Das wäre vielleicht eine Gelegenheit, ihn dem Leser von einer anderen Seite her vorstellbar zu machen.

Das Fettgedruckte würde ich umformlulieren. Für mich war es missverständlich. Du willst ja sagen, das die Bücher zu einfach sind für sie. Das würde ich auch so schreiben.
Also beispielsqeise so:
Gewiss, diese Bücher waren zu einfach für ihre 14 Jahre, dennoch ...

»Ich habe für eine Stunde bezahlt, also gibst du mir die volle Stunde«, sprach der Oberst patriarchisch.

patriarchisch gefällt mir hier nicht so, würde eher "streng" wählen, aber ich glaube, das ist echt Geschmackssache.

Der Oberst buchte sie seit dem Tag des Kennenlernens jede Woche, sie hatte ihm vorzulesen, zu rechnen, zu schreiben und andere Dinge der Bildung zu tun. Dafür bezahlte er sie gut.

Das Fettgedruckte würde ich weglassen, es klingt hier so gestelzt. Und was sollte es überhaupt sein? Du hast es och vorher schon toll formuliert, .... vorzulesen, zu rechnen und zu schreiben. Dafür bezahlte er sie gut.
Das drückt die Sache viel stärker aus.

»Was Besseres? Was soll das denn sein? Jemand wie ich hat doch sowieso eine Chance im Leben.«

Ich nehme an, du hast hier ein k vergessen, also keine Chance, sonst gibts keinen Sinn.

»Ja!« Sie stieß das mit unnatürlich starkem Trotz aus.
«
Klingt auch so ein bisschen gedrechselt. Weniger ist oft mehr.
Ich finde es reicht, wenn du so shreibst:
"Ja!", stieß sie trotzig aus. Oder: "Ja!", sagte sie trotzig.

»und schreibst das, was ich dir zum schreiben diktiere.«
zum Schreiben

Er lehnte sich auf seiner schäbigen, (KOMMA) kleinen Couch zurück.

Er schüttelte nun den seinen Kopf.
Hast du was übersehen. Aber ich würde ohnehin nur schreiben:
Er schüttelte den Kopf.
Nun bläht den Text hier nur auf und seinen versteht sich von selbst.

»Sind sie so ein Bibel-Fanatiker?«, erfragte sie mit reichlich abfälligem Ton.
Das ist weider so eine Stelle, wo du für mich so ein bisschen gestelzt schreibst. Ich weiß schon, wie du drauf kommst, du möchtest sie durch den Tonfall charakterisieren und nicht immer den gleichen Ausdruck verwenden. Trotzdem fände ich es besser, wenn du einfach wieder nur schreibst
.... fragte sie abfällig
Mein Grund ist, dass diese Art von Formulierungen immer wie eine dicke Milchglasscheibe zwischen der von dir beschriebenen Person und dem Leser ist. Die einfachen Formulierungen sind dichter dran an der Person.
Gleiches gilt für diese Formulierung, die würde ich auch vereinfachen:

Das Mädchen verstand nicht, was genau er meinte, aus welchem Grunde sie mit den Schultern zuckte. Gefolgt von einem »Keine Ahnung …«

Das Mädchen verstand nicht, was er meinte und zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung", sagte sie.
Oder sogar nur
Das Mädchen zuckte mit den Schutern. "Keine Ahnung", sagte sie.
Denn man zuckt ja dann mit den Schultern wenn man etwas nicht versteht oder einem etwas gleichgültig ist. Dass sie etwas nicht versteht, wird aus dem Zusammenhang klar.

Mit seiner Fingerfertigkeit entrollte er den Beutel und schüttete das Pulver auf den kleinen Tisch, auf welchem auch noch das Buch über Grundschulgrammatik lag.
Statt Mit seiner Fingerfertigkeit nur: Geschickt entrollte er ...
Das seiner ist echt überflüssig, wessen Fingerfertigkeit sollte es sonst sein?

Abwechselnd sah sie auf den Tisch, dann in die beinahe schon seelenlos gewordenen Augen des Oberst.

Das seelenlos gefällt mir hier nicht so ganz. Vielleiht eher harten Augen. Aber vielleicht nur Geschmackssache.

Ja, gern gelesen
und vile Grüße von Novak

 

Novak, deine Kritik ist umfangreich und sehr interessant. Schön zu sehen, dass sich jemand Zeit nimmt und die Geschichte analysiert bis ins Letzte. So sollte das sein und natürlich nehme ich dir das nicht übel! Nur so kann man dazulernen und zukünftig neue Fehler und Holpersteine vermeiden. Auch für zukünftige Arbeiten wird mir deine Kritik von Nutzen sein und ich werde darauf immer mal zurückgreifen, das steht für mich jetzt schon fest. Hab vielen Dank!

 

»Wie lang‘ noch?«, fragte das Mädchen.

Vor einer Woche hatte ich hier vor Ort eine großspurige Geschichte unter Deinem Namen,

liebes Andilein,

die so gar nicht zu der hier passt. Wollt’ ich jenem Andilein übers Angeberische und Blendende am Folgetag hinweghelfen, so hat diese Geschichte hier nichts von alledem. Dir gelingt es – vielleicht gar nicht einmal bewusst – den Unterschied zwischen dem Gebrauch des Adjektives „lang“ in räumlicher wie zeitlicher Hinsicht korrekt darzustellen, indem Du den Apostroph als Zeichen des auslautenden e verwendest.
Lang (Adjektiv) ist etwas anderes als lange (Adverb), das nur zeitlich verwendet wird (mit der Superlativbildung „längst“, wenn z. B. etwas lange / längst vorbei ist).

Und damit bei unserer ersten Begegnun ein herzliches Willkommen!

Hinzu kommt – ich schätze Dich für recht jung ein – dass die Satzzeichen stimmen, erstaunlich zu einer Zeit, da selbst das Teutschlehrertum wohl wenig Wert auf Zeichensetzung legt, was die Idee, die hinter der Geschichte stehen mag, sehr real erscheinen lässt (ich hasse & meide so weit als Möglich das Wort „authentisch“, kommt es doch aus der Juristerei und die Gesetzgebung heutigentags ist schlechter als die Grammatikkenntnisse der modernen Germanisten je sein können). Zudem wissen wir ja gar nicht, was in 42 und mehr Jahren tatsächlich sein wird. In den letzten 30 Jahren ist die westliche Gesellschaft in ihrer sozialen Struktur auf legale Weise um 150 Jahre zurückgeworfen worden (Deregulierung der Märkte, Abbau des Sozialstaates und in der Folge auch von Solidarität, Umverteilung des volkswirtschaftlichen Reichtums von unten nach oben usw. usf.). Vielleicht sind wir 2055 wieder auf dem Stand des Höhlenbewohners, weil niemand mehr Pfahlbauten errichten kann.

Sehen wir einmal von ab, dass 2055 weniger um Öl, als vielmehr um Trinkwasser gestritten wird, so frag ich mich eher, warum die Thematik auf ein so fernes Datum, wenn man so will, der nächsten und übernächsten Generation „angedichtet“ wird , als gäbe es nicht genügend Kriegsschauplätze auf der Welt derzeit, die tatsächlich um Bodenschätze (Öl im Vorderen Orient und wnn man so will auch gegen Al Quaida – bin Laden stammt aus Saudi-Arabien aus einer Unternehmerfamilie, Seltene Erden im Kongo – hier tobt sogar ein Weltkrieg, in dem alle Industrienationen ihre Finger drin haben, indem sie Söldner finanzieren, die dann ihrerseits Kindersoldaten shanghaien – und selbst Ex-Jugoslawien mit dem schönen Beispiel, dass ausgerechnet die Grünen hierzulande den Kosovo-Einsatz befürworteten, um einen Mafia-Staat zu errichten … Und wie es derzeit um die Grammatik selbst unter Germanisten bestellt ist, sollte kein Geheimnis sein. Aber es tut der Geschichte, vor allem aber der Idee dahinter keinen Abbruch. Dennoch, gelegentlich verrät der Text die Nähe des Mädchens zum Autor. Es beginnt genau mit den beiden ersten Sätzen:

Der Oberst und das Mädchen waren in seinem Wohnwagen. Sie las in einem Buch für Grundschüler.
Zwar waren sie (3. Person Plural) im Wohnwagen, aber das Mädchen las ausgerechnet in einer „simplen“ Grammatik, in der sicherlich Mädchen als neutral behauptet wird, ist es doch das Diminutiv der Magd, und alle Verniedlichungen im Deutschen werden sächlich, selbst der Junge und der Mann (das Jungchen / Männchen) usw., so auch die Magd, das Mägedelein und / oder Mä[g]dchen.
Korrekt ist also nach der vorliegenden Grammatik, ohne dass ich da hineinschauen muss
[Es] las in einem Buch für Grundschüler.

Gewiss, diese Bücher passten gar nicht zu [seinen] 14 Jahren, dennoch hatte [es] einige Probleme mit dem Verstehen.
An sich finde ich diese spröde Ausdrucksweise angebracht, wenn etwa die Konstruktion
[… D]iese Bücher passten gar nicht …
gereicht hätte.
Das vorgeschobene „gewiss“ dient, die Aussage (im Gegensatz von Grammatik vs. Alter) zu verstärken. Was da eher stört, wäre die Substantivierung in der Konstruktion des Nebensatzes (und das falsche Pronomen, das sich weiter fortsetzt, da musstu selbst noch mal durchschau’n).
…, dennoch hatte [es] einige Probleme mit dem Verstehen,
die eher Bürokratien zugesprochen werden kann, wenn sich eine verbale Konstruktion, die zudem eleganter wirkt, anböte wie
…, dennoch hatte [es] einige Probleme [zu verstehen]
oder anders formuliert
…, dennoch [verstand / alternativ: begriff es nicht alles].

Zur vermeintlichen Vorliebe fürs Verb passen vielleicht als Tipp (ohne dass es mich eigentlich störte, wunder mich eh, dass bisher keiner mäkelte) vielleicht als Markt der Möglichkeiten zu
Passend für ihren Job.
[Angemessen/Entsprechend, aber auch: Passabel u. a.] für [seinen] Job.

…, sprach der Oberst patriarchisch.
Du meinst „in der Art eines Patriarchen“, da müsste es aber „patriarchalisch“ heißen.
Doch warum so umständlich, wenn sich ein „streng“ bzw. „bestimmend“ anbietet?
Patriarchen wie ich tragen seit Abrahams Zeiten furchtbar lange Bärte …

Jemand wie ich hat doch sowieso eine Chance im Leben.
Muss nicht im Zusammenhang der Erzählung dem „ein“ ein k gegönnt werden?

Dann doch noch ein einzelnes Komma, das ich vermisse:

…, rechnest das, was ich dir zu rechnen gebe[,] und schreibst das, was ich dir zu[.] schreiben diktiere.
Beim zum – Du siehst es schon – ist das m entbehrlich, ist es doch die Zusammenziehung von zu + dem, eine Sprachverkürzung, wie sie aus dem Mittelalter sehr rational verwendet wurde, und ich es auch noch gerne an Konstrukten anwende, für die’s heute gar nicht mehr vorgesehen ist. Wenn aber das umgangssprachliche „verstehste dat?“ nicht unerlaubt ist, dann ist ein „verstehstu das?“ erst recht erlaubt.

Er schüttelte nun den seinen Kopf.
Der Artikel ist entbehrlich …

Stattdessen sitzt nun ein Mädchen vor mir, was für Geld gewisse Dienste anbietet …
Hier wäre statt des Pronomens „was“ besser das schlichtere „das“ zu verwenden, finde ich.
Dem Oberst war es nicht klar, …
Ist das „es“ nicht entbehrlich?

Gern gelesen von keinem Oberst, aber dem

Friedel

 

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