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Der normale Rausch
Oh ja, es war ein herrlicher Tag. Ich lag mit meinem
Freund Stefan im Pool und wir ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Jeder hatte ein Bier in der Hand. Vorher hatten wir schon zwei gekillt. Wir freuten uns schon auf die Party am Abend und wollten uns ein wenig breit trinken. Die Party fand bei Rainer statt. Er hieß eigentlich nicht Rainer. Nur wir nannten ihn immer so, weil er mit Nachnamen Rainhardt hieß. Er wohnte in einer WG. Naja, es war mehr eine Junkie-Bude. Doch Rainer, ein überzeugter Punk, war okay , aber die anderen kannte ich noch nicht. „Wollen wir ma endlich los?“, fragte mich Stefan, während ich so dahin träumte. Ich stimmte zu und wir zogen ab. Auf dem Weg dahin rauchten wir noch einen Joint. Mir wurde langsam etwas schwummerig und ich grinste vor mich hin. Die Zeit in der wir mit der U-Bahn fuhren und noch ein Stück liefen, verging wie im Fluge. Es wurde langsam dunkel. Als wir vor dem alten Wohnhaus standen hörten wir schon wummernde Musik. Ich fand dieses Haus irgendwie cool. Es war richtig alt und wenn man die Treppen hoch ging knarrte es überall. Als Rainer die Tür aufmachte, kam mir ein undefinierbarer Geruch entgegen. Es war eine Mischung aus Gras, Schweiß und Nikotin. Rainer begrüßte mich herzlich. Ich merkte schon, dass er schon ziemlich dicht war. Die Wohnung war knüppeldicke voll. Es waren mindestens 60 Leute da. Eine bunte Mischung aus Twens , unserem Alter und noch Jüngeren. Ich fühlte mich nicht ganz wohl. Doch als mir ein Typ eine Line anbot und ich sie rasch wegschniefte, rastete ich aus. Ich tanzte, lachte und lag manchmal einfach nur glücklich auf dem Boden herum. Stefan hatte ich längst aus den Augen verloren. Es war mir aber auch egal. Doch dann, als die Wirkung nachließ, kippte ich einen Trip mit einer halben Flasche Whisky weg und schniefte darauf meine zweite Line. Ab da begann bei mir ein großes Zeitloch. Ich wusste überhaupt nichts mehr!
Es war glaube ich neun Uhr Morgens, als ich die Augen öffnete. Mein Körper fühlte sich total taub an. Ich stöhnte vor mich hin. Als ich meinen Blick durch die Wohnung schweifen ließ, brannten meine Augen tierisch. Denn alles war verqualmt. Ich sah wie alle tief schliefen. Manche noch mit einer Wodkaflasche auf dem Schoß, manche lehnten einfach nur an der Wand. So wie ich. Von Stefan war nichts zu sehen. Ich traute mich kaum aufzustehen. „Wenn ich es erst einmal geschafft habe, kippe ich gleich wieder um und schlage mir den Schädel auf“, dachte ich fantasierend. Ich rieb mir meine Augen und sie brannten nun noch mehr. Plötzlich aber bemerkte ich das Mädchen, das circa zwei Meter rechts von mir an der Wand lehnte. Sie war vielleicht 15 und sah ziemlich fertig aus. Ich sah wie ihr linker Arm mit einem Gürtel abgebunden war. Neben ihr lag ein Löffel und eine Kerze. „Die wird doch nicht…“, dachte ich. Ich wollte etwas sagen, aber ich konnte es aus irgendeinem Grund nicht. Als ich sah wie sie sich die Spritze in den Arm drückte, bekam ich einen Horror. Die Szene schaute für mich, in meinem rest Rausch, viel krasser aus, als sie tatsächlich war. Nachdem sie das Heroin in ihrem Arm gespritzt hatte und die Nadel wieder aus ihrer Vene raus zog, ließ sie ihren Kopf, erleichtert wirkend, gegen die Wand knallen. Sie schien mich kaum zu bemerken. Als ich meinen Blick von ihr abwandte, kamen mir langsam Tränen in den Augen. Nicht weil sie brannten, sondern, weil ich sah, was aus mir geworden ist. Der Gedanke klingt kaum nachvollziehbar. Aber wenn man sieht, wie sich ein Mädchen, die vielleicht deine kleine Schwester sein könnte, neben dir ein Schuß setzt, du irgendwelche Drogen in dich hineinstopfst und du ihr Vorbild sein könntest, beginnt man zu grübeln. Komisch, eigentlich hätte mein Hirn zu diesem Zeitpunkt Matsch sein müssen, aber irgendwie sprudelten mir diese Gedanken wie eine überlaufende Flasche Sekt aus dem Kopf. Ich bekam Schweißausbrüche und begann schneller zu atmen.
„Ich muss hier raus!“, schrie ich in meinen Gedanken. Es war mir scheißegal ob ich schmerzen hatte oder nicht, ich stand einfach ruckartig auf. Es klappte besser als ich dachte. Ich stand relativ sicher auf den Beinen. Ich torkelte zum Wohnungsausgang und überwand das Treppenhaus mit einigen Stürzen. Doch ich bekam es kaum mit. Als ich nach draußen trat atmete ich tief durch. Mir wurde aber noch schwindeliger. Es war ein reger Verkehr und auf dem Bürgersteig liefen viele Leute. Ich schaute über die Straße und entdeckte eine Imbissbude. Ohne darauf zu achten ob ein Auto kam, taumelte ich über Straße. Ich fand ein paar Euro in meiner Hosentasche und kaufte mir ein Berliner Kindl. Warum es gerade ein Bier war, konnte ich mir selbst nicht erklären. Ich ging ein paar Schritte in den dahinter liegenden Park und soff das Bier auf Ex aus. Ein lautes Rülpsen kam aus meinen Mund. „Jetzt geht’s dir besser“, log ich mich selbst an. Denn kaum eine Minute später begann ich zu Kotzen. Ich Kotzte mindestens drei Minuten auf den sandigen Parkweg. ,,Ein Glück sieht mich niemand", dachte ich währenddessen. Als ich nur noch ein wenig spuckte, tippte mich ein Mädchen an und fragte, ob es mir gut ginge. Eigentlich eine blöde Frage. Bevor ich antwortete, schaute ich in ein unvoreingenommenes, lächelndes und vor allem hübsches Gesicht. „Hmm, geht schon“, sagte verlegen. Als der Kotzkrampf vorbei war setzte ich mich mit ihr auf eine Bank und wir kamen ins quatschen. Vielleicht würde sie meine Freundin werden oder vielleicht sehe ich sie nie wieder. Aber eins wusste ich genau. Ich lasse die Finger von Drogen.