Der Neue
„Hallo Teddy.“ Teddy saß auf dem Stuhl neben Leas Bett.
„Hallo Puppe.“ Leas Mama hatte Leas Puppe gerade auf das Bett gegen das Kissen an der Rückwand gesetzt.
„Weißt du schon das neueste? Lea hat ein neues Spielzeug geschenkt bekommen.“
„Hast du es schon gesehen?“
„Ja. Es ist ein Mann.“
„Was? Ein Mann? Das ist doch toll, dann wirst du dich nicht mehr langweilen.“
„Ich weiß nicht, er sieht wirklich nicht aus wie eine Puppe, ist zwar so klein wie ich, aber ansonsten sieht er aus wie Leas Papa.“
„Aber du magst doch Leas Papa.“
„Ja, schon, aber ich möchte ihn auch nicht ständig um mich haben.“
„Wieso?“
„Manchmal lügt er Lea an.“
„Das wäre mir aber neu.“
„Als er gestern zum Beispiel ihre Hausaufgaben nachgesehen hat, da sagte er zu ihr, dass sie sich mit dem Schreiben mehr Mühe geben müsste, damit auch immer alles schön aussähe. Und dann hat sie ihre Aufgabe noch einmal gemacht.“
Ja, und?“
„Am Abend hat Leas Papa zur Mama gesagt, Lea hätte eine schöne Schrift, aber sie könnte das noch verbessern.“
„Dann will er sie doch nur anspornen.“
Da kam Lea hereingeplatzt: „Hallo Leute, ich habe einen Preis gekriegt für meine Schrift.“
Puppe und Teddy freuten sich darüber. „Siehst du, doch ein Wettbewerb.“
Lea kramte ihr Heft heraus und zusätzlich einen schönen Buntstift. „Seht ihr, das habe ich geschenkt bekommen.“ Sie packte ihr Heft und den Buntstift und rannte die Treppe hinunter zu ihrer Mutter.
„Mama, schau mal, das ich habe gewonnen!“ Kurze Pause. „Na, prima, hat sich also doch gelohnt!“, hörten Teddy und Puppe von unten. Der Rest ging in Gemurmel über, das sie nicht mehr verstehen konnten.
„Na also, da wollte der Papa die Lea doch nur unterstützen.“
„Ach, Teddy, ich verstehe die großen Menschen manchmal wirklich nicht. Sie sagen nicht direkt, was sie wirklich meinen und wollen.“
„Manchmal schon. Wenn die Mama will, dass Lea ihr Zimmer aufräumt, dann kommt das klar und deutlich.“
„Ja, das. Aber das ärgert auch wieder die Lea. Denn meist passt es ihr nicht in den Kram.“
„Und du fürchtest nun, dass die neue Puppe ähnlich wie die großen Menschen sein könnte?“
„Ja.“
„Dann lass uns abwarten, wie er sein wird, dieser kleine Mann.“
Teddy und Puppe sahen in den Raum hinein und dösten freundlich vor sich hin.
„Und ist Leas Papa für dich nun immer noch so schlimm?“, nahm Teddy den Faden von vorher wieder auf.
„Willst du noch ein anderes Beispiel?“
„Ja.“
„Lea wollte unbedingt zum Schwimmen gehen. Und ihr Papa hatte es ihr auch versprochen. Aber jedes Mal, wenn sie davon anfing, sagte er ihr, er müsste noch etwas arbeiten und hätte keine Zeit.“
„Er muss wirklich viel arbeiten.“
„Das mag ja sein, aber wenn ich etwas verspreche, dann muss ich es auch halten.“
„Und wenn er vielleicht krank ist?“
„Das glaube nicht, ich denke, er hat einfach keine Lust.“
„Das ist möglich. Dann aber sollten wir versuchen, ganz fest daran zu denken, dass Leas Papa sein Versprechen hält.“
„Du meinst, das können wir erreichen?“
„Wir sollten es wenigstens versuchen. Danach werden wir sehen, ob es klappt.“
Sie hörten, wie jemand die Treppe heraufkam.
„So“, sagte Lea noch auf der Treppe, „nun werde ich dir mal die anderen Mitbewohner unserer Hütte vorstellen.“
Sie stand in der Tür.
„Da auf dem Bett, das nette Mädchen ist Puppe. Ich habe ihr keinen Namen gegeben, weil sie meine einzige Puppe bisher ist. Aber ich habe sie sehr, sehr gern. Also benimm dich! Und da auf dem Stuhl, das ist Teddy. Auch er hat keinen anderen Namen bekommen. Aber ich finde, Teddy passt immer noch am besten.“
Auf dem Arm von Lea sahen sie einen kleinen Mann in einem recht reifen Alter sitzen, wirklich so wie Leas Papa.
„Hi, Fans (das spricht man ‚hai-fänns’ und soll ‚Hallo Leute’ heißen) “, sagte der kleine Mann und Puppe sah zu Teddy mit diesem wissenden Lächeln ‚Siehst du, das meine ich.’
„So, und für euch zwei: hier ist Bobo.“
Teddy und Puppe lachten.
„Was gibt es da zu lachen?“, fragte Bobo.
„Wirklich wie der DJ (das spricht man ‚di-dschäi’ und soll Disc-Jockey oder Plattenjongleur bedeuten)?“
„Wer ist denn das?“
„Na, der Mann, der die Platte oder CD gemacht hat, die die Kinder die ganze Zeit spielen“, antwortete Puppe.
„Seh’ ich etwa so aus?“
„Nein, ich meine nicht“, darauf von Teddy. „Aber du siehst schon sehr wie ein Erwachsener aus.“
„Meint ihr nicht“, kam Lea dazwischen, „dass Bobo aussieht wie der Held aus den neuen Filmen mit den vielen Tieren, die da in Afrika leben?“
Bobo strahlte, er war in den Augen von Lea also ein Held. „Seht ihr, das klingt schon besser. Ich bin ein Held und darf wohl auch stolz darauf sein.“
„Na ja, ein paar Filme haben wir schon gesehen, aber dafür wärst du in der Wirklichkeit wohl ein bisschen zu klein.“
„Das ist auch nicht mein Job. Ich soll die Phantasie anregen.“
„Das sollen wir auch.“
„Aber ich bin realistischer.“
„WAS bist du?“
„Realistischer. Mit mir kann man nachempfinden, wie es wirklich ist. Ihr seid Kuscheltiere oder Schmusemädchen. ICH bin ein Held.“
„Teddy, müssen wir uns das gefallen lassen?“
„Ich weiß nicht, was besser ist. Lea schmust ganz gern, vor allem nachts. Ich weiß nicht, ob sie dich mit ins Bett nehmen wird.“
„Bobo“, sagte Lea laut. „Ich werde dich hier auf den Bettkasten setzen. Da steht schon ein Auto und auch ein Zelt. Die Sachen gehören dir. Damit kannst du jetzt über unser Leben wachen. Helden wie du brauchen eine Aufgabe. Und ich denke, diese Aufgabe ist gut für dich. Und nun lege ich meine Lieblings-CD auf.“
„Freunde, das passt doch nicht schlecht. Ich denke, den Job pack ich.“
„Lea?“, hörten sie von unten rufen. Es war Papa. Er war frühzeitig von der Arbeit gekommen. „Das ist ja toll, dass du gewonnen hast. Packst du deine Schwimmsachen? Wir gehen jetzt schwimmen. Du hast es schließlich verdient.“