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Der Neue und das Fränzle
Hab gleich gesehen, dass da was nicht stimmt. Normal frag ich, was darf's sein, dann gehts los. Aber der, der hat nichts gesagt. Steht nur da und glotzt mich an. Wirr sieht er aus. Sorgen hab ich mir aber nicht gemacht. Kenne den ja. Den Neuen, der im oberen Dorf gebaut hat. Das Haus mit den vielen Fenstern. Den Palast. Viel weiß man ja nicht. Macht irgendwas im Büro. Kann man schlecht einschätzen.
Jedenfalls stell ich ihm ein Halbes hin und daneben den Braunen. So als Test. Die Neuen muss man immer testen.
Aber was macht der?
Legt mir’n Ziegelstein auf’n Tresen. Genau hier.
Ich denk noch: ‘Isser jetzt vielleicht doch vom Bau?’ Und frag, ob er auch Schotter dabei hat.
Keine Antwort, sowas kann ich ja leiden. Aber er setzt sich. Das Halbe vor sich, den Braunen, den Ziegelstein. Und ich fange an den Tresen zu wischen. Von so einem lass ich mich nicht provozieren. Wische schön um seinen Stein herum und erzähl ihm 'n bisschen was. Integration eben, macht man heutzutage so. Ich geh auf die Leute zu. Wissen alle.
Sage: ‘Dass wir eine Gemeinschaft sind. Zusammenhalt wird bei uns großgeschrieben. Deswegen holt hier auch jeder die Brötchen vom Bäcker Rabe. Weils einer von uns is. Oder gehen zum Fleischer, auch wenn man die dämliche Schnepfe da besser nich reizt. Kirmes machen wir. Und viel mehr gibts eigentlich nich, außer vielleicht den Sportverein. Meine Stube, den Lottoladen und den lustigen Franz im Getränkemarkt. Da trifft man sich bei Tage. Beim Fränzle.’
Hatte auch schon bessere Zeiten der Dicke. Kennste seinen Spruch?
‘Die Inga hat es faust-fick hinter den Ohren.’
Weißt du jetzt, wen ich meine? Den Neuen. Das Hemd. Nein?
Die Inga kennst du aber? Die Blonde. So ein Vorbau. Die der lustige Franz zur Kirmes durchs Dorf gebumst hat. Ewig ist das schon her. Da warer noch nich so fett. Irgendwas mit den Hormonen, naja. Ne Nette isse. Ich sag nich, dass sie verdorben wäre, auch wenn mans denken könnte. Was man so hört.
Jedenfalls kennt der Neue das Fränzle. Sowas seh ich gleich. Aus dem Getränkemarkt. Genau, wos Fränzle an der Kasse sitzt und immer noch seine Geschichten zum Besten gibt, von der Inga und der Kirmes.
Und der Neue, rate mal mit wem der verheiratet ist?
Ja, genau.
Da funkelt der mich auf einmal an, wie ne Radlampe und grapscht nach seinem Stein. Nicht ein Wort hat er gesagt. Nicht mal am Bier genippt hat er. Dachte der platzt gleich. Und ich frage, ob er anschreiben lassen will? Jedenfalls stellt er sich hin und auf meinem Tresen ist ein Fleck. Klebrig rot, fast schwarz. Ist von dem Ziegel runtergetropft. Und ich will gerade drüber wischen, da rennt er davon.
Naja, du weißt ja jetzt schon was es damit auf sich hatte. Unser Schorschi hat ihn dann verhaftet, unten am Teich.
Weißt du was ich mich die ganze Zeit frage: ‘Warum die Inga nicht den Franz genommen hat, der hatte wenigstens einen eigenen Laden?’