- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
Der Motivationsbrief
Liebe Mitarbeiter,
wir können nicht ohne Stolz auf eine zweitausendjährige Firmengeschichte zurückblicken, ein Zeitraum, an dem sich nicht einmal Münchner Brauereien messen können. Ich möchte hiermit ausdrücklich allen Lebenden und schon verstorbenen Mitarbeiten meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Ohne Ihre beständige Mitarbeit wäre ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen. Ich danke Ihnen, auch ihm Namen von ihm.
Allerdings, liebe Mitarbeiter, können wir uns nicht nur auf unseren Erfolgen ausruhen. Das endgültige Ziel der Weltherrschaft ist noch immer nicht erreicht und wir sind um etliche 100 Jahre hinter dem Zeitplan. Ich möchte sie, liebe Mitarbeiter, dazu anspornen unser eigentliches Ziel nie aus den Augen zu verlieren und darum bitten weiterhin so hart wie bisher daran zu arbeiten.
Wenn wir auf die letzten 2000 Jahre zurückblicken, werden wir sehen, daß sich unsere Geschäftsfelder, wie in jedem anderen großen Konzern auch, im Laufe der Zeit verändert haben. Hier müssen wir alle zusammen weiterhin daran arbeiten, flexibel auf die Veränderungen der uns umgebenden Welt zu reagieren.
Im Zuge dieser Umstrukturierungsmaßnahmen werden wir gezwungen sein, einige in früheren Zeiten sehr lukrative Märkte zu verlassen und uns neuen, teilweise fremden Märkten zuwenden. Diese Maßnahmen sind notwendig, weil zum einen manche Dienstleistungen nicht mehr in Anspruch genommen werden oder die Konkurenz große Marktanteile übernommen hat. Hier ist jeder einzelne gefragt, die verlorengegangenen Anteile wieder zurückzuerobern.
So muß die Abteilung für Plündern und Brandschatzen leider endgültig aufgelöst werden. Nach unserer Marktanalyse ist in den kommenden Jahren nicht mit weiteren Kreuzzügen zur Ausdehung unseres Machtbereiches zu rechnen. Hier müssen wir seit dem Mißerfolg in Jugoslawien ganz klar einsehen, daß die Seligsprechung eines Angriffkriegs zur Ausrottung von Ungläubigen zwar prinzipiell nicht abgelehnt wird, dafür aber keine materielle Gegenleistung zu erwarten ist.
Auch die Abteilung Mord und Totschlag wird bis auf weiteres eingestellt. Einer Umfrage zufolge, denken weniger als 1% unserer Gläubigen, daß die Kirche der richtige Ansprechpartner für Auftragsmorde, Attentate und Folterung ist. Hier hat die Marketingabteilung hoffnungslos versagt und damit eines unser größten Geschäftsfelder praktisch weggeworfen. Und dem Codenamen „Heiße Hexe“ werden wir in den nächsten Jahren versuchen verlorengegangene Marktanteile wieder zurückzugewinnen.
Dies betrifft auch die Abteilung Unterdrückung und Ausbeutung. Hier wissen wir noch nicht genau, wer schuld daran ist, aber Tatsache ist, daß das Volk immer mehr Bildung und Wissen vermittelt bekommt und es neuerdings wagt uns zu kritisieren. Dabei konnten wir mit unseren Instituten zur Volksunterdrückung jahrhundertelang das Volk für blöd verkaufen und dafür die Gefälligkeiten der ansässigen Adeligen kassieren. Einige Mitarbeiter vermuten, daß das Fernsehen oder auch das Internet daran schuld sein könnte. Wir werden hinsichtlich dieser Vermutung die Eigung der neuen Medien zur Volksverdummung prüfen um gegebenenfalls selbst in diesem Bereich wieder aktiv zu werden. Allerdings belegten einige Voruntersuchungen, daß in diesem Bereich schon einige Nichtchristen erfolgreich zugange sind und dies Realityshows nennen.
Mässig läuft auch der Bereich Bitten und Betteln. Als die Gläubigen noch in die Kirche gingen konnte mittels gruppendynamischer Zwangsabgabe einiges an Spenden für die Kirche erbettelt werden. Die Einnahmen in diesem Bereich haben in letzter Zeit sehr nachgelassen. Auch das Zahlen eines Ablasses, statt für getane Sünden Buße zu tun, ist immer mehr aus der Mode gekommen. Hier spreche ich gerade sie als Mitarbeiter in einer Vorbildsfunktion an. Wenn Sie sich zur Bestrafung ihrer Sünden von einer Nutte in schwarzen Lederklamotten auspeitschen lassen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn ihnen unsere Mitglieder munter nacheifern. Ich appelliere hier an sie, sich bei Bedürfnissen dieser Art in alter Tradition an ein Kloster zu wenden, in dem ihnen sicherlich Erleichterung verschafft werden kann ohne dass dies nach Außen bekannt wird.
Der Bereich Dienstleistung läuft mehr oder weniger zufriedenstellend, obwohl auch in diesem Bereich in den letzten Jahrhunderten deutlich mehr Gewinn erwirtschaftet wurde. Einträglich sind nach wie vor die Zwangsverbandelung von Mann und Weib, sowie das Verbuddeln von Toten unter aufwendigem Trara, was wir uns teuer bezahlen lassen. Die Tradition, Neugeborene in Wasser zu tunken und damit automatisch zu einem unserer steuerpflichtigen Mitglieder zu machen ist nach wie vor ungebrochen. Weiß der Teufel warum, aber das ist natürlich nur für sie, liebe Mitarbeiter. Um aus diesem Bereich wieder mehr Geld abzuschöpfen, empfehlen wir allen Priestern, den Gläubigen vermehrt einzutrichtern, daß wertvolle Grabbeigaben den Zugang zu Gott und so vereinfachen, das übliche halt.
Verbleibt noch der Bereich Mitgliederwerbung. Hier müssen wir wieder deutlich zulegen und den Leuten auf der Strasse unser Programm wieder vermitteln. Es kann nicht angehen, daß einige Kollgegen sich auf die faule Haut legen und erklären, daß es der SPD ja auch nicht besser gehe und es denen im Prinzip ja auch wurscht ist. Hier müssen wir uns ganz besonders anstrengen, denn bedenken Sie, jedes Mitglied ist ein potentieller Kunde, der Steuern zahlt, heiratet, neue Gläubige macht und irgendwann stirbt. Jedesmal kann man da abkassieren, das sollten wir nicht auslassen. Auch hier droht die Konkurenz, deren Markanteil beständig wächst. Ausgenommen sind hier die schweizer Lichtjünger, deren Gläubige erfreulicherweise nach kurzer Mitgliedschaft verhungern.
Auch wenn dies nicht alles gute Nachrichten waren, hoffe ich, daß wir weiterhin in lockerer Atmosphäre und einem guten Gläschen Wein produktiv zusammenarbeiten werden. Wenn wir die nächsten Jahre erfolgreich sind, das Geld horten, anstatt es für Bedürftige auszugeben, sehen wir dem Plan einer feindlichen Übernahme des Buddismus gelassen entgegen.
Auf die nächsten 2000 Jahre