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Der mit dem Wal golft
Käpt’n Piet stand fassungslos an Bord seines einst so stolzen Dreimasters „Mary Lou“. So langsam begann er zu glauben, dass ein Fluch auf diesem vermaledeiten Hafen der Insel Nesewegad lag. Erst die Sache mit dem ersten Maat, den ein plötzlich angeflogener Klumpen Gold mit einem unschönen „Klonk“ niedergestreckt hatte, und jetzt auch noch das:
Zitternd steckte ein Golfschläger in dem gesplitterten Stück Holz, das einmal der untere Teil des Hauptmastes gewesen war. Der obere Teil war inzwischen im Hafenbecken versunken. Während sich die Crew erst einmal um den ersten Maat kümmerte, der wirres Zeug über um Indianer herumtanzende Wölfe von sich gab, schnappte sich Piet das Fernrohr und hielt Ausschau nach dem fiesen Hund, der ihm dieses Schlamassel eingebracht hatte.
Lange musste er nicht suchen. Unter lauten „Entschuldigung!“- und „Das ist mir jetzt aber unangenehm.“- Rufen näherte sich ein Ruderboot dem Hafen. Schnaufend schaffte es der darin sitzende Mann schließlich, längsseits der „Mary Lou“ Stellung zu beziehen.
Und damit fing das Chaos dann erst so richtig an …
„Das ist die dämlichste Ausrede, die ich je gehört habe! Du willst mir allen Ernstes erzählen, der weiße Wal wäre schuld?“
„Ich weiß, ich weiß. Das hört sich alles sehr unwahrscheinlich an. Aber wenn Sie kurz ein paar Minuten Zeit hätten …“
„Mein Schiff ist hinüber und mein erster Maat ist ganz offensichtlich nicht mehr der Herr seiner Sinne. Ich würde sagen, die Zeit für diese Erklärung werde ich mir nehmen.“
„Okay. Danke. Und ähm, nochmals Entschuldigung. Also: Mein Name ist Kai-Uwe und ich bin Surfer. Das heißt: Ich war mal Surfer. Nach dem Treffen mit dem Killerhai dann einbeiniger Surfer. Und für die Paralympics hab ich mir ein Holzbein geschnitzt, eigenhändig, aus dem hässlichen Esstisch, den meine Schwiegermutter uns damals … na, jedenfalls ein Holzbein. Und für jeden Sieg hab ich was reingeschnitzt, das Holzbein hatte also einen sehr hohen sentimentalen Wert für mich.“
„Heirate das Teil meinetwegen. Was hat das mit dem Golfschläger zu tun?“
„Nur keine Hektik, dazu komme ich ja jetzt. Ich war also zum Hochseesurfen rausgepaddelt, da kommt doch dieses Schiff vorbei. Ich denk mir noch: „Nette Flagge, mit dem Totenschädel, so Ed-Hardy-mäßig“, da kapern diese Banditen einfach mein Surfbrett! Natürlich hatte ich außer dem Board nix Wertvolles dabei, aber, weil es ja grausame Piraten sind, nehmen sie mir … Na, können Sie es erraten?“
„Deinen Verstand.“
„Mein Holzbein, genau richtig. Und dann haben die mich eiskalt über die Planke hüpfen lassen. Auf einem Bein! Wenn Moby nicht vorbeigekommen wäre, das hätte schlimm enden können.“
„Wer zur Hölle ist Moby?“
„Der Wal! Dem war furchtbar langweilig, seitdem der gute alte Ahab versehentlich beim Fangen spielen versenkt wurde. Aber jetzt hat er ja mich! Er hat dann für mich das Boot hier rausgewürgt und da drin habe ich dann einen Sack mit Goldklumpen und einen Satz Golfschläger gefunden. Naja, der Rest ist schnell erzählt. Meinen Lieblingsschläger habe ich mir als Beinersatz umgeschnallt und Moby steht eben auf das Neuner Eisen.“
„Und mein Schiff ist das achtzehnte Loch, oder was?“
„Hey, das ist kein Grund, mit der Kanone auf mich zu zielen. Der Goldklumpen müsste den Schaden doch locker wieder wettmachen! Außerdem tut es Moby echt leid, er kann nur nicht ins seichte Wasser, um sich persönlich zu entschuldigen. Kann ich den Golfschläger zurückhaben?“
Kurze Zeit später im offenen Meer.
„Würg. Das war das vorletzte Ruderboot, Kai-Uwe. Golfschläger habe ich auch nur noch zwei Sätze. Wenn du so weitermachst, muss ich mich erst mal auf die Suche nach Nachschub begeben.“
„Konnte doch nicht wissen, dass das schon wieder so ein schießwütiger Typ ist.“
„Vielleicht einigen wir uns darauf, dass du das nächste Mal genauer hinsiehst, bevor du rufst: „Hey, Moby, ich glaub der Kerl da drüben trägt mein Holzbein! Mach ihn fertig!“ Das würde uns einigen Ärger ersparen. Nur weil der Typ ein wenig humpelte … Wo siehst du eigentlich hin?“
„Das sind sie! Moby, sieh mal: Die Ed-Hardy-Flagge! Los, nimm das dreier Holz! Mach sie fertig!“
Traumschiff-Passagier Holger hatte gerade sein modisches T-Shirt zum Trocknen über die Reling gehängt, als er von einem Goldklumpen erschlagen wurde. Einige Tage später häuften sich die Fälle von verschwundenen Ruderbooten.