Hallo klaatu,
mit einem Text, der sich extrem schnell durchlesen lässt und außerdem ein gesellschaftskritisches Thema verarbeitet, bekommt man meistens schnell recht viele Kommentare zusammen.
Das sollte einen Autor aber nicht dazu verführen, es sich leicht zu machen, finde ich. Gerade bei sehr reduzierten Texten müssen die wenigen Worte, die da zum Einsatz kommen, wirklich gut gewählt sein und wirklich gut sitzen, damit der Text Eindruck machen kann.
Meiner Meinung nach hast du dich in der Hinsicht nicht genug angestrengt. Auf die Formulierungen, die nicht so richtig sitzen und leicht missverstanden werden können, haben schon einige Kommentatoren hingewiesen.
Aber ich habe noch ein anderes, grundsätzlicheres Problem mit dem Text. Ich weiß nicht so recht, was der soll, worauf der abzielt. Und ich bin mir nicht mal sicher, ob du das selbst weißt, oder ob du uns hier eine schnell getippte Ideenskizze vorgesetzt hast, die noch nicht richtig ausgereift ist.
Das Kernproblem, auf das die Geschichte anspielt, könnte man vielleicht zusammenfassen als: Reiche Menschen nehmen armen Menschen aus fadenscheinigen Gründen auch noch ihr letztes Geld weg. Und sie bedrohen diejenigen, die da nicht mitmachen wollen oder können.
Ganz verkehrt ist das sicher nicht. Die wachsende Ungleichheit und der Umgang der Gesellschaft damit geben schon eine super Zielscheibe für Satire ab. Aber Satire muss möglichst genau zielen, wenn sie effektiv sein soll - genau die Punkte treffen, wo es wehtut. Bloß ein diffuses Gefühl von Ungerechtigkeit beim Leser heraufzubeschwören, ist mir nicht genug - das ist schon ganz von selbst da, weil es einfach nicht zu übersehen ist, dass es auf der Welt nicht gerecht zugeht.
Ich versuche mal an ein paar Textstellen festzumachen, was ich meine.
Der Milliardär beschloss, eine Spendenaktion für in Not geratene Millionäre zu starten.
Witziger Satz - "in Not geratene Millionäre" ist eine hübsch ironische Formulierung. Aber so richtig treffend ist das eigentlich nicht. Das impliziert: Das Problem ist, dass die Superreichen den etwas weniger Reichen auf Kosten der Armen helfen wollen. Das wäre zwar eine verquere Denkweise, aber letztlich ja geradezu selbstlos. Das eigentliche Problem liegt doch in der maßlosen Gier sehr vieler reicher Leute. Was ein richtiger Milliardär ist, nimmt von den Millionären UND den Armen, und zwar
für sich selbst - um halt noch eine zusätzliche Yacht zu kaufen oder auf der Forbes-Liste einen Platz nach vorne zu rücken oder was weiß ich.
Er selbst spendete großzügig 1000 Euro und rief alle dazu auf, es ihm gleichzutun.
Zahlen würde ich immer ausschreiben, es sieht in einer Geschichte einfach besser aus.
Der Gedanke, der hier drin steckt - dass Tausend Euro für einen Milliardär Pipifax sind, für einen normal verdienenden Menschen aber viel Geld und für einen Armen eine riesige Summe, den finde ich wichtig - aber meiner Meinung nach ist der nicht gut rausgearbeitet. Klar, wenige kurze Sätze schreiben und die Leser selber denken lassen ist ein Ansatz, das kann man machen. Aber du verschenkst damit auch Potenzial.
Wer sich das nicht leisten könne, würde in aller Öffentlichkeit hingerichtet werden.
Das trifft es halt auch nicht. Es ist schon so, dass Reichtum den Leuten, die es darauf anlegen, viel mehr Macht verschaffen kann, als ihnen nach den demokratischen und rechtsstaatlichen Spielregeln zusteht. Aber um eigenmächtig die Todesstrafe wieder einzuführen, reicht es glücklicherweise noch nicht.
Und ich fände es auch cooler, wenn die Geschichte nicht so was Brachiales hätte an der Stelle, sondern sich ein bisschen mit den wirklichen, subtilen Mechanismen beschäftigen würde, mit denen arme Menschen "bestraft" werden. Keiner wird totgespritzt, wenn er nicht so viel leistet, wie es, sagen wir mal "der Markt" gerne hätte. Aber er wird natürlich auf vielerlei Arten fertig gemacht, was sich tatsächlich auch in einer statistisch geringeren Lebenserwartung niederschlägt.
„Wahrlich eine Schande“, sagte er feierlich, mit der Giftspritze in der Hand.
Ist auch daneben gezielt, finde ich. Solche Leute machen sich die Finger nicht schmutzig. Wenn man irgendwelche üblen Machenschaften betreibt, ist es doch viel besser, so viele Mittelsmänner zu bezahlen, dass man selbst nie damit in Verbindung gebracht wird. Wofür hat man denn sonst die Milliarden?
„Hättest du für dein Geld richtig gearbeitet, wäre es nicht soweit gekommen.“
Das ist eigentlich ein guter satirischer Ansatz, aber ich finde, dass hat auch nicht wirklich Biss, wenn es vom Milliardär kommt. Das Blöde ist doch: So denken ganz viele arme Menschen über noch ärmere Menschen. Das haben die sich doch selbst zuzuschreiben, würden die halt mal den Arsch hochkriegen und richtig arbeiten, ginge es ihnen auch nicht so dreckig. Das ist furchtbar beliebt, in die Richtung zu zeigen, wenn man eigentlich in Richtung der Reichen zeigen müsste und sich das nicht traut oder zu doof dazu ist.
Also wenn schon diese zugespitzte brachiale Idee, dass derjenige, der nicht für die Millionäre spenden kann, hingerichtet wird, dann müssten diese Schuldzuweisungen von der Masse der Zuschauer kommen.
Das ist das mein Problem mit der Geschichte. Der Grundtenor ist sozusagen: "Reich = Böse, Arm = Opfer". Und es ist ja wie gesagt nicht so, dass da nicht was Wahres dran ist. Aber so, wie du es hier zusammenfasst, ist es halt lasch und wischiwaschi.
Was hier völlig unter den Tisch fällt, ist: Die Gesellschaft - einschließlich sehr vieler Nicht-Milliardäre - lässt es zu, dass solche Sachen passieren. Also nicht öffentliche Hinrichtungen, aber dass die Interessen sehr reicher Leute gegenüber den Interessen der Armen Priorität bekommen. Und die Tendenz, den Armen auch noch die Schuld daran zu geben, dass sie ins Hintertreffen geraten, ist auch sehr verbreitet. Vielleicht, weil alle insgeheim hoffen, doch irgendwann mal selbst zu den Reichen zu gehören, die auf anderen rumtrampeln können, oder vielleicht, weil wir uns so lange eingeredet haben, dass diese Sorte Kapitalismus alternativlos ist, bis es tatsächlich so war - jedenfalls ein spannendes Thema, das eigentlich sehr viel Stoff für Satiren hergibt.
Grundsätzlich freut es mich, wenn sich jemand mit dem Thema auseinandersetzt, aber ich würde mir halt wünschen, dass so eine Auseinandersetzung einen klügeren, schärferen (und sehr wahrscheinlich längeren) Text hervorbringt.
Grüße von Perdita