Der Mensch und wie er ist
Der Mensch und wie er ist – Eine kleine Anekdote aus einem anderen Universum
Die Situation eskalierte letztendlich aus einem - wie so oft bei diesen als intelligent, zivilisiert und kultiviert beschriebenen Säugetieren – nichtigen Grund. Wir alle sitzen auf einem Pulverfass aus gekränktem Stolz, maßloser Geltungssucht und überbordendem Hochmut. Der Kredit des Schicksals war aufgebraucht, das Glück wollte nicht weiter mit spielen bei diesem kranken Spiel, das die Menschen schon vor langer Zeit begonnen haben und es kam, wie es kommen musste: In einer gewaltigen Explosion entlud sich die Gewalt, die in allen von uns schlummert. Sie führte den Menschen brutal vor Augen, zu welch grässlichen Taten sie aufgrund ihrer technischen Fähigkeiten imstande waren, die sie bei Weitem nicht verstanden und noch weniger verantwortungsvoll zu nutzen wussten.
Der Präsident war, unbeabsichtigt, durch einen einzigen Satz in seinem tiefsten Inneren erschüttert worden, sein Zeigefinger pendelte wild zitternd vor Wut und Hass über dem roten Knopf. Zu lange schon war er von den sogenannten Mächtigen diskreditiert, verachtet und – was am Schlimmsten ist – ignoriert worden. „Mit nur einem Finger werde ich euch alle besiegen, euch zeigen, wer der Größte ist auf Erden, mit nur einem Finger!“, dachte sich der Präsident, lächelte vor Glückseligkeit und im Wissen seiner auf Waffenstärke fußenden fast grenzenlosen Macht und drückte den Knopf, ohne weiter darüber nachzudenken.
„Dieses Land wird von einem Verrückten geführt, es wird vor die Hunde gehen“, sagte der andere Präsident in einer Fernsehshow, nur Sekunden bevor Präsident eins mit seinem rechten Zeigefinger den Druck auf den roten Knopf massiv erhöhte.
Präsident eins hatte keine schöne Kindheit in der Einöde. Die Mutter starb, als der Bube 4 Jahre alt war und fortan kümmerte sich der wortkarge und aufgrund des Todes der Ehefrau deprimierte Vater um den Zögling. Immer wieder hatte der Vater seinem einzigen Sohn eingetrichtert, er müsse stark und unnachgiebig sein, emotionslos und kalt, um in dieser kalten Welt zu bestehen. „Nichtsnutz! Weichei! Kerl ohne Eier!“ hatte ihn der Vater genannt, wenn der Junge wieder mal Bücher las, anstatt Forellen zu angeln, Elche zu schießen oder Fallen für Biber aufzustellen. Mit der Zeit wurde Präsident eins hart. Sehr hart. Er ging auf die Pirsch nach Wölfen, folgte ihrem Heulen, bis er das Rudel lokalisiert hatte und schließlich mit lautem Gebrüll und einem scharfen Schwert die überrumpelten und verängstigten Wölfe bis auf den Letzten auslöschte. Er tötete einige Male Bären mit nichts als seinem stets geschliffenem Schwert und einmal einen Berglöwen, den er in einem langen und harten Kampf schlussendlich mit bloßen Fäusten den Schädel zu Brei schlug. Der Vater, längst zu einem alten und hilflosen Mann geworden, ohne es sich einzugestehen, sah die Trophäen nicht, die der Sohn voller Stolz mit nach Hause brachte. Der Vater, bettlägerig, müde und im Geiste immer noch stärker als der Sohn, kommentierte die Jagdausflüge des Sohnes nicht, aus Furcht, sich seiner eigenen Handlungsunfähigkeit bewusst zu werden.
In der rauhen und unwirtlichen Gegend, in der Präsident eins aufwuchs, gab es nicht viele Menschen, und dennoch lernte er dort eine wunderschöne junge Frau kennen, in die er sich verliebte. Viele Male nahm er sie mit auf Jagd, oft gefährlich, aber Präsident eins war sich seiner Stärke und seiner Überlegenheit der Natur gegenüber bewusst, sodass die beiden spannende Abenteuer erlebten. Eines Tages wollten die beiden zusammen einen Elch erlegen, sie kauerten in einer Hecke und Präsident eins zielte mit seiner Armbrust auf die Halsschlagader des Elches. Präsident eins, durch einen Schatten am Rande seines Blickfeldes abgelenkt, durchbohrte dennoch mit einem perfekten Schuss die Halsschlagader des Elches und sah, wie seine Geliebte aufsprang und in Richtung des Elches lief. „Nein!“ war das einzige, was der Präsident noch ausrufen konnte, bis der Schatten sich in einen pfeilschnellen Berglöwen verwandelte und die junge Frau, in Anbetracht der Tatsache, dass diese seine Mahlzeit klauen wollte, in Stücke zerriss. In rasendem Hass stürzte der Präsident auf den Berglöwen zu und brach ihm mit seinen vor Adrenalin entfesselten Fäusten nahezu jeden Knochen im Körper. Doch es war zu spät. Die Kehle seiner Geliebten war zerbissen, die Augen glasig und tot. Der Präsident, der vor lauter Trauer kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte, kam schließlich zuhause an und berichtete von der entsetzlichen Tragödie. Der Vater erwiderte: „ Du kannst weder auf dich aufpassen, noch auf die Menschen, die dir nahe stehen. Du wirst vor die Hunde gehen mein Sohn, glaub mir.“ Präsident eins schlug auf den roten Knopf.