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Der Mensch und die Zeit

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31.01.2010
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Der Mensch und die Zeit

Mitteleuropa vor 33.100 Jahren. Kalte Winde fegten über das Plateau. Peter van der Gelen zog seinen fellgefütterten Parker dichter zusammen. Sein blondes Haar wehte im Wind. "Eigentlich haben wir genug", sagte er. "Wollen wir zurück?"

Sein Gesprächspartner, Antony Skorda, der "hagere Schwarze", wie er im Kollegenkreis wegen seiner Statur und des pechschwarzen Haares heimlich genannt wurde, schüttelte den Kopf. Er schaute auf eine Landkarte in seiner Hand und streckte den anderen Arm nach Westen in Richtung eines steilen Felsvorsprunges aus. "Dort hinten könnte noch etwas Interessantes zu finden sein!"

Peter machte eine resignierende Geste. "Mir ist zwar kalt. Aber bitte, meinetwegen. Schauen wir halt nach." Er zog ein kleines Gerät aus einer Anoraktasche und verriegelte mit einem Funkimpuls ihr Gefährt, eine von gegengepolten Schwerkraftfeldern einen halben Meter über den Erdboden gehaltene Kugel.

Peter van der Gelen und der "schwarze" Skorda waren Geologen. Sie erforschten die Eisvorstöße der Weichsel-Kaltzeit. Zu diesem Zweck waren sie am 8. August des Jahres 2304 mit der Zeitfähre aufgebrochen. Ihr Kugelgefährt suchte sich seinen Weg zurück durch für Menschen unvorstellbare Dimensionen und schleuderte die beiden Eiszeit-Experten durch Raum und Zeit auf eine Erde, die nichts mit der Hochkultur des 23. Jahrhunderts verband.

Die Männer hatten ihr Ziel fast erreicht, als sie die blutüberströmte Leiche eines Neandertalmenschen fanden. Der muskulöse, kräftig behaarte Körper lag reglos auf den steinigen Boden.

Geologen, die Zeitfähren für eine Fahrt in die Eiszeit benutzten, mußten sich vor der Exkursion genauestens über die altsteinzeitliche Kultur informieren. So wußten die beiden, dass im Altpaläolithikum zwischen den Neandertalmenschen und den Menschen der Cro-Magnon-Rasse ein Existenzkampf stattfand. Sie wussten auch, wie dieser Kampf ausgehen würde. Der "Neuzeitmensch" rottete seinen Vetter aus, eroberte die Erde, gründete Babel, Rom, Wien, New York und die Megastadt St. Petersburg-Warschau, besiedelte den Mond und die Planeten und fand schließlich durch andere Dimensionen eine Lücke in den Schranken der Zeit.

Peter und Antony traten näher an die Leiche heran. Peter musste würgen. Der Schädel des Neandertalers war gespalten. Sein Mörder hatte sich begierig über dessen Inhalt hergemacht. Wahrscheinlich glaubte er, dass dadurch die Kraft des Gegners auf ihn selbst übergehen würde.

Leise Schritte und menschliche Laute drangen an ihre Ohren. Skorda schaute vorsichtig über die Böschung des Pfades einen Abhang hinunter. "Weg hier! Eine Horde Cro-Magnons", raunte er.

Die Geologen schlichen sich möglichst leise aber schnell davon. Peter van der Gelen entsicherte seine Handfeuerwaffe, die er am Gürtel trug. "Nur für den Notfall, um Ihnen Angst einzujagen", erklärte er auf den entsetzten Blick seines Partners. "Ich habe keine Lust, mich mit denen anzulegen und womöglich meinen eigenen Ururgroßvater zu töten."

Der Pfad den Berg hinauf mündete in einer kleinen Schlucht. Sie hatte keinen Ausgang. Dafür befand sich am anderen Ende eine Höhle, eigentlich mehr eine Art größeres Felsdach. Und das war bewohnt. Entsetzte Augen von Neandertal-Menschen starrten sie an.

"Schei...", sagte Skorda. Die beiden Männer wichen zurück, als hinter ihnen offenbar Kriegsgebrüll ertönte. "Wir sitzen in der Falle!" stellte van der Gelen überflüssigerweise fest. "Die Cro-Magnons sind auch schon da!"

Das Geheul der angreifenden Neuzeitmenschen löste die Starre der Höhlenbewohner. Während sich die Kinder in die Höhle zurückzogen, stellten sich Männer und Frauen mit Steinen bewaffnet zum Kampf.

"Die Cro-Magnons werden sie alle umbringen. Die haben Speere und Schleudern", schrie Peter aufgeregt. "Es sind doch Frauen und Kinder dabei!"

"Du kannst es nicht "ändern." Tony Skorda duckte sich, als ein Stein heranflog. "Wir müssen zusehen, dass wir selbst hier mit heiler Haut herauskommen."

Ohne sich um das seltsame Aussehen der zwei Männer aus der fernen Zukunft zu kümmern, griffen vier schwarzhäutige Cro-Magnon-Krieger an. Die Geologen liefen auf die andere Seite der Schlucht. Nun wurden sie von den Verteidigern attackiert.

Van der Gelen geriet in Panik. "Wir müssen durch die Cro-Magnons durch. Es gibt keinen Ausweg!" kreischte er, zog die Waffe und stürmte vorwärts. Ein sengend heißer Hochenergiestrahl fuhr fauchend aus seiner Handwaffe in eine Gruppe von Cro-Magnons. Augenblicklich erlosch der Kampflärm. In der Schlucht wurde es totenstill. Alle Augen richteten sich auf die zwei Fremden.

"Das hättest Du nicht tun dürfen", sagte Skorda leise. "Was denn sonst? Die versperrten den einzigen Fluchtweg. Wir hatten keine andere Chance. Ich will von denen nicht umgebracht werden, verstehst Du!"

Inzwischen begriffen die Cro-Magnons, w a s geschehen war. Eine wilde Flucht begann. Nun setzten die Neandertaler auch zur Verfolgung an.

Aus der Höhle kamen die Kinder wieder hervor. Einige zurückgebliebene ältere Erwachsene schleppten Speisen und Werkzeuge heran. In gebührender Entfernung der beiden Männer legten sie die Sachen in demütiger Haltung auf den Boden. Zwei besonders üppige Neandertal-Damen boten sich dazu in eindeutiger Weise an.

"Die halten uns für Götter oder so etwas!" Skorda schob van der Gelen vor sich her. "Zurück zur Fähre. Ehe noch mehr daneben geht." Jetzt begann Peter ebenfalls zu laufen. Der Weg hinunter war steil und uneben, oft stolperten die Beiden mehr, als dass sie liefen. Ihre Lungen schmerzten und sie schnappten nach Luft, als van der Gelen und Skorda endlich die Fähre erreichten. Von fern erscholl das Siegesgeschrei der Neandertaler. Die vollkommen verstörten Cro-Magnons schienen diesen Kampf verloren zu haben.

Peter und Antony ließen sich von Gravo-Feldern zur Einstiegsluke emporheben, kletterten in den Steuerraum und fielen erschöpft in die Sitze. Skorda schaltete die Maschinen der Fähre ein. "Wir müssen sofort zurück und berichten. Nur die Kommission kann entscheiden, ob ein Zeitparadoxon verhindert werden muss." "Hoffentlich habe ich kein Unglück angerichtet und den Lauf der Geschichte verändert", murmelte Peter. "Mir sind einfach die Nerven durchgegangen. Es tut mir leid."

Tony Skordas legte die Hand auf die Schulter seines Partners. "Mir ging es ähnlich. Du bist mir nur zuvor gekommen, sonst hätte ich gehandelt und geschossen. Und viel kann eigentlich nicht geschehen. Es ist ja kaum etwas geschehen. Inzwischen waren die Maschinen der Zeitfähre hochgefahren. Skorda drückte den Startknopf. Die steinige, fast graslose Ebene und die Berge verschwanden vor den Sichtluken und machten dem eintönigen Grau des Hyperraumes Platz. Die Kugel raste durch unerforschbare Sphären der Erde der Zukunft hinterher. Nur wenige Minuten brauchten die Männer, um die Jahrtausende und viele Kilometer zu überbrücken. Dann tauchte in den Fenstern der Ankerplatz des sogenannten Zeitbahnhofes auf.

"Wir sind wieder zu Hause." Skorda schaltete das Bildsprechgerät ein, um mit der "Bodenkontrolle" Verbindung aufzunehmen.

Der kleine Bildschirm des Gerätes erwachte zum Leben. Antony gab einen erstickten Laut von sich, als ihr Gesprächspartner sichtbar wurde. Das Wesen dort draußen in der Technikeruniform war ein Neandertaler.

 

Hallo JensS,
interessante Geschichte über das Zeitparadoxon. Ich bin nicht fit bei Science Fiction und kann nicht übersehen, welchen Neuigkeitswert diese Schilderung hat, aber im Grundsatz finde ich den Plot gut. Etwas abseits Deiner Geschichte: ich persönlich finde die Deutung des Zeitparadoxons, wie sie Mircea Eliade in „Nächte in Serampore“ gibt, einleuchtender, aber das ist ein Roman aus dem Bereich der religiös orientierten Fantasy und dürfte die Science-Fiction-Literatur nicht beeinflußt haben - leider.

Die Schreibweise gefällt mir weniger, vieles ist zu dick aufgetragen, an unpassender Stelle erklärt usw. Im einzelnen:


Der Mensch und die Zeit Der Titel ist mir zu allgemein, lockt nicht. Der durchschimmernde philosophische Anspruch wird nicht eingelöst.

Mitteleuropa vor 33.100 Jahren. Schau mal in den Thread über den ersten Satz. So beginnt keine Kurzgeschichte. Die Information, die Du hier mitteilst, ist nicht wirklich erforderlich, man kann es wenig später aus der Handlung schließen. Als Orientierung zum Anfang geht es gar nicht, wenn schon, dann im Dialog mittendrin.

der "hagere Schwarze", wie er im Kollegenkreis wegen seiner Statur und des pechschwarzen Haares heimlich genannt wurde,
Mit dem Hinweis auf den Kollegenkreis verläßt Du die Szene, nimmst Unmittelbarkeit heraus.

Die Männer hatten ihr Ziel fast erreicht, als sie die blutüberströmte Leiche eines Neandertalmenschen fanden. Der muskulöse, kräftig beharrte Körper lag reglos auf den steinigen Boden.
Die Beschreibung reicht, der Begriff „Neandertalmensch“ ist überflüssig.

Geologen, die Zeitfähren für eine Fahrt in die Eiszeit benutzten, mußten sich vor der Exkursion genauestens über die altsteinzeitliche Kultur informieren. So wußten die beiden, dass …Allseits bekannt, was hier kommt, also kürzer oder weglassen. Jedenfalls nicht als fachliches Traktat.

Wahrscheinlich glaubte er, dass dadurch die Kraft des Gegners auf ihn selbst übergehen würde. Ist dieser Brauch für die Cro-Magnons belegt? Die Erklärung kann man auch weglassen. Erklärungen, die mit „Wahrscheinlich glaubte er,“ anfangen, gehören nicht in diese Literaturform.

"Ich habe keine Lust, mich mit denen anzulegen und womöglich meinen eigenen Ururgroßvater zu töten."
Das könnte man auch indirekt andeuten, z.B. „Vorsicht! Wir wissen nicht, was das für Auswirkungen auf unsere Zeit hat!“

Zwei besonders üppige Neandertal-Damen boten sich dazu in eindeutiger Weise an.
Aus welchem Film ist das?

Nur die Kommission kann entscheiden, ob ein Zeitparadoxon verhindert werden muss." "Hoffentlich habe ich kein Unglück angerichtet und den Lauf der Geschichte verändert",
Zu dick aufgetragen, Science Fiction will, wie jede andere Form der Kg auch, nicht im Text interpretiert oder erklärt werden. Schreibt man das so? Ich kenne mich nicht aus. Ich fände die Geschichte stärker, wenn es im Hintergrund bliebe: „Müssen wir das melden? Wir haben doch auf den Lauf der Dinge Einfluß genommen.“

Das Wesen dort draußen in der Technikeruniform war ein Neandertaler.
Wie gehabt, wie findest Du: aus der Uniform des Kollegen schaute ein freundliches, dickes Gesicht mit großer Nase und flacher Stirn unter den zotteligen Haaren.

Na ja, nun hoffe ich, daß Du meine Anmerkungen noch konstruktiv findest oder wenigstens siehst, daß sie gut gemeint sind.

Gruß Set

 

Hallo, JensS,
die Neandertaler haben in dieser Geschichte eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg! Wenn sich die Geschichte in diesem Sinne umkehren soll, dann müssen meines Erachtens die beiden Zeitreisenden etwas getan b.z.w. (versehentlich) hinterlassen haben, was die Neandertaler den Cro-Magnons tatsächlich auf Dauer überlegen sein lässt.
"Das hättest Du nicht tun dürfen", sagte Skorda leise. "Was denn sonst? Die versperrten den einzigen Fluchtweg. Wir hatten keine andere Chance. Ich will von denen nicht umgebracht werden, verstehst Du!"
Bitte untereinander schreiben, denn das ist Rede und Gegenrede:
"Das hättest Du nicht tun dürfen", sagte Skorda leise.
"Was denn sonst? Die versperrten den einzigen Fluchtweg. Wir hatten keine andere Chance. Ich will von denen nicht umgebracht werden, verstehst Du!"
Ansonsten hat die Geschichte Potenzial.
Wenn sie weiter bearbeitet wird – siehe auch einige der Tipps von Setnemides – dann würde sie runder werden.
Ich wünsche noch gute Frühlingstage und verbleibe mit freundlichem Gruß.
kinnison

 

Tag JensS!
Obwohl ich eigentlich das Thema Zeitreise mag, fand ich deine Geschichte nicht so dolle, weil sie mir zu vorhersehbar ist. Mir dämmerte bereits bei der Stelle, wo der eine Prot seine Pistole präsentiert, worauf das Ganze hinausläuft. Für jemanden, der sonst wenig Zeitreise-Stories kennt, mag das eine gelungene Pointe sein, aber wer ein bisschen näher mit Sci-Fi vertraut ist, ist schon öfter über so ein Ende gestolpert.
Zudem fand ich es genau wie kinnison ein wenig an den Haaren herbeigezogen, dass eine gerettete Höhle den Verlauf der Geschichte in diesem Maße ändert. Ray Bradburys "Sound of Thunder" hat zwar ein ähnliches Thema, da wird es m.E. aber glaubhafter dargestellt. Um die Story plausibler und damit peppiger zu machen, hätte ich die Prots stärker eingreifen lassen (zB. einen ganzen Stamm Cro-Mags in Panik ausrotten lassen) und die Folgen in der Zukunft etwas subtiler gemacht, dass sie nach der Rückkehr zB. erst nicht merken, dass was anders ist und dann entdecken sie doch einen gravierenden Unterschied.
Den Stil fand ich gut, schön kurz und bündig, aber ein Fehlerlein ist mir untergekommen:

Der muskulöse, kräftig beharrte Körper lag reglos auf den steinigen Boden.
;)
Wie gesagt, ein faszinierendes Thema, bloß ein wenig einfallslos umgesetzt.
LG
jacksmouth

 

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