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Der Mann und ich. Und Schweden.
Wir fahren nach Schweden. Doch. Sommerurlaub. Im Ernst. Mir ist jetzt schon langweilig ...
Der Mann möchte aber. Sehr gerne sogar. Ein Herzenswunsch. Der andere Herzenswunsch: ein Chevrolet Suburban. Hab mich für Schweden entschieden.
Mit unserer irischen Lieblingsfluglinie gehts los ab Düsseldorf-Weeze. Am Abend vor der Abfahrt stellt der Mann fest, dass Weeze gar kein Stadtteil von Düsseldorf ist. Eher von Amsterdam. Egal. Google spielt uns die Information zu, dass wir uns den Flughafen an diesem Wochenende mit einem Techno-Festival teilen werden. 80.000 Besucher. Stau bis nach Düsseldorf. Nix Großes.
Wir fahren zwei Stunden früher los. Sicherheitshalber. Dazu holt der Mann noch einen kleinen Vorsprung raus.
Nach zwei Stunden sind wir also in Holland. Und: wir sind ganz alleine. Niemand wach in Weeze. Kein Auto auf der Straße. Fünf Stunden Zeit bis zum Abflug. Der Mann schlägt vor, nochmal heim zu fahren. Stattdessen schlafen wir im Auto, bis die Bäckerei aufmacht. Schweden beginnt in Weeze.
Unser Flieger ist offensichtlich eine Chartermaschine von Jack Wolfskin.
Regenjacke? Ich hab Sommerkleidchen dabei. Kurze Hosen und Bikini. Und After Sun. Und Euro.
Wir gestehen uns ein gewisses Informationsdefizit ein. Und studieren fix einen Reiseführer. Also den vom Sitznachbarn.
Ich entdecke die Alkoholpreise, der Mann die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Alter Schwede!
Auf schwedischem Boden, stellen wir erfreut fest, dass unser Stockholmer Flughafen nur halb so weit von Stockholm entfernt liegt, wie Weeze von Düsseldorf. Geht doch.
Mit unseren Euros kann man zwar keinen Alkohol kaufen, aber Kronen. Mit denen kann man dann auch keinen Alkohol kaufen, aber vielleicht ein paar Temposünden.
Auf der Autobahn ist 80. Einfach so. Unsere Barvorräte werden wohl nicht reichen. Der Mann schlägt vor, rückwärts zu fahren. Dann ging's.
Nach insgesamt 18-stündiger Reise, kommen wir in unserem Ferienhäuschen an. Da hätten wir auch laufen können.
Aber wir werden entschädigt. Ein Traum wie aus einem Kinderbuch. Außen rot. Innen weiß-hellblau. Der nächste Nachbar 200 Meter entfernt. Ist ein Pferd. Oder ein Elch. Und heißt Andersson. Oder Karlsson. Verstehen wir nicht genau. Spricht nur schwedisch. Egal.
Fünf Kilometer entfernt gibt es eine Siedlung. Vermutlich Weeze.
Fernsehen gibt es hier nicht. Internet auch nicht. Man kann sich ja auch mal unterhalten.
Versuche zu lesen. Werde ständig abgelenkt von nichts. Frage, ob wir mal nach Stockholm fahren wollen.
"Klar", sagt der Mann, "von da fliegen wir ja wieder zurück!"
Fange an zu weinen.
Hier hat man viel Zeit zum Nachdenken. Blöd, wenn man grad nichts zum Nachdenken hat. "Die Seele baumeln lassen" - sicher! Erwachsenenkram.
Versuche nicht an Italien, Mallorca oder Kreta zu denken. Weißer Elefant.
Esse Chips. Wegen der Stechmücken. Das hilft. Doch!
Denke über mein Leben nach. Fertig.
Zähle die Latten an der Holzveranda. 33. Na bitte.
Rufe Mama an und sage, dass hier wirklich alles ganz toll ist.
Mama sagt: "Man muss auch ein bisschen überlegen, bevor man was bucht, Kind!"
Italien ist zum Beispiel sehr schön. Sardinien oder die Toskana. Ich sage ihr, dass es hier wirklich sehr toll ist, aber die Verbindung sehr, sehr schlecht. Lege auf.
Der Mann ruft aus der Küche, dass die Ränder vom Gratin im Ofen braun werden.
Ich rufe zurück, er soll den Rändern bitte ausrichten, dass sie damit aufhören sollen.
Der dritte Morgen probiert es irgendwie versöhnlich. Die Sonne wärmt fast angenehm. Der Wind weht sachte über die Wiese und durch die Baumwipfel.
8:30 Uhr. Friede pur.
Jetzt bloß nicht esoterisch werden. Im Urlaub hab ich immer Angst, etwas zu verpassen, bin immer auf Absprung. Hier nicht. Hier verpasst man nichts.
Mache vorsichtig eine Dose Cola auf. Es schallt durch ganz Schweden ...
Der Mann ist hier völlig angekommen. Er singt laut die ABBA- Songs im Radio mit. Während er kocht und den Abwasch macht.
Dann sitzt er da und guckt zufrieden.
Er sagt, Astrid Lindgren sagt: "Manchmal muss auch Zeit haben, einfach ein bisschen vor sich hin zu gucken."
Es ist Abend. Wir sitzen auf der Veranda. Der Mann liest. Er hat viele Bücher dabei. Ich nur eins. Und das ist doof.
"Soll ich dir aus meinem Buch vorlesen?"
"Das ist doch viel zu anstrengend...", sage ich.
"Ach was ..."
"Aber du bist doch schon mittendrin ..."
"Fangen wir eben wieder von vorne an", sagt der Mann, macht mir eine Höhle in seinem Arm und fängt an vorzulesen. Dabei legt er mir einen dicken Wollpulli über mein Sommerkleidchen, den er extra für mich eingepackt hat.
Kein Grund, Schweden zu mögen! Höchstens ein bisschen. Vielleicht ...