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Der Mann mit der eisernen Hand

alu

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21.12.2003
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Der Mann mit der eisernen Hand

Wohl niemand wäre auf die Idee gekommen, dass der kleine Junge, der am 24. Februar 1886 in Eschweiler bei Aachen geboren wurde, einmal die ganze Welt bereisen würde.
Die Eltern waren biedere Wirtsleute, die beide nie aus ihrer engeren Heimat raus gekommen waren, das Höchste war es, zur Sommerfrische an die Nordsee zu reisen und das war dann schon für damalige und besonders für ihre Verhältnisse eine „große Reise“.

Gustav, der kleine Junge, war im wahrsten Sinne des Wortes klein, zierlich und schmächtig. Mit zunehmendem Alter störte ihn das doch sehr.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen Hanteln und Expander in Mode, ja, man könnte fast sagen, die erste große Fitness-Welle erreichte das Rheinland....
...und somit auch Gustav.
Verbissen begann er zu trainieren – mit Erfolg. Und das Schöne, der Erfolg war nicht nur spür- sondern auch sichtbar.

Gustav war oft in der Gaststube seiner Eltern, er half mit wenn mal „Not am Mann“ war und lernte dadurch auch einige Gäste des Hauses kennen.
Einer dieser Gäste war Artist. Begeistert hörte der Junge den Erzählungen zu, er konnte nicht genug davon bekommen, denn er hatte sein nächstes Ziel entdeckt: Das wollte er auch werden: Artist. Nichts auf der Welt erschien ihm erstrebenswerter.

Der Vater gab dem Drängeln des Sohnes nach und so durfte Klein-Gustav, wenn es die Zeit zuließ beim Chef der Karma-Truppe (denn das war der Gast) trainieren.
Und auch dieses Training war von Erfolg gekrönt. Mit 8 Jahren, um genau zu sein, am 17. September 1894 durfte Gustav zum erstenmal in die Manege, als 8jähriger Obermann einer Vierer-Akrobatengruppe.
Damit war für ihn sein Lebensweg vorgezeichnet.
Er arbeitete noch einige Jahre als Equilibrist (lat. Gleichgewichtskünstler), schaffte es vom Obermann zum Untermann, der die „Basis“ für seine 3 Kollegen bildete und vernachlässigte auch in dieser Zeit nie sein Krafttraining ohne das er es auch nicht soweit gebracht hätte. Denn es gehört schon einiges an Kraft dazu, drei Männer auf seinen Schultern zu tragen, wenn man selbst nur 1,62 m groß ist.

Er lernte den Briten Gus Nippes kennen. Gustav und Gus erarbeiteten sich eine eigene Darbietung: Guss & Guss: Kraftjonglage.
Jetzt konnte er einen weiteren Teil seines Kindertraumes in die Tat umsetzen: Die beiden reisten um die Welt. Mit dem Schiff ging es nach Asien, von dort nach Australien und das damalige Deutsch-Südafrika und in die „Neue Welt“.
Dort trennten sich Guss & Guss.
Jetzt arbeitete Gustav als „fliegender Mensch“, um genauer zu sein, als Fänger in einer Flugtrapeznummer: Flying Banvards.
Später wurde er Fänger bei einer Trampolintruppe, den Franklins.

Der erste Weltkrieg brach aus und machte auch vor Gustav nicht Halt. Er, der die Bühne so sehr liebte, musste die Manege mit der Front, das Kostüm mit der Uniform tauschen.
Schwer verwundet kehrte er heim. Beide Beine zerschossen. Jeder andere hätte aufgegeben, nicht jedoch Gustav.
Er trainierte die Kraft seiner Oberarm- und Fingermuskulatur. Er trainierte seine Bauchmuskulatur. Und er trat wieder auf.
Anfang der 20er Jahre lernte er Maria Kleinermann kennen und lieben. Maria, wohlbehütete Tochter, die sich nie hätte träumen lassen, mit einem vom Zirkus.....

Doch wie wir schon wissen, wenn Gustav etwas wollte, dann bekam er es auch. Maria und Gustav heirateten, lebten, liebten und arbeiteten zusammen.

Mit der unglaublichen Kraft seiner Hände zeriss er 3 Kartenspiele (immerhin 96 Blatt), das Berliner Telefonbuch, zerquetschte mit 2 Fingern einen Tennisball und hackte Holz mit der Handkante, alles begleitet durch die witzige Conference Maria’s die, heute würde man sagen „flotte Sprüche“ beisteuerte und Gus als Assistentin zur Seite stand.
Ein schönes und elegantes Paar, Maria im Abendkleid, Gus meist im weißen Smoking. Er sah so gar nicht wie ein „Kraftmensch“ aus und auch das machte einen Teil vom Reiz der Darbietung aus.
Sie waren in allen großen Varietes zu Gast. Gus & Lill wurden ein Begriff in der Welt der Artisten.


Gustav bot jedem, dem es gelang, ihn nur 10 Zentimeter vom Boden zu heben 100.- Mark. Es schaffte niemand. Er erhöhte die Prämie auf 1000,- Mark. Keinem gelang es. Das Geheimnis bestand aus der unwahrscheinlichen Kraft seiner Bauchmuskulatur. Die hielt ihn „am Boden“.
1926 wurde das einzigste Kind geboren: Lilian (benannt nach einer „Freundin des Hauses“, dem Stummfilmstar Lilian Gisch.
Gustav’s Körper wurde „verewigt“. Für einen Bildband unter dem Titel „Der menschliche Körper“ war er der männliche, die Schauspielerin Pola Negri der weibliche Part.
Im zweiten Weltkrieg blieb er von der Einberufung verschont. Er verbrachte die Kriegsjahre mit Frau und Kind in seiner neuen Heimat: Berlin.

Lilian, die Tochter schlug, wie sollte es anders sein, denselben Weg wie ihre Eltern ein.
Sie spielte hervorragend Saxophon und Akkordeon, konnte perfekt steppen und baute sich aus diesen Qualitäten eine eigene Darbietung auf.
Im Alter von 14 Jahren durfte sie das erste Mal unter dem Namen „Lilian Gus“ öffentlich auftreten.

Mit 61 Jahren ging Gustav 1947 noch mal auf Tournee. Die Kraft seiner Hände hatte ihn nicht verlassen.
Erst 1953 nahm er Abschied von der Bühne, die fast sein ganzes Leben seine wirkliche Heimat und nach Maria seine zweite große Liebe gewesen war.

Gustav starb am 20. November 1958. Maria 1971, Lilian 1993.

Schließen möchte ich mit einem Zitat das leider nicht von mir ist: "Für mich ist der Zirkus eine Schule der Genauigkeit und der Strenge bei der Arbeit. Ich wünsche mir, eine Seele zu haben, die ebenso beschwingt und edel ist wie die Körper der Clowns und Akrobaten."
Jean Cocteau

Nachtrag:

Gustav, dieser Mann, in dessen Händen so viel Kraft steckte, war auch einer der zärtlichsten Männer, die ich je kennen gelernt habe.

Mit denselben Händen, mit denen er Holz hackte und 450 aufeinandergelegte Zeitungsseiten zerriss, malte er wunderschöne Bilder und schuf Lithografien, die noch heute meine Wohnung schmücken.
Mit den Armen, in denen soviel Kraft wohnte, hob er ein kleines Mädchen auf seine Schultern, stieg mit ihr die Strickleiter hinauf bis zum Trapez und zeigte ihr, wie man gekonnt ins unten gespannte Netz fällt, ohne sich zu verletzen.

Dieselbe Ausdauer, die er sein ganzes Leben lang hatte, wenn es galt etwas zu erreichen, setzte er ein, wenn es galt, mit dem kleinen Mädchen zu spielen.
...und er ließ sich stundenlang von ihm die Haare kämmen und bürsten.
Das kleine Mädchen war 6 Jahre alt als er starb.
Ich liebe dich Opa und ich werde dich nie vergessen,

Deine Andrea

 

Hi alu,
wenn dies eine Art Huldigung ist, an eine Person, die in der Tat existiert hat, geht die Geschichte soweit in Ordnung. Aber auch nur aus diesem Grund, denn um ehrlich zu sein, hat sie mich leider ein wenig gelangweilt. Zu wenig passiert. Keine wirkliche Handlung, keine „lebendigen“ Personen, kein Gefühl. Weiß nicht so recht, aber der Mann mit der eisernen Hand wird wohl schnell aus meinem Gedächtnis verschwinden, denn viel gibt es nicht, was ihn da halten könnte.
Aber dein Schreibstil ist solide und lässt sich gut lesen.

Grüße...
morti

 

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