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Der Mann am Fenster

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12.06.2016
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Der Mann am Fenster

Er steht am Fenster mit den hellen Gardinen, die hier schon seit Jahrzehnten hängen. Verbleicht und trocken sind sie, ähnlich wie die vergilbten Fotos in der Schublade unter dem Bett.
Eigentlich weiß er nicht, wozu er sie aufbewahrt hat; fast wie einen Schatz.
Vielleicht um die Gewissheit zu haben, dass sie noch bei ihm ist, dabei ist sie es nicht und wird es nicht mehr sein.
Wenn er aus dem Fenster sieht, kann er ins gegenüberliegende Haus schauen.
Unter der Woche von acht bis zehn kommt die Putzfrau, er nimmt an, dass sie es ist und hängt Wäsche auf. Um elf riecht es nach Waschpulver und die Laken heben sich als Farbtupfer vom grauen Putz ab. Erst am Wochenende lebt das Zimmer, wenn die jungen Leute kommen und tanzen.
Er denkt, ich war an der Front.
Doch sie sehen nicht glücklich aus. Sonntagmittag fahren sie ab, ohne große Worte.
Wir schreiben.
Er denkt, dass sie auch geschrieben haben, wenn auch mit Papier und großen Gefühlen. Aber vielleicht täuscht er sich ja auch nur, denn er ist fast taub.
Auf der Straße spielen die Kinder mit buntem Herbstlaub. Ihr Lachen wird leiser, je älter sie werden und manche scheinen einander zu vergessen. Andere Dinge, deren Namen er nicht aussprechen kann, sind nun wichtiger.
Er sitzt am Fenster und fragt sich, was sie wohl sehen würde.

 

Hej Laila

du hast einen schönen Schreibstil

Er steht am Fenster mit den hellen Gardinen, die hier schon seit Jahrzehnten hängen. Verbleicht und trocken sind sie, ähnlich wie die vergilbten Fotos in der Schublade unter dem Bett.

(Mir gefällt 'verblichen' besser :D)

schöne Ideen

Ihr Lachen wird leiser, je älter sie werden
.

Leider kann ich deinen Gedankensprüngen nicht folgen. Mir fehlen mehr Informationen oder Hinweise.

Er denkt, ich war an der Front.
Doch sie sehen nicht glücklich aus. Sonntagmittag fahren sie ab, ohne große Worte.
Wir schreiben.
Er denkt, dass sie auch geschrieben haben, wenn auch mit Papier und großen Gefühlen. Aber vielleicht täuscht er sich ja auch nur, denn er ist fast taub.

Die Melancholie und Einsamkeit sind sehr gut eingefangen und nachzuempfinden.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Lieber Kanji,

vielen Dank für dein Lob und deine Kritik :) das hat mich sehr gefreut.
Meine Intention war, meine eigene Generation und dessen (oft fehlende) Kommunikation aus den Augen eines alten Mannes zu kritisieren. Da der Text nur sehr kurz ist, soll er nur einen Moment seiner Gedanken darstellen, keine Kurzgeschichte. Vielleicht habe ich das Ganze wirklich zu kryptisch angesetzt...ich werde mir überlegen, wie ich mehr Informationen einbauen könnte. Lass mich bitte wissen, ob du dem Text nun besser folgen kannst.

Einen schönen Tag noch,

Laila

 

Hallo,

Verbleicht und trocken
„Verblichen“ würde hier meiner Meinung nach besser passen.

dabei ist sie es nicht und wird es nicht mehr sein.
Die Doppelung finde ich nicht so gelungen. Nie statt nicht würde hier besser passen. So wird die absolute Unmöglichkeit einer Zustandsänderung noch verstärkt.

Ob dieser Text noch mehr Informationen benötigt ist nicht leicht zu beantworten. Meiner Meinung nach lässt die gewollte Knappheit viel Raum zur eigenen Interpretation. Ich finde den Text schön geschrieben und er regt sehr zum Nachdenken an. Sprich die Kommunikation zwischen Text und Leser funktioniert bei mir. Da es explizit keine Kurzgeschichte ist, sondern mehr eine Momentaufnahme, würden mehr Informationen vielleicht mehr kaputt machen, anstatt zu helfen.

Viele Grüße
Schreibkauz

 

Vielen Dank Schreibkauz, auch deine Anmerkungen freuen mich sehr! "Verblichen" ist wirklich viel besser :) und auch bezüglich der Doppelung gebe ich dir Recht.
Viele Grüße,
Laila

 

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