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Der Magier und sein Süppchen

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30.12.2003
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Der Magier und sein Süppchen

Die Temperatur unter dem riesigen Topf reichte nicht aus. Langsam hatte der Große Magier den Eindruck, dass niemand mehr Lust zum Arbeiten hatte. Der fette Kater sollte eigentlich den Blasebalg bedienen, aber er war nicht da, bei allen Teufeln der tiefsten Hölle! Er pfiff nach dem Unglücks-Raben, der sich eilfertig auf die Schulter seines Herren setzte und gefällig seinen Kopf neigte, um auch nicht den leisesten Ton aus dem Munde des Herrschers zu überhören.

„Such den Kater und schaff ihn mir herbei!“, sagte der Meister. „Es stinkt zum Himmel: das Feuer geht fast aus und der Faulpelz liegt irgendwo auf einer Mieze ...“.

Mit kräftigen Flügelschlägen entfloh der Rabe dem Bereich des gefährlichen Zornes, froh darüber, dieses Mal ungeschoren davon gekommen zu sein.

„Ich muss irgendetwas tun“, dachte der Große Magier, „und zwar ganz anders als bisher, sonst gelingt es mir nicht, ein rechtes Süppchen zu kochen“. Nach einem kurzen Blick über die Regale entschied er sich für ein Fläschchen mit der Aufschrift ‚Sand für die Augen’. Er schüttelte es kräftig, bevor er den Verschluss öffnete und den berauschenden, leicht fauligen Geruch einsog.

„Ja“, murmelte er vor sich hin, „davon ein paar Tropfen in den Kessel, das kann nicht schaden“. Inständig hoffte er, dass das Feuer nicht ausging, bevor der Kater kam, und er zählte vorsichtig sieben mal sieben Tropfen ab, die er dem Gebräu auf dem Herd hinzu fügte. Ein leises Blubbern sowie die Bildung kleiner Bläschen an der Oberfläche des Sudes stimmten ihn zuversichtlich, denn offenbar zeigten die Tropfen ihre Wirkung und waren nicht nutzlos vertan.

Alsbald stellte sich der Kater ein und ging sofort zum Blasebalg, um das Feuer kräftig zu schüren. Dem wütenden Fußtritt des Großen Magiers wich er geschickt aus; nur einem aufgebrachten Fauchen war zu entnehmen, dass er sich ungerecht behandelt fühlte.

„Was hast du dir zu den ewig leeren Kassen ausgedacht?“, versuchte der Kater schließlich ein Gespräch anzufangen. „Oder haben dir die fünf Auguren, deren Seelen schon öfter verkauft wurden als die Anzahl ihrer falschen Voraussagen, eine praktikable Lösung vorgeschlagen?“

Ungefragt kläffte ein schwarzer Pudel dazwischen, der sich lässig auf einer Bank streckte: „Wir haben uns für die Blätter der ‚X für ein U Pflanze’ entschieden“, bellte er bissig, „ich habe das Kraut letzte Nacht gleich hinter dem Galgenberg gerupft und ganz frisch in den Kessel getan. Es hat ein wenig nach Weihrauch gerochen beim Aufkochen. Ich denke, sie werden es wie Manna schlucken, hat es doch den anheimelnden Schein göttlicher Wahrheit“.

Der Große Magier begann, den Schaumlöffel schwingend, um den Herd mit dem Kessel herum zu tanzen. Flammen schlugen aus der Öffnung unter dem Kessel, züngelten an seinen Wänden empor. Im hellen Feuerschein konnte man die im Kreis sitzenden Meerkatzen erkennen, vornehm gekleidet und mit den ernsten Minen von Ministern und Staatssekretären. Zum Tanz des Meisters stimmten sie einen Singsang an:

„Koche, koche Süppchen,
wir füttern unsre Püppchen.
Die Suppe macht die Kindlein satt,
doch müde nicht. Wer schafft uns Rat?
Hexe komm geschwind herbei,
hilf uns beim Suppenallerlei!“

Unter dem Zwang der beschwörenden Formeln fuhr die Hexe aus dem Ofenrohr. Ein Stück rotglühendes Blech zischte mit bösartigem Surren durch den Raum.

„Warum habt ihr mich gerufen, Großer Magier?“, fragte sie sogleich, ohne sich der Mühe einer Begrüßung der Anwesenden zu unterziehen.
Gern wäre sie selbst an der Stelle des Meisters gewesen, aber ihre Stunde war noch nicht gekommen. Zu tief war noch der Schock über die Jahre, in denen so viel Kohl geredet worden war bei denen, auf deren Gunst sie angewiesen war. Doch sie war geduldig und wusste zu gefallen, wenn es sie ihrem Ziel näher brachte.

„Schau in den Kessel, was für ein feines Süppchen ich bereitet habe“, sagte der Bocksfüßige. „Viele Zutaten gab ich hinein, selbst die Früchte einer verrotteten Eiche mit der bekannten geldsaugenden Wirkung, und von meiner Muhme eine gespendete gespaltene Zunge. Doch fehlt eine entscheidende Ingredienz, so scheint es mir. Vielleicht hilfst du mir beim Abschmecken, ob dir etwas zum Verhexen einfällt?“. Verschlagen blinzelte der Große Magier die Hexe an.

Die mächtige Hexe, die dem noch mächtigeren Magier jetzt helfen musste, wenn sie ihn später vernichten wollte, beugte sich über den Kessel. Dann holte sie ihren schwarz-gelben Zauberstab hervor und rührte vorsichtig in dem brodelnden Sud, trennte rote von grünen Bestandteilen und sann über die Zusammensetzung nach. Schnell wurde ihr klar, dass mit dem üblichen Abrakadabra nichts auszurichten war. Es war eine ganz besondere Suppe, die hier gekocht wurde. Sie musste sehr lange reichen, vielleicht viele Jahre.

Nachdem die gerissene Alte alles reiflich geprüft und bedacht hatte, wandte sie sich an den Meister:
„Höre mich Herr, ich will dir das Süppchen vollenden. Der Ansatz ist wahrlich nicht ideal, doch lässt sich das nicht ändern. Gar viele Reförmchen und manche Reform kann sie bewirken, wenn man noch Brechwurz und Trollblume hinzu gibt. Das macht schlank und reinigt innerlich wie äußerlich. Die Därme entleert es wie geschmiert mit dem Öl aus der Hexenmilch. All das will ich dir dazu geben.“

„Willst du mich foppen, Hexe?“, rief drohend der Große Magier. „Nicht nach Mittelchen habe ich gefragt; die nehme ich gern, doch noch fehlt hier das Mittel!“.

Scheinheilig schaute ihn die Hexe durch ihre halb geschlossene Lider an. „Gib mir deinen Pudel“, forderte sie, „und ich will dir sogleich das Mittel beschaffen. Aber der Hund muss sterben, so will es der Brauch. Das ist mein letztes Wort.“

„Sprich weiter“, forderte der Große Magier, „und vollende das Werk. Es scheint, wir müssen alle Opfer bringen“. Auf den winselnden Pudel, dem Geifer aus dem Maul troff und der von einer Verschwörung vor sich hin bellte, hörte er nicht weiter.

Die Hexe rührte mit dem Schwarz-Gelben in der Suppe, bis sich eine Welle bildete. Dann hob sie diese mit einem Ruck heraus und sprach, rittlings auf ihrem Besen sitzend, die Beschwörung:

„Welle, walle mit dem Hund
im Mondschein in der Geisterstund
zu dem alten Galgenbaume
und bind den Hund an die Alraune.
Schreie Pflanze, stirb du Tier,
Welle, bring die Wurzel mir!“

Im Nu war das Werk vollbracht. Die Hexe gab die Wurzel in den Kessel und sprach eine weitere Formel:

„Zaubertrank, wirke geschwind,
lulle ein das große Kind,
lass des Volkes Zorn verrauchen,
mach es so, wie wir es brauchen.“

Verblüfft hatte der Große Magier die Zeremonie verfolgt. Verlegen wischte er sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.
„Danke Alte“, sagte er anerkennend, „das hätte ich allein nicht geschafft. Es war gut, dass wir für den Moment unseren Zwist vergessen haben. Schließlich haben wir alle eine Verpflichtung, die über kleinliches Machtgerangel geht.“

Schwarz-rot-gelb kleckerte die Suppe beim Brodeln über den Rand des Topfes. Einige grüne Fäden darin störten nicht das Gesamtbild. Ein gelungenes Mahl war entstanden durch die vereinten Anstrengungen der Geister der Unterwelt.

 

Aloha!

Ich verleih' der fürwahr seltsam anmutenden Geschichte einmal das Prädikat 'bizarr'! Die wohlfeil geprägten Charaktere agieren gut miteinander und noch viel merkwürdiger ist die Brühe, über deren Inhalt wir so viel erfahren ...

Nun, ich fand die Geschichte witzig, anders und bis auf einige Kleinigkeiten und den Schluss gelungen. Letzterer liest sich nämlich, als hättest Du keine Lust mehr gehabt ... Der Abschluss ist mir wirklich zu banal für all die Seltsamkeiten, die sich zuvor abspielen. Es fehlt irgendwie am besonderen Biss, der sich ja mit dem Süppchen sicher herstellen lassen könnte. Ansonsten ist das alles hübsch fabuliert, wenn sich auch einige zu ‚moderne’ Worte hier und dort eingeschlichen haben.

In Sachen Rechtschreibung: „In der wörtlichen Rede“, sagte ich, „folgt nur ein Komma nach den Anführungsstrichen, wenn zuvor kein anderes Satzzeichen wie ! oder ? gesetzt wurde. Du setzt auch nach diesen noch ein Komma, das gehört da nicht hin ...“

Fazit: Gut, aber ein solch banales Ende hat die Unterwelt nicht verdient.

Shade & sweet water
x

 

Ave xadhoom,

Danke für Deine wertschätzende Rezension und bitte, gestatte mir zunächst ein Zitat rechtschreibreformaler Art:

5.3 Komma bei wörtlicher Rede
Bei wörtlicher Rede galt bisher die Regel, dass nach Frage- und Ausrufezeichen kein zusätzliches Komma steht. Die Neuregelung sieht vor, dass künftig auch hier ein Komma zu setzen ist:
„Ich komme morgen“, sagte sie.
„Kommst du morgen?“, fragte sie.
„Komm bitte morgen!“, bat sie.“

Quelle: „Neue Regeln für die deutsche Rechtschreibung, S. 17; 2. korrigierter Nachdruck 11/96“
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Völklinger Straße 49, 40221 Düsseldorf

Zum Inhalt Deiner löblich-kritischen Anmerkung:
Auch mir scheint das Ende nicht der Weisheit letzter Schluss, wenngleich es nicht an mangelnder Lust lag, die Geschichte „bissiger“ rsp. weniger banal zu beenden. Dein kritischer Hinweis ist mir Anlass, weiter darüber nachzudenken ... „und so löffelten sie alle brav die Suppe, die sie sich selber eingebrockt hatten ...“ oder noch ganz anders; doch sowohl bis zum Brocken als auch bis zur Walpurgisnacht erstreckt sich eine Distanz, die es für mich gedanklich zu überwinden gilt.

Thanks a lot, Pied Piper :)

 

Aloha!

Autsch! Diese neuere Regelung war mir nicht gegenwärtig aber da liegst Du vollkommen richtig ...

shade & sweet water
x

 

hi pied piper,

ich fand die geschichte ziemlich.. ja, bizarr :) aber schoen, erinnerte mich ein bisschen an den wunschpunsch.

zwei anmerkungen habe ich noch:
Der fette Kater sollte eigentlich den Blasebalg bedienen, aber er war nicht da, bei allen Teufeln der tiefsten Hölle! Er pfiff nach dem Unglücksraben,...

das klingt so, als pfiffe er nach dem kater. du solltest den Unglücks-Raben so schreiben wie ich eben, dann kommt es besser rueber ;)

ausserdem wird nach der anrede ein komma gesetzt. aber ansonsten gefaellt mir die bizarrheit der geschichte sehr gut.

lg, vita

 

Hallo vita,

zunächst danke für dein Urteil sowie die Hinweise. „Wunschpunsch“ kenne ich nicht, aber als ich meine Tochter vorhin fragte, die es kennt, und ihr meine KG vorlas, bestätigte sie deine Einschätzung. :)
Sollte ich vielleicht auch mal lesen.

Den Unglücks-Raben habe ich geändert, danke für den Hinweis; mir war das gar nicht bewusst geworden, dass man das auch auf den Kater beziehen könnte. Allerdings habe ich den Hinweis mit dem „Komma nach der Anrede“ nicht verstanden, vielleicht habe ich ja ein verhextes Brett vorm Kopp?

LG Pied Piper
:)

 

hi piper,

den wunschpunsch lies mal, das ist ein tolles buch!

du hast ein paar passagen drin, wo jemand angesprochen wird. zum beispiel (das denke ich mir aus jetzt, bin zu faul zum scrollen) zaubertrank, mach, dass die menschen so sind, wie wir sie wollen. das fett gedruckte komma fehlt bei dir jedes mal.

glg, vita

 

Hi Pied,

die Story fängt wirklich gut an und ist interessant zu lesen. Neugierig darauf zu erfahren, was es mit dem Süppchen auf sich hat, war ich vom Schluß allerdings enttäuscht. Ich denke auch Du müsstest noch erläutern, worum es bei dem Süppchen eigentlich geht.

Ich muss irgendetwas tun“, dachte der Große Magier, „und zwar ganz anders als bisher, sonst gelingt es mir nicht, ein rechtes Süppchen zu kochen“.

Das gilt auch für Deinen Schluß. Da musst Du wohl noch einmal ran.

Gruß
Jörg

 

Sehr gute Geschichte, hat mich herrlich amüsiert.
Ich finde, sie würde viel besser in Gesellschaft passen.

@Jörg

Bei deinem Post frage ich mich, ob du die Geschichte verstanden hast?!

Was die Suppe ist, ist doch wohl klar!

@all
Und das Ende, naja, ist vielleicht etwas optimistisch.
besser wäre es, wenn die Suppe in die Luft fiegen würde. so wie es demnächst wohl wirklich tun wird. ;)

Gruß

Tiacan

 

Hi Tiacan,

da muss ich Dir leider recht geben. Mir ist am Freitag der tiefere Sinn der Story tatsächlich entgangen.:sleep:
War wohl nicht mein Tag.:confused:

Danke für den Hinweis.


Gruß
Jörg

 

Hallo @ all,

Ich bedanke mich herzlich für eure Kritiken und Anmerkungen!

@ vita – ich hab’s verstanden und geändert, danke!

@ Jörg – Freitag war doch der 13.; :D
Glaube, aber aberglaube nicht,
kein Wunder, wenn’s dein Tag nicht ist.

@ Tiacan danke dir; so wollte ich die Suppe auch angerichtet wissen. Tja, scheint, der Kater hat gemauzt und die tolle Collecte ist (m)aut. Schaumermal, ob’s Süppchen explodiert (mal Latz umbinde wegen der Spritzer). :D
Hm, wegen „Gesellschaft“ habe ich auch überlegt, aber letztlich hat Faust des Ersten Hexenküche in mir gesiegt; kenne auch die Regeln nicht so genau, will sagen, wie präzise hier die Grenzen gezogen werden.
Dein Urteil hat mich erfreut, merci bien!

LG an alle
:)

 

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