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Der Lottogewinn

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23.10.2008
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Der Lottogewinn

Günter hockte unten in der Küche mit einem Bleistift und einem kleinen Block in der Hand, auf dem einige Ziffern notiert waren. Draußen war es fast dunkel, nur der gelbliche Schein einer Straßenlaterne war noch zu sehen und die letzten Reste von Blau schimmerten durch die Wolkenschleier. Endlich wurden die Zahlen gezogen! Gebückt, aber aufmerksam saß er vor dem kleinen Fernseher, der den engen Raum ausleuchtete. Plötzlich rief seine Frau von oben etwas, aber Günter wollte es nicht hören. „Dumme Kuh“, dachte er, „stör mich nicht und strick weiter.“. Ein kurzer Schluck aus der Bierflasche, dann ging es los. „Die erste Zahl ist die 11.“, sagte die blonde Frau im Gerät. Günter hakte zufrieden eine Zahl auf dem Block ab. Schon ging es weiter. „Die 7.“. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein breites Gesicht. Die Kugeln auf dem Bildschirm rotieren wieder. „Die 14.“, tönte es aus dem TV. Günter schüttelte den Kopf. Wieder der bekannte Anblick aus schwarzen Zahlen, bis eine kunstvoll aus dem Gewirbel herausfiel und hinter den anderen weißen Kugeln auf einem Metallgestell landete. „Die 29.“. Ungläubig starrte er auf das gelbliche Papier. Er nahm einen langen Schluck aus der Flasche und betrachtete den Schreibblock, indem er ihn am Arm ausstreckte. Die Wanduhr tickte laut. „Die nächste Zahl ist die 2.“. Ein kräftiges „Ha!“, hallte durch die Küche. Sigrid rief von oben „Ist alles in Ordnung?“. Sofort war Günter wieder bei sich. Nun die letzte Zahl! Das wäre doch der absolute Hammer, einfach nicht zu fassen. Das war ja so schon kaum zu glauben. Fünf Richtige! Nicht schlecht. Aber was wären erst sechs Richtige? Ich muss mich zusammenreißen, egal, was passiert, ging es ihm durch den Kopf. Seine Hand umklammerte die kalte Bierflasche so fest, dass das Papieretikett zusammengedrückt wurde. „Und zum Schluss die 22.“. Günter saß nun aufrecht und ließ den Kopf nach hinten an die Wand fallen. Er starrte auf die gelbliche Decke. Sechs Richtige! Unfassbar. Im Fernseher war wieder das Rasseln der Kugeln zu hören, scheinbar eine Ewigkeit lang. Was man damit alles machen konnte. Urlaub überall, vielleicht der Anbau, ein neues Auto, wieder Motorrad fahren, vor allem die ganzen Schulden mit einem Schlag weg. „Die Zusatzzahl ist die 4.“ Nein, das gibt es einfach nicht! Das kann nicht sein. Das geht nicht. Sterne tanzten vor Günters Augen, er hatte das Gefühl, neben sich zu stehen. Den Block hatte er fallen gelassen, denn diese Zahlen kannte er längst auswendig. Immer wieder sagte er sie leise vor sich hin. „Diese Angaben sind wie immer ohne Gewähr!“, erklang ein letztes Mal die weiche Stimme der Lottofee. Aber das hörte er nicht mehr. Den letzten Schluck Bier behielt er lange im Mund und dabei starrte er aus dem Fenster. Es war mittlerweile völlig dunkel draußen. Das war also der Moment des absoluten Triumphes. Günter versuchte sich zu sortieren. Gut, alle Zahlen richtig, plus Zusatzzahl. Das war unglaublich! Einfach unglaublich! Aber jetzt bloß nicht laut schreien, dann würde Sigrid alles mitbekommen. Den Opel könnte Gert haben, den brauche ich eh nicht mehr. Jetzt ist ein Mercedes angesagt, mindestens. Was werden die alle im Verein sagen? Die werden sagen, Günni, du verarschst uns doch! Sechs Richtige mit Zusatzzahl. Damit geht alles. Wirklich alles. Am besten neu anfangen, weit weg von hier und vor allem weit weg von Sigrid. Die Kinder sind aus dem Haus, also was soll`s? Dahin, wo es schön warm ist und dieses Mal alles richtig machen. Das Geld wird eine Eintrittskarte ins Paradies. Eine wohlige Wärme durchfuhr Günters Körper, ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit. Ein lang anhaltendes Grinsen stand in seinem Gesicht. Er dachte kurz an seine Frau Sigrid und wie es wohl ohne sie in diesem Paradies wäre. Zufrieden schloss er die Augen und atmete tief ein. Endlich, endlich. Günter, du hast es geschafft.

Sigrid rief nun wieder von oben, diese Mal noch lauter. Sie war mittlerweile direkt an die Treppe getreten, mit dem Strickzeug in der Hand. „Günter, wir haben vergessen, den Schein abzugeben, der liegt hier noch!“

 

Hallo Torqueflite,

herrlich. Ich gönn's dem Günni! :lol:

Mir ist das viele Gelb aufgefallen in deiner Story:
der gelbliche Schein einer Straßenlaterne, das gelbliche Papier, die gelbliche Decke.
So richtig schön ... börks.

Formalkram:
"heraus fiel" würde ich zusammenschreiben, ebenso wie "zusammen reißen".

LG, Anne

 
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Danke Dir, Anne49! Mit der RS der Verben habe ich es tatsächlich nicht so .... :)

Ja, das Gelb. Die gelben Zähne und den gelblichen Zigarettenstummel konnte ich mir soeben noch verkneifen. :lol: Mir fällt das jetzt erst auf. Eigentlich wollte ich hier mal nicht die Farbsymbolik strapazieren.

LG zurück

T.

 

Hej Torqueflite,

es ist schon eine äußerst deprimierende Geschichte. Gar nicht mal weil Günni keine sechs Richtigen mit Zusatzzahl nicht gewonnen hat, sondern weil du seine Lage traurig schilderst. Günnis Wut gegen Sigrid, als kleine Zimmer.

Wieder der bekannte Anblick aus schwarzen Zahlen, bis eine kunstvoll aus dem Gewirbel heraus fiel und hinter den anderen weißen Kugeln auf einem Metallgestell landete.

Nicht schlecht dargestellt. ;) In diesem Fall finde ich es sogar gut, dass alle sieben Zahlen Ziffern sind.

Seine Hand umklammerte die kalte Bierflasche so fest, dass das Papieretikett zusammengedrückt wurde

Gute Spannung. Ich sehe ihn förmlich. Er trägt vermutlich nur ein vergibtes Unterhemd, ähnlich der Farbe des Lichts von draußen.

Den letzten Schluck Bier behielt er lange im Mund und dabei starrte er aus dem Fenster.

Eine vorstellbare Reaktion.

Ein lang anhaltendes Grinsen stand in seinem Gesicht.

Hier passt das Grinsen gut, zu diesem Zeitpunkt, während er nach der ersten gezogenen Zahl doch eher lächeln könnte. Also eben nicht beide Male dasselbe Wort vielleicht?

Es gefällt mir gut, wie du die Geschichte enden lässt.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
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Danke Kanji für Dein Feedback!

Du hast völlig Recht, "grinsen" ist doch auch zumindest etwas negativ konnotiert, daher passt es am Schluss besser, (vielleicht grinst er gar diabolisch) ich habe Günter jetzt zu Beginn tatsächlich "lächeln" lassen.

Er trägt vermutlich nur ein vergibtes Unterhemd

GENAU SO habe ich es gemeint! :thumbsup: Ich liebe diese kleinen Alltagsmomente und das Ordinäre sowie diese Figuren, die einfach nur "raus wollen".

Grüße!

T.

 

Hi torqui,
Also, mir hat deine Geschichte gefallen. Ein schöner, leichter Happen für zwischendurch :3
Komische Stellen:

Nun die letzte Zahl!
Wird das wirklich gerufen?

Den alten Opel könnte Gert haben, den brauche ich eh nicht mehr, dachte Günter.
Ich verstehe schon, dass er das denkt. Das mit dem „dachte“ ist unnötig.

Ich hoffe, dir konnte das helfen.
LG,
alexei

 
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alexei: Danke für Deine Hinweise und Deine netten Worte. Ja, ich bin ein Freund der kurzen und knackigen Texte, ein Fan von literarischem Fast Food sozusagen. Die Lunte muss kurz sein bei mir, das gilt für`s Schreiben und auch für`s Lesen.

Deine Vorschläge habe ich schon umgesetzt, klingt logisch. Ich habe auch das Wort "alten" vom Opel getrennt, so viel Klischee muss nicht sein. Opel ist für manche schon schlimm genug ... :lol:

Aber:

Nun die letzte Zahl!
... das sind Gedanken (erlebte Rede?!?) von Günter, keine wörtliche Rede aus dem TV. Was da genau gesagt wird, wollte ich mir mal anschauen, damit es inhaltlich auch korrekt zugeht.

Grüße

T.

 

Hallo Torqueflite,

nicht schlecht erzählt, vor allem der Ablauf bei der Ziehung der Lottozahlen.

Das Ende mit der vergessenen Abgabe des Tippscheins war für mich voraussehbar. Natürlich musste die Frau schuld daran sein. In dieser düsteren Ehe ist ja immer die Frau schuld:D. Was wäre, wenn er selber den Schein verschludert hätte?

Wer weiß, ob die Geschichte nicht noch viel schrecklicher ausgegangen wäre, wenn dieses Paar tatsächlich Millionen gewonnen hätte. Ich sehe Tragödien am Horizont, Mord und Totschlag. Den wenigsten bekommt ein plötzlicher Millionengewinn. Also, wenn du die Geschichte ausbauen möchtest ...

Allerdings solltest du den Text lesefreundlicher gestalten. Absätze, wörtliche Rede in eigenen Zeilen setzen zum Beispiel. So ein Textblock kann sehr abschreckend wirken.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

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