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Der Lottogewinn
Günter hockte unten in der Küche mit einem Bleistift und einem kleinen Block in der Hand, auf dem einige Ziffern notiert waren. Draußen war es fast dunkel, nur der gelbliche Schein einer Straßenlaterne war noch zu sehen und die letzten Reste von Blau schimmerten durch die Wolkenschleier. Endlich wurden die Zahlen gezogen! Gebückt, aber aufmerksam saß er vor dem kleinen Fernseher, der den engen Raum ausleuchtete. Plötzlich rief seine Frau von oben etwas, aber Günter wollte es nicht hören. „Dumme Kuh“, dachte er, „stör mich nicht und strick weiter.“. Ein kurzer Schluck aus der Bierflasche, dann ging es los. „Die erste Zahl ist die 11.“, sagte die blonde Frau im Gerät. Günter hakte zufrieden eine Zahl auf dem Block ab. Schon ging es weiter. „Die 7.“. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein breites Gesicht. Die Kugeln auf dem Bildschirm rotieren wieder. „Die 14.“, tönte es aus dem TV. Günter schüttelte den Kopf. Wieder der bekannte Anblick aus schwarzen Zahlen, bis eine kunstvoll aus dem Gewirbel herausfiel und hinter den anderen weißen Kugeln auf einem Metallgestell landete. „Die 29.“. Ungläubig starrte er auf das gelbliche Papier. Er nahm einen langen Schluck aus der Flasche und betrachtete den Schreibblock, indem er ihn am Arm ausstreckte. Die Wanduhr tickte laut. „Die nächste Zahl ist die 2.“. Ein kräftiges „Ha!“, hallte durch die Küche. Sigrid rief von oben „Ist alles in Ordnung?“. Sofort war Günter wieder bei sich. Nun die letzte Zahl! Das wäre doch der absolute Hammer, einfach nicht zu fassen. Das war ja so schon kaum zu glauben. Fünf Richtige! Nicht schlecht. Aber was wären erst sechs Richtige? Ich muss mich zusammenreißen, egal, was passiert, ging es ihm durch den Kopf. Seine Hand umklammerte die kalte Bierflasche so fest, dass das Papieretikett zusammengedrückt wurde. „Und zum Schluss die 22.“. Günter saß nun aufrecht und ließ den Kopf nach hinten an die Wand fallen. Er starrte auf die gelbliche Decke. Sechs Richtige! Unfassbar. Im Fernseher war wieder das Rasseln der Kugeln zu hören, scheinbar eine Ewigkeit lang. Was man damit alles machen konnte. Urlaub überall, vielleicht der Anbau, ein neues Auto, wieder Motorrad fahren, vor allem die ganzen Schulden mit einem Schlag weg. „Die Zusatzzahl ist die 4.“ Nein, das gibt es einfach nicht! Das kann nicht sein. Das geht nicht. Sterne tanzten vor Günters Augen, er hatte das Gefühl, neben sich zu stehen. Den Block hatte er fallen gelassen, denn diese Zahlen kannte er längst auswendig. Immer wieder sagte er sie leise vor sich hin. „Diese Angaben sind wie immer ohne Gewähr!“, erklang ein letztes Mal die weiche Stimme der Lottofee. Aber das hörte er nicht mehr. Den letzten Schluck Bier behielt er lange im Mund und dabei starrte er aus dem Fenster. Es war mittlerweile völlig dunkel draußen. Das war also der Moment des absoluten Triumphes. Günter versuchte sich zu sortieren. Gut, alle Zahlen richtig, plus Zusatzzahl. Das war unglaublich! Einfach unglaublich! Aber jetzt bloß nicht laut schreien, dann würde Sigrid alles mitbekommen. Den Opel könnte Gert haben, den brauche ich eh nicht mehr. Jetzt ist ein Mercedes angesagt, mindestens. Was werden die alle im Verein sagen? Die werden sagen, Günni, du verarschst uns doch! Sechs Richtige mit Zusatzzahl. Damit geht alles. Wirklich alles. Am besten neu anfangen, weit weg von hier und vor allem weit weg von Sigrid. Die Kinder sind aus dem Haus, also was soll`s? Dahin, wo es schön warm ist und dieses Mal alles richtig machen. Das Geld wird eine Eintrittskarte ins Paradies. Eine wohlige Wärme durchfuhr Günters Körper, ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit. Ein lang anhaltendes Grinsen stand in seinem Gesicht. Er dachte kurz an seine Frau Sigrid und wie es wohl ohne sie in diesem Paradies wäre. Zufrieden schloss er die Augen und atmete tief ein. Endlich, endlich. Günter, du hast es geschafft.
Sigrid rief nun wieder von oben, diese Mal noch lauter. Sie war mittlerweile direkt an die Treppe getreten, mit dem Strickzeug in der Hand. „Günter, wir haben vergessen, den Schein abzugeben, der liegt hier noch!“