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Der Leviathan von Nova Concordia

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12.02.2004
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Der Leviathan von Nova Concordia

Numeri 16, 32

Nova Concordia, zwölf Lichtjahre vom Zentrum der Föderation entfernt im Sonnensystem Cagri 2 gelegen, viele Arten von Gemüse exportierend und vor 60 Jahren noch Kolonie, erlebte wieder einmal eine Regierungskrise. Der Senat diskutierte ein Misstrauensvotum. Der Oppositionsführer prangerte die stümperhafte Haushaltspolitik der Regierung an. Das ging nun so seit einigen Stunden. Man fürchtete ihn wegen seiner Pedanterie und wegen eines phänomenalen Gedächtnisses für Fakten. Äußerlich verliehen ihm sein Bart und sein ausgeprägter Kiefer das Aussehen eines vorsintflutlichen Raubtiers. Unbeirrbar hallte seine Stimme in den konzentrischen Sitzreihen wider:
"... gab S., ein Beamter im Finanzministerium an, wie sie im Bericht des Untersuchungsausschusses nachlesen können, von der Ministerin selbst den Auftrag bekommen zu haben, alle Daten über Geldflüsse in ein geheimes militärisches Projekt mit dem Codenamen 'Leviathan' verschwinden zu lassen. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was will die Regierung vor uns verbergen? Wollen wir wirklich weiterhin zusehen, wie Unsummen in dubiose Projekte fließen, während der Staatshaushalt Jahr für Jahr ein neues Rekorddefizit aufweist?"

Die Vorsitzende der "Partei für Reformen" lehnte entspannt in ihrem Stuhl, kaute am Bügel ihrer antiken Brille, lächelte von Zeit zu Zeit zu den Reihen der "Demokratischen Union" hinüber. Dort freilich verrieten die Gesichter wenig Begeisterung.

Und der Premierminister selbst? Gab er sich schon geschlagen? Dieser nichtssagende Mann, der seit drei Jahren regierte und mit dem nicht einmal die Karikaturisten etwas anfangen konnten. Immerhin betätigte er sich manchmal als Vermittler in Krisenregionen (Erde, Alpha Centauri usw.). Er war einer von diesen Parteisoldaten. Vor zwei Jahren hatte er dann einen Politikberater, einen gewissen "Ndok" aus dem Elysium-Nebel, engagiert. Dessen Methoden galten als unorthodox aber wirkungsvoll ...

Als sein Kontrahent endlich fertig war, ging der Premierminister zur Rednertribüne, räusperte sich. Ohne auch nur einen Kommunikator bei sich zu haben, oder den Holo-Teleprompter zu benutzen, begann er zu sprechen: "Sehr geehrter Herr Vorsitzender, geehrte Abgeordnete! Sollte Schadensbegrenzung Ihr Anliegen sein, würde ich Ihnen raten, auf schnellstem Weg die Plätze der Opposition zu verlassen."

Spöttisches Gelächter im Plenum. Weiter oben, auf den Zuschauertribünen, saßen Reporter, manche aus weit entfernten Welten und musterten den Premier mit Aasgeierblicken. Sensoren vermaßen Körpersprachen. "Er scheint ja gut in Form zu sein", flüsterte der Korrespondent von "Neue Horizonte" seinem Aufnahmetechniker, einem Lauscher vom Planeten Uria 3, zu.

Plötzlich zerriss ein Unheil verkündendes Ächzen die Luft. Der Fußboden knirschte! Tumult brach aus. Schreie ausstoßend sprangen die Abgeordneten von ihren Plätzen. Manche stürzten über die Sitzreihen hinweg auf den Ausgang zu. Lautsprecher dröhnten. Der Fußboden brach auf! Während die gesamten Abgeordneten der Oppositionsparteien in das Loch im Boden stürzten, oder ihm entkommen wollten, rief der Vorsitzende scharf nach Ordnung.

Dann Totenstille! Alle Augen schauten auf den riesigen Krater. Auch Teile der Außenwand stürzten ein. Über die verbliebenen Reihen im Saal legte sich eine Staubschicht. Das Publikum auf den Rängen saß da wie vom Donner gerührt.
Nur die Schritte des Premierministers hallten durch den Saal, als er unter verstörten Blicken, vor allem der Kritiker in der eigenen Partei, an seinen Platz zurückkehrte.

Dann ertönte die Stimme des Vorsitzenden: "Meine Damen und Herren! Bitte schreiten Sie zur Abstimmung!"

 

Etwas kurz und abrupt endent, oder? Lustige Demokratie, wo man die Opposition einfach im Erdboden verschwinden lässt ...

Na, also außer "amüsant geschrieben" fällt mir da wirklich nichts zu ein. Ist mir zu wenig, oder ich übersehe die Metapher vor lauter Politiker nicht :cool:

 

Hallo Berg

"... gab S., ein Beamter im Finanzministerium an, wie sie im ...
Abgekürzte Namen zwecks Anonymisierung sind in der direkten Politrede wohl eher unüblich. Ich empfehle S. entweder ganz weglassen oder dann ausschreiben.

wegen eines phänomenalen Gedächtnisses für Fakten
Ich finde: "seines phänomenalen Gedächtnisses" liest sich besser.

Jo, interessante Idee, die wohl bereits in der Gegenwart so manchem Politiker ("wenn man doch nur diese ganzen ...") durch den Kopf gegeistert ist. Aber ausser einer Vision einer in die Zukunft portierten "konstitutionellen Demokratie" ist da nicht viel Fleisch an der Geschichte.

Gruss.dot

 

:lol:

Nova Concordia, zwölf Lichtjahre vom Zentrum der Föderation entfernt im Sonnensystem Cagri 2 gelegen, viele Arten von Gemüse exportierend und vor 60 Jahren noch Kolonie, erlebte wieder einmal eine Regierungskrise.
Dieser Satz als Einstieg fegt fast alles Hinweg, was man gegen diese Nicht-ganz-Geschichte einbringen könnte... So etwas kann auch wirklich nur von dir kommen. ;)

Hi Berg

Also ich hätte das "Projekt Leviathan" gleich "Projekt Abyssos" oder besser gleich "Projekt Loch" genannt. :D
Die Moral von der Geschicht': Man nehme Hobbes ja nicht wörtlich.
Einziger Kritikpunkt:

Schreie ausstoßend sprangen die Abgeordneten von ihren Plätzen.
Solche sperrigen Passivkonstruktionen kann ich auf den Tod nicht leiden.

Greetz
omno

 

Hi Berg,

mir hat's in aller Kürze gefallen. Kurzer Spannungsbogen, Pointe, nett.

Kleinkram:

Und der Premierminister selbst? Gab er sich schon geschlagen? Dieser nichtssagende Mann, der seit drei Jahren regierte und mit dem nicht einmal die Karikaturisten etwas anfangen konnten.
Die Ellipse im letzten Satz scheint mir unpassend, da Du ja zunächst einen länglichen, korrekten Stil anfängst: entweder an einen der vorigen oder folgenden Sätze anschließen. Also am besten den sperrigen Stil voll durchziehen.

Grüße
Naut

 

Hi. Muss meine Kritik der Länge des Textes anpassen:

Knochen. Mehr Idee als Geschichte. Nett. :D

D.

 

Vielen Dank für Eure Reaktionen! :)
Werde mir mal überlegen, wie man eine etwas vollständigere Geschichte daraus machen könnte. Die Idee mit der Opposition, die plötzlich ausgelöscht wird, ist mir nach einer Zugfahrt mit Herumlesen in der Bibel gekommen. Unter Moses ist man mit Andersdenkenden genau so umgesprungen. ;)

 

Ich fand's amüsant, vor allem die Beschreibung des Redners am Anfang ist dir gut gelungen, und dann das Ohne-viel-Federlesen. ;) Ist denke ich, schon fast eine Metapher, eine recht simple: Wer die Macht hat, hat die Macht.
Bleibt schon Skizze, aber eine gelungene.

Gruß
Quinn

 

Hi Berch,

hat mir gemundet, der kleine Happen. Ich schließe mich allerdings meinen Vorp :sealed: ;)
Das auszubauen stelle ich mir allerdings schwierig vor. So weittragend ist die Idee ja nun auch nicht. Manchmal sind Häppchen leckerer als volle mahlzeiten :)

Meine Lieblingsstelle:

nd mit dem nicht einmal die Karikaturisten etwas anfangen konnten.
geklaut oder von dir?

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Quinn und weltenläufer,

das freut mich und erspart mir Arbeit. Gar so toll ist der Hinweis auf die Karikaturisten auch wieder nicht. ;)

lg Berg

 

Hey Berg!

Ach, ausbauen würd ich's auch nicht. Bei mir hat's wirklich gezündet. Das baut sich alles unterhaltsam auf, und die Pointe ist auch gelungen. Alles kommt zur rechten Zeit und hat den Raum, den's braucht.

Sitz, passt, hat Luft. Ich fand's echt gelungen. :)

Und das hier ist schlicht einer der schönsten Sätze seit langem:

Nova Concordia, zwölf Lichtjahre vom Zentrum der Föderation entfernt im Sonnensystem Cagri 2 gelegen, viele Arten von Gemüse exportierend und vor 60 Jahren noch Kolonie, erlebte wieder einmal eine Regierungskrise.
Alles gesagt. So kurz, prägnant und augenzwinkernd kann's gehen.

Bis denne,
Fisch

 

Nun ja, ich kann da leider nicht viel mit anfangen. Für eine Welt in der Zukunft kommen mir zu viele Begriffe aus dem Heute vor. Ich werde nicht entführt von der Geschichte.
An einigen Stellen nerven die erwähnten Passivkonstruktionen, an anderen gefällt mir die Schreibweise nicht:

erlebte wieder einmal
Das ging nun so seit einigen Stunden.
das Aussehen eines vorsintflutlichen Raubtiers.
Ich persönlich versuche, diese Art des Beschreibens zu vermeiden.

Über das Ende decke ich den Mantel des Schweigens.

Soweit von mir.
Grüße
Harri

 

Hallo Fisch,

freut mich, dass es Dir gefallen hat! :)

Hallo HarriG,

Ich persönlich versuche, diese Art des Beschreibens zu vermeiden.
Dann hoffe ich doch, dass wir hier einiges von Dir zu lesen bekommen werden, damit Leute wie ich nach dem Vorbild Deiner Texte ihren Stil verbessern können. ;)

Freundliche Grüße vom

Berg

 

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