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Der letzte Tag

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23.07.2003
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Der letzte Tag

Der letzte Tag

Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch das Schlafzimmerfenster. Es würde ein wunderschöner Sommertag werden...

Meine Freundin und ich streckten unsere Glieder und waren sofort hellwach. Wir hatten beide gut geschlafen, waren ausgeruht, voller Kraft und Unternehmungslust.

„Ein schönes Frühstück wäre jetzt nicht schlecht“, meinte ich gutgelaunt.

„In der Küche sind bestimmt noch ein paar Reste von gestern“, entgegnete sie fröhlich.

„Gut – lass uns mal nachsehen. Kommst du mit?“

„Klar komme ich mit. Schließlich habe ich ebenfalls Hunger! Etwas Marmelade oder Honig wären nicht übel, gegen Wurst oder Käse hätte ich auch nichts.“ Sie sah mich mit gierigen Augen an.

Kurze Zeit später rochen wir in der Küche den Duft des frischen Kaffees, auf dem Tisch standen Butter, frischer Toast, Marmelade, Milch, Honig, ein riesiger Teller mit Schinken und hauchdünn geschnittenen Salamischeiben.

„Na, dann wollen wir mal“, sagte ich. Wir ließen uns beide am Tischrand nieder. Meine Freundin saß mir gegenüber – ganz still – und sah mich ängstlich an.

„Was ist?“, fragte ich sie etwas erstaunt. „Ich dachte, du hättest Hunger.“

„Ich glaube, wir sollten vorsichtig sein“, flüsterte sie mir zu.

„Weshalb denn?“

„Ich weiß es nicht genau – aber ich habe so ein komisches Gefühl in der Magengegend...“ Ihr Flüstern war jetzt fast nicht mehr zu hören.

„Ach, was du dir wieder alles so einbildest! Da ist doch...“

Jäh unterbrach ich den Satz und erschrak, jede Nervenfaser in mir war augenblicklich zum Zerreißen gespannt und ich musste schlagartig erkennen: Ihre weibliche Intuition war der meinen wieder einmal haushoch überlegen gewesen, denn im Türstock stand plötzlich ein baumlanger Kerl. Er hielt eine Sprühdose in der Hand.

„Nichts wie weg hier!“ rief ich meiner Freundin zu. Wir flüchteten, so schnell wir konnten, von der Küche ins Wohnzimmer.

„Was machen wir jetzt?“ Meine Freundin sah mich ratlos an.

„Wir bleiben hier ganz ruhig sitzen. Dann geschieht uns nichts. Der Typ verschwindet sicher bald wieder.“

Fast gleichzeitig hörten wir beide dieses leise, verräterische Zischen...

„Wir müssen hier schnellstens raus!“ rief ich meiner Freundin zu.

„Aber hier können wir nicht raus. Es ist nirgends eine Tür oder ein Fenster offen“. Ihre Panik war nicht zu überhören.

„Mach schon, wir nehmen den Weg durch die Küche. Dort ist ein Fenster gekippt. Habe ich vorhin gesehen – aber schnell, sonst ist alles zu spät!“

Der penetrante Geruch von Pyrethrum lag bereits schwer in der Luft. Mir wurde speiübel...

Wir flogen los – ich voraus. Im Steigflug von fast 80 Grad mit sirrenden Flügeln rasten wir in Richtung Küche, mir wurde schwindlig, und gerade als ich eine sanfte Linkskurve in Richtung Küchenfenster einleiten wollte, sah ich mit den hinteren Facettenaugen verschwommen, dass meine Freundin abgestürzt war. Sie lag rücklings auf den Küchentisch, nicht weit vom Marmeladenglas entfernt, streckte ihre Beine in die Luft, durch ihren Körper ging ein krampfartiges Zucken, ihr Rüssel hing nur noch schlaff an ihrem Kopf, sie drehte den Körper, versuchte noch einmal, auf die Beine zu kommen, ein letztes verzweifeltes Schwirren der Flügel – dann war sie tot.

Um mich herum wurde es schwarz. Ich fühlte, dass es auch für mich zu spät war; auch ich hatte das Gift bereits im Körper und es entfaltete seine grauenvolle Wirkung, langsam – aber tödlich sicher...
Im Blindflug versuchte ich, das offene Fenster zu erreichen, doch meine Flügel gehorchten mir nicht mehr – ich flog an die Zimmerdecke, prallte ab und landete mehr fallend als fliegend in der offenen Butterdose.

Das letzte, was ich wahrnehmen konnte, war eine Stimme aus weiter Ferne, wie durch einen Wattebausch: „Dieses Jahr sind diese gottverdammten Fliegen aber wirklich lästig!“

 

Hallo Sprenzi!
Erst einmal möchte ich sagen wie toll ich es finde, dass ein immerhin veröffentlichter Autor, der einige Erfolge auf dem Sektor vorzuweisen hat, sich hier wie ein "normaler" User gebärdet. Das mag dich Wunder nehmen. Aber ich darf dir versichern, dass einige Male andere Autoren auf Kritik an ihren Geschichten sehr verärgert reagierten: "MEINE Texte werden veröffentlicht, deine nicht! Was ficht dich an, du Wurm?"
So, das musste mal erwähnt werden!
Dies hier ist nicht die erste deiner Geschichten, die ich lese. Manchmal warte ich mit Kritiken und verschaffe mir eine Art Überblick betreffs des literarischen Schaffens eines Autoren, um sprachliche, inhaltliche, stilistische Tendenzen zu erkennen.
Um den Bogen zu deinen Geschichten zu schlagen: Sie sind in dem von dir propagierten, leicht verständlichen Stil geschrieben. Teilweise artet das jedoch in einem etwas zu lockeren Plauder-Stil aus, was hier nicht der Fall ist. Es ist reine Geschmackssache, doch ziehe ich "gehobenen" Stil eher vor, an dem ich mich nachgerade delektieren kann. Grundsätzlich kein Einwand jedoch: Gut und flüssig geschrieben! Orthographisch sind deine Geschichten sauber (abgesehen von Flüchtigkeitsfehlern, die jedem passieren) - leider keine Selbstverständlichkeit! Bei manchen Autoren hege ich das Gefühl, sie führen einen erbitterten Guerilla-Krieg gegen sämtliche Rechtschreibregeln.
Inhaltlich habe ich doch ein Problem mit jenen Storys, die ich bislang las: Der Humor kommt bei mir nicht wirklich rüber, wenn du verstehst. Dieser verlässt sich für meinen Geschmack zu sehr auf Allgemeinplätze, Klischees, Vorurteile, ohne Eigendynamik oder frische Ideen einzubringen.
Mit dieser Story habe ich ein ganz spezifisches Problem: Es gibt bereits unzählige Storys alleine auf dieser Seite, wo sich "überraschend" herauskristallisiert, dass die Protagonisten keine Menschen sind, sondern Tiere, Pflanzen, was auch immer. Ist natürlich nicht deine Schuld, doch ich kann inzwischen solche Pointen-Geschichten einfach nicht mehr lesen.

Um ein erstes Fazit zu ziehen: Man merkt, dass du Routine hast und dir bei deinen Geschichten etwas denkst (ja, auch dies ist leider keine Selbstverständlichkeit). Der zündende Funke, damit ich die Geschichten wirklich überzeugend finde, ist bislang nicht übergesprungen. Nette Literatur für Zwischendurch - jedoch nichts, was mich dazu anhält, alles um mich herum zu vergessen oder die Story immer wieder zu lesen. Und das sind für mich die Kriterien, die mich in einen Text verlieben lassen.

 

Hallo Rainer,

danke für Deine Kritik und für´s Lesen.

Die Frage ist: Warum sollte ich mich nicht wie ein "normaler" User gebärden? Auch als "veröffentlichter" Autor bleibt man ein Mensch unter Menschen. Wenn ich auf die Toilette gehe, habe ich anschließend das Gleiche in der Schüssel wie Du auch, äh.. ja - doch.

Wenn sich jemand so verhält, wie Du´s beschrieben hast und glaubt, er sei was "Besseres", weil er schon mal veröffentlicht wurde, dann ist er nichts "Besseres" sondern genau genommen eigentlich ein Rindvieh. Denn es gibt sehr, sehr viele supergute Autoren - was aber nichts nützt, wenn man nicht das Quäntchen Glück hat und den richtigen Lektor an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit findet. Ich denke aber mal, Leute solchen Schlages findet man doch eher selten...

Die von Dir genannten Ansprüche habe ich allerdings nie erhoben und Du hast es völlig richtig erkannt: Nette "Literatur" für Zwischendurch - sofern man bei meinen Geschichten überhaupt von Literatur sprechen kann. Sie müssen auch nicht "nachgerade delektabel" sein, sondern ich bin schon froh, wenn der Leser einfach schmunzelt - dann habe ich mein Ziel auch schon erreicht.

Liebe Grüße
Sprenzi

 

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