Der letzte Konflikt
„Gib mir mal die Milch!“, rief er und brachte sie dadurch nur noch mehr in Rage. Wütend blickt sie ihn an, ballt ihre linke Hand zur Faust und bewegt ihre rechte Hand zum Milchpaket. Dann greift sie es und stellt es ihm vor seinen Teller. „Du, willst du mein Brot haben? Du siehst so hungrig aus.“ „Nein, danke. Ich bin froh, wenn ich jetzt endlich mal zur Ruhe kommen kann, Schatz!“ Aufgebracht sieht sie in das kleine Kindergesicht.
Das Mädchen rührt nachdenklich in ihrer Frühstücksschüssel. „Ist alles klar?“ „Ja… Kannst du mir ein Spiegelei machen?“ Mit großen Augen blickt sie auf sie herab, „Ist das jetzt dein Ernst? Wieso kann man denn nicht einmal anständig frühstücken?!“ Lauten Gestampfes macht sich die Frau vom Frühstückstisch und marschiert in die Küche. Sie beginnt, das Ei zu braten.
>>Klirr<< „Was war das?!“ „Mama!! Alles ist voller Milch und das Glas ist kaputt!“ „Oh, habt ihr sie nicht mehr alle? Was soll das?!“ Schnellen Schrittes kommt sie zurück und sieht das Spektakel. „Das hab ich nicht extra gemacht...!“, wimmert er. Das Mädchen zieht auf dem Stuhl ihre Beine an den Körper und hält sich mit den Händen die Ohren zu. Mit voller Kraft schlägt die Frau den Jungen mit ihrer flachen Hand auf die rechte Gesichtshälfte. Sofort fängt er lautstark an zu heulen, „Aua!!“
Kurz blickt sie ihn an und atmet tief durch. Dann holt sie Küchenhandtücher und ein Kehrblech und reinigt den Boden, den Tisch und die Wand. Das Milchpaket kommt in den Müll, die Hose des Jungen in die Wäsche und eine neue Hose wird angezogen. Mit strengem Blick setzt sie sich wieder an den Tisch.
„Trink aus meinem Glas...“, schlägt das Mädchen ihm vor. Dankbar sieht er sie an. Während er sich mit der rechten Hand seine Wange hält, greift er mit der linken nach dem Glas, um daraus zu trinken. Als er fertig ist, stellt er sein Glas wieder vorsichtig auf den Tisch und blickt zu Boden. Das Mädchen und er beißen sich fest auf die Unterlippe. „Mami, ich gehe dir ein Wasser holen, ok?“, erwartungsvoll blickt der Junge sie an. Doch seine Mutter erwidert den Blick nicht im Geringsten und schaut stur geradeaus aus dem Fenster.
Enttäuscht macht sich der Junge auf den Weg in die Küche. Als er die Tür öffnet, beginnt er zu husten. Er muss nur kurz ans Waschbecken und etwas Wasser in einen Becher füllen. Gerade, als er am Herd, der Mikrowelle, dem Toaster und den Regalen vorbei ist, bleibt er abrupt stehen und blickt zurück. Kurz macht er einen Schritt zurück. „Nein, ich bringe Mama doch Wasser“, murmelte er und ging zurück zum Waschbecken.
Als er das Wasser eingeschüttet hat und seinen Weg zurück beginnen will, hört er ein Geräusch. Ohne sich etwas dabei zu denken, dreht er sich langsam um. Hält sich schon mal mit der rechten Hand die Wange. Licht, Hitze, Feuer. „Mama!!“, er schreit laut und nimmt die Hand von seiner Wange. Im selben Moment wirft er sein Wasser über das Feuer. Als die Frau in die Küche eintrifft, glaubt sie ihren Augen nicht zu trauen. Und als der Vater und das Mädchen sich zu verabschieden wissen, weiß sie nicht mehr, sich selbst zu trauen. Bis der Vater drei Wochen später aufwacht und ihre Nachricht liest. Ihre Nachricht aus Liebe. Ihre Nachricht für Frieden. Die Nachricht, die mit ihr gemeinsam ihren Sohn besuchte.