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Der Lernende
An manchem Tag pflegte der Meister sich einer seiner Novizen rauszusuchen und ihm die Kunst des Lebens darzustellen.
Und wahrlich wandelte er nicht lang entlang der Gärten jener recht stattlichen Institution, als er nicht umher kam einen seiner Schützlinge Trübsal blasend auf einer der hölzernen Bänke vorzufinden.
Wen, wenn nicht den Leidenden müsse man in die Kunst des Lebens einweihen?
Er ging nun zu und wurde sofort vom Novizen bemerkt. Und ja, dem Novizen war geläufig welch' Praxis sein Lehrmeister betrieb und war gar froh eine Ablenkung in Aussicht zu haben. Als der Novize nun aber den Mund öffnete, um vorab dem Meister seinen Kummer, den er im Herzen fühlte darzulegen, legte eben jener den Zeigefinger an die Lippen, schüttelte den Kopf und gab zu verstehen:
Nicht der Novize hätte die Weisheit mitteilen können, sondern er habe sie zu empfangen.
" Du sieht vor dir jenen Garten, der gefüllt ist mit allerlei verschiedenen Pflanzen, die dünn, die dick, die duftend, die blühend alle nebeneinander stehen. Du siehst dort das Gänseblümchen, das dort stehend in großer Zahl die Wiese zu dominieren scheint. Unweit dieses weißen Meeres, siehst du die Eiche, die dort stehend tausend Jahre den Garten geschmücket und den Lernenden Schatten gespendet. Im Mauerwerk dahinter siehst du das Unkraut, das dort stehend in des Mauerwerksloch seine Wurzeln schlug. Sage mir wer bist du, wenn du all dies hörest?"
Der Nozive dachte kurzatmig nach und sprach von Kummer bewegt:
" Ich bin das Unkraut in des Mauerwerksloch!"
Der Lehrmeister schauten den Novizen ernst an und erwiderte:
" Keinesfalls kannst du erwägen das Unkraut diesen Mauerwerkes zu sein! Du bist wie das Gänseblümchen dort. Und von allen dreien wird das Gänseblümchen zuerst sterben!"
Der Novize blickte verschreckt den Meister an und neigte beschämt den Kopf.
" Das Unkraut wirst du nicht los! Es ist resistent und immer wieder schlägt es seine Wurzeln in das Mauerwerk hinein, ob die Sonne nun scheinet, ob der Mond lacht oder der Regen hernieder gießt. Alles zieht vorüber als gehöre es nicht zur Natur des Unkrautes darauf zu reagieren. Die Eiche wiederrum ist oft einsam und alt, doch sie trägt soviel Würde und Stärke in sich und selbst im stärsten Wind bleibt sie standhaft und neigt nur sachte mit."
Der Lehrmeister schaute hinüber zu den Blumen und deutete auf sie:
" Das weiße Meer zu Füßen der Eiche ist jedoch nichts! Es ist nicht beständig, es schwankt und wankt und zerbricht bei kleinstem Unwetter. Die Blütenblätter muten Schönheit an und wahrlich kommen die Bienen in Scharen heran, doch mehr ist an ihnen nicht. Sie öffnen sich der Sonne und verschließen sich der Nacht und dem Regen. Sei nicht wie diese! Sei wie die starke Eiche und das resistente Unkraut!"
Der Lehrmeister stand auf, nickte dem Novizen zu und ging.
Der Novize flüsterte : "Ich werde wie Eiche und Unkraut sein und wachsen in derselben Zeit in der das Gänseblümchen bricht!"
Im Aufstehen fügte er demütig hinzu: " Ich bin ein Lernender!" und begab sich dann wieder auf seinen Weg.