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Der Leichenschmaus - Rache wird lauwarm serviert

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21.03.2021
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Der Leichenschmaus - Rache wird lauwarm serviert

I​

Anna langweilte sich zu Tode.
Wie passend, dachte die Vierzehnjährige, und sank ein Stück tiefer in den Ledersessel. Ihr Kopf wurde von der Rückenlehne nach vorn gedrückt, lustlos hingen die Arme an den Lehnen herab. Ein klopfendes Geräusch, als sie unrhythmisch mit den Hacken gegen das Fußteil des Sessels schlug.
»Spätzchen, hör auf damit. Setz dich vernünftig hin, du hängst da wie ein Schluck Wasser in der Kurve«, raunte Mama ihr im Vorbeigehen zu und verschwand mit einem Tablett voll Häppchen durch die Tür in Opas Esszimmer. Opas ehemaligem Esszimmer, denn Opa würde hier – oder sonst wo - nie wieder etwas essen. Bei Mamas Bitte verdrehte Anna die Augen und seufzte schwer, bewegte sich jedoch keinen Millimeter.
Sie schaute sich im Zimmer um. Kackbraune Schränke, kackbrauner Tisch. Glasvitrinen mit häßlichem Porzellanscheiß. Wie lange mussten sie noch hier bleiben? Wenn sie wenigstens ihr Handy wiederhaben könnte ... was würde sie jetzt dafür geben, mit Milli texten zu können. Dieser Langeweile entfliehen. Und Mamas schlechter Laune. Was war das bloß, dass sie heute so gereizt erscheinen ließ? Das fing bereits auf der Beerdigung an. Immer wieder hatte Anna bemerkt, wie Mama sich in der Kirche zu Papa hinüber gebeugt und etwas in sein Ohr geflüstert hatte. Bestimmt nichts lustiges, denn Papa hatte nicht gelächelt, sondern diese Aktionen mit wenigen Worten abgewürgt. Beim letzten Versuch von ihr hatte er den Kopf gedreht und Mama sogar einen seiner seltenen eiskalten Blicke zugeworfen, so dass sie schließlich verstummte.
Kein Grund, es an mir auszulassen, dachte Anna.
»Na meine Kleine, was treibst du feines?«, riß eine kratzige hohe Stimme sie aus ihren Gedanken.
Ein alter Sack im schwarzen Anzug starrte auf sie herab. Das faltige Gesicht lächelte, doch es waren die Glubschaugen, die Anna kurz schaudern ließen.
»Nichts. Chillen.«, antwortete sie abweisend. Was wollte der Vogel? Bestimmt einer von Opas uralten Freunden.
»Mir gefallen deine Zöpfe«, krächzte der Alte und lächelte breit, er streckte seine Finger in ihre Richtung aus. Auf dem Handrücken erkannte Anna blaue Adern, zudem sprenkelten braunschwarze Punkte die Haut. Ein schwach chemischer Geruch ging von den Fingern aus. Bäh! Sie rutschte ein Stück im Sessel zurück und setzte sich gerade auf, nahm einen ihrer beiden blonden Zöpfe und ließ ihn durch ihre Finger gleiten.
»Ich kannte da mal ein fesches Mädel, das hatte genau solch schöne Zöpfe wie du«, sagte der stinkende Alte und seine ausgestreckte Hand zitterte leicht.
»Ja? Wow. Das ist ja … interessant«, log Anna, duckte sich unter dem Arm des Mannes weg und glitt schnell aus dem Sessel. »Ich geh mal zu Oma«, sagte sie über die Schulter und ließ Glubschauge allein zurück.
Das Esszimmer war bei ihrem Eintritt voller Menschen. Männer und Frauen in schwarzen Anzügen, schwarzen Hemden oder schwarzen Kleidern, die sich leise zu zweit oder in Kleingruppen unterhielten. So ziemlich alle standen mit Porzellantellern in den Händen um einen großen Esstisch herum, auf dessen weißer Tischdecke sich jede Menge Essen türmte.
Schweinshaxe, Kartoffelklöße, Sauerkraut. Angeblich Opas Lieblingsessen.
Der Leichenschmaus.
Als Anna das Wort vor kurzem – nach Opas Tod - zum ersten Mal hörte, war ihr die Kotze hochgekommen. In ihrem Kopf hatte sich ein Bild von den Familienangehörigen geformt, die mit großem Appetit die Leiche des Verstorbenen aufaßen. Papa hatte ihr und Timmy dann erklärt, was es damit auf sich hatte, wo der Begriff herkommt.
Klingt trotzdem eklig, dachte Anna. Warum hat man das seit damals nicht einfach anders genannt … irgendwie nicer.
Beerdigungsabschlussessen. Zu lang.
Angehörigentreff. Lame.
After-Death-Party. Lit.
Direkt neben ihr, an der Tür zum Wohnzimmer, saß Oma in einem – kackbraunen – Sessel. Ihr schwarzes Kleid sah aus wie die Gardine eines Gothic Nerds, dachte Anna. »Hi Oma«, sagte sie.
Oma sagte nichts, starrte mit leerem Blick durch Anna hindurch, als stände sie gar nicht vor ihr.
»Oma?« Anna fuchtelte mit der Hand vor den Augen der Alten.
Ein wenig Leben kehrte zurück, sie öffnete langsam den Mund um etwas zu erwidern, zwei dünne Spuckefäden zogen sich von der Unterlippe zum oberen Zahnfleisch.
»Cchhh...Hava?«, kratzte es hervor. Mundgeruch. Widerlich.
»Anna! Ich bins, deine Enkeltochter? Hallo-ho?« Nicht zu fassen, die weiß nicht mal mehr meinen Namen, dachte Anna empört.
Jetzt zitterte ein Lächeln auf Omas Gesicht, Tränen stiegen ihr in die Augen und rannen über die runzligen Wangen.
»Hava! Das ich dich noch einmal sehen darf. Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht, das musst du mir glauben. Ich wollte ihn stoppen. Bitte verzeih mir Hava. Und sag deiner Mutter ...«
In diesem Moment beugte sich Glubschauge zwischen sie und Oma. Er legte eine seiner ekligen Hände auf Omas Schultern und stoppte sie in ihrem wirren Redefluss.
»Eva, das ist nicht Hava. Das ist Anna. Deine Enkeltochter.«
Oma blickte zu Glubschauge auf, Unsicherheit in den Augen. »Hava?«
»Mach dir keine Sorgen Eva«, sagte Glubschauge, »um Hava wurde sich gekümmert.«
Anna drehte sich um. Bloß weg von diesen beiden Langweilern.
Sie ließ den Blick wandern. Fast nur alte Menschen, ihr kleiner Bruder war das einzige Kind; und er hatte Anna noch nicht gesehen. Anna lächelte. Zeit für Rache, kleiner Pisser. Sie umkurvte ein paar fettärschige Tanten und schlich von hinten an ihn heran. Der Zwerg. Hatte auf dem Kirchenparkplatz mit seinem Gekreische dafür gesorgt, dass Mama ihr das Handy abgenommen hatte. So fest hatte Anna ihn gar nicht gekniffen. Dämliches Baby.
Sie pirschte sich an, bis sie direkt hinter dem Zehnjährigen stand. Dann spannte sie ihren Zeigefinger hinter dem Daumen an, führte ihre Hand hinter das Ohr des Knirps und ließ den Finger vorschnalzen.
»Aauuu!«, schrie Timmy und seine Hand fuhr zum Ohr.
Gespräche verstummten, Köpfe drehten sich in ihre Richtung. Auch Timmy drehte sich um. Beim Anblick seiner Schwester schoß ihm erst das Blut in die Wangen und kurz darauf Tränen in die Augen. Er fing an zu heulen.
Eine Hand packte Anna fest am Arm und zog sie weg von Timmy und den alten Knackern. Mama schliff sie in die menschenleere Küche. Eindeutig angepisst. Als die Tür hinter ihnen zufiel, ließ sie los.
»Aua! Spinnst du!«, rief Anna und rieb sich den Arm.
»Verdammt noch mal, hör auf damit!« machte Mama ihrem Ärger Luft. »Lass gefälligst deinen Bruder in Ruhe! Kann ich nicht mal einen Tag Frieden von euch haben?«
Rote Flecken hatten sich auf den Wangen gebildet und nachdem sie beim Wutanfall wild gestikulierte, strich sie nun eine blonde Strähne hinters Ohr. Sie seufzte. Ihr schwarzes Kleid raschelte leise. »Dieser ganze Tag ist sehr anstrengend für mich, da könntest du wenigstens ein bisschen Unterstützung leisten.«
»Ich will nach Hause. Wie lange dauert das hier noch?«, nölte Anna.
Erneut seufzte Mama. »Hör mal, dein Vater ...«
In diesem Moment ging die Küchentür auf und Papa kam herein. »Alles in Ordnung?«
Mama stand auf und hob abwehrend beide Hände, mit den Handflächen nach außen. »Sprich du mit deiner Tochter. Ich gehe wieder an die Front.« Als sie durch die Tür wollte, hielt er sie am Arm fest. Die beiden sprachen zwar leise, aber nicht so sehr, dass Anna es nicht mitbekam: »Ich hab dir schon gesagt, ich wusste nicht, dass die hier auftauchen«, wisperte Papa.
»Es ist genau das eingetreten, was ich prophezeit habe«, zischte Mama. »Hast du gesehen, was diese Kerle am Revers tragen?«
»Das ist nicht verboten ...«, setzte Papa an, doch Mama fiel ihm harsch ins Wort.
»Willst du mich verarschen? Bei den Typen kriege ich das kalte Kotzen!« Sie sah ihm in die Augen, dann fiel ihr Blick auf seine Hand an ihrem Arm. Papa ließ sie los. Schließlich blickte sie noch einmal kurz zu Anna und verließ die Küche.
Papa sah ihr für einen Augenblick nach, dann wendete er sich an Anna: »Na Spatz, wie fühlst du dich?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht.« Ihr war langweilig.
Er hockte sich vor sie, und fasste ihre beiden Schultern. Die Wärme seiner Hände sickerte durch den dünnen Stoff des schwarzen Kleids. »Vermisst du deinen Opa? Bist du traurig?«
»Keine Ahnung.« Nö, nicht wirklich. Sie hatte den dürren, mürrischen Mann nie als sympathisch empfunden. Es erschien ihr, so lange sie denken konnte, als hätte er ’nen Stock in seinem faltigen Arsch. Einen langen, dünnen Stock. Auch die seltenen Besuche bei Oma und Opa an den Weihnachtsfeiertagen oder zu Kaffee und Kuchen an jedem Ostersonntag hatten immer einen schlechten Beigeschmack. Denn Zuhause kam es zwischen Mama und Papa dann regelmäßig zum Streit. Meist war es Mama, die anfing zu schreien. Gottseidank hatte Anna ihr eigenes Zimmer im ersten Stock, so bekam sie nicht all zuviel davon mit. Ansonsten hätte das Gebrüll sie bestimmt wahnsinnig gemacht.
»Spatz, kannst Du mir einen Gefallen tun?«, fragte Papa.
»Was?«, antwortete sie genervt.
»Holst du Oma eine Decke aus dem Gästezimmer? Kannst Du das bitte für mich tun?«
Anna kam ein Idee. »Kann ich dann mein Handy wiederhaben?«
Papa stand auf. »Ich rede mit deiner Mutter.«
Gemeinsam verließen sie die Küche.

II

Im Esszimmer unterhielt sich Mama gerade mit einer der fetten Tanten, Timmy war nirgendwo zu sehen. Ein lauter Ruf ertönte aus einer Gruppe von alten Männern, die beim Panoramafenster beisammen standen.
»Auf Heinrich Hellstrom, den besten Hauptmann auf der ganzen Welt!«, rief ein dicker rotgesichtiger Sack im Anzug, und hielt ein Glas hoch, in dem eine bernsteinfarbene Flüssigkeit schwappte. Während Anna das Zimmer durchquerte, sah sie zu der Gruppe herüber.
»Auf Heinrich!« ertönte es aus einem halben Dutzend Kehlen, Gläser klirrten, als die alten Männer anstießen. Alle trugen schwarze Anzüge über weißen Hemden, doch auffällig waren die kleinen Anstecknadeln in Höhe der Brust. In Form und Farben der deutschen Flagge.
Schwarz. Rot. Gold.
Sie sah noch, wie Mama bei dem Ausruf des Dicken mit aufgerissenen Augen herübersah, dann stieß Papa zu der Gruppe und redete auf die Männer ein. Anna verließ das Zimmer, passierte das Wohnzimmer, bog rechts ab und ging den Flur entlang, wo sie das Gästezimmer wusste. Sie wollte gerade den metallenen Knauf drehen, da fiel ihr am Ende des Gangs etwas auf.
Opas Arbeitszimmer. Die Tür stand leicht offen.
Hier ist für euch Betreten verboten, dass das klar ist!, erinnerte sie sich an Opas Ansage vor Jahren. Noch nie hatte sie gesehen wie es darin aussah, sich aber schon damals gefragt, warum ein Raum in einem solch langweiligen Haus verboten war.
Neugierig nahm sie die Hand vom Knauf und ging den Flur entlang auf das verbotene Zimmer zu. Sie sah über ihre Schulter. Niemand hinter ihr. Mit einer Hand schob sie die Holztür weiter auf. Das Licht des Flurs schnitt eine Schneise durchs Dunkel. Weinroter Teppich, die Wände gesäumt von Schränken mit Glasfenstern. Ihr gegenüber ein massiver Schreibtisch – kackbraun.
Ein Geräusch.
Ein Klopfen, hölzern, aus Richtung des Tisches.
»Hallo?«, fragte sie argwöhnisch in den menschenleeren Raum hinein.
Niemand antwortete. Anna legte den Lichtschalter um, eine Lampe an der Decke erhellte das Büro in sanften Gelb. Sie machte einen Schritt vorwärts und schloß die Tür hinter sich.
Anna fröstelte. Hier drin war es deutlich kühler als auf dem Flur.
»Hallo?«, fragte sie erneut, diesmal etwas lauter.
Ein kurzes helles Kichern, es kam definitiv vom Schreibtisch.
Langsam umrundete Anna den Tisch, ihr Blick fiel dabei durch die Glasfenster der Wandschränke. Schwarz-weisse Fotos in silbernen Rahmen, alle zeigten Männer in Uniform, auf vielen erkannte sie Opa, nur deutlich jünger. Neben einem der Bilder lag in einer Schachtel eine silberne Medaille.
Sie erreichte die Vorderseite des Tisches, ein Bürostuhl füllte die Lücke in der Mitte, auf der Tischplatte lagen akkurat zur Kante ausgerichtete Schreibutensilien.
Ratlos sah sie sich um. Was hatte sie gehört?
Der Stuhl machte einen Satz auf Anna zu, panisch sprang sie zurück.
Timmys Gesicht, im Dunkel unter dem Schreibtisch. Ihr kleiner Bruder lachte sie aus.
»Du Arschloch!«, schrie Anna, ihr Herz pochte heftig. »Komm´da raus du Zwerg!« Verärgert, dass der Knirps sie drangekriegt hatte, packte sie seinen Arm und zerrte daran. Er wehrte sich.
»Lass´mich los!«
»Halt die Fresse!«
»Aua Anna, du tust mir weh´!«
»Komm´da raus!« Sie zog mit kräftigen Ruck, ein dumpfer Knall, als Timmys Stirn gegen das Holz krachte. Er fing an zu flennen.
Anna ließ seinen Arm los, ihr Bruder kroch unter dem Tisch hervor und hielt sich den Kopf.
Kein Blut. Nichts passiert. Heulsuse.
»Das sag´ich Mama!«, krähte Timmy und rappelte sich neben ihr auf.
»Mach´ doch, geh petzen, kleines Baby!«
Aus dem Augenwinkel sah Anna etwas auf dem Teppich unter dem Schreibtisch glänzen, dort, wo Timmy sich soeben noch versteckt hielt.
Ein goldener Schlüssel.
Sie ging in die Hocke und hob ihn auf. Klein, kein Zimmerschlüssel, eher wie für einen Schrank oder eine Vitrine.
»Was ist das?«, fragte Timmy und hörte augenblicklich auf zu weinen.
»Wonach sieht´s denn aus, Idiot?«, höhnte Anna und untersuchte das Metall auf ihrer Handfläche genauer.
»Wofür ist der?«, fragte Timmy.
»Woher soll´ich das wissen?, murmelte Anna, hatte sich jedoch in Gedanken soeben die selbe Frage gestellt. Den Schlüssel in der Hand, sah sie sich um. Der Schreibtisch hatte eine lange Schublade mit einem klitzekleinen Schloss, direkt unter der Platte. Anna startete einen Versuch. Kein Erfolg. Zu groß. Ihr Blick fiel auf die vier Schubladen, an der rechten Seite des Tisches. Nacheinander probierte sie die Schlösser aus, Timmy stand neben ihr, rieb sich die Stirn. Bei der untersten Schublade passte der Schlüssel.
»Hah!«, triumphierte Anna, drehte ihn herum und zog das Schubfach auf.
Vor ihr lag eine hölzerne Schatulle, glänzend poliert, von der Größe eines flachen Schuhkartons.
»Jackpot«, flüsterte Anna und hob die Box aus der Schublade auf die Schreibtischplatte. Ihr Gewicht überraschte Anna, das Kästchen war schwer. Timmy machte große Augen.
Behutsam klappte sie den Deckel auf, zwei kleine Scharniere an den Seiten hielten ihn an Ort und Stelle. Vor ihr lag ein Schatz. Eingeschlagen in schwarzen Samt sah sie einige Goldmünzen, ein paar uralte Fotografien, ein längliches Ledertui, aus dem ein Griff herausragte, sowie ein weiteres Kästchen aus Holz.
»Boah, ist das Gold?«, fragte Timmy.
Anna antwortete nicht. Sie war zu fasziniert von ihrem Fund, vorsichtig nahm sie die beiden Fotos unter den Goldmünzen hervor, um sie sich genauer anzuschauen. Die schwarz-weissen Bilder hatten einen wellenförmigen Rand. Auf dem ersten erkannte sie Opa, er und ein anderer Mann trugen Soldatenuniform, zwischen ihnen stand ein Mädchen mit blonden Zöpfen in Annas Alter. Beide Männer lächelten in die Kamera. Das Mädchen lächelte nicht.
Anna drehte das Foto um.
In verblasster Tinte stand dort: Hava Birnbaum, 1943.
Das andere Foto zeigte eine Gruppe gleichaltriger Kinder, eingerahmt von weiteren Soldaten. Auch auf diesem fand sie Opa. Er stand am Rand der Versammlung und hatte seine Hand auf die Schulter eines der Mädchen gelegt. Blonde Zöpfe. Das selbe Mädchen. Auf der Rückseite der Fotografie las Anna: Forschungsgruppe 2B, Natzweiler, 1943.
Langweilig. Anna legte die Fotos zur Seite und entnahm der Kiste das hölzerne Kästchen.
Die Lampe an der Zimmerdecke flackerte kurz auf.
Timmy zupfte an ihrem Kleid. »Anna, ich hab Angst. Komm´wir gehen zurück«, flüsterte er. Doch Anna hörte ihn kaum, sie hatte nur noch Augen für das Kästchen mit dem seltsamen Stern auf dem Deckel. Es fühlte sich warm an, als hätte es für eine Weile auf der Heizung gelegen. Anna suchte nach einer Möglichkeit es zu öffnen, drehte es hin und her, hielt es schließlich ganz dicht vor ihr Gesicht. Da waren zwei winzig kleine Vertiefungen auf den Seiten, wenn sie vielleicht mit ihren Fingernägeln gleichzeitig ...
Klack.
Schwärze.
III​

Sie öffnet die Augen.
Ein Tisch. Ein Kasten. Ein Messer.
Sie fasst den Griff, zieht die Klinge aus der Scheide.
Kein Messer, ein Dolch. Schmal und scharf.
Das schreckliche Kreuz, genau in der Mitte.
Neben ihr ein blonder Junge, der Deutsch spricht. Sie wendet sich ihm zu. Eine schnelle Bewegung aus dem Handgelenk zerschlitzt seine Kehle. Ein Blutstrahl spritzt ihr entgegen, doch sie dreht sich gewandt zur Seite. Der Junge guckt sie aus großen Augen an, während es rot zwischen den Fingern an seinem Hals hervorströmt. Der kleine Junge stirbt.
Sie verlässt das Zimmer und geht den Gang entlang. Stimmen dringen an ihr Ohr. Den Dolch hält sie hinter ihrem Rücken versteckt.
Ein Raum voller Erwachsener, alle sprechen Deutsch. Ein gedeckter Tisch. Eine Feier. Ein Mann im schwarzen Anzug kommt auf sie zu.
»Spatz, hast Du die Decke nicht gefunden?«
Sie sieht ihn an.
»Alles in Ordnung?«, fragt er; und geht vor ihr in die Hocke.
Eine fließende Bewegung ihrer rechten Hand, sie rammt ihm die Klinge in den Unterkiefer durch die Mundhöhle, direkt bis ins Stammhirn. Er ist sofort tot.
Sie rupft den Dolch aus seinem Kopf und macht zwei Schritte weiter in den Raum hinein. Hinter sich hört sie eine besorgte Frauenstimme.
»Karl? ... Karl!«
Köpfe drehen sich herum.
Ein lauter Schrei, dann noch einer.
Chaos bricht aus.
Eine fette Deutsche neben ihr. Schwarzes Kleid, schwarze Schuhe, hohe Hacken.
Ein einziger Hieb zerfetzt die Achillessehnen, die Fette schreit auf und fällt krachend ins Buffet, Sauerkraut fliegt durch die Luft.
Die Deutschen fangen an, panisch durcheinander zu laufen. Ein rotgesichtiger Fettsack stapft auf sie zu, bereit zum Angriff. Ein torkelnder Schwinger mit dem rechten Arm, zu besoffen, zu träge. Sie duckt sich unter dem Schlag hinweg und stößt das Messer bis zum Anschlag in die weiche Stelle unter der Achselhöhle. Noch während er fällt, reißt sie es raus. Noch mehr Blut. Er liegt am Boden, windet sich. Jetzt sitzt sie rittlings auf ihm.
Beschissener Nazi.
Eins, zwei, drei, vier. Seine Brust eine zerstochene Masse, die deutsche Flagge neu verfärbt.
Rot. Rot. Rot.
Eine Hand packt sie von hinten am Hals. Ein rascher Hieb der scharfen Klinge, vier Finger purzeln wie Mini-Wiener hinab auf die Leiche des Fettsacks. Lauwarmes Naziblut spritzt aus den Fingerstümpfen auf ihre Wange und in ihren Mund. Ein gellender Schrei.
Die Hand verschwindet.
Sie dreht sich um. Ein Anzugträger starrt auf seine verstümmelte Rechte, seine Glubschaugen quellen jetzt quasi aus ihren Höhlen. Sie rammt ihm den Dolch in den Schritt, reißt ihn hoch bis zum Bauchnabel. Warme Körpersäfte überfluten ihre Hände, sein Darm entleert sich hörbar, als der Alte stirbt.
Weitere Männer mit Deutschlandflaggen am Revers kreisen sie ein. In ihren Händen improvisierte Waffen, Buttermesser vom Buffet. Einer von ihnen zieht sogar eine Offizierspistole aus dem Hosenbund.
Ein feuchtes Schmatzen, als sie mit einem Ruck den Dolch aus Glubschauges Innereien befreit.
Der Schütze legt an.
Sie lächelt sardonisch.
Wie ein Dreidel des Todes wirbelt sie umher, sticht, schlitzt, stößt und schlachtet.
Irgendwann ist keiner mehr übrig, alle sind entweder tot oder geflohen. Alle, bis auf eine.
Sie steigt über Leichen hinweg, bahnt sich ihren Weg geradewegs zu auf die alte Frau, die in der Ecke des Zimmers in einem Sessel sitzt.
Erkenntnis glitzert in den Augen der Alten. »Hava?«
»Hallo Frau Hellstrom«, antwortet sie.
»Hava!« Die alte Frau fängt an zu weinen. »Ich wollte sie aufhalten, Hava, ich wollte…!« Ihre Stimme bricht.
»Ich weiß, Frau Hellstrom, ich weiß«, sagt sie, beugt sich vor und legt den Nazidolch in die zitternden Hände voll´ Altersflecken. Ihre blutverschmierten Finger umschließen die der Deutschen, für einen Moment verharren sie so.
Dann verlässt der Dibbuk das Haus, der von ihm besetzte Körper ist von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt.
Sie leckt sich die Lippen, kostet es, lauwarm in ihrem Mund.
Ihre Rache schmeckt fantastisch.

 

Hallo @Seth Gecko,

schön, dass Du deine Geschichte hier teilst. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt, ich mochte schon immer Geschichten mit plötzlichen und unerwarteten Wendungen.
Meiner Meinung nach kommt die Farbe "kackbraun" etwas zu oft vor, ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Vierzehnjährige keine anderen Beschreibungen findet bzw. wirklich beinahe alles den selben Farbton hat.
Ansonsten finde ich, hast Du das Alter der Protagonistin gut umgesetzt.
Der Titel ist sehr passend gewählt, er macht neugierig, was immer ein gutes Zeichen ist.

Ich persönlich würde gerne genauer verstehen, was genau vor sich geht.
Ist Anna eine Art Reinkarnation von Hava? Kommt daher Ihre Abneigung gegen die alten Männer, denn offensichtlich gibt es ja bis auf den Mann, der sie auf ihre Zöpfe anspricht, erst einmal nichts, was sie ihr getan haben?
Was genau ist mit Hava geschehen? Wurde sie für Experimente verwendet oder war sie aus einem anderen Grund im Forschungszentrum?; Wenn es die Experimente waren, gibt es irgendwelche Auswirkungen, die davon übrig geblieben sind und jetzt "sichtbar" sind? Ich würde hier nichts konkretes beschreiben, aber eine kleine Andeutung fände ich nicht schlecht.
Was passiert als Anna das Kästchen öffnet? Entflieht Havas Geist und bedient sich Annas Gestalt um Rache zu üben? War Anna die ganze Zeit über eine Reinkarnation von Hava, wie weiter oben schon vermutet?

All diese Dinge würden mich interessieren. Womöglich spricht nur die Neugier aus mir und das ist genau das, was Du mit Deinen vagen Andeutungen erreichen wolltest; in diesem Fall ist Dir das exzellent gelungen. Falls dem nicht so sein sollte, hilft Dir vielleicht der ein oder andere Gedanke von mir weiter.

Zum Abschluss bleibt noch zu sagen, die Geschichte ist gut geschrieben, die Spannung wird langsam aber sicher aufgebaut und das Tempo nimmt zum Ende ordentlich Fahrt auf, was für ein Finale dieser Art nur gerechtfertigt ist.
Alles in allem hat sie mir sehr gut gefallen.

Liebe Grüße und weiterhin so tolle Ideen

Maria

 

Ich kann mich dem ersten Kommentar nur anschließen. Ich finde deine Geschichte bemerkenswert und auch spannend. Nach meinem Geschmack ist die Protagonistin zu vulgär, ohne dass am Anfang erklärt wird, wo her diese Wut und die Verachtung herkommt. Am Ende erklärt sich das dann teilweise, aber nur dann, wenn anna tatsächlich eine Inkarnation ist. Das Zelebrieren der Gewalt erinnert leicht an ein tarrantino film, wo die Protagonistin ihre „gerechte Rache“ sich nimmt. Jedoch wirkt es wie ein Fest der Gewalt, was sicherlich dem Zeitgeist zum Teil geschuldet ist.
Anders als der vorherige Kommentar, sehe ich in der wiederholten Verwendung des Attributs „Kackbraun“ keine Schwäche, sondern vielmehr eine Stärke, da dies sich auf die braune Gesinnung der Kameraden sicherlich bezieht. Alles ist kackbraun. Mach weiter so, aber schau, ob du vielleicht die vulgäre Brutalität nicht charmanter und ausgefeilter präsentieren kannst. In dem Sinne.

 
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Hallo @Maria Müller, hallo @Bastion,
danke für euer Lob, sowie die konstruktive Kritik und Fragen.

Die Quantität der Farbe "Kackbraun" ist bewusst gewählt, zum einen da wir die Geschichte ja (in 2/3) durch Annas Augen sehen. Anna ist ein verzogenes, pubertierendes Gör, welches die Wohnung der Großeltern, die - ihr fremden - Gäste und vieles weiteres durch ihre ganz eigene, revoltierende Brille sieht. Zum anderen weil es ist, wie @Bastion geschrieben hat. Zwischen den Zeilen wird von Anfang an in eine ganz bestimmte Richtung gesteuert. Nicht nur mit der alles beherrschenden Farbe, tatsächlich habe ich versucht, möglichst viele kleine Hints einzustreuen, auch wenn das manchmal ein Klischee bedient.

Ist Anna wirklich so vulgär? Ich finde nicht. "Alter Sack" und "Fettärschige Tanten" bewegen sich für mich noch unterhalb einer gewissen Grenze, zumal man nicht vergessen darf, was laut ausgesprochen und was bloß in ihrem Geiste gedacht wird. Der kleine Timmy ist Haßobjekt Nr. 1, mit vierzehn und bei ihrer versagten Erziehung evtl. verständlich.

Was passiert als Anna das Kästchen öffnet?
Ein "Dibbuk" ergreift Besitz von Anna. Ein böser Totengeist des jüdischen Volksglauben, früher einmal Hava, über Jahre eingesperrt im Kästchen des Opas. Ich habe die Geschichte am Ende noch einmal editiert, um dieses Detail für den Leser minimal sichtbar zu machen. Ich weiß aber noch nicht, ob ich dies so stehen lassen soll, oder ob die Geschichte nicht mehr Kraft entwickelt, wenn die Leser zwischen den Zeilen ihre eigene Fantasie nach dem "Wieso/Weshalb/Warum" entfesseln dürfen. Was denkt ihr denn?

Mach weiter so, aber schau, ob du vielleicht die vulgäre Brutalität nicht charmanter und ausgefeilter präsentieren kannst.
:) Ich werd´s versuchen, aber die vulgäre Brutalität bleibt erstmal da wo sie ist, denn charmanter bekomme ich das - Stand jetzt - nicht hin. ;)

Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit,
Beste Grüße
Seth

 

Hallo @Seth Gecko

Da will ich mich doch für deinen Kommentar revanchieren. Ich habe deine Geschichte gerne gelesen und fand sie spannend. Für Horror fehlen mir ein paar Dinge, abgesehen von dem leicht übernatürlichen Touch mit dem Dibbuk und dem Gemetzel am Ende, vereint diese Geschichte nicht viele Elemente des klassischen Horrors, mir fehlt da hauptsächlich etwas der Nervenkitzel, der Grusel.

Ich habe die Story so verstanden, das Annas Eltern wohl Nachfahren von Naziverbrechern sind bzw. ihr Großvater war ja offenbar live dabei, als die ihre unglaublichen Gräueltaten begangen haben. In dem Kästchen in Großvaters Schreibtisch findet sie die gefangene Seele von Hava, einem kleinen Mädchen, mit dem die Nazis um ihren Grossvater rumexperimentiert haben. Hava übernimmt dann Annas Körper/Geist und schlachtet die Teilnehmer des Festschmauses ab. Nimmt ihre lang erwartete Rache an ihren Peinigern, oder besser an den Kindern ihrer Peiniger, die wahren Nazis leben ja nicht mehr alle, nehme ich an.

Die Idee ist auf jeden Fall gut und ich war den gesamten Text über gespannt, worauf das Ganze hinausläuft. Hanna hast Du gut charakterisiert, ich finde aber, sie ist etwas gar fies zu ihrem Bruder. Wie den anderen Kommentatoren ist mir auch das "kackbraun" aufgefallen, es passt natürlich soweit gut in die Geschichte, aber meiner Meinung nach übertreibst Du es etwas damit. Da scheint ja einfach alles kackbraun zu sein. Nach dem dritten oder vierten Mal "kackbraun" riss es mich dann jeweils aus dem Flow, weil ich mir dachte: "Ah, schon wieder ... langsam reicht's aber auch."

Ich finde die Geschichte nicht übertrieben vulgär oder brutal, ich denke, da hast Du schon die richtige Mischung gefunden. Die Vulgarität ist an den richtigen Stellen platziert und das finale ist nicht so explizit, dass es in Effekthascherei abdriftet. Von daher: Mir hat das gut gefallen!

Ich fragte mich während dem Lesen, wieso die Tür zu Opas Arbeitszimmer einfach offen steht, wenn der Zutritt für die Kinder ja verboten ist? Aber wahrscheinlich war einfach jemand von Opas alten Freunden drin und hat vergessen, ordentlich abzuschließen, weshalb Timmy reinhuschen und sich verstecken konnte.

Textliche Anmerkungen habe soweit gar keine, ist doch ein gutes Zeichen. Habe das gerne gelesen.

Hebe die linke Hand zum Grusse,
DM

 
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Hallo @DissoziativesMedium,

vielen Dank für deine Revanche. Es freut mich, dass Du den Text spannend fandest.
Ich habe die Story bloß aufgrund des drastischen Finales als Horror getaggt, da man laut HP keine FSK 18-Angaben machen soll. Ansonsten wäre es auch in meinem Verständnis wohl eher unter Fantasy/Action gelaufen. Denn subtiler Grusel oder klassischer Horror war tatsächlich nicht meine Absicht.

Ich habe die Story so verstanden, das Annas Eltern wohl Nachfahren von Naziverbrechern sind bzw. ihr Großvater war ja offenbar live dabei, als die ihre unglaublichen Gräueltaten begangen haben. In dem Kästchen in Großvaters Schreibtisch findet sie die gefangene Seele von Hava, einem kleinen Mädchen, mit dem die Nazis um ihren Grossvater rumexperimentiert haben. Hava übernimmt dann Annas Körper/Geist und schlachtet die Teilnehmer des Festschmauses ab. Nimmt ihre lang erwartete Rache an ihren Peinigern, oder besser an den Kindern ihrer Peiniger, die wahren Nazis leben ja nicht mehr alle, nehme ich an.
Dein Verständnis passt perfekt.
Hanna hast Du gut charakterisiert, ich finde aber, sie ist etwas gar fies zu ihrem Bruder.
Anna (!) ist ein verzogenes Miststück ohne allzu viele Manieren. Würde sie damit durchkommen, wäre sie noch gemeiner zu Timmy.
Wie den anderen Kommentatoren ist mir auch das "kackbraun" aufgefallen, es passt natürlich soweit gut in die Geschichte, aber meiner Meinung nach übertreibst Du es etwas damit. Da scheint ja einfach alles kackbraun zu sein. Nach dem dritten oder vierten Mal "kackbraun" riss es mich dann jeweils aus dem Flow, weil ich mir dachte: "Ah, schon wieder ... langsam reicht's aber auch."
Danke für diesen -wiederholten - Kritikpunkt. Auf keinen Fall darf die Wiederholung des Wortes die Leser aus dem Text reißen. Ich werde mich zeitnah noch einmal dransetzen und schauen, wo, bzw. ob ich wenige Farbkleckse entfernen/abändern kann.
Die Vulgarität ist an den richtigen Stellen platziert und das finale ist nicht so explizit, dass es in Effekthascherei abdriftet. Von daher: Mir hat das gut gefallen!
Vielen Dank für dieses Lob.

Ich fragte mich während dem Lesen, wieso die Tür zu Opas Arbeitszimmer einfach offen steht, wenn der Zutritt für die Kinder ja verboten ist? Aber wahrscheinlich war einfach jemand von Opas alten Freunden drin und hat vergessen, ordentlich abzuschließen, weshalb Timmy reinhuschen und sich verstecken konnte.
Genau. Da es für die Geschichte keine Rolle spielt, wieso die Tür offen ist (Anna ist zu unreflektiert, um sich darüber Gedanken zu machen), hielt ich es nicht für notwendig, eine Erklärung anbieten zu müssen.
Textliche Anmerkungen habe soweit gar keine, ist doch ein gutes Zeichen. Habe das gerne gelesen.
Das freut mich sehr.
Danke für deine Aufmerksamkeit.
Beste Grüße,
Seth

 

Hallo @Seth Gecko,

danke für Deine Antworten.
Dass das "kackbraun" zusätzlich zu den anderen Hinweisen ebenfalls auf die Nazi-Vergangenheit des Opas hinweisen soll ist mir, das muss ich gestehen, gar nicht in den Sinn gekommen. Bei genauerem Nachdenken und nach @Bastion -s Kommentar macht das durchaus Sinn; und irgendwie finde ich es auch ziemlich genial. Nachdem ich allerdings auch ohne diesen Hinweis verstanden habe, was los ist, kann ich @DissoziativesMedium in so fern zustimmen, dass Du das "kackbraun" etwas redzieren kannst. Man versteht den Zusammenhang auch so.

Ich weiß aber noch nicht, ob ich dies so stehen lassen soll, oder ob die Geschichte nicht mehr Kraft entwickelt, wenn die Leser zwischen den Zeilen ihre eigene Fantasie nach dem "Wieso/Weshalb/Warum" entfesseln dürfen. Was denkt ihr denn?
Ich persönlich denke, dass Du da fast nichts falsch machen kannst. Dem einen wird es so besser gefallen, dem anderen so. Ohne weitere Erklärungen denkt man unweigerlich viel darüber nach, mir ist es nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wenn Du das Ende deutlicher machst versteht man es besser und es ist vermutlich "zufriedenstellender"; wenn Du verstehst. Das liegt also ganz bei Dir, würde ich sagen.

Liebe Grüße

Maria

 

Hallo nochmal @Seth Gecko

Da fällt mir doch gerade noch etwas ein, wenn ich deine Antwort durchgehe. Folgendes ist mir während dem Lesen passiert, habe es danach aber vergessen, in meinem Kommentar zu erwähnen (obwohl es sich ja trotzdem eingeschlichen hat):

Anna (!)

Anna und Hava sind zwei ziemlich ähnlich klingende Namen ... Ich hatte deshalb – wohl ab der Stelle, an der der Name Hava zum ersten Mal im Text auftaucht – irgendwie Probleme, die auseinanderzuhalten. Mein Hirn/Unterbewusstsein/Wasauchimmer formte deshalb Anna immer zu Hanna um.

Hat zwar niemand anders angemerkt, liegt deshalb wohl nur an mir, aber das Feedback wollte ich Dir noch dalassen. Viel Erfolg weiterhin!

Einen schönen Abend wünscht,
DM

 

Hallo @Seth Gecko,
mir haben die ersten beiden Kapitel deiner Geschichte sehr gut gefallen. Leider fand ich das dritte dann irgendwie unpassend und etwas überzogen. Ich habe kein Problem mit der Gewalt an sich, sondern, dass sie so gezwungen wirkt. Als wenn du da unbedingt Tempo, Verblüffung und Überraschung reinbringen wolltest. Zum anderen ist das schon ziemlich unlogisch, dass so ein junges Mädchen so viele Erwachsene abmurkst. Die Art, wie du diese Auseinandersetzung geschrieben hast, ist wirklich gut, könnte aber eher eine eigene Geschichte vertragen, die schon von Grundauf diesen Tenor anspricht.

Anna finde ich aber auch einen gut geschriebenen Charakter. Du fängst diesen jugendlichen Lifestyle gut ein. Allerdings fragte ich mich immer, wie klein Anna denn sein muss, w ein ihre Eltern jedes mal in die Hocke vor ihr gehen beim Reden.

Jedenfalls cool geschrieben. Hat bis zum 3. Kapitel Spass gemacht. Danke dafür. Gruß:)

Dieser Langweile entfliehen
Langeweile fehlt das e.
Bestimmt nichts lustiges, denn Papa hatte nicht gelächelt, sondern diese Aktionen mit wenigen Worten abgewürgt, beim letzten Versuch von ihr hatte er den Kopf gedreht und Mama sogar einen seiner seltenen eiskalten Blicke zugeworfen, so dass sie schließlich verstummte.
Hier hätte ich nach abgewürgt eher einen Punkt gesetzt.
irgendwie nicer.
Beerdigungsabschlussessen. Zu lang.
Angehörigentreff. Lame.
After-Death Party. Lit.
Das ist sehr geil:)
Sie pirschte sich an, bis sie direkt hinter dem Zehnjährigen stand. Dann spannte sie ihren Zeigefinger hinter dem Daumen an, führte ihre Hand hinter das Ohr des Knirps und ließ den Finger vorschnalzen.
Und wer macht das nicht gerne?:)
Sie seufzte und ging vor Anna in die Hocke.
Wie klein ist Anna denn?
Er hockte sich vor sie, und fasste ihre beiden Schultern.
Da auch.
die Wänden
Die Wände
Timmy stand neben ihr rieb sich die Stirn.
nach neben ein Komma.

 

Hallo @Pepe86,
danke für deine Anmerkungen, deine Kritik sowie dein Lob.

Ich habe kein Problem mit der Gewalt an sich, sondern, dass sie so gezwungen wirkt. Als wenn du da unbedingt Tempo, Verblüffung und Überraschung reinbringen wolltest.
Dass die Gewalt gezwungen auf Dich wirkt, war nicht beabsichtigt. Tatsächlich sollte der Tempowechsel und die schnelle Brutalität die Leser überraschen. Unbedingt. ;)

Zum anderen ist das schon ziemlich unlogisch, dass so ein junges Mädchen so viele Erwachsene abmurkst
Die Logik ist in dem Moment gestorben, als Anna die Dibbuk-Box im Büro des Opas öffnet. Ab dieser Stelle ist es kein kleines Mädchen mehr, dem wir als Leser folgen, sondern ein tödlicher Rachegeist.
Allerdings fragte ich mich immer, wie klein Anna denn sein muss, w ein ihre Eltern jedes mal in die Hocke vor ihr gehen beim Reden.
Für eine Vierzehnjährige ist sie eher von unterdurchschnittlichem Wuchs, doch versuchen die Eltern durch das Hinhocken emotional "auf Augenhöhe" mit ihrer Tochter zu sein. Wenn sie doch bloß in ihrer Erziehung mehr solcher Eingebungen gehabt hätten, Anna wäre bestimmt ein anderer Mensch.

Vielen Dank für die Korrektur meiner schriftlichen Form, ich werde den Text zeitnah ausbessern.

Beste Grüße,
Seth

Hallo again @DissoziativesMedium ,

Anna und Hava sind zwei ziemlich ähnlich klingende Namen ... Ich hatte deshalb – wohl ab der Stelle, an der der Name Hava zum ersten Mal im Text auftaucht – irgendwie Probleme, die auseinanderzuhalten. Mein Hirn/Unterbewusstsein/Wasauchimmer formte deshalb Anna immer zu Hanna um.
Tatsächlich ist der Name Hava gerade wegen der Ähnlichkeit zum Namen Anna von mir gewählt worden. In der Hoffnung, unter den Lesern ein wenig sanfte Verwirrung zu stiften bzw. aufmerksam zu bleiben, um wen es denn gerade jetzt genau geht. Dass Hava dann am Ende den Körper von Anna übernimmt und der Geist die Hülle besetzt, so dass beide für das Finale zu einem werden macht die Namensgebung - für mich - rund.

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.
Beste Grüße,
Seth

 

Hallo @Seth Gecko

Ich kann mich den anderen Kommentatoren anschließen.
Der Teenie ist Dir gut gelungen. Die Gewalt ist trocken beschrieben - fand ich gut.

Allerdings:
Um so mehr war ich traurig, dass der so schön auserzählte Charakter dann im dritten Kapitel so sang- und klanglos einfach weg war.
Zumal die Erzähperspektive in den ersten zwei Kapiteln ja ziemlich nahe (soage in Sprache und Stil) an der Protagonistin dran ist. Außer, dass aus "Sack" jetzt "Fettsack" wurde (und dem Körper natürlich), verbindet die beiden nix mehr. Das fand ich wirklich schade.


Anna langweilte sich zu Tode.
Ich dachte, mit der Überschrift ist die Geschichte mit diesem Satz erzählt - fertig :D

Meine Restlichen Anmerkungen sind formale Erbsenzählerei ;)

und verschwand mit einem Tablett voll´ Häppchen durch die Tür in Opas Esszimmer.
Warum das Apostroph bei "voll"?

»Ich kannte da mal ein fesches Mädel, dass hatte genau solch´ schöne Zöpfe wie Du«, sagte der stinkende Alte und seine ausgestreckte Hand begann leicht zu zittern.«
Am Ende ein << zuviel.

»Verdammt noch mal! Hör auf damit!« machte Mama ihrem Ärger Luft. »Lass´gefälligst deinen Bruder in Ruhe! Kann ich nicht mal einen Tag Frieden von euch haben?!«
Das ?! finde ich "too much" - ein ? genügt.

»Willst du mich verarschen?! Bei den Typen kriege ich das kalte Kotzen!«
Wieder das ?!

»Karl?« Karl!«
Ein << in der Mitte zuviel


gern gelesen
Gruß
pantoholli

 

Hallo @Seth Gecko,

mir hat deine Geschichte wirklich gut gefallen, auch wenn ich erst einmal googeln musste, was ein Dibbuk ist, um das Ende zu verstehen. ;) Wieder etwas neues gelernt :).

Was ich mich jetzt am Ende noch frage ist, wer genau ist Hava?
Ich gehe davon aus, dass sie etwa in Annas Alter war als sie gestorben ist? Das ist für mich irgendwie die logische Schlussfolgerung, weil es keinen Hinweis auf ihr Alter gibt und sie im Körper eines Teenagers steckt...
Wurde sie vergast, hat sie sich zu Tode geschuftet oder hat ihr Hass sie zu einem Dibbuk werden lassen (ich kenne mich wirklich nicht aus und habe entsprechend auch keine Ahnung, wie diese Wesen entstehen sollen)?
Und in welchem Verhältnis stand sie zu den Großeltern? Scheinbar hat sie irgendeine Form der Bindung zur Großmutter, aber gab es die zum Großvater auch? Hat er sie beschützt oder ist er derjenige, der sie umgebracht hat?
Da fände ich es wirklich interessant, wenn du noch ein paar Hinweise aufbauen könntest. Vielleicht findet Anna in der Schatulle Hinweise oder Hava gehen ein paar Dinge durch den Kopf, während sie die Leute auf der Feier umbringt.

Anders als ein paar meiner Vorkommentatoren, muss ich leider sagen, dass ich Annas Sprache nicht immer ganz altersgerecht fand. Grundsätzlich finde ich, dass du ihren Charakter sehr gut ausgearbeitet hast und im Großen und Ganzen kommt sie auch wie ein aufmüpfiger Teenager rüber, aber ein paar Formulieren haben meiner Meinung nach nicht ganz zusammengepasst. Hier ein paar Beispiele:

Ihr schwarzes Kleid bestand aus jeder Menge floraler Spitze
Das klingt sehr erwachsen und als würde sie sich entweder mit Mode auskennen oder würde sich generell eher gewählt ausdrücken, was ja nun eindeutig nicht der Fall ist.

Ein schwach chemischer Geruch ging von den Fingern aus. Bäh!
'chemischer Geruch' klingt meiner Meinung nach auch etwas gewählter (kann man aber durchgehen lassen, Chemie hat sie in der Schule bestimmt schon und vielleicht erinnert sie der Geruch an irgendetwas).
Aber 'Bäh' klingt mehr nach 5-jähriger, als Teenager.

Beerdigungsabschlussessen. Zu lang.
Angehörigentreff. Lame.
After-Death Party. Lit.
Sehr gelungene Stelle. Und auch sehr passend für einen Teenie.

als hätte er `nen Stock in seinem faltigen Arsch
Ebenfalls sehr passend für einen pubertierenden Teenager.

Das waren jetzt nur ein paar Beispiele, aber ich hoffe, dadurch ist klargeworden, was ich meine :).


Davon abgesehen, sind mir nur noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen:

Als Anna das Wort vor kurzem – nach Opas Tod - zum ersten Mal hörte, kam ihr die Kotze hoch. In ihrem Kopf formte sich damals ein Bild von den Familienangehörigen, die mit großem Appetit die Leiche des Verstorbenen aufaßen.
Dein gesamter Text ist im Präteritum. Da es sich hier um Erinnerungen handelt, müsstest du das Plusquamperfekt verwenden.

»Weiß nicht.« Ihr war langweilig.
Würde ich streichen.
Erstens, hast du am Anfang schon einmal geschrieben, dass ihr langweilig ist. Das ist eine unnötige Dopplung. Und zweitens, erscheint es mir an der Stelle nicht mehr ganz passend. Es ist eine Menge passiert. Der eklige Mann, ihre Großmutter hat sie nicht erkannt, die Diskussion ihrer Eltern... Sie ist alt genug um größtenteils zu verstehen was vor sich geht, deshalb erscheint es mir unrealistisch, dass ihr immer noch langweilig ist.

Neben ihr ein blonder Junge, der auf Deutsch spricht.
streichen

Eine Hand packt sie von hinten am Hals. Ein rascher Hieb der scharfen Klinge, vier Finger purzeln wie Mini-Wiener hinab auf die Leiche des Fettsacks. Lauwarmes Naziblut spritzt aus den Fingerstümpfen auf ihre Wange und in ihren Mund.
Hier entsteht richtig 'tolles' Kopfkino. Auch wenn es natürlich alles andere als schön ist, was man vor Augen hat ;).


Alles in allem ist die Geschichte super gelungen. Meine Kritik ist wirklich Meckern auf hohem Niveau. Ich hoffe, du kannst mit meinem Feedback etwas anfangen :).


Beste Grüße,
Nele

 

Hallo @pantoholli,
danke für deine konstruktive Kritik.

Um so mehr war ich traurig, dass der so schön auserzählte Charakter dann im dritten Kapitel so sang- und klanglos einfach weg war.
Zumal die Erzähperspektive in den ersten zwei Kapiteln ja ziemlich nahe (soage in Sprache und Stil) an der Protagonistin dran ist. Außer, dass aus "Sack" jetzt "Fettsack" wurde (und dem Körper natürlich), verbindet die beiden nix mehr. Das fand ich wirklich schade.
Tja, was soll ich sagen? Die Geschichte fordert, dass Annas Körper vom Dibbuk in Beschlag genommen wird. Ab diesem Moment hat die Göre nichts mehr zu melden...
Aber dass du den Charakter "vermisst" hast, zeigt mir, dass ich beim Erschaffen etwas richtig gemacht haben muss. ;)
Das ?! finde ich "too much" - ein ? genügt.
Interessanter Punkt. Mit dem "?!" wollte ich aussagen, dass Annas Mutter lauter spricht, bzw. beinahe schon schreit, ohne die wörtliche Rede dabei mit "schrie Mama", oder etwas ähnlichem enden lassen zu müssen. Ist dies deiner Meinung nach ein unzulängliches Stilmittel? Dann würde ich das in zukünftigen Geschichten evtl. unterlassen.

Vielen Dank für die Verbesserung meiner Form, die Korrekturen habe ich bereits vorgenommen.

Beste Grüße,
Seth

Hallo @Nele Marie Scambalo,
es freut mich, dass meine kleine Dibbuk vs. Nazi Geschichte bei Dir Anklang gefunden hat.
Vielen Dank für deine Kritik, dein Lob und deine Verbesserungsvorschläge.
Falls Du den Text noch einmal Lesen möchtest, findest Du wenige Stellen, welche Antworten auf deine ersten Überlegungen liefern.

zwischen ihnen stand ein Mädchen mit blonden Zöpfen in Annas Alter.
Hier gehe ich auf das Alter von Hava ein (Als Anna sich die Fotos in der Schachtel anschaut).

»Hava! Das ich dich noch einmal sehen darf. Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht, das musst du mir glauben. Ich wollte ihn stoppen. Bitte verzeih´mir Hava.
Auf subtile Art und Weise wollte ich im Gespräch mit der Oma die Schuld des Opas bereits andeuten. Vielleicht war das zu sachte gedacht?

Das klingt sehr erwachsen und als würde sie sich entweder mit Mode auskennen oder würde sich generell eher gewählt ausdrücken, was ja nun eindeutig nicht der Fall ist.
:)Tatsächlich ist die "florale Spitze" ein Überbleibsel aus einer der ersten Fassungen des Textes. In diesen kommentiert Anna in Gedanken noch die Kleidung der Trauergäste, da sie sich mit Mode auskennt. Ich muss mal schauen, ob ich das noch streiche.

Aber 'Bäh' klingt mehr nach 5-jähriger, als Teenager.
Anna Hellstrom ist oft noch zu infantil für ihr Alter und sagt auch einfach mal "Bäh" ;)

Dein gesamter Text ist im Präteritum. Da es sich hier um Erinnerungen handelt, müsstest du das Plusquamperfekt verwenden.
Vielen Dank dafür. Sowas fällt mir leider nicht auf, da die Grammatik und Ich keine Freunde mehr werden. Habe die entsprechende Stelle bereits korrigiert.

Alles in allem ist die Geschichte super gelungen. Meine Kritik ist wirklich Meckern auf hohem Niveau. Ich hoffe, du kannst mit meinem Feedback etwas anfangen :).
Vielen Dank. Auch für das "Meckern", was ich nicht als solches empfinde. Ich bin hier bei euch Wortkriegern, um zu lernen, um Vorhandenes zu verbessern und "meinen Stil zu finden".
Kommentare wie deiner helfen mir dabei.

Danke für die Aufmerksamkeit,
Seth

 

Hallo @Seth Gecko,

zunächst, man merkt, dass du schreiben kannst. Ist sicherlich nicht dein erster Text oder? Flüssig geschrieben, angenehm zu lesen, nichts zu meckern!
Dann finde ich, gelingt dir auch ein guter Spannungsaufbau. Hat mich eigentlich von Beginn an abgeholt und mindestens bis zum dritten Teil gespannt lesen lassen.

Der dritte Teil fällt dann natürlich ein wenig raus. Aber das war ja so gewollt. Hat mich dann eher an Inglorious Basterds erinnert. Nicht nur wegen der Blutigkeit, sondern auch wegen der Formulierungen. Finde, das kannst du schon so machen. Was mir persönlich dann aber fehlte, wenn du schon in so eine Richtung gehst, ist der augenzwinkernde Humor. Den hast du schon auch drin (Buttermesser zur Verteidigung usw.) aber da würde eine Schippe mehr vlt. guttun. Andererseits ist das ganze Thema ja nicht wirklich lustig. Schwierige Frage also. Bin selbst unsicher.

Grundsätzlich hat mir dein Text auf jeden Fall gefallen! Ich habe (leider, leider) oft das Problem, bei Texten hier im Forum nicht dranzubleiben. Das war bei deinem Text nicht der Fall. Und das spricht definitiv für ihn! Mir war zwar schon recht früh ungefähr klar, in welche Richtung der Text abbiegen würde, aber hat mich nicht gestört, weil du es trotzdem spannend erzählst und der Text angenehm zu lesen ist.
Ein Problem hatte ich allerdings mit der Protagonistin. Also ich habe beruflich mit einigen und oft auch sehr schwierigen Pubertierenden zu tun und habe selbst auch Geschwister und darum einiges an Erfahrung, was Geschwisterstreit angeht, aber trotzdem... Irgendwie war mir Anna zu "krass". Bzw. echt unsympathisch. War das gewollt? Finde ich ehrlich gesagt nicht so gut, weil dann mir zumindest ein wenig die Bindung fehlt. Aber ist auch nur mein Eindruck.
Insgesamt ein Kompliment für deinen feinen Text! Hat mir gut gefallen.
Unten noch ein paar Anmerkungen von mir.

Viele Grüße
Habentus

»Hava! Das ich dich noch einmal sehen darf. Es tut mir so leid. Ich wollte das nicht, das musst du mir glauben. Ich wollte ihn stoppen. Bitte verzeih´mir Hava. Und sag deiner Mutter...«
Ich hatte vorher nicht auf die tags geachtet. Hier war ich mir dann aber sicher, dass es mehr oder weniger in Richtung horror gehen würde. :)

Sie pirschte sich an, bis sie direkt hinter dem Zehnjährigen stand. Dann spannte sie ihren Zeigefinger hinter dem Daumen an, führte ihre Hand hinter das Ohr des Knirps und ließ den Finger vorschnalzen.
»Aauuu!«, schrie Timmy und seine Hand fuhr zum Ohr.
Ja, das kenne ich. Ein fieser Schmerz...

»Dieser ganze Tag ist sehr anstrengend für mich, da könntest du wenigstens ein bisschen Unterstützung leisten.«
»Ich will nach Hause. Wie lange dauert das hier noch?«, nölte Anna.
Ja, mal ehrlich. Selbst mit 17 könnte man doch ein wenig mehr Empathie erwarten oder? Fand ich schwierig...

Es erschien ihr, so lange sie denken konnte, als hätte er `nen Stock in seinem faltigen Arsch. Einen langen dünnen Stock.
Auch wieder etwas drüber meiner Meinung nach. Ist immerhin ihr Opa, der da gestorben ist (von seiner Nazivergangenheit wusste sie da ja auch noch nichts oder?)

Anna kam ein Idee. »Kann ich dann mein Handy wiederhaben?«
Anna ist mir zu abgebrüht :(

»Auf Heinrich Hellstrom, den besten Hauptmann auf der ganzen Welt!«
Ja, da dachte ich mir dann: Wenn da mal nicht noch die Nazivergangenheit eine Rolle spielen soll ...

»Komm´da raus!« Sie zog mit kräftigen Ruck, ein dumpfer Knall, als Timmys Stirn gegen das Holz krachte. Er fing an zu flennen.
Anna ließ seinen Arm los, ihr Bruder kroch unter dem Tisch hervor und hielt sich den Kopf.
Kein Blut. Nichts passiert. Heulsuse.
Auch wieder so eine Stelle wo ich nicht verstehen konnte, warum du Anna als so hart und unsympathisch darstellst.

Forschungsgruppe 2B, Natzweiler, 1943.
Schluck.

Sauerkraut fliegt durch die Luft.
Das ist definitiv Inglorious Basterds-Style oder? ;)

Jetzt sitzt sie rittlings auf ihm.
Beschissener Nazi.
Ebenso

Einer von ihnen zieht sogar eine Offizierspistole aus dem Hosenbund.
Also wir befinden uns in einer Zeit, in der es bereits Handy gibt. Welcher (ehemalige ?) Offizier läuft denn da noch mit Pistolen rum? Zumal auf einer Beerdigung? Aber im Anbetracht der trashigen/tarantinoartigen Entwicklungen auch schon wieder irgendwie ok ;)

 

Hallo @Habentus,

ich freut mich, dass Dir mein Text gefallen hat.
Tatsächlich bin ich ein großer Fan von Tarantinos Werken und muss mich beim schreiben manches Mal zusammenreißen, nicht zu sehr "seine Bilder" zu kopieren. Auf jeden Fall sollte diese Geschichte "ein wenig drüber" sein; und das gilt auch für die handelnden Charaktere.

Irgendwie war mir Anna zu "krass". Bzw. echt unsympathisch. War das gewollt?
Yep. Das ist gewollt. Gerade fällt mir auf, man könnte Anna auch als die - heimliche - Antagonistin bezeichnen. Zickig, fies, unhöflich (zumindest in Gedanken, sowie ihrem Bruder gegenüber). Sie ist definitiv nicht als Sympathieträger geschrieben.
Insgesamt ein Kompliment für deinen feinen Text! Hat mir gut gefallen.
Vielen Dank für dieses Lob.
Ja, mal ehrlich. Selbst mit 17 könnte man doch ein wenig mehr Empathie erwarten oder? Fand ich schwierig...
Anna ist vierzehn (dies wird in der zweiten Zeile erwähnt) und besitzt nicht wirklich viel Empathie. Sie ist oberflächlich, verzogen, pubertär und gemein gegenüber schwächeren. Wie gesagt: ´n bisschen drüber ;)
Auch wieder etwas drüber meiner Meinung nach. Ist immerhin ihr Opa, der da gestorben ist (von seiner Nazivergangenheit wusste sie da ja auch noch nichts oder?)
s.o. ABER hier habe ich versucht, in dem Dialog mit Papa in der Küche die Beziehung zwischen Opa und Anna kurz und knackig zu zeichnen. (Faltiger Stock im Arsch, nach jedem Besuch haben Mama und Papa sich gestritten)
Anna ist mir zu abgebrüht :(
Bei allen o.g. negativen Wesenszügen ist sie dabei nicht dumm. Clever. Und Handysüchtig. :)
Auch wieder so eine Stelle wo ich nicht verstehen konnte, warum du Anna als so hart und unsympathisch darstellst.
Timmy ist ihr Hassbild Nr. 1. Der kleine Bruder den sie nie haben wollte. Würde man es ihr durchgehen lassen, sie wäre bestimmt noch gemeiner zu ihm.

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.
mit besten Grüßen,
Seth

 

Hey @Seth Gecko,

voll lit, diese Geschichte! Nur mit dem Titel komme ich nicht ganz klar - Der Leichenschmaus gefällt mir, aber Rache wird lauwarm serviert wirkt auf mich zu dick aufgetragen und kitschig. Würde ich weglassen.

Inhaltlich ist ein Problem der Geschichte wohl, dass das Wort Dibbuk nicht weiter erklärt wird. Ich kannte das nicht und habe die Geschichte deswegen zuerst nicht verstanden. Ein zweites Problem ist, finde ich, Anna. Ich verstehe, dass du sie als unsympathisch darstellen möchtest, gelegentlich wirkt das aber auf mich unglaubwürdig extrem. Vielleicht würde ich das etwas zurückfahren. Ansonsten habe ich inhaltlich nix mehr zu meckern.

Nurnoch ein paar sprachliche Sachen:

ihr im Vorbeigehen zu; und verschwand mit einem Tablett voll Häppchen
Das Semicolon würde ich weglassen.

Wenn sie wenigstens ihr Handy wiederhaben könnte [...] Was würde sie jetzt dafür geben, mit Milli texten zu können.
Würde drei Punkte nutzen, weil der Gedanke unvollständig ist. Und sagt man texten? Klingt sehr englisch, ich sage immer schreiben und kenne das aus meinem Umfeld nur so.

Nicht zu fassen, die wußte nicht mal mehr ihren Namen, dachte Anna empört.
Das wirkt wie direkt Gedachtes, wegen dem "dachte Anna", ist es aber nicht. Dadurch bin ich hier gestolpert.

»Lass´gefälligst deinen Bruder in
Diese Verbindung zweier Worte nutzt du oft, meistens ist die aber m.E. unpassend. Ich nutze das selbst gerne, geht mir also nicht um's Prinzip. Aber warum sollte man Lass und gefälligst beim Sprechen besonders stark verbinden? Egal wie ich das sage, da ensteht immer eine kleine Pause. Verbinden kann man m.E. sowas wie Ham'se für Haben Sie, weil das im Prinzip wie ein Wort gesprochen wird.

»Ich hab´Dir schon gesagt, ich wusste nicht, dass die hier auftauchen«, wisperte Papa.
s. o. Kommt noch oft vor. Und Dir und Du wird nur in Briefen o. ä. groß geschrieben, nicht in Geschichten.

Sie hatte den dürren Mann mit den eisblauen Augen nie als sympathisch empfunden.
Die Beschreibung wirkt gekünzelt, da sieht man zu sehr den Autor hinter der Geschichte.

Einen langen [,] dünnen Stock.
Bei Kommata bin ich schlecht, aber hier muss eins hin, glaube ich.

so bekam sie nicht all´ zuviel davon mit.
All ist in dem Fall ein ganzes Wort, das Apostroph gehört da also nicht hin.

»Mach´ doch, geh´petzen, kleines Baby!«
Hier ist die Wortverbindung besonders merkwürdig.

Ein Torkelnder Schwinger mit dem rechten Arm,
Klein'schreiben.

Aber insgesamt: wirklich tolles Ding, deine Schreibe ist schön, du baust 'ne tolle Atmosphäre auf und hältst die Spannung durchweg. Hat mir sehr gut gefallen. Vielen Dank für die Geschichte.

Grüße,
Manfred

 

Hallo @Manfred Deppi,

vielen Dank für Lob, Kritik und Korrektur.

Nur mit dem Titel komme ich nicht ganz klar - Der Leichenschmaus gefällt mir, aber Rache wird lauwarm serviert wirkt auf mich zu dick aufgetragen und kitschig. Würde ich weglassen.
Tatsächlich trug die Story erst nur den Titel Der Leichenschmaus. Nachdem für mich klar war, dass das Finale Tarantino-mäßig "drüber" sein soll, habe ich mich für diesen leicht trashigen Zusatz entschieden. Bleibt, wie es ist.
Inhaltlich ist ein Problem der Geschichte wohl, dass das Wort Dibbuk nicht weiter erklärt wird.
Ja, hier triffst du einen Punkt. Wie sehr darf/soll/muss man den Erklärbär für seine Leser spielen. Meine Absicht bei diesem Text: Die Leser selbst grübeln zu lassen, was da eigentlich gerade (am Ende) passiert ist. Erst nach einem der ersten Kommentare hier im Forum, habe ich den Dibbuk am Ende namentlich hinzugefügt.
Würde drei Punkte nutzen, weil der Gedanke unvollständig ist. Und sagt man texten? Klingt sehr englisch, ich sage immer schreiben und kenne das aus meinem Umfeld nur so.
Also in meinem Umfeld wird der Begriff "texten" benutzt. Und die vierzehnjährige Anna nutzt ja auch bereits einige Anglizismen (Chillen, lame, etc.) Ich lasse das erst mal so.
Das wirkt wie direkt Gedachtes, wegen dem "dachte Anna", ist es aber nicht. Dadurch bin ich hier gestolpert.
Das verstehe ich nicht. Ich stehe oft mit der Grammatik/Zeitform auf Kriegsfuß und schreibe auch noch nicht sehr lange. Bitte hilf mir, mich hier zu verbessern. Anna denkt in diesem Moment genau diesen Satz. Deshalb das "dachte Anna". Wieso ist es das d.M.n. nicht?
Diese Verbindung zweier Worte nutzt du oft, meistens ist die aber m.E. unpassend. Ich nutze das selbst gerne, geht mir also nicht um's Prinzip. Aber warum sollte man Lass und gefälligst beim Sprechen besonders stark verbinden? Egal wie ich das sage, da ensteht immer eine kleine Pause. Verbinden kann man m.E. sowas wie Ham'se für Haben Sie, weil das im Prinzip wie ein Wort gesprochen wird.
Danke für dieses Aufzeigen. Ich werde versuchen, zukünftig genauer auf diese Wortverbindungen zu achten.
s. o. Kommt noch oft vor. Und Dir und Du wird nur in Briefen o. ä. groß geschrieben, nicht in Geschichten.
Auch das wusste ich nicht. Damit hast du mir sehr geholfen. Danke.
Die Beschreibung wirkt gekünzelt, da sieht man zu sehr den Autor hinter der Geschichte.
Ja, das werde ich wohl noch ändern.

Lieber Manfred, Du hast mir bei vielen Punkten sehr geholfen und dadurch meine zukünftige Schreiberei verbessert. Dafür möchte ich Dir von Herzen danken. Deine restlichen Korrekturen werde ich im Anschluss an diesen Kommentar vornehmen.

Mit besten Grüßen,
Seth

 

Hi,

danke für deine Antwort. Ganz kurz zu deiner Nachfrage:

Das verstehe ich nicht. Ich stehe oft mit der Grammatik/Zeitform auf Kriegsfuß und schreibe auch noch nicht sehr lange. Bitte hilf mir, mich hier zu verbessern. Anna denkt in diesem Moment genau diesen Satz. Deshalb das "dachte Anna". Wieso ist es das d.M.n. nicht?

Nicht zu fassen, die wußte nicht mal mehr ihren Namen, dachte Anna empört.
Wenn ich die Stelle richtig verstehe, bezieht sich das ihren auf Anna, aber Anna soll den Satz angeblich denken. Sie würde sich doch nicht in der dritten Person ansprechen, oder? Müsste also meinen Namen heißen. :D

Grüße,
Manfred

 

Moin @Manfred Deppi,

na da stand ich aber mal wirklich auf der Leitung. Du hast natürlich vollkommen recht. Ich werde das zeitnah korrigieren.

Vielen Dank und beste Grüße,
Seth

 

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