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Der Lehrer

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28.03.2012
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Der Lehrer

Der Lehrer trug karierte Westen, und sah darin nicht eben vorteilhaft aus. Die Haare des Hinterkopfes hatte er sich Richtung Stirn gekämmt, aber natürlich blieb er ein Glatzkopf. Wenn er sich, näher als nötig, zu einem Mädchen hinunterbeugte um ihr Aufgabenheft einzusehen, roch sie den Kaffee aus seinem Mund. Manchmal war es auch Rosenkohl, aber nicht heute.

„Anni, würden Sie bitte zur Wiederholung der letzten Stunde ein Aquädukt an die Tafel zeichnen?“ In seinem Schnurrbart hing ein Brotkrümel fest. Die Schüler kicherten. „Was ist denn so lustig?“ fragte der irritierte Lehrer. Er bemerkte, wie die Schüler sich verstohlen anschauten, und ärgerte sich. Anni stand jetzt auf und ging zur Tafel. Sie öffnete die Tafel und aus der Mitte schaute ihr mit Glubschaugen der Lehrer entgegen. Sein weißes Kreidegesicht hatte eine knubbelige Nase und noch weniger Haare als das echte. In einer Sprechblase stand: „Mir muss man gehorchen, denn ich bin der Lehrer!“ Nun brach das Lachen ungehemmt aus den Schülern heraus. Einige klopften sich gar auf ihre Schenkel oder hielten sich die Bäuche. Es dauerte eine Weile, bis das Gelächter nachgelassen hatte. „Das ist eine ungehörige Frechheit!“ rief der Lehrer, und spuckte dabei in den Raum. Dies passierte ihm immer, wenn er nervös war. „Wer war das?“ Alle riefen einstimmig: „Der Hausmeister war es!“. Hilflos packte der Lehrer einen Jungen der ersten Reihe am Kragen. „Erklären Sie mir das, Toni!“ Doch es gab keine Erklärung, und auf dem Hals des Lehrers zeichneten sich rosa Flecken ab. „Das wird ein Nachspiel haben!“, tobte er mit schriller Stimme. In diesem Moment knirschte die Kreide. Anni hatte begonnen, das Aquädukt zu zeichnen. „Halt“, hielt sie der Lehrer an und riss dabei den linken Arm nach oben. So sahen die Schüler einen großen Fleck von Schweiß auf seinem Hemd und kicherten abermals. „Ich werde nicht dulden, dass hier…“ zeterte der Lehrer mit nun hochrotem Kopf. Und just da schellte die Glocke zur großen Mittagspause. „…dass hier gelacht wird!“ stakste er fort. „Zur nächsten Stunde verlange ich von allen die Beschreibung der Funktionsweise eines Aquädukts, auf mindestens 5 Seiten!“ Doch blieb dies von den meisten Schülern ungehört, da sie bereits ihre Sachen gepackt und auf dem Weg nach draußen waren. Als Anni schließlich als letzte den Klassenraum verließ, warf sie dem Lehrer einen kurzen, schuldbewussten Blick zu.

Er blieb allein zurück und setzte sich an sein Pult. Den Kopf stützte er auf die rechte Hand und bemerkte dabei den Brotkrümel in seinem Bart. Er seufzte, atmete schwer aus und ließ den Kopf schräg auf seine Arme sinken. War er niedergeschlagen? Durch die Glasscheibe hörte er die Stimmen der Schüler auf dem Hof, die vergnügt in ihren Nachmittag liefen. Sein Blick fiel auf kleine Hügel, die sich bis zum grauen Horizont zogen. Der Himmel spannte sich milchig über von Winterböen eingeknickte Bäumchen. Eine Elster ließ sich auf dem Fenstersims nieder und flog bald wieder davon. Mit einem Taschentuch aus der Westentasche wischte der Lehrer sich über die Stirn. Sein Gesicht war rund und nicht unfreundlich, doch trug es für sein Alter viele Falten. Matt nahm der Lehrer nun seinen Lehrerterminkalender zur Hand. Heute war Dienstag, der 18. Februar, und um 16.00 Uhr war er zu einer Unterredung mit Studiendirektor Bölsch gebeten. Um 17.30 Uhr würde er, wie jeden zweiten Dienstag, Mutter beim Abendessen im Altersheim Gesellschaft leisten. Bis 20.00 Uhr wollten die Katzen der Nachbarin gefüttert und deren Zimmerkakteen besprüht werden. Danach würde er bis zu den Tagesthemen Gemeinschaftskunde-Arbeiten korrigieren. Es verblieben bis zum Treffen mit dem Direktor also drei freie Stunden.

Die Schülerstimmen verklangen langsam in der Ferne. Der Lehrer dachte daran, wie seine alte Mutter, in dem kleinen Zimmer sitzend, hinter glasigen Augen sich selbst vergaß. Stolz war sie auf den Lehrersohn gewesen. Meist erkannte sie ihn nun nicht mehr. Vielleicht, falls er noch am Markt vorbei kam, würde er ihr eine Blume mitbringen.

Er war jetzt sicher, dass heute niemand mehr in den Klassenraum zurückkehren würde. Trotzdem schloss er von innen die Tür ab.
Er legte seine Weste sorgfältig über einen Stuhl. Er schenkte sich Kaffee aus einer Wärmekanne ein und nahm einige kräftige Schlucke. Er stellte sich ans Fenster und machte eine Streckübung.
Durch einen Spalt in der Wolkendecke brach eben etwas Sonne durch. Als er da im Licht stand, den Rücken gerade, gab der Lehrer jäh ein weniger klägliches Bild ab.

Hinter dem Pult, in der linken Ecke des Klassenzimmers, zwischen Tafel und Wand, war eine kopfhohe Tür, auf die er nun zuging. Dahinter lag ein kleiner Raum. Es hatte ein Regal darin gestanden, in dem Schüler ihre Malblöcke, Atlanten oder Zirkelkästen aufbewahrten. Überzählige Bänke waren hineingestellt worden. Da der Raum jedoch nach Moder roch und ohne Fenster war, hatte Direktor Bölsch die Nutzung bald verboten. Regal und Bänke wurden hinausgetragen und der einzige Schlüssel an Bölsch übergeben. Der hatte ihn zu all den anderen Schlüsseln gehangen und ihm nicht angesehen, dass er kopiert worden war. Mit der Kopie und feuchten Händen schloss der Lehrer nun die Tür auf.

Ob sie schlafen würde?

Sie schlief nicht. Das Mädchen saß in der Mitte der Kammer, festgebunden und geknebelt auf einem Schülerstuhl. Den Stuhl hatte der Lehrer extra für das Mädchen aus dem Klassenraum geholt, damit sie nicht auf dem Boden sitzen musste. Trotzdem hatte das Mädchen versucht zu schreien. Von den Schülern im Klassenraum war sie doch nur fünf Meter entfernt gewesen. Aber ein Knebel kann gut gebunden sein. Was sie auch tat, der Knebel hielt fest, so fest, dass das Mädchen würgen musste, wenn sie sich allzu sehr anstrengte, um Hilfe zu rufen. Voller Spucke nun war der Knebel und Blut. Auch ansonsten war das Mädchen nicht mehr so frisch wie ihre Kameraden aus der Klasse, nur fünf Meter entfernt. Ihr Körper war mit Schorfwunden bedeckt und die Augen unterlaufen. Als das Mädchen den eintretenden Lehrer durch das schummerige Licht sah, musste sie schluchzen. Der Lehrer lächelte, dem Mädchen ging es schlecht.

Als er ganz dicht am Mädchen stand, sodass sie seinen Kaffeatem schmecken konnte, der heute nicht nach Rosenkohl roch, drehte sie den Kopf weg. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. „Hast du deine Aufgaben gemacht?“, fragte der Lehrer und fasste mit der Hand auf ihre Schulter. Das Mädchen nickte mehrmals schnell und schluchzte dabei still unter dem Knebel. Der Lehrer wirke zufrieden und für den Moment schien Anspannung aus seinem Körper zu weichen. Er zog seine Schultern nicht mehr nach oben und der Kopf saß beinahe gerade auf dem Körper. Nun nahm er aus der Lehrertasche eine blaue Tupperdose. Darin lagen wohl geordnet geschnittener Sellerie, geschnittene Karotten, ein belegtes Graubrot und ein geviertelter Apfel. Schließlich holte er noch eine Flasche Lebertran aus der Lehrertasche und stellte sie vor das Mädchen. „Ich nehme dir jetzt den Knebel ab und du kannst essen. Du sollst schießlich Kraft haben für die Aufgaben. Aber schreien darfst du nicht, du weißt, was sonst passiert“. Sie nickte. Routiniert lockerte der Lehrer den blutigen Knebel. Als er lose lag, sog das Mädchen ihre Lungen voller Luft und schaute den über ihr stehenden Lehrer mit ihren großen wunden Augen an: “Bitte lassen Sie mich gehen“, weinte das Mädchen. „Ich lasse dich jetzt essen“, sagte der Lehrer und drückte dem immer noch festgebundenen Mädchen ein Stück Sellerie in den Mund.
Als der Lehrer das Mädchen fertig gefüttert hatte und sie auch noch die zwei erforderlichen Löffel Lebertran geschluckt hatte, machte er sich an die Arbeit. Er band das Mädchen los und half ihr aufzustehen. Sie schwankte und musste sich am Lehrer festhalten. Für einen Moment schien es so, als ob sich das Mädchen übergeben müsste, doch der Lehrer konnte sie sicher in den Klassenraum führen. Er brachte sie zu einem Stuhl in der vorderen Reihe und setzte sich selbst hinter das Pult. Der Lehrer griff sich an den Kopf um durch seine Haare zu fahren, doch er hatte wie gesagt eine Glatze. Er verschränkte die Arme und sagte, „Ich habe dir ja in der letzten Stunde aufgegeben, gedanklich ein Referat mit dem Titel `Ich gehorche dem Lehrer´ zu entwerfen. Bitte fang an“.

Das Mädchen fing mit ihrem Vortrag an, der zwar durchdacht, aber etwas unsicher aufgesagt wurde. Währenddessen schrieb der Lehrer einige Notizen in sein Buch und kratze sich mehrmals am Kopf. Der Vortrag endete schließlich und der Lehrer schaute sie unentschlossen an. Er schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren, blieb still und zuckte dreimal kurz nervös mit dem Kopf. Schließlich sagte er: “Ich bin mit deinem Vortrag nicht vollkommen unzufrieden, aber etwas fehlt. Es kommt mir fast so vor, als ob du nicht ganz daran glaubst, dass dem Lehrer gehorcht werden muss.“ Wieder schaute er das Mädchen lange an, wie sie dort zittend auf der Schülerbank saß, ihre Adern unter der blassen Haut durchscheinend, Blut am Körper. Plötzlich stand der Lehrer, von einer neuen Idee hochgerissen, auf. „Ich habe mich entschieden, dass du deine Aufgabe nicht erfüllt hast. Gehe zur Strafe an die Tafel und schreibe daran 200 mal `Ich gehorche dem Lehrer´. Für deinen Vortrag kann ich dir leider nur eine 5 plus geben.

Für einen Moment war es sehr still im Zimmer. Nur jemandem, der dicht am Mädchen gestanden hätte, wäre ihr leise rasselnder Atem hörbar gewesen. Schwankend begab sie sich zur Tafel, auf der bald zitterige Buchstaben erschienen. Der Lehrer folgte der Mädchenschrift eine Weile, und dies nicht ohne Genuss. Bis ihm einfiel, dass er heute sein autogenes Training noch nicht absolviert hatte. „Die Regelmäßigkeit ist hierbei A und O“ erinnerte er sich an die Stimme der Kursleiterin. „Weiter, und zwar bitte ein wenig ordentlicher!“ wies er das Mädchen an, nahm ein kleines CD-Abspielgerät aus der Tasche und setzte den lederbezogenen Kopfhörer (vor vielen Weihnachten ein Geschenk seiner Mutter) auf die Ohren. Er lehnte sich auf seinem Lehrerstuhl zurück, schloss die Augen und drückte ‚Start‘. „Ihre Glieder werden schwer, ganz schwer“, hörte er eine Frauenstimme und sank noch ein wenig tiefer auf dem Stuhl. Da der Lehrer seit einem jugendlichen Missgeschick auf dem rechten Ohr halb taub war, hörte auch das Mädchen vorne an der Tafel von den schweren Gliedern. Sie hielt einen Moment inne. Dann drehte sie sich zaghaft um und sah: der Lehrer schien abzudriften. Galt seine Aufmerksamkeit wirklich dem Kieferwäldchen, das nun beschrieben wurde? Wollte er das Mädchen testen? Sie sah den Schlüsselbund in seiner Bundfaltenhose stecken. Sicher war auch der Schlüssel zum Klassenzimmer daran. Ob sie es schaffen könnte, ihn unbemerkt an sich zu nehmen? „Sie gehen durch die Dünen, spüren mit jedem Schritt warmen Sand unter ihren Füßen…“ Der Lehrer zuckte mit den Muskeln, unwillkürlich, wie an der Schwelle zu einem gesunden Schlaf. Nein, er testete sie nicht, er war wirklich durch Kiefern zum Strand gelaufen, und gleich würde er sich dort hinlegen und eine Weile bleiben. Trotzdem, den Schlüssel zu nehmen wäre gefährlich.

Das Mädchen hatte eine bessere Idee.

 

Ahoi Hoi!

Deine Geschichte ist sehr lebendig geschrieben, der Lehrer ist schön beschrieben und hat durch die geplanten Ereignisse, wie den Besuch seiner Mutter, auch einiges an Charaktertiefe gewonnen - zu einem gewissen Maß tut er einem ja auch leid, zumindest anfänglich.
Dann, im letzten Drittel der Geschichte merkt man, dass mit dem Lehrer etwas nicht stimmt (auch wenn ich dies schon zu Anfang vermutet hatte, es ist schon ein etwas klischeehafter Typ), der schwache Lehrer verwandelt sich im Angesicht dieses eigenartigen Raumes zu einem anderen Menschen ("weniger kläglich", wie du es nanntest). Bis hierhin finde ich alles ganz wunderbar, aber was nun? Du hast dem Leser eine spannende Grundsituation geliefert und lässt diese mit einem Satz einfach auslaufen.
Das mag vielleicht beabsichtigt gewesen sein, um ein offenes Ende zu bewahren, aber ich finde da hätte man mehr rausschlagen können. Wenigstens noch einen Absatz, denn so hat der Leser nur eine ganz grobe Ahnung, was überhaupt in dem Raum vor sich geht. Die schön zuvor aufgebaute Spannung verpufft im Nichts.

Lg

 

Gut geschrieben, finde ich. Das Ende lässt ja viel Raum für die Phantasie des Lesers. Ich finde das ganz gut.

 

Hallo,

Wenn er sich, näher als nötig, zu einem Mädchen hinunterbeugte um ihr Aufgabenheft einzusehen,
, um ihr (bei um … zu und ohne … zu steht weiter ein Komma)

„Was ist denn so lustig?“ fragte der irritierte Lehrer.
KOMMA fragte der Lehrer (irritiert geht aus der Frage hervor; wörtliche Rede hat spezielle Komma-Regeln, die muss man einfach lernen, vor „fragte“ muss hier unbedingt ein Komma stehen.

Wer war das?“ Alle riefen einstimmig: „Der Hausmeister war es!“.
Es gibt eine Konvention bei einem Sprecherwechsel auch einen Zeilenwechsel zu machen. Die meisten Autoren halten das so, es fällt dem Leser leichter sich daran zu gewöhnen (auch viele Tageszeitungen machen das z.B. so, dass sie einen neuen Absatz beginnen, wenn ein anderer zitiert wird).
Wenn man dagegen handelt und keinen Zeilenwechsel betreibt, wirkt ein solcher Textteil schnell unübersichtlich, ich würde sehr dazu raten, dort immer die Zeilen zu wechseln. Es lockert einen Text stark auf.

Das Mädchen saß in der Mitte der Kammer, festgebunden und geknebelt auf einem Schülerstuhl.
Also das hab ich echt nicht kommen sehen, ich hab den Lehrer ein bisschen lieb gewonnen, bis dahin, und ich dachte, es geht vielleicht darum, zu klären, wer das Ding da gemalt hat, als „Krimi“-Fall, also die Wendung hat mich sehr überrascht. Es ist natürlich mit ihr jetzt auch die Gefahr da in allzu bekanntes Terrain abzugleiten.

Der Lehrer griff sich an den Kopf um durch seine Haare zu fahren, doch er hatte wie gesagt eine Glatze.
, um durch seine Haare zu fahren
Dieses „wie gesagt“ würde ich unbedingt rausnehmen, das geht nur bei namentlich bekannten Erzählern, in einer bestimmten Erzählsituation … das ist ziemlich kompliziert und macht immer die Tür zu einer sehr weiten Diskussion auf, aber ich würde „wie gesagt“ hier unbedingt streichen.

Ja, Frankiestein hat offenbar eine Version kommentiert, bei der schon viel früher Schluss war, ich les jetzt die weitere Version und … es läuft halt jetzt auf nichts mehr hin, jetzt hat die Geschichte kein Ende. Jetzt wird wieder nur etwas angedeutet, wie die Geschichte in einen Thriller-Plot münden würde, ohne dass sie es aber tut, das find ich nicht so gut, es nimmt der Geschichte das Außergewöhnliche in dieser Situation, dass ein Lehrer, der keinen Respekt bekommt, sich nach diesem Respekt, der ihm eigentlich zusteht, sehnt und ihn sich dann auf diese Art zurückholt. Das ist die Idee dieses Textes. Dass einer ein Lehrer sein will wie in den 50ern, einer mit absoluter Autorität.
Und alles, was dann diese Idee „normalisiert“ in Richtung „Saw“ oder „Zum Küssen sind sie da“ oder so, wird schon wieder schwächer. Es wäre jetzt gut, die Geschichte auf so einer Note abzuschließen und dem Leser nicht das Gefühl zu geben – wie es hier ein bisschen ist – okay, ich hatte keine Idee für eine Idee … ehm, da hab ich eins von der Stange genommen.
Ansonsten ist das eine interessante Geschichte, eine schlicht geschriebene, fand ich gut, mit starken Bildern, natürlich am Klischee dran, aber gut und interessant. Es fehlt ein besseres Schlussbild, dann wäre das sehr rund. Eine kleine, einfache, runde Geschichte. Das ist schon viel wert.

Gruß
Quinn

 

Ahoi hoi!

Ich sehe, du hast die Geschichte erweitert. Nun, um ehrlich zu sein: das ist nicht unbedingt das, was ich meinte. Ein offenes Ende ist natürlich gut, aber in der Anfangsversion war es mir persönlich doch zu offen. Man wusste wirklich überhaupt nicht, was in dem Raum vor sich ging.
Jetzt, nach der Erweiterung, wissen wir, was da drin abgeht, zumindest in groben Zügen. Wie lange sie da drin ist, wer sie eigentlich ist und warum sie nicht vermisst wird wissen wir nicht, aber das ist okay. Leider ist das Ende dieser Version genau so offen, wie das vorherige: Was wird sie tun? Wird sie es schaffen?
Außerdem hat dein Schreibstil etwas nachgelassen und die Handlungen des Lehrers wirken hier etwas absurd. Er verlangt Respekt, lässt die Schülerin an die Tafel schreiben und driftet dabei ab in einen seligen Schlaf? Klingt holprig.
Wie bereits gesagt, ich denke ein weiterer, kurzer und bündiger Absatz hätte gereicht, um etwas mehr, aber gleichzeitig nicht zu viel Einblick zu geben.

..Der Lehrer lächelte, dem Mädchen ging es schlecht.
Nach diesem Absatz noch ein runder Satz und dann Schluß, das wäre meiner Meinung nach besser.

Lg Frankiestein

 

Hallo,

Das hält sich hier gut die Waage, finde ich: Einerseits ist der Lehrer schon dicht am Klischee - was ja auch dadurch verstärkt wird, dass er nur mit seinem "Gattungsnamen" bezeichnet wird - andrerseits ist das doch fein genug gezeichnet, dass man ihn am Anfang bemitleidet und als Figur lieb gewinnt. Ich mag auch den Stil: schön schlicht und klar, dieses beige Rosenkohl-Flair sehr gut eingefangen.

Aber über das aktuelle Ende (das frühere kenne ich nicht) muss ich auch meckern.

Das Mädchen hatte eine bessere Idee.
Wenn du das schon behauptest, dann musst du auch liefern. Sonst denkt sich der Leser: Das kann ja jeder sagen.

Ein Ansatz wäre der von Frankiestein vorgeschlagene: Die Geschichte enden zu lassen, nachdem das Geheimnisse des Raums enthüllt wurde. Was ich machen würe: Lass sie doch ruhig nach dem Schüssel greifen. Sie beugt sich vor, riecht wieder den Atem des Lehrers, hört diesen Kram über die Kiefern, die Fingerspitzen berühren den Schlüssel - und dann, zack!, offenes Ende. Ist zwar wieder'n bisschen klischeehaft so, sehr auf Effekt, würde mir aber gefallen.

Dann noch so eine Detailsache:

In einer Sprechblase stand: „Mir muss man gehorchen, denn ich bin der Lehrer!“ Nun brach das Lachen ungehemmt aus den Schülern heraus. Einige klopften sich gar auf ihre Schenkel oder hielten sich die Bäuche.
Die Stelle hat mir, gerade weil ich die Beobachtungen sonst so gut fand, nicht gefallen. Ich glaube nicht, dass pubertierende Schüler für eine Tafelkrakelei diese literarische "denn"-Konstruktion benutzen. Den Satz würde ich umbauen. Außerdem kann ich mir nicht so richtig vorstellen, wie die sich auf die Schenkel klopfen und sich die Bäuche halten - das klingt mehr so nach älteren Herrschaften im Biergarten oder so.

Vom Ende abgesehen: gern gelesen, schmucke kleine Geschichte!

Grüße,
Meridian

 

Hej, die fand ich gut!

Ich war echt überrascht, als das Mädchen auftauchte und der Lehrer sich entpuppte.
Gekonnte Sprache auch.

Ich grüble, warum das offene Ende hier nicht so passt. Denn normalerweise ist ein offenes Ende ja kein Problem ...

Wenn die erste Version der Geschichte mit dem Öffnen der Tür aufhörte: ja, dann war da der Leser einfach unbefriedigt, weil hinter der Tür ALLES hätte sein können. Beim Lesen ins Leere zu laufen, macht keinen Spaß.
Die neue Version ist um Längen pfiffiger dann, weil sie der Figur des Lehrers so viel mehr hinzufügt, also diese Wendung passt wunderbar.

Aber warum ist das offene Ende hier wieder unbefriedigend?
Gibt es bestimmte Geschichtsstrukturen, die nicht mit einem offenen Ende aufhören dürfen?
Nach dieser Wendung (die mir so gut gefallen hat) habe ich jedenfalls kein offenes Ende erwartet, ich wollte was Geschlossenes. Das könnte in diesem Fall sein, dass der Lehrer das Mädchen umbringt, oder einfach die Geschichte mit der Schilderung seiner Quälereien aufhören lassen.

Offene Enden funktionieren oft dann gut, wenn eine Geschichte früh drauf hinarbeitet. Also, wenn es sich die ganze Zeit (oder: "schon länger") um ein Problem dreht, das die Figuren lösen müssen, eine Entscheidung, die gefällt werden muss. Und dann auf dem Höhepunkt, kurz bevor der Würfel fällt, wird ausgeblendet. Das ist doch auch der klassische Aufbau einer Kurzgeschichte, oder?

Ja, ich schwafle. :D
Also: mir hat's gefallen, und ich werd wohl noch länger drüber nachdenken müssen, ob offene Enden nur nach bestimmten Regeln "erlaubt" sein sollten.

 

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