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Der Löwe hat Geburtstag
Es war einmal ein Löwe, der wohnte in einem großen Haus. Das hatte sehr viele
Zimmer. Die meisten waren Gästezimmer für Freunde, die ihn oft besuchten.
Weiterhin hatte er ein großes Wohnzimmer mit sehr bequemen Sesseln. Im Keller
hatte er allerhand Leckereien gelagert, die er in der Küche zubereiten konnte.
Einmal im Jahr feierte der Löwe seinen Geburtstag. Dann war sein Haus
brechend voll. Jedes seiner Gästezimmer war besetzt. Einige Mäuse schliefen
sogar im Keller, auf den großen Käsestücken, einige Katzen auf dem Dach, auf
dem sie den Mond anschnurren konnten.
Für seine beste Freundin, die Maus von nebenan, hatte der Löwe das schönste
seiner Zimmer reserviert, nämlich das mit den vielen Bildern an der Wand. Vor
allem waren darauf alle möglichen Käsesorten abgebildet, mal mit Weintrauben,
mal mit Getreidekörnern. Alles war auch dieses Jahr bestens vorbereitet.
Den Abend vor seinem Geburtstag waren alle seine Freunde angereist, weil sie
morgens dem Löwen zeitig gratulieren wollten und dann im Freien jede Menge
Spiele veranstalten wollten.
Aber in der folgenden Nacht passierte etwas, das ein bißchen Unordnung in
diese Pläne brachte.
Morgens, als der Löwe aufwachte, aufstand und zum Badezimmer schlurfte, da
sah er eine Spur im Flur. Diese Spur bestand aus Getreidekörnern und führte
durch den ganzen Flur, an vielen Türen vorbei bis zur Küche. Ungläubig
verfolgte der Löwe die Spur bis in die Küche, in der alle Schränke
offenstanden. Aus einem war ein Honigglas genommen. Es stand noch auf dem
Tisch, halbleer, mit Getreidekörnern vermischt.
Der Löwe dachte sich: „Komisch, wenn jemand Hunger gehabt hatte, hätte er das
doch gestern abend sagen können, und er hätte mehr von dem leckeren Abendbrot
bekommen." Er wurde ein bißchen ärgerlich über die Schweinerei, die da
angestellt worden war. Er verfolgte die Körnerspur zurück und landete im
Keller bei seiner großen Getreidetonne, die weit offen stand.
Durch die Geräusche wurden die Mäuse wach. „Guten Morgen, alles Gute zum
Geburtstag!" riefen sie, als sie den Löwen erkannten. „Hm", brummte der bloß,
„Habt ihr jemanden gesehen, der Getreide in die Küche getragen hat?" fragte
er die Mäuse. „Nein, es ist ja ganz dunkel hier im Keller. Außerdem steht die
Tonne da hinter einer Ecke, wo wir sie nicht sehen können." erklärte eine
Maus. „Jetzt weiß ich, daß ich nicht geträumt habe, als ich Geräusche in der
Nacht hörte." sagte eine andere Maus. „Ich hatte richtig Angst, aber ich
dachte, es wäre nur ein Traum." „Was hast du denn gehört?" fragte der Löwe.
„Hm, es schepperte, das könnte der Deckel der Tonne gewesen sein." „Hast du
kein Licht gesehen?" „Nein, wenn ich Angst bekomme, verkrieche ich mich immer
unter der Decke." „Ach, vielleicht hätten die Hunde hier schlafen sollen",
seufzte der Löwe.
Als der Löwe zurück aus dem Keller kam, waren schon viele Tiere auf den
Beinen. Die meisten hatten die Getreidekörner gar nicht bemerkt und sie
breitgetreten.
Die Tiere, die schon im Wohnzimmer waren, wollte der Löwe gerade fragen, ob
sie etwas verdächtiges bemerkt hatten, als diese aufstanden und „Alles Gute
zum Geburtstag" sangen. Der Löwe winkte nur ab und erzählte, was er
herausgefunden hatte.
„Wer würde denn Honig essen?" fragte eine Katze. „Der Bär vielleicht." sagte
der Igel, der das wohl nur deshalb sagte, weil der Bär nicht in dieser Runde
war. Der Löwe dachte, daß dies eine gute Idee war, und stiefelte zum Zimmer
des Bären. Der drehte sich gerade noch einmal auf die andere Seite, um seinen
Morgenschlummer fortzusetzen. Der Löwe rüttelte ihn und schaute sich seinen
Mund an. Aber da waren keine Spuren von Honig. „Oh, Löwe, danke für’s Wecken.
Ich wünsche dir alles Gute zu deinem Geburtstag." sagte der Bär, noch etwas
schlaftrunken. „Wir haben einen Dieb unter uns, der Getreide mit Honig
genascht hat, ohne vorher zu fragen." „Na, so was, wer würde denn so etwas
tun?" fragte der Bär, „Wer außer mir mag denn noch Honig?" Dann merkte der
Bär, daß er als Täter in Frage kam. „Oh, nein, ich war das nicht, ich habe
tief und fest geschlafen. Außerdem habe ich nachts nie Hunger." „Hm, seltsam,
ich kann mir das auch alles nicht erklären." sinnierte der Löwe.
Als der Löwe und der Bär gemeinsam zum Wohnzimmer kamen, scholl ihnen schon
großer Lärm entgegen. „Was ist denn hier los?" fragte der Löwe. „Alles Gute
zum Geburtstag und möge dein neues Lebensjahr so süß wie diese Torte sein!"
riefen alle im Wohnzimmer, das jetzt brechend voll war.
Das Wildschwein hatte in seiner Hand ein großes Tablett mit einer noch
größeren Geburtstagstorte, auf der das Bild eines Löwen zu sehen war.
„So, und jetzt laßt uns anfangen mit Essen und Spielen!" rief die Maus, die
beste Freundin des Löwen. „Aber wir müssen doch noch den Honigdieb finden."
entgegnete der Löwe.
„Nein, das brauchen wir nicht mehr. Ich gebe es freiwillig zu." erwiderte die
Maus. „Wir mußten dich doch irgendwie fern von der Küche halten. Und das ist
uns doch gut gelungen." Der Löwe war ganz verblüfft und bekam seinen Mund gar
nicht wieder zu.
Der Tiger klopfte dem Löwen auf die Schulter und sagte: „Komm, alter Freund,
laß uns um die Wette laufen. Wer zuerst an dem Baum dahinten ist, darf das
erste Stück der Torte essen."
Was soll man noch erzählen? Natürlich war der Löwe schneller als der Tiger
und es wurde auch sonst ein wunderbarer Geburtstag, von dem noch lange
erzählt wurde.