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Der Kunde

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07.01.2003
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Der Kunde

"Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?"

Peter Rudolph musterte den Kunden, der etwas verloren mitten in der Computerabteilung stand. Auf einer Laufsteg-Tauglichkeitsskala von null bis zehn lag er locker sieben Punkte hinter Rudolph. Nicht, dass es für das Verkaufsgespräch irgendeine Bedeutung hätte, aber es erfüllte Rudolph mit einer gewissen Genugtuung. Sechzig Euro im Monat für Fittness und Bräune müssen sich schließlich auszahlen.

Der Begutachtete rückte seine Brille zurecht.

"Äh.. ja. Vielleicht. Richard Pentow mein Name. Ich suche einen ganz kleinen, leichten Computer. Vielleicht einen, den ich in die Jackentasche stecken kann?"

Etwas zum rumprotzen also, dachte Rudolph abschätzig. "Vielleicht wäre der Palm Tungsten etwas für Sie?"
Er führte seinen potenziellen Provisionseinbringer zum entsprechenden Gerät.
"Aha, aha. Stimmt. Der ist sehr klein," stimmte Pentow zu. "Wo ist denn da die Tastatur?"
"Der hat keine, man bedient ihn mit einem kleinen Stift. Sehen Sie, der steckt hier hinten im Gerät." Pentow zuckte mit der linken Augenbraue und zog die Mundwinkel nach unten. "Hmm, Hmm. Ich glaube nicht, dass ich damit zurecht komme. Tastatur wär schon wichtig."

In Rudolph klingelte ein kleines Glöckchen. Dem konnte er bestimmt ein ordentliches Sümmchen aus der Nase ziehen. "Wenn Sie noch etwas drauflegen, bekommen Sie ein volles QWETRZ-Keyboard." Er zeigte auf das nächste Gerät, drückte auf ein verborgenes Knöpfchen und tatsächlich schnellte eine Tastatur unter dem Display heraus.
"Aha, aha. Die ist aber winzig. Kann man denn darauf richtig schreiben?"

Die Glöckchen verstummten.

"Nun. Sie können es gern ausprobieren. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Tastatur nur für kurze Texteingaben geeignet ist. - Notizen und Termine." Sein trainiertes Verkäuferhirn reagierte automatisch: "Aber es gibt für die Palm-Geräte eine ansteckbare Falttastatur, die fast Vollformat hat."
"Hmm, hmm. Tja, aber da mach ich womöglich etwas kaputt, oder lasse ein Teil irgendwo liegen. Gibt es das nicht am Stück, so in einem Gerät?"
"Doch, doch. Durchaus. Wir hätten da noch den HP Jornada mit einer vollwertigen, allerdings etwas verkleinerten Tastatur. Probieren Sie doch mal."
Pentow fingerte einen Moment lang auf dem Gerät herum.

"Hmm, hmm. Ich weiß nicht. Das ist doch alles etwas eng. Ich schreibe viel, wissen Sie."
"Wofür brauchen Sie das Gerät denn?" Vielleicht konnte er diesem Kunden ja sogar noch ein Subnotebook verkaufen?
"Ich bin Schriftsteller, wissen Sie. Ich würde gern unterwegs schreiben können. Spontan, wenn mir etwas einfällt."

Gerettet, dachte Rudolph. "Dann habe ich etwas für Sie. Kommen Sie dochmal eben mit." Sprachs, und schob den schüchternen Kunden um eine Ecke. Vor einem kleinen, zerbrechlich wirkenden Kästchen machte er Halt.

"Hier hätten wir die Sony Vaio C-Klasse. Nicht ganz billig, aber jeden Cent wert. Groß bei Prozessor, Speicher und Akkuleistung, klein in Abmaßen und Gewicht."

Pentows Augen leuchteten auf, als er über die Tastatur des Gerätes fuhr.

Rudolph unterdrückte die körperliche Umsetzung des Siegesgefühls, das ihn durchfuhr. Ruhig bleiben war wichtig. Er fühlte sich auf dem Weg in den sicheren Hafen.

Dann fiel der Blick des vermeintlich sicheren Kunden auf das Preisschild.

Er schluckte.
Rudolph biss sich auf die Lippen.
Pentow blickte zur Decke, Rudolph zu Boden, um sich dann hilflos umzusehen.

Hatte er noch irgendetwas?

Der Billige von Gericom? - Zu klobig, zu laut, zu wenig Akku.
Bei den Handhelds? - Der Psion ist aus dem Sortiment raus. Dumm.
Irgendetwas in der Mittelklasse? - Preislich wie der Vaio.
Was könnte denn noch...

"Ich glaube, ich hab gefunden, was ich suche", unterbrach Pentow die Gedanken des Verkäufers, der sofort wieder sicheren Boden unter seinen Füßen wähnte.

Jedoch nicht lange.

"Dort drüben," erklärte Pentow, der beim gedankenverlorenen Umherschauen ein gegenüberliegendes Schaufenster entdeckt hatte. "Ich danke Ihnen für Ihre Mühen. Auf Wiedersehen."
Der erfolglose Verkäufer blieb verdutzt zurück.
Was war doch gleich gegenüber?

Einen Moment lang stand Rudolph in einer Weise angewurzelt am Fleck, für die er seine Laufsteg-Skala in den negativen Zahlenraum hätte ausdehnen müssen.
Er eilte zum Schaufenster und blickte zwischen dem Athlon 3000+ Desktop-Rechner mit 3D-Grafik und fünfhundertzwölf MB-RAM und dem Yakumo Centrino-Notebook für vierzehnhundert achtundneunzig hindurch, gerade noch rechtzeitig, um einen glücklichen Rudolph auf die Straße zurückkehren zu sehen.
"Schreibwaren Reineke," stand über der Tür, durch die er kam, in den Händen einen Zehnerpack Bleistifte, einen Spitzer und ein Notizbuch.


Schriftsteller, dachte Rudolph verächtlich. Fortschrittfeindliches Pack.

 

Hi lucutus!

Hat mir gut gefallen, deine Geschichte. Ist flüssig geschrieben, besitzt einen trockenen ironischen Unterton und die Pointe passt perfekt. Eine nette Alltagsgeschichte, mit einem Augenzwinkern verfasst und natürlich besonders humorvoll für uns Autoren. ;-)

Fehler sind mir keine aufgefallen, außer dass einige Mal das "Sie" und "Ihnen" als Anrede irrtümlicherweise klein geschrieben ist.

Hat Spaß gemacht, sie zu lesen.

Ginny

 

Hi Ginny,
schön, dass es dir gefallen hat.

Schreibt man Anreden in einer Geschichte auch groß? Ich dachte, dass macht man nur in Briefen!?

::lucutus::

 
Zuletzt bearbeitet:

Jo, die Anreden sind immer groß - man schreibt nur nach der neuen Rechtschreibung das "du" inzwischen immer klein.
Ich bin mir zu 99 Prozent sicher. :D

edit: Hatte das schonmal für Jacks "Strangers ..." nachgeschlagen und damals im Duden gefunden:
Die Höflichkeitsanrede "Sie" und das besitzanzeigende Possesivpronomen (besitzanzeigende Fürwort) "Ihr" sowieso die zugehörigen flektierten Formen werden immer großgeschrieben.

G.

 

Dann werd ich das bei der nächsten Überarbeitung mal einflechten.. mir sind da noch so zwei, drei Kleinigkeiten aufgefallen.
Später... :D

 

Die Höflichkeitsanrede "Sie" und das besitzanzeigende Possesivpronomen (besitzanzeigende Fürwort) "Ihr" sowieso die zugehörigen flektierten Formen werden immer großgeschrieben.

Hab ich schon häufoger hier im Forum gelesen und bin mir da nicht so sicher. Das meiner Meinung nach entscheidende Wort hier ist 'Anrede'. Und die Frage, die sich hier stellt: Handelt es sich hier um eine Anrede? Es geht darum, dass wörtliche Rede wiedergegeben wird. Person A spricht Person B an, aber der Schreiber spricht niemanden an. Ich persönlich glaube, dass Singularanredepronomina (das Wort habe ich von Kitana :D ) nur in Briefen, Mails, Forenbeiträgen, etc. groß geschrieben werden, weil hier wirklich jemand angeredet wird.

Zur Story: Ich mochte sie. Mitten drin, als ich die Gedanken des Verkäufers gelesen hatte, habe ich mir gesagt: 'Hoffentlich kauft der Schriftsteller einfach nur einen Schreibblock, oder sowas'. Mir als Technikfeind ging die Geschichte runter wie Öl ;)

 

Wie, der Schreiber spricht niemanden an. In der wörtlichen Rede in der Geschichte sprechen Verkäufer und Kunde miteinander und das muss groß geschrieben werden, meinte ich. :confused:
Allerdings ist es für mich auch eine Anrede, wenn der Autor sich an den Leser wendet.

G.

 

Ja, aber der Autor wendet sich nicht an den Leser, sondern der Verkäufer wendet sich an den Kunden.

Stellen wir uns vor, die ganze Sache hätte sich tatsächlich so zugetragen und wäre auf Tonband aufgenommen worden. Jetzt gehe ich hin und schreibe diesen Dialog nieder. Wen spreche ich dann an? Niemanden. Ich schreibe auf, dass B von A angesprochen wurde. Und das müsste klein geschrieben werden, meine ich. Klar, was ich meine?

 

Hm. Ich verstehe was du meinst, aber in _jedem_ Buch, das ich bisher gelesen habe, ist es so, dass in der wörtlichen Rede das "Sie" großgeschrieben wurde. Das ist für mich auch nicht der Autor der da spricht - sondern das sind die Figuren.

 

Hmpf, ich habe gerade ein paar Bücher gewälzt und gesehen, das 'Sie', sowie 'Ihr' (in Fantasy-Stories als direkte Anrede) groß geschrieben wird. 'Du' wird klein geschrieben. Du hast also recht und ich beuge mein Haupt. ;)

Aber logisch finde ichs nicht.

 

Moin Lucutus,

Endlich gibts mal wieder was zu Lesen von dir...
Deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen. Die zugegeben nicht mehr ganz so neue Idee (Verkäufer versucht Kunden über den Tisch zu ziehen) hast du locker und pointiert umgesetzt. Keine Haken und Ösen, das alles liest sich sehr schön.

Was mir ein wenig fehlt, sind wirklich spirtzige Ideen. Das Gespräch dreht sich ja nur darum, daß der Verkäufer ein Produkt nach dem anderen bewirbt, wobei er sich preislich (vermutlich) immer weiter nach oben bewegt. Dadurch wirkt das Ganze auf mich ein wenig monoton (aber keinesfalls langweilig). Aber im Moment fällt mir auch nicht ein, wie man es hätte anders realisieren können.
Die Pointe hat mir gut gefallen, auch wenn sie rückwirkend gesehen schon vorhersehbar war. Macht aber nichts, da sie den Text sehr schön abrundet.

Auf einer Modell-Tauglichkeitsskala von null bis zehn lag er locker sieben Punkte hinter Rudolph.
Diesen Satz mußte ich etwa siebzehn Mal lesen, bevor ich das verstanden habe. Ich habe am Anfang gedacht, du meintest Modell im Sinne von Baureihe und nicht von Heidi Klum (ich glaube auch, diese Models schreibt man nur mit einem L - bin mir aber überhaupt nicht sicher). Vielleicht könntest du da noch ein wenig Klarheit/Eindeutigkeit reinbringen, zB könnten sie Unterhosenmodels werden. :D

Naja, das wirkt doch ziemlich albern, da sehr umgangssprachlich. Das paßt irgendwie überhaupt in den sonstigen Stil. Ist aber nur mein Eindruck.

Insgesamt eine gelungene Geschichte für Zwischendurch, die vor allem durch den lockeren Stil lebt.

PS: Zum Streitfall Sie-sie hilft vielleicht dieser Link (ich hoffe, das ist noch aktuell)

 

Wär das auch geklärt. Was ist an Deutscher rechtschreibung schon logisch :D

Fiddlers Green:
Ich gebe jetzt aber nicht zu, dass ich in Wirklichkeit ein richtiger Technik-Freak bin :D

 

Jaa! Mein lieblingsgnoebel hat zugeschlagen :D

Schön, dass du meine kleine Geschichte nett fandest.

Was mir ein wenig fehlt, sind wirklich spirtzige Ideen. Das Gespräch dreht sich ja nur darum, daß der Verkäufer ein Produkt nach dem anderen bewirbt, wobei er sich preislich (vermutlich) immer weiter nach oben bewegt.
Nun, das ganze Geplänkel dient ja eigentlich nur dazu die Pointe vorzubereiten. Ich denke, irgendwelche abstrusen Wendungen würden der Story eher schaden. Da sie dich noch nicht gelangweilt hat, denke ich mal, ich hab's nicht zu lang ausgebreitet :)
Auf einer Modell-Tauglichkeitsskala von null bis zehn lag er locker sieben Punkte hinter Rudolph.
Da bin ich im Nachhinein auch drüber gestolpert...:rolleyes: Hab's in "Laufsteg-Tauglichkeitsskala" umgetauft. Ist das besser, oder sollte ich den Gag ganz raus lassen?

Zitat: Yesss
Naja, das wirkt doch ziemlich albern, da sehr umgangssprachlich. Das paßt irgendwie überhaupt in den sonstigen Stil. Ist aber nur mein Eindruck.
Erst wollte ich dir widersprechen, weil es ja um eine Alltagsreaktion geht... aber dann dachte ich - okay, gnoebel hat recht... so was macht man in einer Geschichte nicht unbedingt. Ich hoffe. die neue Version findet deinen Zuspruch :)

Insgesamt eine gelungene Geschichte für Zwischendurch, die vor allem durch den lockeren Stil lebt.
Genau so sollte es sein. Also, Ziel erreicht :D

gruß vom Borg :cool:

 

Hallo lucutus,

eine nette Geschichte, ´mal so zum Entspannen, leider ahnt man schon recht früß, was wohl passieren wird.
Gut gefallen hat mir die Stelle: „Die Glöckchen verstummten“ - man kann die Ernüchterung des Verkäufers richtig spüren...

Tschüß... Woltochinon

 

hi luctus!

kann mich den anderen nur anschließen: nette kleine Geschcihte. Locker, flüssig, ironisch geschrieben, auch wenn ich etwa die Hälfte der Worte nicht kannte. :D
Besonders die letzten beiden Sätze haben mich zum grinsen gebracht. Was für unterschiedliche Auffassungen man doch haben kann...

"die ihn durchführ." - durchfuhr?

schöne Grüße
Anne

 

Hi Maus,

schön, das es dir gefallen hat. Die Namen der Geräte hab ich auch im Internet zusammen gesucht :) (aber okay, das eine oder andere kannt ich schon :))

"die ihn durchführ." - durchfuhr?
Hast recht... *korrigier*

::lucutus::

 

Hey Jens,

hat mir sehr gut gefallen! Musste oft schmunzeln. Gut, dass ich kein Schriftsteller bin, ich komm also mit meinem Palm ganz gut zurecht, obwohl der nur sonen Stift hinten drin hat.
Ich denke mir, wenn du weiter an dir arbeitest, die nächsten Ideen wieder in dem sicheren Stil schreibst, kommen bald richtig gute Satiren raus. Diese Geschichte ist ein nettes Alltagshäppchen, aber ich denke mit ein bisschen Mut, schaffst du es, bissig satirisch zu werden und nicht "nur" leicht ironisch. Wenn du das überhaupt willst, denn eine leichte Unterhaltung ist dir hier schon gut gelungen.

Fisselskram:

Etwas zum rumprotzen also, dachte Rudolph abschätzig bei sich
zum Rumprotzen
Ich würde "bei sich" wegstreichen, dann liegt die Betonung auf "abschätzig" - passt mMn besser zum Text.

aber da mach ich wohlmöglich etwas kaputt,
Du meintest "womöglich", oder?
als über die Tastatur des Gerätes fuhr
...er über die Tastatur...

Rudolph unterdrückte die körperliche Umsetzung des Siegesgefühls, die ihn durchfuhr.
:lol:
Aber im Relativsatz müsste es "...Siegesgefühls, das ihn durchfuhr." heißen.
Der billige von Gericom?
Der Billige...
Einen Moment lang stand Rudolph in einer Weise angewurzelt am Fleck, für die er seine Laufsteg-Skala in den negativen Zahlenraum hätte ausdehnen müssen.
Gefällt mir, wie du damit den Rahmen zum anfänglichen Laufsteg-Vergleich schließt.

:)
Sylvia

 
Zuletzt bearbeitet:

Huhu Sylvia!

Ich bekenne mich in allen Punkten schuldig im Sinne der Anklage und lasse mich verurteilen zu Palm Tungsten nicht unter drei Jahre - aber bitte auf Bewährung. :D

Für dein Abschlusslob (pädagogisch sehr klug aufgebaut - positiv anfangen, dann meckern und nen Sahnehäubchen für's Ende aufheben :) ) muss ich dem gnoebel die Hand küssen. Der Satz ist nämlich im Zuge der Gnoebelkritikeinarbeitung entstanden :D

*gnoebeldiehandküss*

*vorsylviaverbeug*

Gruß Jens

 

ja was neues von den Borg :D

Und echt klasse, das Problem des armen Kunden kommt mir irgendwie bekannt vor :D

HP Journada - Ich glaub der heisst Jornada und aus dem Programm sind die Dinger leider auch... amcht aber nischds :D

Das Ende ist einfach zu klasse, man kann so richtig sehen wie dem verkäufer sämtliche Gesichtszüge entgleisen :D

 

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