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Der Krieger
Er stand vor den Trümmern seines Lebens.
Alles, was ihm etwas bedeutet hatte, hatte er verloren.
Seine Liebe, seinen Besitz, seine Ehre- nur nicht sein Leben.
Und so beschloss er, sich zu rächen.
Im Namen der Gerechtigkeit erhob er sein Schwert und kämpfte.
Ein Kampf folgte dem Nächsten. Tag für Tag.
Und wieder gab es eine neue Schlacht zu gewinnen.
Immer wenn er vor den Gräbern stand, sagte er sich:
"Es war notwendig!"
Denn in einem gerechten Krieg gibt es keine Opfer.
Und er kämpfte weiter, unerbittlich, ohne Gnade.
Im Namen der Gerechtigkeit.
Als er eines Tages wieder vor einem frischen Grab stand, hörte er eine Stimme.
"Warum?"
Argwöhnisch schaute er sich um, mit dem Blick eines Menschen, der schon zu oft Verrat erlebt hatte, um sich noch sicher zu fühlen.
Doch er war allein.
Und wieder fragte ihn die Stimme, leise, wie die Stimme eines neugierigen Kindes:
"Wofür kämpfst du?"
"Für die Gerechtigkeit." antwortete er.
"Aber die Gerechtigkeit stirbt mit der Hoffnung in jedem Menschen. Warum kämpfst du dann noch weiter?
Du hast doch nichts, für das es zu kämpfen lohnt."
Da spürte er zum ersten Mal die Leere in sich.
Eine Leere, die sich mit jedem neuen Toten weiter in ihm ausbreitete.
In diesem Moment erkannte er, dass er seinen Kampf schon verloren hatte, als er seinen Rachefeldzug begann.
Die Hoffnung in ihm war schon lange tot.
Wieder ertönte die Stimme, sanft und kindlich.
"Gibt es in deinem Leben noch etwas, für das du kämpfen kannst?"
Diesmal schwieg der Krieger, denn er wusste nichts zu sagen.
Vielleicht fürchtete er sich auch vor der Antwort.
Und so drehte er sich um und ging davon.
Bereit für die nächste Schlacht.
Denn wofür lebt ein Krieger, wenn nicht für den Kampf?