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Der Kreis

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01.12.2006
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Der Kreis

Die Gegenwart quält mich, weil ich sie nicht vergessen kann, sie nicht vergeht. Schwer kleben die Erinnerungen des Moments an meinem Inneren. Die Fülle der Einzelheiten hetzt mich, treibt mich durch nicht enden wollende Tage. Tage voll, voll der Eindrücke, unabschüttelbar. Ich suche Begrenzung, die Menschen nicht kennen. Ihr Leben ist leer durch die Masse. Alles schieben sie, schieben es vor sich her und von sich hinweg, um die Unendlichkeit, ihre Unsterblichkeit zu beweisen. Sie sind süchtig nach Leere, süchtig nach Phlegma, weil Masse sie überwältigt hat. Statt zu Reduzieren Betäuben sie, beschmutzen ihren Körper, ihre Seele, um Einhalt zu gebieten. Sie hetzen an mir vorbei, während ich jedem Schritt, jeder Begegnung, jedem Eindruck etwas abgewinnen muss.

Ihre Suche ist offensichtlich, doch ohne Eingeständnis: Sorglosigkeit um jeden Preis, um den Preis der Befeuerung sämtlicher Sinne und Triebe, für einen Moment der Gefühllosigkeit, der Konzentration verhindert. Abstumpfung als Wohlgefühl, Werteverlust zum Genuss des Nichts. Und doch kehrt sie zurück für Sekunden und sie spüren die Unmöglichkeit der Fixierung auf einen Moment, an die Aufnahme in sich. Wie ein übervoller Schwamm funktionieren sie, ferngesteuert, laufen gelenkt durch den Alltag von Meilenstein zu Meilenstein der wichtigen Erledigungen und verlieren den Weg, den sie nicht kennenlernen wollen, weil ihnen die Mühe des Augenblicks zu groß erscheint.

Oder die Angst? Die Angst vor Momenten der Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens, Moment der Einsicht der Dummheit. Der Erkenntnis der eigenen Dummheit, nicht der der Masse, mit der man sich doch niemals gemein machen wollte, weil man doch Ziele hatte, anders war. Anders ist? Wenn der Kopf sich hohl anfühlt und die Motivation nur von der Angst des Versagens gespeist wird bis sie endgültig versiegt. Auch mich trieb die Angst, die Angst in jedem Moment einen Teil meiner Überzeugung am Wegesrand zurückzulassen, etwas Unvermissbares zu verpassen. Kein Glück mehr in der Unwissenheit findend spaltete ich Momente immer kleiner und kleiner bis mich die Masse an erlebten Eindrücken zerfetzte. Von der Oberflächlichkeit zur Oberfläche, auf der Suche nach der kleinsten Einheit, der kleinsten Struktur, dem Muster des Lebens. Die Sucht der sicheren Unwissenheit brachte mich zur Sucht des nie mehr Vergessens, der Analyse, der Neuordnung meiner Welt in immer kleinere Stücke bis ich die Zeit nicht mehr als solche begriff, sie sich zu drehen begann und in der Unendlichkeit verschwand. Ich begann einzelne Tage zu rekonstruieren in winzigen Einheiten und benötigte mehrere Tage dafür, konnte mir die Abläufe, die schlichte Abhängigkeit einzelner Momente, nicht mehr transparent machen, da jede Einzelheit nur für sich existierte, unabhängig von jeder anderen, aber in sich unendlich, verlassen im Raum der Sinnlosigkeit.

Als ich aufstand um den Aufgang der Sonne zu betrachten, so war kein Tag gleich wie der andere. Den Aufgang der Sonne am 25. Juni 1988 vermag ich eben so detailliert zu beschreiben, wie den des heutigen Tages. Los reißen, los reißen von dem Moment, dessen Details mich in Ketten legten, mich unter Feuer nahmen wie eine nicht enden wollende Salve aus der Mündung einer Maschinenpistole.

Ich begann, meine Eindrücke zu zählen und als es mir unsinnig vorkam, die Maserungen eines Blattes mit Zahlen zu versehen entwarf ich eine eigene Numerik, eine einzigartige, die jeden Moment, jeden Eindruck so bezeichnen konnte wie er war: einmalig. Mit einem Wort, einer Bezeichnung, die es wie jeden Augenblick nur einmal gab und geben wird. Die Unvollkommenheit der Sprache entließ mich nicht mehr, Verallgemeinerungen erschienen mir unlogisch. Warum waren unterschiedliche Menschen dennoch Menschen, Menschen als Wort für unterschiedlichste Wesen, deren Gesichter sich für ewig in mir einbrannten. So ich gab den Eindrücken Namen in verschiedenen Sprachen, die ich selbst konstruierte, die sich nie mehr wiederholten, denn auch der eine Mensch war am nächsten Tag ein ganz anderer mit neuen Eindrücken, Aussehen, die Zeit verformte seine Oberfläche, von der Linie zum ewigen Zyklus. Nach und nach ergab die Sprache keinen Sinn mehr für mich, da sie den einzelnen Augenblicken nicht gerecht wurde. Wie kann auch ein Wort die Unendlichkeit beschreiben, in der nur ich die Abläufe begreifen konnte? Was hilft mir eine Bezeichnung für einen Zustand, der niemals wiederkehren würde? Ich konnte mich ihm doch nicht entledigen. Und so begann ich die Eindrücke zu zeichnen, immer genauer, immer feiner, doch nichts konnte mich zufrieden stellen. Mein Denken verflachte bis mir die Abstraktion vollständig abhanden kam. Zusammenhänge waren mir unbegreiflich geworden.

Mit technischen Hilfsmitteln versuchte ich, einzigartige Eindrücke zu duplizieren und dadurch vergänglich zu machen, endlich etwas auszuradieren. Doch niemals gelang es mir, mein Inneres zu überlisten, das die Unterschiede nicht mehr sah, sondern fühlte. Ich fotografierte die Augenblicke nicht nur, sondern vergaß keine Empfindung in diesem Moment, keine Temperatur, keinen Lufthauch von welchen jeder einmalig war und sich in die Unendlichkeit des Moments verzweigte, den stets weiter aufzuteilen mein eigener Trieb gegen die Bedeutungslosigkeit mich jagte. Ein Bild war kein Bild, ein Geruch kein Geruch, ein Gefühl kein Gefühl, alles verquickte und zerteilte sich bis ich selbst keine Beschreibung mehr fand. Immer exakter zwang ich mich, den Moment zu sezieren, aufzuspalten, bis ich entdeckte, dass die Reduzierung auf Eins mir unmöglich war. Es die Zeit nicht mehr gab, ja nicht mehr geben konnte, wo man doch alles in noch kleinere Einheiten teilen konnte, so einfach es auch auf andere Menschen wirkte, banal, unauffällig, sinnlos, so groß und bedeutungsvoll war es für mich, so sehr ich mich auch dagegen sträubte.

An Entspannung war nicht mehr zu denken. Ausgestreckt lag ich auf dem Boden während ich geringste Veränderungen in der Maserung des Holzes in der Decke feststellen konnte. Stets fokussiert sehnte ich mich nach der Verschwommenheit der Realität der anderen. Ich versuchte mich an Grenzen zu denken, an Orte, an denen ich noch nie war und stellte sie mir so einfach wie möglich vor. Schwarze Häuser ohne Türen und Fenster, ohne Menschen, ohne Leben. Zum Schlafen bewegte ich mich in Gedanken unter Wasser, gleichmäßig fließende Ströme gleicher Temperatur, unendlich gleichen Eindrücken nachjagend bis zur Besinnungslosigkeit in das Reich der Träume, das für mich ereignisreicher und unvergesslicher war als der aufregenste Tag eines Menschen. Wieder zählte ich Momente und sperrte mich in dunklen Kammern ein als bald die Zahl von 100.000 erreicht war. Verbat mir zu denken, zu fühlen, zu riechen, verbat mir zu sein, wünschte mich Besinnungslos.

Ich entfremdete mich aller Menschen und war doch nie allein, überrollt von der Fülle meines kleinen Raumes in völliger Dunkelheit, die zu betrachten mir weniger Schmerzen beifügte als die Helligkeit des Tages. So versuchte ich die Tage zu meiden, unbeweglich in einfachste Traumwelten zu tauchen bis eines Tages ein Moment zurückkehrte, nur ein Blinzeln lang - ich erkannte ihn genau – denn der Moment war zu mir zurückkehrt und der Kreis hatte sich geschlossen. Die Gegenwart quält mich, weil ich sie nicht vergessen kann, sie nicht vergeht. Schwer kleben die Erinnerungen des Moments an meinem Inneren. Jetzt habe ich ihn vergessen.

 

Hej Liste 1

Dein Text befindet sich vielleicht gerade an der Grenze zwischen Geschichte und einer bloßen Abfolge von Gedanken.

Ich kann Dir irgendwie folgen, gleichzeitig hast Du den Text mMn überladen mit Formulierungen und Worten, die im Zusammenhang ungenau sind und Verwirrung stiften. Ich glaube, der Text würde deutlicher, wenn Du versuchen würdest, einfacher zu formulieren.

Mir gefällt die Kreisbewegung, die genau genommen wohl keine ist, denn als der Kreis sich schließt, ist kein Kreis mehr vorhanden.

Hier ist alles, was ich auf die Schnelle an unklaren Formulierungen und so Zeugs gefunden habe:

Schwer kleben die Erinnerungen des Moments an meinem Inneren
klingt unschön, dieses doppelte Innere

treibt mich durch nicht enden wollende Tage. Tage voll, voll
Wie wäre es mit ... nicht enden wollende Tage, voll der ...

unabschüttelbar
gibt es dieses Wort?

Ich suche Begrenzung, die Menschen nicht kennen
Begrenzungen, die Menschen
oder
Begrenzung, die die ...

Ihr Leben ist leer durch die Masse.
Welche Masse?

Statt zu Reduzieren Betäuben sie
Statt zu reduzieren, betäuben sie

um Einhalt zu gebieten
Wie bei der Masse fehlt mir der Bezug. Wem soll Einhalt geboten werden?

doch ohne Eingeständnis
Eingeständnis von was? Wozu?

Und doch kehrt sie zurück für Sekunden
Wer?

Kein Glück mehr in der Unwissenheit findend, spaltete ich Momente

die schlichte Abhängigkeit einzelner Momente, nicht mehr transparent machen
Komma weg - Abhängigkeit der Momente wovon?

Als ich aufstand um den Aufgang der Sonne zu betrachten
So klingt es wie eine Handlung, die gerade erlebt wird. Der folgende Nebensatz klingt dagegen wie eine allgemeine Schilderung seines Zustands.
Nur 'n Vorschlag:
Wenn ich aufstand um den Sonnenaufgang zu betrachten, war keiner wie der andere.

Warum waren unterschiedliche Menschen dennoch Menschen, Menschen als Wort für unterschiedlichste Wesen
Noch ein Vorschlag: Warum nannte man unterschiedliche Menschen ... "Mensch" als Wort für ...

Ich konnte mich ihm doch nicht entledigen.
Wessen?

doch nichts konnte mich zufrieden stellen.
Konnte nichts zufrieden stellen oder nichts helfen, sich des Moments zu entledigen? Ist die Suche nach Zufriedenheit Motivation für eine eigens entworfene Numerik des Augenblicks?

dass die Reduzierung auf Eins mir unmöglich war, es die Zeit nicht mehr gab,
die Reduzierung von was auf eins?


Zum Schlafen bewegte ich mich in Gedanken unter Wasser, gleichmäßig fließende Ströme gleicher Temperatur
die mMn beste Passage im Text, fühlt sich irgendwie schlüssig an, dieses Abtauchen.

die Zahl von 100.000
100.000 wovon?

mir weniger Schmerzen beifügte
zufügte?

Die Gegenwart quält mich, weil ich sie nicht vergessen kann, sie nicht vergeht. Schwer kleben die Erinnerungen des Moments an meinem Inneren.
Ich denke, diese Sätze müssten in der Vergangenheit stehen. Der Kreis hatte sich ja schon geschlossen.

Viele Grüße
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ane,

vielen Dank fürs Lesen und die Arbeit des Kommentierens, das weiß ich zu schätzen. Mir wird dadurch auch deutlich, dass ich das ein oder andere Mal sehr undeutlich war. Für mich war es klar, aber für Dritte nicht nachvollziehbar. Ich werde da nochmal drüber gehen und auch versuchen, ein wenig mehr Plot reinzupacken, der zugegebenermaßen nicht exisitiert. Ich hoffe, dadurch wird die Geschichte etwas ansprechend(er).

Zu Deinen Anmerkungen:
unabschüttelbar gibt es nicht. ;-)

Die Schönheitsfehler werde ich überdenken. Auch bei den Zeitenfehlern gebe ich Dir vollkommen recht, außer beim letzten.

Sowohl bei Masse als auch beim zu bietenden Einhalt geht es darum, dass die Menschen sich einer bewussten Reizüberflutung rein quantitativer Art aussetzen, um sich nicht mit dem Leben auseinander setzen zu müssen. Es soll eine Befeuerung der Sinne darstellen, die zu Abstumpfung führt. Der "Protagonist" unterstellt, dass die Menschen dies bewusst tun, um Probleme zu verdrängen. Außerdem wird gerade durch die Fülle/Masse der Eindrücke in der heutigen Gesellschaft der Blick auf Kleinigkeiten, die schön und furchtbar sein können, versperrt.

Dadurch, dass sich der Prot in die gegenteilige Richtung bewegt, wird er immer empfänglicher für kleinste Kleinigkeiten. Er versucht, die Momente zu spalten, zu zersetzen, auf die kleinste mögliche Einheit zu reduzieren, bis er es nicht mehr aushält, sein Denken zum Wahn wird. Da ihm die Reduzierung nicht gelingt und der Umstand, dass ein Moment tatsächlich zurückkehrt, sind der Beweis für den Prot, dass der lineare Ablauf der Zeit nicht existiert -> Der Kreis.

 

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