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Der Koch und die Verkäuferin
Der Koch und die Verkäuferin.
Er stand vor dem Restaurant herum, sie lag auf ihrer Couch.
»Ja, Mann, keine Ahnung«, sagte er und zog an seiner Zigarette, die wie immer locker in seiner rechten Hand hing. Die linke drückte das graue Smartphone an sein gepierctes Ohr, während er stur auf die andere Straßenseite blickte, obwohl es dort nichts Interessantes zusehen gab. »Hast du diesen Samstag Zeit?«
»Arbeit von neun Uhr morgens bis neunzehn Uhr abends«, antwortete sie und gähnte laut. »Danach würde es bei mir gehen. Bei dir?«
»Meine Schicht beginnt um achtzehn Uhr«, murmelte er und seufzte. »Sonntag könnte ich vor zwölf Uhr.«
»Kirche.«
»Ach komm.«
»Da gibt’s nichts dran zu ändern, du Spaßkeks.«
»Es heißt Scherzkeks.«
»Du klingst wie meine Chefin.«, Sie stand von ihrer Couch auf. Durch sein Handy konnte er ihre leisen Schritte hören.
»Bist du noch da?«, fragte sie.
»Natürlich.«
»Okay, gut.« Wieder gähnte sie. »Wie ist Arbeit so?«
»Gordon Ramsay schreit mich an und Julia Child lächelt falsch«, antwortete er und lachte gequält. Im Grunde genommen mochte er seine Ausbildung schon. Auch klang das Restaurant am Anfang wirklich gut und geeignet für ihn. Es lag bei ihm in der Nähe, es wurde von einem netten Ehepaar geführt und die Bezahlung war wirklich passabel, vor allem für einen Azubi. Doch es dauerte nur wenige Wochen, bis er merkte, dass das alles nicht stimmte. Sein Chef war ein Arschloch sondergleichen. Seine Chefin ein eingebildetes Miststück, das den Oberkellner fickte. Und er daneben nur der Azubi, der machen musste, was man ihm sagte, wenn er nicht eine Gehaltskürzung oder noch mehr unbezahlte Überstunden wollte.
»Der übliche Wahnsinn also.« Sie gähnte.
»Weshalb bist du so müde?«
»Konnte nicht schlafen.«
»Why?«
»Musste weinen, weil ich dich so sehr vermisse, mein Geliebter.«
Er lachte zusammen mit ihr darüber und zog nochmal an seiner Zigarette. »Das möchte man doch von seiner Freundin hören.«
Beide schwiegen grinsend.
»Und was ist die wahre Antwort?«, fragte er leise und beobachtete den Mann mit seinem Hund auf der anderen Straßenseite.
»Musste wirklich weinen, weil meine Chefin eine Ausgeburt der Hölle ist, ihre rechte Hand mir immer auf die Titten glotzt und alle Kunden scheiße sind.«
Er lachte.
»Und weißt du, dafür hab ich verdammt nochmal Abi gemacht!«, grummele sie gestresst. »Dass so ne Fotze mich anschreit, weil es den Stein des Rings nicht in dunkelgrün gibt.«
»Und ich dafür, dass mir dieser Wichser den ganzen Tag befehlen kann, dass ich Kartoffeln schneiden muss«, knurrte er zurück. Beide begannen zu lachen, keiner wusste weshalb.
»Aber ich vermisse dich wirklich«, sagte sie leise. »Da suchen wir uns extra Stellen im gleichen Kaufhaus, und dann sehen wir uns trotzdem drei Monate lang nicht.«
Er seufzte und konnte sich dabei allzu deutlich ihren Gesichtsausdruck vorstellen. »Wie lange sind wir jetzt zusammen?«
»Warte!«, sagte sie. Danach kam kurz nur Stille aus seinem Smartphone. »Okay, seit fünfzehn und ein Drittel Packungen Antidepressiva.«
Wieder lachte er. Auch er vermisste sie. »Bei mir müssten es so um die fünf sein.«
»Ja, aber weil du ein Idiot bist und die unregelmäßig nimmst«, antwortete sie und lachte herzhaft. »Aber back on track.« Sie seufzte. »Wir müssen immer noch einen Termin finden.«
»Sollen wir es wirklich gleich machen?«
»Worauf willst du denn noch warten? Bessere Zeiten? Die werden nicht mehr kommen. Das Zeug ist da, wir können es und wenn wir noch mehr Zeit vergeuden, dann sehen wir uns für ungefähr ein gesamtes Jahr nicht«, antwortete sie laut und lief dabei durch die Wohnung ihrer Eltern. »Du willst doch jetzt nicht kneifen, oder?«
»Natürlich nicht.« Er warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Hätte sein Chef das gesehen, dann hätte er ihn bestimmt angebrüllt. »Aber es ist schon krass.«
»Das Extreme hinterlässt immer einen Eindruck«, sagte sie, wie sie es in letzter Zeit immer bei den gemeinsamen Gesprächen machte. »Außerdem müssen wir es machen. Das Zeug liegt in Angeliques Zimmer.«
»Wie viel?«, fragte er und sah auf seine Armbanduhr. »Und was macht es im Zimmer vom Baby?«
»Warte«, murmelte sie, räumte danach etwas herum. »Es sind so um die fünfunddreißig, hab nicht weniger bekommen.« Sie lachte. »Und sie sind beim Baby, weil meine Mama unsere Putze nicht hier rein lässt.«
»Aso. Is klar.« Er schwieg kurz. »Wird deine Mum sie finden?«
»Safe nicht. Ich versprechs dir«, sagte sie. »Außer….«
»Außer?«
»Wenn wir nicht endlich einen verdammten Termin finden!«, rief sie. Er konnte hören, dass im Hintergrund das Baby zum Schreien begann. »Oh, shit«, murmelte sie belustigt. Wieder Schritte, dann eine Tür, mehr Schritte, eine zweite Türe.
»Du hast das Baby geweckt?«, fragte er lachend. Wieder konnte er ihr verzogenes Gesicht deutlich vor sich sehen.
»Ja und meine Mum bringt mich um, wenn sie merkt, dass es ich war.«
»Hast du Donnerstag in zwei Wochen Zeit?«, kam er zum eigentlichen Thema zurück.
»Nein. Weil am Freitag darauf der Oberchef kommt und wir alles noch schöner machen müssen, als es eh schon ist. Und das wird vermutlich die gesamte dumme Nacht dauern.« Sie stöhnte auf und lachte dann gequält. Die Ausbildung im Verkauf und dass diese in einem Schmuckladen stattfand, schien er immer noch richtig. Auch hatte sie fast nur gutes über die Kette von Läden gehört, in die sie gekommen war, doch leider entsprach das nicht ihren eigenen Erfahrungen. Anders als er durfte und musste sie schon in allen Aufgabenbereichen fit sein, nachdem man sie ihr nur einmal erklärt hatte. Dazu kam die dauernde Meckerei ihrer Chefin, einer Frau, die so gestresst war, dass jeder ihrer Mitarbeiter täglich erwartete, dass sie wegen eines Burnouts arbeitsunfähig wurde. Und dazu noch ihre rechte Hand, ein schmieriger Kerl, mit dreckigem Grinsen, der seine Finger einfach nicht bei sich halten konnte und mit diesen lieber „zufällig“ über den unteren Rücken, die Schultern und die Oberschenkel der weiblichen Kollegen strich.
»Verstanden«, murmelte er. Bald würde er weiterarbeiten müssen. »Und der Sonntag?«
»Erst Kirche, dann muss ich babysitten. Theoretisch könntest du dann sehr gerne vorbeikommen, aber dann könnten wir unseren Plan nicht verwirklichen und. . .«
»Und ich mag Angelique nicht.«
»Tatsache, Geliebter.« Sie schwieg kurz. »Und was ist an dem Donnerstag?«
»Ich sagte doch, dass Donnerstage niemals gehen, weil dann die ganzen Stammtische kommen und wir jede helfende Hand brauchen können«, brummte er und überlegte, ob er sich eine weitere Zigarette anzünden sollte. »Auch, wenn ich eigentlich Koch und nicht Kellner bin.«
»Alter, ich kann mir doch meine eigenen Geschichten nicht merken. Als wüsste ich, wann welcher behinderter Stammtisch zu euch kommt«, sagte sie eine Spur zu zickig.
»Hey, Mann, kein Grund mich anzumaulen. Ich hab mir das doch auch nicht so ausgesucht!«, antwortete er ebenso aufgebracht und steckte sich doch noch eine Zigarette in den Mund. »Ich will dich doch eigentlich auch öfter sehen, als nur bei einem schnellen Kuss alle drei Tage.«
»Weiß ich doch«, sagte sie. Er konnte sich genau vorstellen, wie sie sich mit der Hand über die Stirn strich und dabei langsam die Augen schloss. »Deshalb müssen wir einen Termin finden. Dann wird alles besser werden.«
»Okay, dann schlag einen vor.«
»Freitagnachmittag. In drei Wochen. Arbeit hab ich von acht Uhr bis vierzehn Uhr«, sagte sie nach einigen Momenten Schweigen, in den sie wohl ihren Terminplan durchging. »Aber weil viel los sein wird, werde ich erst um drei Uhr rauskommen.«
»Ich glaub an dem Tag geh ich mit Magdalena ins Kino.«
»Wer zur Hölle ist denn jetzt Magdalena?«
»So ne Schnalle aus der Berufsschule«, antwortete er und grinste dabei schief. Sie konnte es deutlich vor sich sehen.
»Würdest du den Film auch absagen?«
»Könnte ich vermutlich schon«, sagte er und dachte kurz darüber nach. Es müssten auch genug Leute da sein. »Würd ich auch.«
Sie schwieg so lange, dass er schon überrascht sein Handy betrachtete und sich fragte, ob sie überhaupt noch dran war.
»Haben wir gerade wirklich einen Termin gefunden?«, fragte sie dann sehr leise, und mit so viel Aufregung in der Stimme, dass er sie am liebsten sofort geküsst hätte.
»Scheint so.«
»Wir dürfen uns halt auf keinen Fall doch noch was vornehmen oder unseren Plan ändern lassen! Jetzt echt! Es könnte brennen und wir müssten einfach trotzdem gehen. Sonst wird das nie was!«
»Leichter gesagt, als getan, Süße«, sagte er und lachte kurz.
»Ja, miau. Wir sind auch nur Menschen. Im Notfall sagst du halt, dass du Durchfall hast. Dann will dich niemand in deiner Küche haben.« Sie kicherte, während sie das sagte.
»Ich klärs gleich nochmal, dass ich dann da wirklich frei brauch. Wenn ich mit Julia Child rede, dann müsste das schon gehen«, sagte er langsam.
»Dann sprech ich gleich morgen mit Luzifer. Weil wenn ich Satan selbst frage, dann wird er nur zum Sabbern anfangen, weil er auf meine Titten starrt. Und am Ende dürfte ich an dem Tag dann noch bis abends bleiben«, sagte sie etwas verzweifelt.
Danach schwiegen beide einen Moment. Doch nur wenn sie so darüber redeten, merkten sie, dass es zwar hart, aber richtig war.
»Ich muss wieder rein«, sagte der Koch dann.
»Hab ich erwarte«, antwortete die Verkäuferin darauf.
»Reden wir heute Abend dann nochmal?«
»Natürlich«, meinte sie lächelnd. Sie telefonierten eh dauernd. »Ich liebe dich, Liebster.«
»Ich dich auch, Süße.«
Beide seufzte und legten auf. Er nahm sich die nicht angezündete Zigarette aus dem Mund, steckte sie wieder in die Packung hinein, ging wieder hinein. Sie setzte sich zurück auf ihre Couch, nahm ihr eh schon zerstörtes Lieblingsbuch, begann darin zu lesen.
Und das erste, was die zwei drei Wochen später, an einem Freitagnachmittag, taten, war sich innig zu küssen. Er hatte es wirklich geschafft diesen Tag frei zu bekommen, war vormittags mit Magdalena im Kino und stand nun, um etwa sechzehn Uhr, vor seiner Freundin. Sie selbst war vor kaum einer Stunde noch in ihrem Laden gestanden und hatte sich lächeln von ihrer Chefin anschreien lassen. Dann war sie nur schnell nach Hause, hatte vor Wut schäumend die zwei Rucksäcke gepackt und war zurück zu dem Kaufhaus gelaufen.
»Hey«, sagte er grinsend.
»Hallo«, antwortete sie lächelnd. »Das war schön und eigentlich hätte ich gerne mehr davon.«
»Ich auch.«
»Aber lass uns davor gleich zum eigentlichen Sinn kommen.« Obwohl sie breit und grimmig lächelte, konnte er ihr deutlich ihre Zweifel ansehen.
»Das müssen wir«, sagte er und entschied sich, dass er nicht auf diese Zweifel eingehen würde. Sie hatte bis jetzt fast alles organisiert, deshalb müssten sie es jetzt nur noch fertig machen. »Fang du am besten an. Ich warte hier und wenn alles gut läuft, dann mach ich es danach.«
»Okay«, sagte sie. Sie wusste nicht, ob er es so wollte, weil er an dem Plan zweifelte, aber sie wollte ihm dem Gefallen tun. »Ich hab den Knopf schon.«
»Perfekt«, sagte er grinsend und schlug ihr spielerisch auf den Hintern, als sie an ihm vorbeiging.
Sie lachte darüber immer noch, als sie in ihrem Laden ankam.
»Hey«, sagte Caro überrascht, als sie durch die Türe kam. »Was machst du den hier? Ich dachte, dass du für heute frei hast.«
»Hab ich auch«, antwortete sie und ging unbeirrt an Caro vorbei. »Aber ich hab mein Ladekabel hinten vergessen.«
Ungefähr dieselbe Unterhaltung hatte sie nochmal mit ihrer Chefin Luzifer. Wie auch Caro zuckte sie nur mit den Schultern.
Also ging sie einfach nach hinten, wo gerade niemand war, machte alles fertig und verließ danach lächelnd den Laden wieder, bevor sie zurück zu ihrem Freund ging.
»Und?«, fragte er.
»Hab alles gemacht«, antwortete sie. Stolz und Aufregung waren beide in ihrer Stimme »Du bist dran.«
Er nickte, nahm ihr den zweiten Rucksack, der noch über ihrer Schulter hing und machte sich zu seinem Restaurant auf.
»Hey, super, dass du da bist«!, rief Marco sofort, als er durch die Türe kam. »Wir sind zu wenig Leute und. . .«
Er wollte sich die Erklärungen, wegen denen er schon so viele unbezahlte Überstunden gemacht hatte, nicht erneut anhören, also ging er einfach den dem Oberkellner vorbei und hinunter, in den Raum für die Angestellten, der im Moment leer war. Er nahm den Rucksack grinsend von den Schultern, stellte ihn ab und ging wieder nach oben.
»Tschü mit ü!«, rief er Marco noch zu, während dieser sich lautstark aufregte, was er, als Azubi, sich überhaupt erlauben würde! Doch das brachte ihn nur zum lauter Lachen und einen Schritt schneller gehen.
»Alles erledigt«, sagte er sofort, als sie in Hörweite war.
»Perfekt.« Sie lachte und griff nach seiner Hand. »Dann auf und weg von hier, Liebster.«
»Zu dir oder zu mir?«
»Angelique ist daheim.«
»Also zu mir.«
Zusammen gingen sie zu seinem Auto, stiegen ein und fuhren zu seiner WG. Lachend und kichernd, wie Teenager, die so vor gar nicht langer Zeit noch gewesen waren, gingen sie erst hinein und dann ganz nach oben, auf die Terrasse. Offiziell war das verboten, aber von dort konnte man gerade noch den Arbeitsplatz der beiden sehen.
»Wie spät?«, fragte sie.
»Viertel vor fünf«, antwortete er und zündete sich eine Zigarette an. Als er einen Zug genommen hatte, gab er die Zigarette ihr. »Dann ist jetzt die perfekte Zeit, oder?«
»Denk schon«, sagte sie und sich den Auslöser aus der Handtasche.
»Sicher, dass es funktionieren wird?«, fragte er zweifelnd und sah sich das kleine, unscheinbare Ding an.
»Besser wärs.« Auch sie sah nicht ganz überzeugt aus. »Aber lass einfach mal probieren.«
Er grinste, legte seinen Daumen auf den Auslöser, sie ihren darauf.
»Eins, zwei, drei«, sagten sie gleichzeitig und drückten dann tief herunter.
Einige Momente schien es, als passierte überhaupt nichts. Doch dann entzündete sich der Sprengstoff, der in den Rucksäcken gewesen war.
Beide bemerkten es sofort, denn es war nicht zu übersehen. Doch brauchten sie ein paar Sekunden, bis es ihnen auch komplett klar wurde. Und als sie es dann auch endlich verstanden, was sie gerade getan hatten, da sahen sie sich lachend an, bevor sie sich lange und innig küssten.