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Der Kobold

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19.05.2010
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Der Kobold

Der Kobold

Neulich, da saß vor meiner Tür ein Kobold. Durch das Küchenfenster erspähte ich ihn, wie er auf dem Gartenzaun saß und seine kurzen Beinchen hin und her baumeln ließ. Verträumt wirkte er, als wollte er nicht gestört werden und doch blieb mir nichts anderes übrig als vor die Tür zu treten und ihn mir genauer anzusehen. So öffnete ich die Tür und trat heraus, sog die frische Morgenluft dieses wunderbaren Tages ein und setzte mich still auf die Veranda, die Augen auf die kleine Gestalt nicht weit von mir gegenüber gerichtet und sah ihm schweigend zu.
Weniger überrascht über die Tatsache seiner Existenz, die mich nicht im Geringsten schockierte, war ich mehr fasziniert von seiner fast surrealen Erscheinung hier in meinem Vorgarten. Natürlich kenne ich die unzähligen Geschichten über Kobolde: kleine, in Grün gekleidete Männchen, die am Ende eines Regenbogens einen Topf Gold bewachen, oder Wichtel, die im Wald unter Pilzen hausen und, immer freundlich, Verirrten den Weg zeigen. Nun ja, klein war diese Gestalt auf meinem Gartenzaun fürwahr, aber das war schon alles, was an den sprichwörtlichen Kobold erinnerte, denn er war weder in Grün gekleidet, noch sah er auch nur in geringster Weise einem Wichtelmännchen ähnlich. Dieses Wesen vor meinen Augen war niedlich klein, kaum größer als ein Zweijähriger, seine langen, hageren Arme hingen bis hinunter zu seine Füßen und endeten in vergleichsweise großen, mit langen Krallen besetzten Händen, die mehr den Klauen einer Echse ähnelten. Die gräulich, braune, lederartige Haut schimmerte nur matt im Sonnenlicht und war mit allerlei Narben und Wunden entstellt, was seine ohnehin schon groteske Erscheinung allerdings weniger beeinflusste. Die einzigen Kleidungsstücke, die er trug, waren ein roter Lendenschurz mit einem dunkelbraunen Ledergürtel und eine schwarze Baskenmütze, die er tief in sein Gesicht gezogen hatte, so dass man nur seinen großen, formlosen Mund sehen konnte. Dieser öffnete sich ab und zu einen kleinen Spalt und mit einer großen, weinroten Zunge leckte er sich die Lippen, wobei unzählige kleine, aber beachtlich spitze Zähne hervorblitzten.
Es war bestimmt schon eine Stunde her seit ich mich auf die Veranda gesetzt hatte, die einzigen Bewegungen des Kobolds waren seine baumelnden Beine, sein Mund und sein Brustkorb, der sich hob und senkte, als er plötzlich seinen Arm hob und langsam seine Mütze abnahm. Unter der Mütze kam ein orangener Haarschopf hervor und seine langen, spitzen Ohren richteten sich, nun nicht mehr vom Gewicht der Mütze niedergedrückt, gerade auf, was seine Größe beachtlich veränderte und ihn durchaus gefährlich wirken ließ. Dann fiel sein Blick auf mich. Unfähig mich zu bewegen oder etwas zu sagen, konnte ich seinen Blick nur erwidern und mich von diesen abscheulichen gelben Augen durchbohren lassen. Je länger er mich unbewegt anstarrte umso unerträglicher schien es mir seinen Blick zu erwidern und mit jeder fortschreitenden Minute schweigenden Abwartens wuchs eine verzehrende Angst vor dieser fremdartigen Kreatur in meiner Brust.
Die Sonne stand bereits tief am Horizont, tauchte unseren Vorgarten in ein leuchtendes Orange, ähnlich dem Haarschopf des Kobolds, der wie ein grässlicher Wasserspeier auf unserem Gartenzaun hockte, als ich mich selbst aus meiner Lethargie riss und ihn mit zitternder Stimme fragte: „Wer bist du?“.
Er antwortete nicht, ich hatte es nicht anders erwartet, sondern leckte sich abermals die breiten Lippen, während er mich eindringlich anstarrte.
„Was willst du von mir?“
„Antworte mir!“
„Wo ist meine Familie?“
Keine Menschenseele war seit unserem Zusammentreffen heute Mittag vorbeigekommen.
Meine Mutter, meine Schwester, sie sollten schon lange hier sein, irgendjemand hätte längst diese Strasse entlangfahren müssen. Es kam mir vor als stünde, ausgenommen für die Sonne, die unbeschwert ihren Weg gegangen war, die Zeit still. Ich war gefangen in einem Zwielicht mit dieser rätselhaften Gestalt, die keine Anzeichen irgendeiner Reaktion zeigte. Das Abwarten wurde mir unerträglich und meine Angst schlug allmählich in Zorn um. Der Kobold schien mir nun keineswegs mehr bedrohlich oder gar gefährlich und ich stand von der Veranda auf, schöpfte neue Kraft aus meiner plötzlichen Wut und sagte: „Ich weiß nicht ob du mich verstehen kannst, aber ich sage dir, du verschwindest nun besser aus meinem Vorgarten. Ich habe genug von diesem Spiel. Verschwinde und lass dich zu deinem eigenen Wohl nie wieder hier blicken!“.
Keine Antwort. Der durchdringende Ausdruck in seinen Augen hatte sich nicht verändert, sein unergründlicher Blick ruhte weiterhin auf mir. Er hatte mich anscheinend nicht verstanden. Ich tat einen Schritt auf ihn zu.
„Ich fordere dich ein weiteres Mal: Verschwinde!“ Zwei weitere Schritte trat ich ihm näher und ich bemerkte ein unauffälliges, irritiertes Blitzen in seinen Augen. War es Angst? Rechnete er nicht mit meiner Reaktion? Wie ich mich ihm langsam näherte, hob ich im Vorbeigehen eine Gartenkralle aus dem Blumenbeet auf und das feste Gefühl des Griffs bestärkte mich nur in meiner Absicht diese jämmerliche Kreatur ein für alle Mal aus meinem Leben zu vertreiben. Je näher ich ihm kam umso mehr wurde mir seine lächerliche Körpergröße bewusst. Seine vermeintlich scharfen Krallen erschienen mir abgenutzt und unbrauchbar, die winzigen Reißzähne im Maul kaum als Waffe brauchbar, und wie ich meine Chancen in einem direkten Zweikampf abwog, schien es mir wie das Zertreten eines hilflosen Käfers, so überlegen glaubte ich mich. Keinen halben Meter von ihm entfernt blieb ich stehen und baute mich vor diesem Winzling auf, schaute verachtend auf ihn herab. Er blickte unverändert zurück. Langsam hob ich die Gartenkralle hoch über meinen Kopf, um sie auf den Schädel der Kreatur niederfallen zu lassen. Es genügte mir nun nicht mehr ihn einfach zu vertreiben, ich wollte ihn töten. Der Kobold rührte sich nach wie vor nicht, blickte mich stumm und abwartend an, zeigte keinerlei Reaktion auf die erhobene und sicherlich tödliche Gartenkralle in meiner Hand.
„Ich fordere dich nun ein drittes und letztes Mal: Versch…!“ Der Kobold sprang, schneller als meine Augen es wahrnehmen konnten, vom Pfahl des Gartenzauns ab, wirbelte über meinen Kopf und verschwand aus meinem Blickfeld. Bevor ich überhaupt begriff was soeben geschehen war durchzog ein scharfer, stechender Schmerz meinen Körper. Verwirrt drehte ich mich um, blickte wild umher um zu verstehen, was hier vor sich ging. Der Schmerz beschränkte sich nun auf meine Kopfhaut, Blut lief mir die rechte Schläfe hinunter. „Wo bist du?“, murmelte ich benommen. Mir wurde schwindelig. Ich konnte nicht einschätzen, wie schwer ich verletzt war, aber ich spürte, wie das Blut unaufhörlich lief, an meinem Ohr hinab und auf mein T-Shirt tropfte. Ein gelbes Funkeln stach mir plötzlich ins Auge und ich erspähte den verfluchten Kobold auf unserem Apfelbaum. Da hockte er auf einem dicken Ast, starrte mich unverwand an, und das Licht der tief stehenden Sonne wurde in seinen giftig gelben Augen reflektiert und funkelte höhnend in meine Richtung. In seiner rechten Klaue hielt er ein Büschel blutgetränkter, brauner Haare fest umklammert. Ich sank auf die Knie. Das Schwindelgefühl ließ langsam nach, aber eine ungeahnte Schwäche durchfuhr meinen Körper. Ich brauchte einen Moment Ruhe, musste mich sammeln, neue Kraft schöpfen um dieses Biest zu töten. Die Gartenkralle hielt ich immer noch fest umklammert und gierte danach, sie im Schädel dieser abscheulichen Kreatur zu versenken. Langsam rappelte ich mich auf, kam wieder auf die Beine und blickte dem Kobold entschlossen entgegen. „Du kleiner Bastard! Ich…!“.
Das Gesicht des Kobolds zeigte plötzlich eine Regung. Seinen Blick hatte er weiterhin starr auf mich gerichtet, doch wie ich ihm drohte verzog er seinen breiten Mund zu einem bösartigen Grinsen. Immer weiter hoch zog er seine Mundwinkel, immer breiter wurde sein Grinsen und verwandelte sein ohnehin abstoßendes Gesicht in eine abscheuliche, eklige Fratze. Der Kobold fing an zu lachen. Es waren kehlige, krächzende Laute, gleich dem verspottenden Ruf einer Seemöwe und es war unzweifelhaft an mich adressiert. Die Kreatur lachte mich aus. Meine wieder entflammte Wut und mein Wille ihn zu töten verschwanden mit einem Mal und eine instinktive Furcht angesichts dieses wild kichernden, bösartigen Wesens raubte mir alle wieder gewonnene Kraft. Der Kobold war nicht mehr zu halten, er gackerte und schrie, spuckte, rollte wild mit den Augen, hob gar die Arme in die Luft und fing an zu tanzen auf dem Ast unseres Apfelbaums.
Da spürte ich plötzlich ein leichtes Tippen an meiner rechten Wade. Erschrocken fuhr ich zusammen und blickte an mir herab. Im feuchten Gras direkt neben meinem Bein saß ein kleiner, brauner Kobold, der mich böse anstarrte, und bevor ich irgendetwas begreifen konnte, sprang mir etwas von der anderen Seite an meine Schulter, krabbelte meinen Rücken hinunter. Es war ein weiterer Kobold. Ich schrie panisch auf, zunächst vor Schreck, dann vor Schmerz als der dritte Kobold seine messerscharfen Krallen in meine Rücken versenkte, kratze und biss. Blitzschnell sprang der zweite Kobold an meinen rechten Arm, riss mich dabei zu Boden und verbiss sich daraufhin in meiner Hand, kaute und malträtierte meine Finger zu blutigen Stümpfen. Der Schmerz und der Schock betäubten mich und ich blickte konfus und halb ohnmächtig hinauf zu dem Kobold im Baum. Er hatte aufgehört zu lachen, starrte mich wieder nur böse an, als er plötzlich vom Ast absprang. Ich nahm nun alles wie in Zeitlupe wahr. Der Kobold flog durch die Luft auf mich zu, kam mir immer näher. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und eine kriechende Finsternis legte sich über den Vorgarten. Ich blickte dem Kobold noch einmal in die Augen, die nunmehr ohne das reflektierende Sonnenlicht nicht mehr gelb funkelten sondern in einem düsteren Blutrot glimmten, bevor er mir ins Gesicht sprang, die Arme um meinen Kopf, die Beine um meinen Hals gewickelt.

Hier liege ich immer noch, gefangen im Zwielicht, gequält und gefoltert von diesen rätselhaften Wesen und ich glaube an diesem Ort gibt es keine Erlösung durch den Tod. Der Tod existiert nicht am Ende des Regenbogens.

 

Hallo KG-Community,
Diese kurze Geschichte ist schon etwas älter (2006) und in einer Zeit entstanden, als ich der Meinung war, mich unbedingt dem Schreiben widmen zu müssen. Auf diese Weise sind einige Fragmente, Gedichte und sogar die eine oder andere fertige Geschichte entstanden, mit denen ich allerdings größtenteils mehr als unzufrieden war und aus Frust in die tiefsten Tiefen meines Computerspeichers verbannte und lange Zeit nicht mehr herausgekramt habe. Bis vor kurzem...
"Der Kobold" ist mein einziges literarisches Produkt, das mir auch heute noch gut gefällt und damit mein erster Versuch etwas auf dieser Seite zu veröffentlichen. Ich habe wieder Lust bekommen etwas zu schreiben, und was nützt das, wenn niemand (der unvoreingenommen und kritikfähig ist) die Geschichten liest?
Also, seid bitte gnädig mit mir, Stil und Sprache kann ich selbst schwer beurteilen - die Geschichte ist ja schon etwas älter - aber ich freue mich über jeden Kommentar und hoffe bald noch etwas posten zu können.

Lieber Gruß
Al Azif

 

hallo al azif,

habe die Geschichte gerne gelesen. Sie ist sehr flüssig geschrieben, man stolpert nirgends und der kurzweilige Stil hat mir gefallen. Die Beschreibung des Kobolds finde ich gut gelungen und hat mir gefallen. Nur finde ich, ich weiß nicht was andere sagen, dass eine Geschichte noch spannender ist, wenn man mehr interessante Elemente in sie hineinpackt. Vll. kannst du damit was anfangen.

„Ich fordere dich ein weiteres Mal: Verschwinde!“ Zwei weitere Schritte trat ich ihm näher und ich bemerkte ein unauffälliges, irritiertes Blitzen in seinen Augen. War es Angst? Rechnete er nicht mit meiner Reaktion

Der Übergang von Erstaunen, ein Kobold vor dem Haus, und Zorn, Wut, den Kobold vertreiben zu wollen, geht mir ein bisschen zu sprunghaft. Warum wollte er den Kobold eigentlich sofort los werden. Für mich hat es so gewirkt, als hätte er an ihm Gefallen gefunden.

also, gern gelesen und viel Glück noch bei weiteren Geschichten.

mfg mantox

 
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Moi Al Azif,

und ein herzliches Willkommen auf KG.de! :)

Die Geschichte ist ganz solide geschrieben, mit einigen altmodischen Schnörkeln, was gut zur Erzählstimme und zum Thema paßt. Insofern hast Du eine sehr gute Grundlage. Was auch gut beschrieben ist, sind einige der sich verändernden, teils widersprüchlichen Gefühle des Erzählers, die Art auch, wie er den Kobold betrachtet.

Allerdings, und das ist ein echtes Manko: der Text hat einen overkill an Füllwörtern und Adjektiven. Beim Überfliegen hält das schon gehörig auf und bremst aus, aber als ich den Text im Detail durchging, fand ich das schwer zu ertragen. Man muß sich geradezu durchwühlen, bis man auf was Konkretes stößt. Absatzweise passiert nix als böse gucken und zurückgucken. Das ist ab & zu völlig ok, für Atmosphäre und altmodische Stimmung, aber als einziges Stilmittel echt heftig.

Und, mein zweites Problem: Nettes Intro, wo ist die story? Der Text hat gesamt ein extrem langsames Erzähltempo, und hört im Grunde dort auf, wo es spannend werden könnte. Nämlich wo jemand tatsächlich agiert. Dadurch, daß Du soviel Worte um alles machst, merkt man im allerersten Moment gar nicht, daß hier eigentlich kaum etwas passiert.

Im Detail: Ok, fies, da sitzt so ein Kobold - wir werden neugierig, folgen den längeren Aufzählungen (finde ich teils durchaus gelungen), wie ein solches Wesen sonst beschrieben wird, wie es 'wirklich' aussieht, wie die Umgebung aussieht (Sonne, etwas zu detailliert). Noch ist alles ruhig, nix passiert - bis circa zur Mitte.

Dann gibt es einen Wortwechsel, bzw. Monolog, und die Stimmung/Situation kippt - allerdings nicht durch eine Handlung, sondern immer noch durch die langsamen Beschreibungen was wie aussieht und sich anfühlt. Das ändert sich in echte Handlung - im Sinne eines plots, denn bisher sitzt jemand im Garten und beobachtet einen Troll bzw, nimmt mal einen Rechen - im Moment, in dem der Prot etwas an seiner Wade spürt.
Und jetzt geht es holterkapolter, anderer Troll, beißen, gefangen, Schluß. Huch.

Auch wenn ich weiß, daß es für das Wort kein Copyright gibt, stoße ich mich extrem an dem Zwielicht am Schluß. 2005 kam Lukianenkos Nochnoj Dozor / Wächter der Nacht in Kino & Buchhandel, und das Konzept des Zwielichtes als totes Zwischenreich scheint mir - vorsichtig gesagt - hier verwendet worden zu sein: etwas, das bekannt ist, wo der Autor selbst nicht mehr viel zu sagen muß. Aber genau hier würde Deine Geschichte wirklich interessant werden, der letzte Absatz klingt sehr so, als sei Dir gen Ende irgendwie die Puste ausgegangen. Szene fertig, noch schnell ein paar Worte hmhhmhm Zweilicht, Qual, kein Tod und tschüß. Das wäre jetzt vllt eine gute Übung, hier anzusetzen, und den Text nochmal um vllt 2/3 zu verlängern. Mit einem echten plot.

Details:
Dir sind eine ganze Menge Kommata abhanden gekommen, vor allem, wenn zwei mögliche Hauptsätze getrennt werden müßten.

von seiner fast surrealen Erscheinung
Knapp das Wort verfehlt: Du brauchst irreal. Und das fast kann weg. Es gibt - anders als im Englischen, wo man unreal und surreal fast deckungsgleich verwenden kann - im Deutschen nur korrekt surrealistisch, weil es sich auf die Kunstform bezieht, die Traumhaftes ausdrückt. Ist etwas nicht-real, märchenhaft, ist es irreal.
orangener Haarschopf
oranger
Natürlich kenne ich die unzähligen Geschichten
fällst aus der Erzählzeit
Dieses Wesen vor meinen Augen war niedlich klein, kaum größer als ein Zweijähriger, seine langen, hageren Arme hingen bis hinunter zu seinen Füßen und endeten in vergleichsweise großen, mit langen Krallen besetzten Händen, die mehr den Klauen einer Echse ähnelten. Die gräulich, braune, lederartige Haut schimmerte nur matt im Sonnenlicht und war mit allerlei Narben und Wunden entstellt, was seine ohnehin schon groteske Erscheinung allerdings weniger beeinflusste. Die einzigen Kleidungsstücke, die er trug, waren ein roter Lendenschurz mit einem dunkelbraunen Ledergürtel und eine schwarze Baskenmütze, die er tief in sein Gesicht gezogen hatte, so dass man nur seinen großen, formlosen Mund sehen konnte. Dieser öffnete sich ab und zu einen kleinen Spalt und mit einer großen, weinroten Zunge leckte er sich die Lippen, wobei unzählige kleine, aber beachtlich spitze Zähne hervorblitzten.
Nur mal als Beispiel für die Füllwörter und Adjektive. Mach mal den Test und hole die raus, schaue, wie das dann klingt, was uns fehlt oder was sich nicht im Kopf des Lesers bereits ergibt. Besser mal auskämmen, und zwar im gesamten Text; das hält auf, ist unschön zu lesen. (Ich hatte das gleiche Problem, aber man sollte sich echt von vielem trennen.) Anstatt daß man nämlich - wie man als Autor meint - die Sache schön genau dem Leser anbietet, nimmt man ihm die Gelegenheit, das Erzählte selbst zu sehen. Und Bilder, die im Kopf des Lesers entstehen sind immer viel stärker, als vorgekautes, ausgewalztes 'Adjektivieren'.

Ebenso kannst Du gefühlte 200 Nebensätze & Einschübe ersatzlos streichen, ein bissl hab ich nämlich den Eindruck, daß Dich selbst darin verfranst. Und aus den Augen verlierst, was genau Du erzählen willst (erzählen, nicht beschreiben!)
Guck mal nämlich:

bemerkte ein unauffälliges, irritiertes Blitzen in seinen Augen
Er bemerkt schon etwas Unauffälliges, aber das ist ein Blitzen (ist ein Blitzen unauffällig?), genauer gesagt, ein irritiertes Blitzen, aber wie gesagt unauffällig. Nee, merkst du, daß es wirr wird? Überleg lieber, anstatt ständig Details beschreiben zu wollen, was genau Du mit dem Satz sagen willst: in seinen Augen (war) ein Blitzen / seine Augen blitzten.


„Was willst du von mir?“
„Antworte mir!“
„Wo ist meine Familie?“
Keine Menschenseele war seit unserem Zusammentreffen heute Mittag vorbeigekommen.
Da Zeilenumbruch eigentlich nur bei Sprecherwechsel gemacht wird, hatte ich erst angenommen, der Troll würde auch sprechen.
Meine Mutter, meine Schwester, sie sollten schon lange hier sein, irgendjemand hätte längst diese Strasse entlangfahren müssen.
Gut, die Geschichte ist märchenhaft, aber ich frage mich, warum der Erzähler erwartet, der Troll wüßte was über die Familie. Der sitzt doch auch nur auf dem Zaun und guckt, warum sollte der dran Schuld sein, daß niemand die Straße langkommt? Ich denke, hier könnte ein bißchen mehr Klarheit und Spannung in die Fragen.
Es kam mir vor als stünde, ausgenommen für die Sonne,
für raus, inkorrekt > mit Ausnahme der Sonne
und das feste Gefühl des Griffs bestärkte
falscher Bezug: das Gefühl des festen Griffes, da ein Gefühl nicht fest sein kann.
Ich war gefangen in einem Zwielicht mit dieser rätselhaften Gestalt,
Für mich wird so viel von Sonne und Garten gespochen, daß ich Dir hier das "gefangen im Zwielicht" nicht abkaufe. Der innere Wechsel des Prots ist sehr gut, der äußere/atmosphärische sozusagen, geht unter. Auch das magische Vergehen der Zeit - ähnlich wie in Feenhügeln - geht in all den Detailbeschreibungen unter.
und es war unzweifelhaft an mich adressiert.
Das denken wir uns auch, sowas sollte besser raus, weil der Leser schon viel weiter ist.
einzigen Bewegungen des Kobolds waren seine baumelnden Beine
das Baumeln seiner Beine, etc., da die Beine keine Bewegung sind > falscher Bezug
im Maul kaum als Waffe brauchbar, und wie ich meine
als
während er mich eindringlich anstarrte.
redundant, da 'anstarren' bereits 'eindringlich' impliziert. Je intensiver ich durch den Text gehe, desto massiver stören mich all diese Füllsel, Adjektive, Erklärungen, Einschübe, Nebensätze ...
sprang mir etwas von der anderen Seite an meine Schulter,
Wieso etwas? Kann weg. Eigentlich ist links rechts welche Seite ohnehin unerheblich.
eine ungeahnte Schwäche
?? Im Gegensatz zu der bereits erahnten Schwäche? Das paßt nicht so ganz.
Abwartens wuchs eine verzehrende Angst vor dieser fremdartigen Kreatur in meiner Brust.
Falscher Bezug, hieße hier, die Kreatur ist in seiner Brust. Du brauchst: wuchs in meiner Brust die Angst vor dieser fremdartigen Kreatur.
plötzlich ein leichtes Tippen
redundant, s.o. Es ist ja bereits ein Tippen, und kein Schlag, der sowohl leicht wie auch hart sein könnte.

Ich hoffe, Du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen.
Lies Dich um, kommentiere auch ein paar Texte, lies die Komms anderer User, Du wirst sehen, das das ganz gehörig schult. Außerdem: die site funktioniert von Geben und Nehmen. ;)

Moi moi viel Erfolg & viel Spaß,
Katla

 

Hallo Al Azif,

erstmal ein Lob vorweg: Deine Geschichte liest sich flüssig und ist sauber überarbeitet. Bin über sehr wenig Rechtschreibfehler / sprachliche Unstimmigkeiten gestolpert.

Nun zum Inhalt:

Neulich, da saß vor meiner Tür ein Kobold.

Ein schöner erster Satz, wie ich finde. Vielversprechend. Würde ich ihn in einer Geschichte lesen, würde ich zunächst denken, es handelt sich um ein Märchen. Der Satz hat (zumindest für mich) etwas Spielerisches, Alltägliches. Die Geschichte wird, so wäre mein Eindruck, in einer Welt spielen, in der Kobolde etwas Normales sind. Es geht keine Bedrohung daraus hervor. Er klingt eher, als sei die Erscheinung des Kobolds in diesem Moment etwas Schönes, Friedliches, als würde ich schreiben: "Neulich, da saß vor meiner Tür ein Eichhörnchen". Aber da wir ja hier in der Horror-Rubrik sind, weiß man ganz genau, dass dieser Kobold bedrohlich, bösartig sein muss. So entsteht ein Widerspruch, der aufgelöst werden muss, und das macht den Anfang sehr interessant und spannend.

Nur leider kannst du diesen schönen Auftakt in dieser Geschichte nicht halten. Denn man stellt als Leser fest, dass Kobolde in der Welt der Geschichte eben doch nichts Normales sind. Und da stellt sich mir die Frage, warum der Erzähler so reagiert, wie er reagiert. Ich kann das Verhalten nicht nachvollziehen oder verstehen, was die Geschichte weniger interessant macht. Warum ist er am Anfang nicht überrascht, beunruhigt, verängstigt? Warum ist er "nicht schockiert" von seiner Existenz, wie du schreibst?

Insbesondere weil die Beschreibung des Kobolds Angst auslösen sollte:

Dieses Wesen vor meinen Augen war niedlich klein, kaum größer als ein Zweijähriger, seine langen, hageren Arme hingen bis hinunter zu seine Füßen und endeten in vergleichsweise großen, mit langen Krallen besetzten Händen, die mehr den Klauen einer Echse ähnelten.

Das passt nicht ganz zusammen - niedlich muss hier eindeutig raus, auch wenn es sich auf "klein" bezieht. (Und wenn wir schon an der Stelle sind: Nimm gleich auch "vergleichsweise" weg).

Die gräulich, braune, lederartige Haut schimmerte nur matt im Sonnenlicht und war mit allerlei Narben und Wunden entstellt, was seine ohnehin schon groteske Erscheinung allerdings weniger beeinflusste.

Auch hier wird der Kobold keinesfalls als harmlos oder niedlich, sondern als sehr bedrohlich beschrieben. Insofern wird die Frage, warum sich der Prot. nicht fürchtet, nur noch größer - ohne dass eine Antwort geliefert wird.

Dann kommt auf einmal der Umschwung, wo er eben doch zunächst verärgert, dann beunruhigt und verängstigt wird. Es wird nicht erklärt, wie es zu dieser Gefühlsänderung kommt. Der Kobold kann kaum schuld daran sein, denn er sitzt ja weiterhin nur da. Und da dem Erzähler seine Existenz in keinster Weise seltsam vorkommt, warum geht er nicht einfach wieder zurück ins Haus?

Der Schluß (oder besser, die zweite Hälfte der Geschichte) ist eigentlich Standard. Das ist weder positiv noch negativ gemeint. Schöner wäre es natürlich, dem Leser etwas Neues zu präsentieren, aber ich weiß (aus eigener Erfahrung ...) dass das ziemlich schwer ist.

Eine Idee für diese Geschichte: Versuche, den Stil des ersten Satzes länger zu halten. Beschreibe den Kobold nicht als bedrohlich, sondern tatsächlich als niedlich. Als etwas, das vielleicht selten, aber keinesfalls ungewöhnlich ist (wie halt ein Eichhörnchen). Und dann erkläre, warum die Stimmung auf einmal kippt. Erschrecke den Leser, bring was Unerwartetes, und zeige dem Leser dann das wahre Gesicht des Kobolds. Den Schluss würde ich kürzen. Den Angriff des Kobolds finde ich etwas zu lang.

Eine letzte Unstimmigkeit: Wie kann der Prot. überhaupt diese Geschichte schreiben, wenn er schwer verletzt irgendwo in seinem Garten (oder sonstwo) liegt? Vielleicht würde sich für diese Geschichte die 3. Person besser eignen als die 1.

Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen:

Weniger überrascht über die Tatsache seiner Existenz, die mich nicht im Geringsten schockierte, war ich mehr fasziniert von seiner fast surrealen Erscheinung hier in meinem Vorgarten.

Das passt nicht. Besser: "Weniger überrascht als über die Tatsache seiner Existenz, ..., war ich von seiner fast surrealen Erscheinung ...§

Der Kobold flog durch die Luft auf mich zu, kam mir immer näher. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und eine kriechende Finsternis legte sich über den Vorgarten.

"Kriechende Finsternis" passt nicht zusammen. Besser nur "Finsternis" oder "Dunkelheit".

Hoffe du konntest mit der Kritik was anfangen.

Viele Grüße.

 

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