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Der kleine Zug und die kleine Gitarre

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07.11.2013
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Der kleine Zug und die kleine Gitarre

Es war einmal ein kleiner Zug, der fuhr immer im Kreis. Er lebte in einem Brummkreisel unter einer Plastikkuppel. Dort fuhr er immer herum, wenn ein kleiner Junge den Kreisel drehte. Mit ihm in dem Kreisel lebten kleine Häuser und ein kleiner Fluss und eine grüne Wiese. Der kleine Zug bestand aus einer kleinen schwarzen Lokomotive und ein paar Anhängern. Er war das liebste Spielzeug des kleinen Jungen. Er hatte sonst keine Freunde, weil er sehr ängstlich war. Er weinte oft und wusste nicht warum. Und er hatte oft den Wunsch so zu sein wie die Leute in den Fernsehsendungen, die so viele Freunde hatten und deren Leben nie langweilig war. Aber das war alles nur gespielt, und das konnte der kleine Junge nicht wissen, weil er noch so klein und unwissend war. Er glaubte alles, was er dort sah und verglich es mit dem Leben, das er mit seinem Vater und seiner Mutter führte. Das war ein langweiliges Leben. Aber Vater und Mutter liebsten ihn sehr, denn er war ihr einziges Kind. Sie schenkten ihm viel Spielzeug, aber am liebsten hatte er den kleinen Zug in dem Kreisel, weil es so schön war, dem Zug dabei zuzusehen, wie er sich im Kreise drehte. Einmal, zum Geburtstag, schenkten die Eltern ihm eine kleine Gitarre. In Wirklichkeit war es eine Ukulele, aber das wussten die Eltern nicht, weil sie einfache Leute waren und sich nie mit Musik beschäftigt hatten. Sie dachten, es sei eine Gitarre für Kinder. Man konnte auch richtig darauf spielen und es entstanden schöne Töne. Aber für den kleinen Jungen und seine Eltern war es nur ein Spielzeug, er lernte nie, richtig darauf zu spielen und niemand sagte ihm, dass es Leute gab, die es einem beibringen konnten. Eines Tages brach der Hals der Gitarre ab. Sie war tot und machte keine Musik mehr. Nie mehr würde sie Musik machen. Damals machte es dem kleinen Jungen nichts aus, aber viele Jahre später, sehr viele Jahre später, als er schon ein erwachsener Mann war, weinte er sehr darüber, dass die Gitarre gestorben war, ohne ihren Zweck erfüllt zu haben. Es hätte sich so vieles in seinem Leben geändert, wenn er damals gelernt hätte, auf ihr und nicht mit ihr zu spielen. Er hätte gelernt, dass auch er eine Bedeutung hat und etwas kann, das andere vielleicht nicht können, so wie andere etwas können, das er nicht kann. So jedoch war er sein ganzes Leben lang einer wie alle geblieben, ein grauer Schatten unter anderen grauen Schatten, die die bunten Blätter bewundern, die bunten Blätter, die die kleinen Gitarren rechtzeitig zu spielen gelernt hatten. Es blieb ihm der kleine Zug in dem Kreisel, bis auch der eines Tages kaputt ging. Was mag aus meinen beiden Freunden geworden sein, fragte er sich oft. Auf einer Müllkippe liegen ihre Reste und sind im Laufe der Jahrzehnte aufgelöst worden unter dem großen Haufen Müll. Viele andere kleine Züge und kleine Gitarren liegen dort und es kommen jeden Tag neue hinzu. Aber der kleine Zug und die kleine Gitarre des kleinen Jungen sind nicht mehr da, sie haben sich in Gas verwandelt und sind in die Luft aufgestiegen. Manchmal dachte der kleine Junge, als er schon ein erwachsener Mann war, er könnte die Müllkippe kaufen und nach den Überresten des kleinen Zuges und der kleinen Gitarre suchen lassen. Aber dann wurde ihm klar, dass sie längst in den Himmel aufgestiegen sind und er mit der Luft, die er täglich atmete, auch einen Teil des kleinen Zuges und der kleinen Gitarre eingeatmet hatte. Da wusste er, dass sie für immer in ihm sein werden, solange er lebt. Und die anderen kleinen Züge und kleinen Gitarren werden für immer in den Menschen sein, denen sie als Kinder so viel bedeutet haben.

 

Hallo Graf Koks

Willkommen hier im Forum!

Es war Dein Nick, der mich in diese Geschichte lockte. Meiner Kompetenz, das Gelingen eines literarischen Experiments zu beurteilen, bin ich mir nicht sicher und werde dies nur behutsam angehen. :D

Mit Deinen ersten Sätzen kam mein rationales Verständnis jedoch in die Sätze:

Es war einmal ein kleiner Zug, der fuhr immer im Kreis. Er lebte in einem Brummkreisel unter einer Plastikkuppel.

Der Erzähler haucht hier anorganischer Materie ein magisches Leben ein. Es war mir, als ob ich in eine märchenhafte Welt eintauche.

Auch im weiteren Inhalt nimmt der Verlauf keinen mir erkennbaren experimentellen Charakter in dem Sinn auf, wie es für diese Rubrik vorgesehen ist. Es ist eine kindlich anmutende Beschreibung, die die seelische Befindlichkeit des Protagonisten gerafft skizziert. Das Leben, welches Du magisch dem Zug zugeordnet hast, findet im Text dann jedoch keine wirkliche Entsprechung, da es nur in indirekter Form daherkommt, eben beschreibend. Eine Geschichte lebt dadurch, dass das Geschehen nicht nur abstrakt auftritt, der Leser den Eindruck gewinnt, selbst unmittelbar darin zu stehen. Die Protagonisten erhalten durch ihre Handlungen, ihrem Denken und den Dialogen Charakter, der Verlauf zielt dann auf eine Veränderung hin.

Ich nehme an, dass das „Experiment“ für Dich das Schreiben einer ersten Geschichte war und Du noch sehr jung bist. Du solltest vermehrt andere Geschichten hier lesen, dann wirst du erkennen was diese lebendig gestaltet, sie nicht als Beschreibung aufscheinen lässt. Doch lass Dich nicht entmutigen, den ersten Schritt hast Du gewagt, für den Zweiten musst Du Dir nur das Rüstzeug zulegen. Mit dem Kommentieren von Geschichten anderer Autoren kann man für sich selbst übrigens viele Erfahrungen sammeln, die einem beim eigenen Fabulieren dann auch Impulse zu geben vermögen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Graf Koks

Ich muss Anakreon leider recht geben, ein Experiment im Sinne der Rubrik ist nicht erkennbar. Sag Bescheid, ob du mit einer Verschiebung nach Sonstiges einverstanden wärst. Oder schlage einfach eine andere Rubrik vor.

Ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

Der kleine Zug bestand aus einer kleinen schwarzen Lokomotive und ein paar Anhängern. Er war das liebste Spielzeug des kleinen Jungen. Er hatte sonst keine Freunde, weil er sehr ängstlich war.
Hier verschiebst du den Protagonisten auf einmal vom kleine Zug zum kleinen Jungen, zudem verwirrt mich hier der zweimalige Gebrauch des Personalpronomens "Er" , da ich dachte, es wird eine Geschichte über den kleinen Zug. Da du allerdings die Geschichte im weiteren auf dem Jungen aufbaust, würde ich dem Zug am Anfang kein Leben einhauchen.

Aber der kleine Zug und die kleine Gitarre des kleinen Jungen sind nicht mehr da, sie haben sich in Gas verwandelt und sind in die Luft aufgestiegen.
Das sind mir einfach zuviel "kleine".
Auch verschliesst sich mir die metaphorische Bedeutung des Zerfalls, und die Bildsprache unglücklich gewählt.(Gras drüber gewachsen/ in Luft aufgelöst)

Manchmal dachte der kleine Junge, als er schon ein erwachsener Mann war, er könnte die Müllkippe kaufen und nach den Überresten des kleinen Zuges und der kleinen Gitarre suchen lassen.
Wenn er ein erwachsener Mann war, dann kann er nicht länger ein kleiner Junge sein.

Zur besseren Lesbarkeit würden dem Text ein paar Absätze gut tun.

Weiterhin viel Spass und Erfolg,
Gruss dotslash

 

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