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Der kleine schwarze Käfer
Das ist die Geschichte des kleinen schwarzen Käfers, der seinen dunklen Wald verließ, um die Welt zu erkunden. Dabei gefiel es ihm im Wald. Er hatte viele Freunde dort, die ihn nicht missen wollten und denen er versprechen musste, bald wieder nach Hause zu kommen, um zu erzählen, was er fernab der vertrauten Bäume alles erleben werde. Als er schließlich davon flog, folgten ihm die Tiere bis an den Waldrand und winkten ihm hinterher und er winkte mit seinen schwarzen Flügelchen zurück. Nicht nur seine Flügel waren schwarz, sein ganzer Körper war es, seine Beine und seine Augen, obwohl er kein trauriger Käfer war, ganz im Gegenteil: Er war voller Lebensfreude und neugierig, was ihn jenseits des Waldes alles erwartet.
Schon bald führte ihn seine Reise an eine große Wiese, auf der inmitten hohen, grünen Grases Butterblumen wuchsen. Um ihre leuchtend gelben Blüten schwirrten bunte Schmetterlinge, fleißige Bienen und eine dicke Hummel. „Welch herrliche Blumen seid denn ihr?“, rief der kleine Käfer, der in seinem Wald nie solch farbenfrohem Treiben begegnet war. „Darf ich mich ein wenig auf dir ausruhen?“, fragte er eine besonders schöne Blüte. „Ich bin müde von meiner langen Reise.“
Doch die Butterblume schreckte auf und schloss sofort ihre Blüte, dass der Käfer nichts von ihrem Nektar trinken konnte. „Hau ab, du hässliches schwarzes Ding!“, herrschten ihn die anderen Blumen an und die Bienen vertrieben ihn von der Wiese.
An einem Garten traf der schwarze Käfer auf ein Beet, in dem eine Reihe herrlicher lila Glockenblumen standen. Er war noch immer traurig darüber, dass die Butterblumen ihn verstoßen hatten, weil er nicht so bunt war wie die anderen Insekten, die um sie herumschwirrten. Bei den Glockenblumen hoffte er, sich ein wenig ausruhen zu dürfen. Doch mit ihren Glocken schlugen die Alarm, als er sich setzen wollte, Bimm-Bamm, und wieder kamen die Bienen angeflogen, die den Käfer verjagten. „Hau ab, du hässliches schwarzes Ding!“, rief man ihm wieder hinterher.
Bei den Gänseblümchen erging es dem Käfer nicht besser, auch der Klee und der Löwenzahn verweigerten ihm die Rast. Er wurde immer trauriger und wollte schon umkehren, zurück in seinen Wald, wo die Tiere ihn sicherlich vermissten, als er ein kleines, einsames Vergissmeinnicht am Rande des Gartens entdeckte. Um das blaue Blümchen herum schwirrten keine Insekten und als er näher heranflog, sah er, dass das Vergissmeinnicht weinte. „Was hast du denn?“, fragte er es und es schluchzte. „Ich bin so klein, die Bienen und Schmetterlinge sehen mich gar nicht und wenn sie mich sehen, fliegen sie trotzdem vorbei. Sie wollen lieber zu den großen Blumen und niemand möchte sich auf mir ausruhen und von meinem Nektar trinken.“ Es funkelte den kleinen schwarzen Käfer an: „Möchtest du dich nicht setzen?“ „Ich?“, strahlte der Käfer zurück, setzte sich flink und erzählte, wie die anderen Blumen ihn verjagt hatten. Dann labte er sich am Nektar des kleinen Vergissmeinnichts.
„Oh, schau nur“, rief das Blümchen und der Käfer sah, dass seine Flügel plötzlich nicht mehr schwarz waren. Bunte Tupfen waren plötzlich auf seinem ganzen Körper, rote, grüne, gelbe, blaue, der kleine Käfer konnte sein Glück kaum fassen. Er bedankte sich rasch bei dem Vergissmeinnicht und flog freudestrahlend in seinen Wald zurück, vorbei an den Gänseblümchen, dem Klee, dem Löwenzahn, den Butter- und Glockenblumen, die ihn alle verstoßen hatten. Jetzt aber riefen sie: „Halt du bunter Käfer. Komm' zu uns, so ein buntes Exemplar haben wir noch nie gesehen!“ Doch der kleine Käfer ignorierte es, sie haben ihn als schwarzen Käfer nicht bei sich ruhen lassen, jetzt, nach seiner wundersamen Verwandlung, wollte er mit ihnen auch nichts mehr zu tun haben.
Im Wald empfingen ihn die Tiere herzlich. Sie staunten ob der vielen Farben auf seinen Flügeln, denn auch sie hatten noch nie so einen schönen bunten Käfer gesehen. Doch viel mehr freuten sie sich, dass ihr Freund wieder wohlbehalten bei ihnen war, ganz gleich welche Farbe sein Körper hatte.
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