Der kleine Kicherer
Der kleine Kicherer
Ein gutgelauntes Feuer knisterte fröhlich im Kamin der gemütlichen Holzhütte am Ende des Unvernunftwaldes. Der Wald heißt so, weil alles, was in ihm lebt und wohnt, völlig unvernünftig ist. Alle Leute von der anderen Seite des Waldes sind vernünftig oder einfach nur erwachsen. Ihr seid es nicht, sonst würdet ihr diese Geschichte nicht lesen!
Der Bewohner der Hütte, ein Gnom, humpelte missmutig um den halb gedeckten Holztisch, der in der Mitte der Hütte stand. Er war wirklich sauer, hielt sich eine Hand vor den Mund und kicherte laut vor sich hin. Der Gnom ein Kicherer, müsst Ihr wissen. Die Kicherer sind kleine, freundliche Waldbewohner. Sie haben ihren Namen daher, dass sie immer kichern müssen, wenn sie sich aufregen.
Aber wenn die Kicherer einen Scherz machen, dann sehen sie aus als würde die Welt untergehen oder sie wären einem Gespenst begegnet. Ihr wisst, welchen Gesichtsausruck ich meine?
Aber was hatte den Gnom denn so verärgert? Nun, es hatte sich Besuch vom anderen Ende des Waldes angekündigt. Eine Cousine aus den Räusperbergen wollte den Kicherer besuchen. Ihr könnt Euch wahrscheinlich schon denken, welche Gewohnheit die Bewohner der Räusperberge hatten…
Der Gnom sah auf den Tisch, schüttelte verzweifelt den Kopf und kicherte, was das Zeug hielt. Was sollte er nur machen? Er bekam Besuch und er hatte nur noch einen einzigen Teller im Haus! Das Essen war bereits angerichtet, aber worauf sollte er es seiner Cousine bloß servieren? Ein Skandal!
„Hihihihi…“ machte der Gnom und trat vor Wut vor einen Stuhl und humpelte danach umso mehr.
Hätte er doch bloß nicht gestern seinen Nachbarn, den alten Waldschrat, zum Essen eingeladen! Der alte Waldschrat war dafür bekannt, alles was man ihm sagte, wörtlich zu nehmen. Er war eben als ein typischer Bewohner dieser Gegend völlig unvernünftig. Als der Gnom im Spaß, nach Art der Kicherer natürlich, mit todernster Miene zum ihm sagte: „Iss Deinen Teller auf, morgen gibt’s nichts mehr!“, war der Teller auch schon mit einem Haps im Mund des Waldschrats verschwunden.
Der Gnom kicherte vor Wut so laut, dass die Wände wackelten und der alte Waldschrat lachte schallend mit, weil er dachte, sein Gastgeber fände lustig was er da getan hatte.
Er hörte erst auf zu lachen, als er nach einen kräftigen Tritt in seinen runzeligen Hintern im hohen Bogen in einem Schlummerbusch landete. Der Busch beschwerte sich lautstark, dass es eine Unverschämtheit sei, ihn um diese Tageszeit aus dem Schlaf zu reißen und schlug dem Waldschrat seine müden Zweige um die Ohren. Dieser ging kopfschüttelnd nach Hause und nahm sich vor, weitere Einladungen vorerst abzusagen.
Der Gnom hatte dem Waldschrat so fest in den Hintern getreten, dass er seitdem humpelte.
Und so humpelte er eben um den Tisch, kicherte und grübelte wo er denn nun einen neuen Teller her bekäme. Er hatte nicht mehr viel Zeit, bis seine Cousine kommen würde. Er sah in das gutgelaunte Feuer und grübelte und grübelte.
Dem Feuer war die Laune des Kicherers schon lange aufgefallen, aber es hielt sich aus der Sache raus. Außerdem hatte es bald Urlaub, was der Grund für seine ausgezeichnete Stimmung war.
Der Kicherer beschloss schließlich sich in der Nachbarschaft einen Teller zu borgen, schwang sich seinen kleinen Lodenmantel über und verließ die Hütte. Er stapfte den kleinen Hügel hinter seiner Hütte hinauf, vorbei an dem laut schnarchenden Schlummerbusch und überlegte, wo er zuerst anklopfen sollte. Da kam ihm das kleine Motzhörnchen in den Sinn. Das Motzhörnchen wohnt in der Spitze einer großen Grummeltanne.
Der Kicherer besuchte das Motzhörnchen nicht so gerne, weil es immer über alles und jeden meckerte und die Grummeltanne stimmte dem Hörnchen immer zu. Aber dem Kicherer blieb nichts anderes übrig, er musste ja irgendwie einen Teller auftreiben.
Also ging er den Waldweg am Fuße des Hügels entlang und stand schon bald vor der Grummeltanne. „Hallo! Ist jemand zuhause?“, rief er so laut er konnte nach oben in die Baumkrone. „Natürlich ist jemand zuhause.“, brummelte die Tanne und das Motzhörnchen rief von oben herunter. „Verflixt noch mal, was soll denn schon wieder der nette Besuch! Ich komme ja schon runter.“ Der Gnom unterdrückte ein lautes Kichern, denn er wollte ja nicht unhöflich sein. Das Motzhörnchen kletterte flink die Tanne herunter, während diese grummelte:“ Muss das denn sein? Hat man denn hier nie seine Ruhe…“
„Verflixt und zugenäht, mein netter Nachbar der Kicherer!“, motzte das Motzhörnchen. „Was verschafft mir die vermaledeite Ehre Deines Besuches?“ „Nun, es ist so...“, stammelte der Kicherer, von der unfreundlichen Art des Motzhörnchens eingeschüchtert, „ich wollte Dich fragen, ob Du mir einen Teller leihen könntest. Ich bekomme nämlich Besuch von meiner Cousine und….“ „Mann, Mann, Mann, ist das nett dass Du mich fragst.“, tönte das Motzhörnchen los. „Nett. Ja so was von nett, mir fallen gleich die Nadeln aus..“, grummelte die Tanne und schüttelte dabei verächtlich ihre Zweige. „Es tut mir leid, aber ich habe keine Teller. Ich fresse direkt mit den Pfoten.“, regte das Motzhörnchen sich auf und zuckte aufgeregt mit dem Schwanz.
„Aber ich kann Dir, verdammt noch mal, einen Tipp geben! Frag mal bei dem alten Jammerbären nach.“ Der Kicherer bedankte sich und zog weiter.
Bald erreichte er die Höhle des Jammerbären. Schon von weitem hörte er Meister Petz stöhnen.
„Oje, alles muss man hier alleine machen. Ich habe es ja sooo schwer!“ schallte es aus der Höhle. „Hallo Jammerbär!“ rief der Kicherer in den Höhleneingang. „Hast du einen Moment Zeit?“ „Ja ja, ich habe für alles und jeden Zeit. Bloß auf mich nimmt Niemand Rücksicht. Ich tue mir ja sooo leid.“ Brummte der Bär und tapste aus seiner Höhle.
„Entschuldige, wenn ich dich belästige. Ich kann auch woanders fragen.“ sagte der Kicherer beschwichtigend. „Nein, nein. Nun sag schon, was führt dich zu mir?“ brummte der Bär, setzte sich seufzend auf seinen pelzigen Hintern und zog ein Gesicht, als würde alle Last der Welt auf seinen Schultern ruhen. Der Gnom verdrehte innerlich die Augen, ließ sich aber nicht anmerken wie sehr der Bär ihm mit seiner Art auf die Nerven fiel und fragte nach einem Teller. „Teller, Teller. Ich fresse immer so große Portionen, dass es dafür keine Teller gibt. Ich tu mir ja soo leid, das ist ja alles sooo schrecklich !“ Mit diesen Worten stand der Bär wieder auf und trottete in die Höhle zurück. „Versuchs mal bei den Schlotterpilzen brummte er noch und schon war er verschwunden.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und der Kicherer hatte sich längst sein Mäntelchen ausgezogen, als er bei den Schlotterpilzen ankam.
Trotz der Wärme zitterten und bibberten die schwammigen Gesellen. „Hallo, Ihr lieben Pilze!“, rief der Kicherer schon von weitem. Die Pilze sahen den kleinen Waldbewohner mit großen Augen an und bebten und schlotterten am ganzen Körper.
„Könntet Ihr mir vielleicht aus der Patsche helfen?“, fragte der Kicherer höflich. „Brrrr….ww..worum g.g…geht’s d..d..denn?“, fragten die Pilze mit zittriger Stimme wie aus einem Munde. „Meine Cousine kommt heute zum Essen und ich habe nur noch einen einzigen Teller im Haus. Da dachte ich, Ihr könntet mir vielleicht aushelfen.“
Die Pilze sahen den Gnom verwundert an. „Es t…t..ttut uns sehr leid, aber w..w..wir haben ja gar k..k..keine Arme. W..w..was sollten wir da mit Tellern anfangen.“
Der Kicherer setzte sich auf den Waldboden. Er war am Ende seiner Kräfte. Wütend kicherte er laut vor sich hin. Er war so laut, dass sogar eine Joggingschnecke für einen Moment ihren Sprint am Waldrand unterbrach und lauschte, was dort im Wald vor sich ging.
„Ähem.“,machte es plötzlich hinter dem Kicherer. Dieser war so mit seinem Leid beschäftigt, dass er seine Cousine zunächst gar nicht bemerkte. „Ähem, ähem…“
Erschrocken sprang der Kicherer auf. „Hihhih.. Cousinchen, da bist du ja schon.“ „Hallo, ähem, mein lieber, ähem, Cousin Kicherer!“ Die beiden umarmten sich herzlich.
Der Kicherer war verzweifelt, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.
Was sollte er bloß machen? Ein Essen ohne Teller, welch Skandal! „Ähem, was machst du eigentlich hier im Wald? Warum, ähem, bist du nicht in Deiner Hütte und wartest auf mich?“ „Ich, hihihihi, konnte es nicht mehr abwarten und da bin ich dir, hihihihi, einfach schon mal ein wenig entgegen gelaufen.“, stammelte der Kicherer verlegen. „Fein, ähem, dann können wir ja jetzt zu Deiner Hütte gehen. Ich habe nämlich großen Hunger, ähem, ähem.“ Dem Kicherer blieb fast die Luft weg. Aber was sollte er machen. „Hihihihi.. Ja, dann gehen wir mal, hihihihi…“ Als sie die halbe Strecke zur Hütte zurückgelegt hatten, sagte die Cousine plötzlich: „Ach, ähem, das hätte ich ja fast vergessen.“ Mit diesen Worten hielt sie dem Gnom ein Paket entgegen, das sie die ganze Zeit unter dem Arm geklemmt hatte. Dem Kicherer war es vorher gar nicht aufgefallen, aber das muss wohl an der Aufregung gelegen haben.
Für einen Moment siegte die Neugier über den ganzen Ärger und er riss das Paket blitzartig, ganz nach Art der Kicherer, auf. Für einen Moment blieb er wie erstarrt.
„Ähem, ähem. Gefallen sie Dir etwa nicht?“, fragte seine Cousine verunsichert.
„Doch, doch ….sie sind wunderschön.“, antwortete der kleine Kicherer und bewunderte die zwei nagelneuen Teller in seinen Händen. „Weißt Du, ähem, bei uns in den Räusperbergen ist es Brauch, immer Teller mitzubringen, wenn man irgendwo zum Essen eingeladen ist. Der Kicherer machte ein todernstes Gesicht vor Freude. „Danke.“, sagte er, während sie weiter in Richtung Hütte liefen. „Ich hoffe, es wird Dir schmecken.“