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Der kleine, geniale Plan

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02.11.2001
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Der kleine, geniale Plan

Ich krieche über den modernden Teppich aus Abfällen, mitten im Rattenheer und gegen dieses. In der Stratosphäre recken sich die Scud- Raketen gegen schon lange davor irreparabel gewordene Plattenbauten. Wäsche flattert auf langen Stangen zum Trocknen im Wind. Humanoides Brutvieh befruchtet sich mit der schwindenden Kraft letzter Rammstöße. Die Produktion der nächsten Bataillone ist staatlich unterstützt und millionenfach beflaggt. Stars and stripes überall. Jetzt bringen wir ihnen den Tod zurück, ja. Jetzt reicht es mit unserer Ehre und dem kümmerlichen Gewissen. Wissen wir denn, ob nicht Lug’ und Trug von drüben kommen? Dann besser gleich erst gar nicht abwarten, gleich direkt und durch mit Allem. Das Geräusch vorstoßender Panzer ist ein schönes, das Mahlen und Drehen der Ketten im Sand, der uns nicht gehört. Nicht aufzuhalten sind sie, unsere guten Jungs, die noch an alles glauben. Auch an uns. In the army now. Tätärätätä! Hoch die Fanfaren. Brot und Spiele. This flight noch this night, bitte, ja? By film und on video und alles so sauber aufbereitet fürs Erinnern können.

Der modernde Teppich, der rote geradeso wie der Bombenteppich auch, hat die carpet people lustig versteckt. Die Teppichvölker. Wenn ich einen people von denen frage, will sich niemand den Wüstenstaub aus der Lunge husten müssen. Wir bleiben lieber am Teppich, aber George meint, die Ratten nicht zurückpfeifen zu wollen. Also krieche ich mitten im Rattenheer und gegen dieses, werde mit Stiefeln getreten und mit den falschen Argumenten beworfen. Alles kommt mir falsch entgegen, weil ich die richtige Richtung vorwärts kommen möchte. Alles an Verdrehtem, Verlogenem, Unwahrem. Nur nicht so was wie Toleranz. Dem zu begegnen wurde unwahrscheinlicher mit dem Aufsteigen des neuen Mondes und damit habe ich die Hoffnung an der Kirchenmauer begraben. Was es wohl alles zu begraben geben wird in der schönen neuen Welt? Wenn schon die eine Landschaft aus Golfplätzen besteht und somit unsere Kultur und das Weiße darstellt, erwarten wir Gläubigen ein Übermaß an Friedhöfen im Schwarzland, also hingepflastert in die andere, spätere, neu geschaffene. Styled by bombing oder so.

Hallo!
Ist da wer?
Ich muss zu George durch.
Es ist ein genialer, kleiner Plan. Ein Traumplan, weil er gestern durch meinen Traum gestolpert ist. Wie ein rotzfreches Kind. Kam rein und schrie, dass die Plattenbauten wackelten. Also. Wenn ich zu George durchkomme, werde ich das mitgebrachte Brotstück überreichen und ihn um ein Glas Wasser bitten. Meinen Durst werde ich mit dem aufreibenden Kampf gegen die Rattenheere erklären und George wird nasse Augen haben, wenn ich ihm von Afrika und seinen Fliegen erzähle. Lass’ die Wüste, Georgie- boy, werde ich ihm, auf seinen Knien sitzend, ins Ohr flüstern. Lass uns in den Supermarkt einkaufen gehen und danach gemeinsam fette Pakete schnüren, hmm?
George wird am mitgebrachten Brotstück speicheln und den Hunger nach Anderem darin schmecken. Wenn er mir dann übers Haar fährt und die Ratten zurückpfeift, weil er mir glaubt, habe ich gewonnen, denke ich. Er ist genial, der Plan, weil einfach, das sagte ich schon.
Aber ich muss zu George durch, sonst geht gar nichts und die Scuds oben im Azur werden sich mit den Phershings vermählen. Keiner will den Regen und den glühenden Konfettizauber, den es nach dieser Hochzeit regnen wird. Ich weiß das, weil ich schon viele danach gefragt habe, bevor ich mich zu George aufmachte. Oben in den Virunghas habe ich das letzte Volk der schwarzen Zottel gefragt. Nein, nein, sagten die. Wir wollen keine Konfetti. Nur die Wiege der Menschheit weiter bewachen, das wäre schon was. War das ein aufgebrachtes Brustgetrommel. Aber ich hatte verstanden. So ging das weiter und alle sagten, dass ich zu George müsse. In Kalkutta hat mir ein fast kastenloses Kuhhirtenwesen das Brot zugesteckt. Bring es George, sagte das Wesen zu mir, und sag’ ihm, dass wir Öl hier nicht trinken können.

Jetzt stehe ich tatsächlich vor seinem weißen Haus.
Heute geschlossen, steht mit krakeligen Buchstaben auf dem Pappschild an der Türe. Dann fällt mir ein, dass Montag ist. Frisöre und Gaststätten haben an Montagen geschlossen, denke ich, warum nicht auch der Laden von George. Gut, George, ich geb’ dir das Brot morgen. Wir werden morgen reden. Ich weiß, dass du morgen wieder hier bist, deinen Laden aufsperren und deine first lady auf Händen hineintragen wirst. Ist gut George, lass uns träumen diese Nacht. Von einem kleinen, einem genialen Plan, ja?
Ja, George?

 
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Lieber Aqualung!

Viele Worte. Und doch ...

Das Mahlen und Drehen der Ketten im Sand - DER UNS NICHT GEHÖRT. Niemanden, das genügt - es sagt alles aus und gefällt mir unglaublich gut.

Seltsamerweise passt mir, und das recht intensiv, ein Wort in den ganzen Text nicht hinein. Das Wort Toleranz. Hier toleriert keine Seite die andere würde ich meinen. Vielleicht irritiert mich dieses Wort weil du verurteilend schreibst und ich Toleranz da nicht recht einordnen kann. Ich weiß es wirklich nicht.

Nicht allgemein gehalten, sondern nur auf deinen Text bezogen - wo soll sich die Toleranz hinwenden und welches Toleranzverhalten soll es ausgleichen? Denn Toleranz fordern darf nur wer sie auch gewährt. Denn du kannst ja nicht ein ganzes Regierungs- und Weltanschauungssystem einem nicht öltrinkenden einfachen Mann gegenüberstellen. Welche Toleranz ist es die du ansprichst?
Krieg - nein, niemals - aber egal welcher und von wem inszeniert !!!

Lieben Gruß an dich - Eva

 
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An unserer Tür hängt die Ami Flagge, "no War" hat mein Sohn darauf geschrieben. Seine Schrift ist krakelig und er hat sich Mühe gegeben mit dem Edding auf dem rutschigem Stoff. Jeden Abend sieht er sich die Nachrichten an. Wie unsesere Gesprächsthemen heißen kann sich jeder denken.
Du bist aktuell Aqualunge und ich habe damit gerechnet.
No War
********Merlinwolf*********

 

Hallo Aqua!

Ein weiterer Text von Dir, bitter, schwarz und zynisch anklagend.
Alles voller Bilder. Keine Hoffnung mehr?

Anne

 
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Liebe schnee.eule, lieber merlinwolf, maus, liebe, du,

ich hoffe inständig und mannigfaltig, dass nichts Beschriebenes passiert. Ich wünsche mir, dass George seinen Gedankenladen wieder aufsperrt, so tolerant, wie er denn ob seiner Position sein könnte.
Seine first lady ist "unheimlich" nett. Vielleicht reicht das wenigstens. Vielleicht reicht seine Liebe zu ihr dafür, dass er den Krieg nicht spielen lässt.

Liebe Grüße an euch drei - Aqua

 

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