Der kleine Engel und Kater Schnurr
Der kleine Engel und Kater Schnurr
Es war ein rauer, klarer Winterabend in der Stadt.
Der kleine Engel hatte sich auf einem Häuserdach niedergelassen und guckte neugierig in die hell erleuchteten Fenster. Kater Schnurr saß neben ihm.
Dort und da konnte er Menschen dabei beobachten, wie sie den Abend verbrachten.
Er sah traurige Menschen, fröhliche Menschen, Kinder, die nicht ins Bett gehen wollten und Erwachsene, die froh waren, wenn nichts mehr zu tun war.
Immer mehr Lichter gingen aus, Vorhänge wurden zugezogen und warme Bettdecken über kleine Nasen gezogen.
Mein kleiner Engel seufzte tief.
Es musste ein schönes Gefühl sein, Menschen zu haben für den man sorgen kann.
Er tastete mit der rechten Hand nach dem Kater und kraulte ihn ausgiebig.
Bald war außer dem nächtlichen Stadtverkehr auch das genussvolles Schnurren des Katers Schnurr bis weit über die Dächer zu hören.
Verträumt blickte der kleine Engel in den klaren Sternenhimmel.
„Stimmt es, dass es so viele Menschen auf der Erde gibt wie Sterne am Himmel?“ fragt er den Kater.
Der Kater Schnurr dachte lange über diese Frage nach. Dann leckte er sich seine Pfoten und streifte über seine feinen Barthaare.
„Weißt du“, meinte er dann, „ ich erzähle dir eine Geschichte!“
Und er erzählte.
Vor vielen, vielen Jahren lebten die Menschen nicht auf der Erde, wie nun.
Damals hatte jede Seele einen Platz in der unendlichen Weite des Weltalls.
Die Menschen, als sie noch nicht auf der Erde waren nenne jetzt einfach Himmelswesen.
Das Zusammenleben dieser Himmelswesen gestaltete sich sehr einfach. Denn jeder und jede konnte sich mit Hilfe von Gedanken überall hin bewegen, sie brauchten keine Fahrräder, Autos und Flugzeuge wie die Menschen auf der Erde. Für die Himmelswesen war es nur eine Frage des Gedankens, etwas zu erreichen.
Wenn jemand mit einem Freund sprechen wollte, brauchte er nur an ihn zu denken, und
schon waren sie miteinander verbunden. Diese Wesen konnten sehr gut spüren, was der andere fühlte.
Außerdem brauchten sie nicht zu essen, zu trinken oder zu schlafen. Sie waren immer wachsam und kannten keine Zeit und kein Alter.
Und das Beste an dieser Welt war, dass es nur gute Gedanken gab, angenehme Gefühle und freundschaftliche Beziehungen.
Die Wesen hatten ein unbeschwertes Sein. Aber wie es oft passiert, wenn alles in guter Ordnung ist, wünscht man sich etwas anderes. Die Himmelswesen wollten etwas Neues kennen lernen. Sie wollten auf Entdeckungsreise gehen das ganze Universum erforschen.
Sie wollten sehen, welche wunderbaren Orte es in diesem weiten Raum noch zu besuchen gab.
Einige von ihnen machten sich auf und bewegten sich in Bereiche des Raumes, die sie zuvor noch nie erlebt hatten. Um aber später wieder auf ihren angestammten Platz zurückfinden zu können, entzündete jeder ein helles Licht an seinem liebsten Ort.
Es war eine abenteuerliche Reise, die die Himmelswesen in eine völlig andere Welt führte.
Bald erschien die Erde, unsere Heimat Erde am Horizont. Sie leuchtete prächtig in sattem blau und gefiel den Wesen so gut, dass sie diese neue Welt unbedingt kennen lernen wollten.
Je näher sie der Erde kamen, desto stärker spürten sie Veränderungen in ihrem Körper, vielmehr bekamen sie einen richtig menschlichen Körper. Nun hatten sie nicht nur die Gedanken und Gefühle, mit denen sie sich mitteilen konnten, sondern auch einen greifbaren Körper. Mit allen Sinnen konnten sie nun die Wunder der Erde erforschen.
Jedes Mal am Abend, wenn es finster wurde, gingen die Menschen auf die Felder und blickten zu ihren Lichtern, die sie Sterne nannten. Sie erzählten ihnen von ihren Entdeckungen und Erlebnissen und schickten mit ihren Gedanken prächtige Bilder von der Natur ins Universum.
Leider haben die Menschen mit der Zeit verlernt, mit den Lichtern am Himmel Kontakt aufzunehmen. Sie waren so sehr mit dem eigenen angreifbaren Körper beschäftigt, dass die vergaßen, mit Gedanken und Gefühlen zu sprechen.
Und damit verloren sie auch das Wissen, dass sie eigentlich Himmelswesen waren, welche geführt von der Neugierde dem Planeten Erde einen Besuch abgestattet haben.