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Der kleine dicke Junge

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20.10.2002
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Der kleine dicke Junge

Der kleine dicke Junge starrt mich die ganze Zeit an, während ich im Bus meine Zeitung lese. Er beobachtet fasziniert, wie ich die Seiten überfliege und ebenso lustlos wie vergebens einen Artikel suche, der mich interessieren könnte. Die Landschaft, die Häuser und Menschen, die ich schon viel zu oft gesehen habe, ziehen langsam an mir vorbei. Der kleine dicke Junge sieht aber nicht aus dem Fenster, wie alle anderen. Er schaut nur auf mich. Er ist abstoßend, rein äußerlich gesehen.

Ich bin irritiert und beschäftigte mich weiter mit meiner Zeitung, um ihn nicht merken zu lassen, dass er mir aufgefallen ist. Der kleine dicke Junge verlässt den Bus an der selben Haltestelle wie ich. Er geht einige Meter vor mir und dreht sich immer wieder zu mir um. Ich will ihn nicht beachten und versuche an ihm vorbeizugehen. Der kleine dicke Junge geht schneller, so dass er immer einen Schritt vor mir ist. Ich verstehe nicht, weshalb er das macht und es ist mir eigentlich egal.

Ich gehe also hinter dem kleinen dicken Jungen hinterher und bin über seine Aufdringlichkeit verärgert. Er blickt immer öfter zu mir zurück, um sicher zu gehen, dass ich ihm auch nicht entwische. Ich weiß nicht was der kleine dicke Junge von mir will und schreie ihn an: "Was willst du von mir, du hässliches dickes Kind? Lass mich in Ruhe!". Der kleine dicke Junge bleibt kurz stehen, sieht mir in die Augen und geht dann weiter. Immer einen Schritt vor mir. Ich beschließe ihn zu ignorieren und gehe weiter nach Hause. Immer einen Schritt hinter ihm.
Vor meinem Gartentor schreie ich den kleinen dicken Jungen nicht mehr an. Ich sage nur: "Ich weiß nicht, was du von mir willst. Geh endlich nach Hause." Der kleine dicke Junge antwortet nicht. "Hier kannst du nicht rein", sage ich und schließe das Tor vor ihm. Es beginnt zu regnen und ich betrete das Haus. Ich drehe mich nicht mehr um zu dem kleinen dicken Jungen, ich denke, wahrscheinlich ist er schon längst wieder gegangen. Von meinem Zimmer aus sehe ich doch noch einmal hinunter auf die Straße vor dem Gartentor. Der kleine dicke Junge steht immer noch da, völlig durchnässt.

Ich habe kein Mitleid mit ihm, trotzdem lasse ich ihn ins Haus. Der aufdringliche kleine dicke Junge setzt sich mit seiner nassen und schmutzigen Kleidung in mein Arbeitszimmer und scheint irgendwas von mir zu erwarten. Ich lasse ihn da sitzen. Ich beginne mit meiner Arbeit, sage nichts und er sagt nichts. Er geht mir schrecklich auf die Nerven. Ich ertrage ihn nicht, wie er mich beobachtet und keinen Laut von sich gibt. Der kleine Junge ist entsetzlich fett, hässlich und stinkt. Und er starrt. Die ganze Zeit auf mich.
Ich nehme den Stein, der als Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch liegt. Ich gehe zu dem kleinen dicken Jungen und schlage mit dem Stein mehrere Male auf seinen Kopf. Er wehrt sich gar nicht. Und nun liegt er da bewegungslos mitten in einer Blutlacke auf meinem Fußboden und starrt mich immer noch an.

 

Hauerha!
Dickes Ende... Musste das sein, Bruno?
Wenns darauf hinauslaufen soll, dass der Erzähler den kleinen Dicken tot schlägt, würde ich das am Schluss nur ganz vage andeuten. Dass er den Stein nimmt und ausholt - Schluss. Mehr nicht.

Gruß
Bobo

PS: gut geschrieben!

PPS: Was, wenn's ein dünner Junge gewesen wäre... (hat nichts mit Deinem Text zu tun, ging mir grad so durch den Kopf. Warum sind die kleinen Dicken immer die Prügelknaben...?)

 

Hallo BrunoBrumm

Also ich finde die Geschichte ist gut geschrieben und gut zu lesen, was mir weniger gut gefällt ist der Inhalt. Der klingt für mich unrealistisch. Irgendein Junge läuft einem Mann hinterher, der lässt ihn in sein Haus und erschlägt ihn dann auch noch. Warum in aller Welt?? Wieso hat er ihn nicht draussen stehen lassen. Warum läuft der Junge ihm überhaupt hinterher, warum sagt er nichts und dann auch noch dieses Ende. Klingt alles ein bischen unglaubwürdig. Vielleicht kannst du mehr Hinweise auf den Jungen und seinen Mörder einbauen, damit man Anhaltspunkte bekommt, warum sie so handeln. Oder hat das ganze einen tieferen Sinn der mir verborgen geblieben ist?
Ansonsten versehe ich nicht, was diese Geschichte denn eigentlich aussagen soll.

LG drea

 

hi!
mir hat besonders gut gefallen, wie du die nervtötenden blicke des jungen beschrieben hast! Den sinn der geschichte habe ich allerdings auch nicht herausfinden können :(
mfg onida

 

Hallo Bruno,

ich wiege gerade meinen Kopf. Was ich immer tue, wenn ich nicht recht weiß, was ich von einer Geschichte halten soll.

Wenigstens brauch ich am Stil und anderen formalen Dingen nichts weiter aussetzen, ich kann mich also auf den Inhalt konzentrieren: Ein Mann fährt mit dem Bus nach Hause, wo ihn ein "kleiner dicker Junge" (einem sollte auffallen, dass er immer diese beiden Attribute bekommt) beobachtet. Der sagt nichts, und - wie ich ihn mir vorstelle - hat auch ganz entspannte Gesichtszüge, aus denen man nichts, aber auch absolut gar nichts lesen kann. Das der Mann ihn irgendwann darauf anspricht, habe ich erwartet, erschrak aber dennoch bei der Anrede. Aber der sagt immer noch nichts. Klar, dass der Mann irgendwann Angst bzw. Panik bekommt. Jemand, der nur stumm und hörig seinem Bürojob nachgeht und die Zeitung liest, also die farbloseste 08-15-Gestalt, klar, dass ein solcher nicht gut auf Kinder zu sprechen ist ("Quälgeister, die einen von der Arbeit abhalten").

Und nun lass mich mal ein bisschen interpretieren: Diese menschenegale Auf-sich-Bezogenheit hat sich nun ihn der Gestalt des k. d. J. manifestiert, quasi als Spiegelbild seiner ... "Ängste". Es ist also von vornherein ein provokativer Störfaktor, und wenn der Prot sagt:

Ich verstehe nicht, weshalb er das macht und es ist mir eigentlich egal.

, dann ist das eigentlich nur als Leugnung zu verstehen (sonst würde er sich nicht die ganze Zeit dran stören).

Thema Totschlag: Zwingende Pointe, die sich aus dem Charakter des Prot ergibt. Totschlag ist schließlich immer die einfachste Methode, etwas Störendes/Unbekanntes loszuwerden, wenn auch die allerfeigste.

Für mich ist die Geschichte somit eine gute, und vor allen Dingen neuartige, Gesellschaftskritik gelungen. Egoismus, Unsicherheit, Unfähigkeit mit Unbekanntem umzugehen sind, waren immer, und müssen nicht die Säulen der westlichen Gesellschaft sein.

Alles in allem gern gelesen,
FLoH.

 

hi, ich danke euch sehr für eure kritiken und für eure bereitschaft meine geschichte zu lesen.
meine eigene interpretation für die geschichte ist, dass der kleine dicke junge möglicherweise die selbe person ist, wie der ich-erzähler.
wie floh schon schrieb "quasi als Spiegelbild seiner ... 'Ängste'". natürlich kommt das so aus der geschichte nicht heraus. reine interpretation.

meint ihr, es würde besser, wenn ich in der geschichte auf ähnlichkeiten zwischen dem kleinen dicken jungen und dem ich-erzähler aufmerksam machen würde, und dann das ende etwa so ändern:

Ich nehme den Stein, der als Briefbeschwerer auf meinem Schreibtisch liegt. Ich gehe zu dem kleinen dicken Jungen und schlage mit dem Stein mehrere Male auf seinen Kopf. Er wehrt sich gar nicht und starrt mich immer noch an, während ich bewegungslos in meiner Blutlacke liege.

Sozusagen als eine Art Selbstmord-Ende. Er schlägt auf den kleinen dicken Jungen ein und tötet damit nur sich selbst, weil er ja der kleine dicke Junge ist..

 

Hi-o,

Rein nach dem Nervenkitzel, der nach dem Lesen Deiner Alternative in mir aufgekommen ist, wäre ich glatt dafür. Die Wirkung der Pointe hätte für mich die dreifache Wirkung.

Andererseits würde das die Grundaussage der Geschichte gehörig verändern, aber das willst Du ja. Meine Interpretation ist Dir offenbar nicht gut genug, wie? ;)

Wenn ein Autor von KG.de eine Frage zu seiner Geschichte stellt, dann werden seine Kritiker äußerst hilfreich. Sie sagen: Das entscheide Du, es ist Deine Geschichte.

Ach übrigens: Es ist Deine Geschichte. Entscheide Du. ;)

Wunder Dich dann aber nicht, enttäuschte Resonanz zu bekommen, man finde die ursprüngliche Version besser und überhaupt war früher alles anders etc. pp. :D

FLoH.

 

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